Zukunftsvision Deutschland: Innovation für Fortschritt und Wohlstand
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Über dieses E-Book
Die Herausgeberin Marion Weissenberger-Eibl zeigt Ihnen in diesem Buch eine andere Zukunftsvision für Deutschland und ordnet das deutsche Innovationssystem hinsichtlich Fortschritt und Wohlstand in den europäischen Kontext ein. Ein besonderes Augenmerk legt sie dabei auf die folgenden gesellschaftlichen Bereiche, die sie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet:
- Resiliente Gesellschaft
- Leadership
- Unternehmensentwicklung
- Nachhaltigkeit
- Wohlstand
Durch Einzelbeiträge von maßgeblichen Experten und Expertinnen vertieft dieses Buch spezifische Facetten einer Zukunftsvision Deutschlands exemplarisch an konkreten Unternehmensbeispielen oder an branchenspezifischen Entwicklungspfaden. Die einzelnen Beiträge fußen auf Interviews und Studien über verschiedene Akteure der Wirtschaft wie:
- Start-ups
- Börsennotierte Unternehmen
- Klein- und Mittelständische Unternehmen
- Verbände
- Kammern
Durch die Vielfalt der Beiträge und Autoren stößt dieser Herausgeberband einen Diskurs mit Stakeholdern an und schlägt Themen für die Entwicklung eines „gesunden“ Deutschlands vor, das sich durch Innovationskraft und Zukunftsorientierung auszeichnet. Zudem liefert Ihnen das Buch „Zukunftsvision Deutschland“ Empfehlungen für das Top-Management der Wirtschaft, die Politik und die Wissenschaft, mit denen die Zukunftsfähigkeit der hiesigen Gesellschaft gesichert werden kann.
Beleuchtung unterschiedlicher Aspekte
Als Auftakt erläutert dieses Buch, warum Deutschland überhaupt eine Zukunftsvision braucht. Daneben beleuchtet es folgende Aspekte:
- Meinungsbilder der Deutschen zum Wandel in der Arbeitswelt
- Strukturwandel durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz
- Leadership im Wandel
- Disruptives als Management-Kompetenz
- Politikberatung im Kontext der Nachhaltigkeit
Von der Gegenwart erfolgreich in die Zukunft
Durch diesen thematischen Rundumschlag liefert Ihnen dieser Band Impulse für Zukunftsvisionen, welche Deutschlands Wirtschaftsakteure als Entwicklungsgrundlage für Führungs- und Unternehmensstrategien nutzen können, um so die Innovationsfähigkeit in einem immer komplexeren Umfeld, geprägt von tiefgreifenden Veränderungen, zu sichern. Das Buch „Zukunftsvisionen Deutschland“ richtet sich speziell an Praktiker und Experten folgender Bereiche:
- Management
- Strategie
- Personal- und Unternehmensentwicklung
Weitere Bände sind in Planung.
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Buchvorschau
Zukunftsvision Deutschland - Marion A. Weissenberger-Eibl
Hrsg.
Marion A. Weissenberger-Eibl
Zukunftsvision DeutschlandInnovation für Fortschritt und Wohlstand
../images/462025_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.pngHrsg.
Marion A. Weissenberger-Eibl
Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe, Deutschland
ISBN 978-3-662-58793-5e-ISBN 978-3-662-58794-2
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58794-2
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Vorwort
Futures Literacy als Türöffner für Zukünfte
Gemäß Victor Hugo hat die Zukunft viele Namen: Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance. Seien wir doch mutig und ergreifen die Chance.
„Deutschland ist reich an Innovationskapital und an wissenschaftlichen Ressourcen, aber es mangelt an einem kreativen Umgang mit neuen Möglichkeiten und an kreativer und nachhaltiger Ressourcennutzung. Eine Durchdringung gesellschaftlicher Subsysteme (z. B. Bildung) mit zukunftsfähiger Innovationskultur fehlt ebenso wie geeignete Räume zur Erprobung von Neuem. Ansatzpunkte für einen Paradigmenwechsel bieten sich durch die Reform innovationshemmender Institutionen, der Eröffnung von Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit der Zukunft und kreativen Ansätzen in der Bildung. Die Politik kann als ein Akteur unter anderen die Innovationskultur nur mittelbar mitprägen. Sie kann aber Akzente setzen: sie kann Themen auf die Agenda der Forschungs-, Innovations- und Bildungspolitik setzen, sie kann Rahmenbedingungen gestalten und Möglichkeitsräume eröffnen, sie kann gesellschaftliche Diskurse anstoßen und damit zum Vorreiter des Paradigmenwechsels werden."
Dieses Statement formulierte ich in der Themengruppe „Wovon wollen wir leben" anlässlich des Expertendialogs 2012, den die Bundeskanzlerin im Rahmen ihres Zukunftsdialogs veranstaltete. Meine zentrale Forderung lautete: Paradigmenwechsel einläuten: Mehr Beweglichkeit in der Innovationskultur. Und sie gilt weiterhin.
Lern- und Experimentierräume haben es inzwischen geschafft, als Element für die Auseinandersetzung mit den Grand Challenges – den großen Herausforderungen unserer Gesellschaft – verstanden zu werden. Sie regen an, ein Gefühl für die Möglichkeiten, ein Verständnis für die Risiken und eine dringende Verpflichtung zur Beschleunigung des Fortschritts zu entwickeln. Doch eine Zukunftsvision für Deutschland hat unterschiedliche Perspektiven zu beleuchten und zu berücksichtigen. Eine solche zu diskutieren scheint umso besser zu gelingen, je intensiver wir uns der „Futures Literacy" zuwenden. Futures Literacy verdeutlicht die Fähigkeit, das Potenzial der Gegenwart im Lichte neuer Paradigmen zu erkennen, weitgestreutes Wissen um Wandel zu identifizieren und für Lösungsbeiträge der großen Herausforderungen der Gesellschaft gestalterisch einzusetzen.
Zahlreiche Signale für die Veränderung des Zusammenwirkens sind virulent: neue Formen der Vermittlung zwischen Bedarf und Angebot, neue Koordinationsmechanismen, neue Akteurskonstellationen, neue Anforderungen an Innovationen und ein neues Grundverständnis von Innovation, das beispielsweise explizit soziale Innovationen thematisiert. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns den Fragen stellen: Wie kann der Innovationsstandort Deutschland mit knapper werdenden Ressourcen leistungsfähig bleiben, beispielsweise durch die Entwicklungen alternativer Technologiekonzepte und Lebens- und Arbeitsmodelle? Wie vereinbaren wir die für Innovationen notwendige Risikobereitschaft mit unserem Bedürfnis nach Sicherheit? Wie können Experimentierfreudigkeit und (Selbst-)Vertrauen gestärkt werden? Wie können alle Akteure im Innovationssystem befähigt werden, Innovationen systemisch zu denken und konkret umzusetzen? Was bedeutet eine systemische Orientierung für das Erproben und Erlernen von spezifischen Kompetenzen? Wie können die Zeithorizonte, die technischen und nicht-technischen Aspekte sowie die Entscheidungskontexte und -strukturen in Netzwerken berücksichtigt werden? Wie kann Partizipation, Kommunikation und Einstellung zu Innovation in der Gesellschaft gefördert werden? Wie können Kunden, Anwender und Bürger stärker in Innovationsprozesse eingebunden werden, beispielsweise auch um den gesellschaftlichen Rückhalt für Innovationen zu verbessern? Wie kann eine kritische Öffentlichkeit auch als Ressource für Innovationen betrachtet werden?
Um sich diesen und weiteren Fragen zu stellen bedarf es Mut und Vorstellungskraft – um nicht Fantasie zu sagen – damit das Neue in die Welt kommen kann, darf und verstanden wird. Es gilt den Mut zu haben, sich das Unvorstellbare vorzustellen und die damit oftmals einhergehende Ungewissheit als Chance zu begreifen und sich trotz nicht-vorhersehbarem Ausgang auf sie einzulassen – und zwar in der Gewissheit die Fähigkeit zu besitzen, das Ungewisse bewältigen zu können. Dies trägt den Zauber und die Begeisterung für das Morgen und Übermorgen weiter.
Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft stellen auf Basis langjähriger Erfahrungen und Expertise ihre Sicht auf die Ausgestaltung einer Zukunftsvision für Deutschland in diesem Band dar. Dabei haben sie vor allem die Aspekte resiliente Gesellschaft, Leadership und Unternehmensentwicklung sowie Nachhaltigkeit und Wohlstand im Blick. Die Beiträge zielen darauf ab, Impulse zu setzen und Denkrichtungen aufzuzeigen. Damit eröffnen sie eine möglichst umfassende Perspektive einer diskutablen Zukunftsvision für Deutschland.
Mein Dank gilt insbesondere den Autoren des Herausgeberbandes: Ramin Assodollahi, Martin Brudermüller, Ralph Henn, Daniel Jeffrey Koch, Hagen Lindstädt, Simone Menne, Werner Neumüller, Reinhold Popp, Kati Najipoor-Schütte, Ulrich Reinhardt, Gabriele Sons, Orestis Terzidis und Rainer Walz. Meinen ganz besonderen Dank spreche ich meinen Kolleginnen am Fraunhofer ISI und meinem Team am Lehrstuhl Innovations- und Technologiemanagements iTM am Karlsruher Institut für Technologie KIT aus: Daniela Beyer, Meike Schiek und Lilian Maier. Ohne ihre Unterstützung, die inspirierenden Diskussionen und die professionelle Umsetzung der Ideen gemeinsam mit dem Springer-Verlag – vertreten durch Christine Sheppard und Janina Tschech – hätte dieser Herausgeberband nicht entstehen können.
Marion A. Weissenberger-Eibl
Inhaltsverzeichnis
Teil I Einleitung
Der Weg in die Zukunft 3
Daniela Beyer, Meike Schiek und Marion A. Weissenberger-Eibl
Teil II Empirische Ergebnisse
Zwischen Zukunftsangst und Zuversicht 17
Reinhold Popp und Ulrich Reinhardt
Teil III Resiliente Gesellschaft
Strukturwandel durch künstliche Intelligenz – Herausforderungen und Chancen sowie der Einfluss der Rahmenbedingungen regionaler Gründungsökosysteme auf die Auswirkungen für die Gesellschaft 69
Ralph Henn und Orestis Terzidis
Das resiliente Unternehmen im Mittelstand – Am Beispiel der Neumüller Unternehmensgruppe 97
Werner Neumüller
Teil IV Leadership
Führen mit Sinn – Impulse zur Leadership in einer unruhigen Welt auf Basis einer aktuellen Studie 115
Kati Najipoor-Schütte
Leadership im Wandel 125
Gabriele Sons
Analyse und Wargaming von Disruptives als Management-Kompetenz 149
Hagen Lindstädt
Teil V Unternehmensentwicklung
Unternehmenskultur 167
Simone Menne
Unternehmensentwicklung aus Sicht von Start-ups und Gründern 183
Ramin Assadollahi
Teil VI Nachhaltigkeit
Politikberatung im Kontext Nachhaltigkeit 195
Rainer Walz
Teil VII Wohlstand
Starkes Europa mit Leidenschaft für Innovation 217
Martin Brudermüller
KI-Technologieschock und Zukunftsstau 239
Daniel Jeffrey Koch
Teil IEinleitung
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019
Marion A. Weissenberger-Eibl (Hrsg.)Zukunftsvision Deutschlandhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-58794-2_1
Der Weg in die Zukunft
Warum Deutschland eine Zukunftsvision braucht
Daniela Beyer¹ , Meike Schiek¹ und Marion A. Weissenberger-Eibl²
(1)
Fraunhofer Institut für System und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, Deutschland
(2)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Fraunhofer Institut für System und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, Deutschland
Daniela Beyer (Korrespondenzautor)
Email: daniela.beyer@isi.fraunhofer.de
Meike Schiek
Email: meike.schiek@isi.fraunhofer.de
Marion A. Weissenberger-Eibl
Email: marion@weissenberger-eibl.de
Dr. Daniela Beyer
ist wissenschaftliche Referentin am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe und Lehrbeauftragte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit Innovationsforschung, Digitalisierung sowie der Zukunft von Forschung und Lehre. Nach einem quantitativen Politikwissenschaftsstudium in Mannheim und interdisziplinären Master am SAIS Bologna Center der Johns Hopkins University arbeitete Daniela Beyer als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Konstanz und promovierte parallel an der Graduate School of Decision Sciences. Der Fokus lag dabei auf Entscheidungsfindungs- und Agenda-Setzungsprozessen.
Dr. Meike Schiek
ist als wissenschaftliche Referentin am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe tätig. Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen auf den Themen Innovation, Zukunft der Arbeit, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie Mobilität. Meike Schiek promovierte zum Thema Corporate Regional Responsibility am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Dort war sie von 2009 bis 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin, zuletzt in der Arbeitsgruppe Stadt- und Regionalökonomie. Danach leitete sie die Geschäftsstelle der Gesellschaftsinitiative Zukunft durch Industrie e. V. in Düsseldorf.
Univ.-Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl
leitet das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe und ist Inhaberin des Lehrstuhls für Innovations- und TechnologieManagement am Institut für Entrepreneurship, Technologie-Management und Innovation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Sie arbeitet zu Entstehungsbedingungen von Innovationen und deren Auswirkungen. Schwerpunkte ihrer Forschung bilden dabei das Management von Innovationen und Technologien, Roadmapping, die strategische Vorausschau und -Planung, Unternehmensnetzwerke sowie Wissensmanagement. Die studierte Bekleidungstechnikerin sowie Betriebswirtschaftlerin promovierte und habilitierte sich an der Technischen Universität München. In Wirtschaft und Politik ist sie eine geschätzte Expertin in den Fokusthemen Digitalisierung, Innovation und Zukunftsforschung.
1 Heute mit dem Morgen auseinandersetzen
Die ganze Welt ist im Wandel. Die „Grand Challenges, die großen Herausforderungen wie Klimawandel, Migration und Gesundheit, zeigen auf, dass die Welt einen Richtungswechsel braucht. Ein „weiter wie bisher
ist nicht mehr möglich. Die Entwicklungsspirale dreht sich so schnell, dass man Gefahr läuft, den Anschluss zu verlieren. Das gilt für den einzelnen Menschen wie auch für ganze Nationen, für einzelne Unternehmen wie auch für ganze Branchen. Um Veränderungen steuern – im Sinne von anstoßen, begleiten, fördern oder auch entgegentreten – zu können, sind Vorstellungen über die Zukunft wichtig. Wohin wollen wir als Gesellschaft? Wie soll beispielsweise das Energiesystem der Zukunft gestaltet sein? Oder wie soll Mobilität künftig aussehen? Im Zentrum eines Wandlungsprozesses ist eine Vision über eine wünschenswerte Zukunft daher essenziell. Sie dient als Treiber und Orientierungspunkt für alle Akteure und damit auch für Fortschritt und Entwicklung.
Innovation ist seit jeher Instrument, um einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel zu leiten. Gleichzeitig erfordern neue Herausforderungen auch neue innovative Lösungen und technische Entwicklungen. So führen Innovationen vom „Heute ins „Morgen
und ermöglichen beispielsweise Medikamente mit weniger Nebenwirkungen, Roboter, die gefährliche Arbeit für den Menschen übernehmen oder die Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Innovation sichert die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, geht aber noch einen Schritt weiter. Heute steht nicht mehr die einzelne Neuerung – meistens hervorgerufen durch eine neue Technologie wie beispielsweise das MP3-Format – im Fokus, sondern das „Veränderungspotenzial. Innovationen haben die Fähigkeit, ein System grundlegend zu verändern – zu transformieren. Dabei wird in der Zukunft nicht das „Mehr
, sondern das „Anders und Besser" entscheidend sein. Im Zentrum steht dabei die Transformation ganzer sozio-technischer Systeme. Die Zahl aktueller Beispiele ist hoch: Elektromobilität oder der Wandel des Energiesystems, Industrie 4.0 oder die Einführung der 5G-Technik für die Datenübertragung sind solche Themen.
Technische Errungenschaften, die weitreichenden Wandel auslösten, gab es schon immer. Der Buchdruck brachte nicht nur die Möglichkeit, Bücher zu drucken. Er hatte zur Folge, dass Wissen für viel mehr Menschen zugänglich wurde. Die Eisenbahn ermöglichte Transport, Handel und die Erschließung neuer Regionen. Entwicklungsschübe wie diese sind in der klassischen Wirtschaftstheorie der Kondratieff-Zyklen beschrieben (Kontradieff 1926). Hierbei wird davon ausgegangen, dass eine Basisinnovation langfristige wirtschaftliche Folgen mit sich bringt und ein neues Zeitalter einläutet. Diese Perspektive berücksichtigt jedoch nicht, dass nicht immer die Technologie den Wandel einläutet, sondern eine zu lösende Herausforderung auch zu Technologieentwicklung und Innovation führen kann (Weissenberger-Eibl 2004). Die „Grand Challenges" erfordern folgenreiche Neuerungen, die vom gewohnten Schema abweichen und Wandel anstoßen. Daher spielt nicht nur die Technologienentwicklung eine wichtige Rolle für das Innovationsgeschehen, sondern ebenso beeinflussen soziale, ökologische, politische und wirtschaftliche Kontextfaktoren und Wechselwirkungen die Innovationsaktivitäten und ihre Richtungen.
Die Entwicklungen in der Informationstechnik, der Digitalisierung und der Automatisierung, die den letzten Kondratieff-Zyklus entscheidend geprägt haben, beeinflussen unvermeidbar, wie wir arbeiten und zusammenleben (Weissenberger-Eibl 2018). Digitale Technologien stellen eine große Chance dar, Dinge besser zu machen und tragen dazu bei, dass Deutschland langfristig gut aufgestellt ist. Um beispielsweise die Energieversorgung auf lange Sicht sicherzustellen, werden wir mithilfe immer komplexerer digitaler Datenmodelle alle nur möglichen Effizienzpotenziale ausschöpfen müssen. Der Gesundheitsbereich erfährt aktuell eine Revolution, weil neue Technologien individualisierte Diagnose und Therapie ermöglichen. Auch hier ist die Digitalisierung die zentrale Schlüsseltechnologie. Ebenso werden zentrale Fragen des gesellschaftlichen Zusammenspiels, und vor allem die politische Entscheidungsfindung, auf der Basis digitaler Technologien einen fundamentalen Wandel erfahren. Daraus resultieren neue Möglichkeiten, um eine nachhaltige Gesellschaft zu gestalten. Jedoch ist die Digitalisierung nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck zu verstehen. Die Bedürfnisse des Menschen und seiner natürlichen Umwelt müssen im Fokus der Entwicklung stehen.
Ein entscheidendes Entwicklungspotenzial der Digitalisierung liegt in der Vernetzung von verschiedenen Themengebieten wie zum Beispiel in der Fusion von Energie- und Verkehrssystemdaten. Nur wenn Wissen aus beiden Bereichen zusammentrifft, kommt ein langfristig sinnvolles Konzept für beispielsweise die Elektromobilität heraus. Die Kombination von Themen hat also Sinn, um ein ganzheitliches Bild zu bekommen. Auch für eine Zukunftsvision Deutschland gilt es, verschiedene Bereiche und Perspektiven zusammenzuführen. Deutschland braucht Vorstellungen über die gewünschte Entwicklungsrichtung und ein ganzheitliches Zukunftsbild, auf das die Gesellschaft zulaufen kann. Wenn gesellschaftliche Akteure den Prozess nicht proaktiv gestalten, kann es sein, dass sich die Entwicklung in eine ganz andere Richtung bewegt. Technologien wie die Digitalisierung dürfen nicht Entwicklungen und Trends befördern, die sogar mehr Ressourcen erfordern und verbrauchen. Das hätte wenig nachhaltige Folgewirkungen. Es gilt daher, die Entwicklungen mitzugestalten – und nicht davon überrollt zu werden.
Wenn Deutschland der Zukunft aktiv begegnen will, muss sich die Gesellschaft so fit machen, dass die „Zukunft kommen kann" – welche auch immer dann konkret eintritt. Am Ende wird es darum gehen, adaptiv und agil mit Verschiebungen, Schocks und anderen Ereignissen umzugehen. Damit wird Resilienz, das heißt die Fähigkeit, auf externe Faktoren kompetent zu reagieren, zu einer zentralen Zielgröße der gesellschaftlichen Transformation. Eine resiliente Gesellschaft sichert die Zukunftsfähigkeit aller Akteure.
Auch in der Wirtschaft sind Veränderungen nötig, damit in Deutschland die Transformation gelingen kann. Unternehmen jeder Größenordnung müssen innovativ agieren, wenn sie konkurrieren wollen. So hat jedes Unternehmen die Aufgabe, den Blick nach vorne zu richten. In Start-ups kommt viel Kreativität, Mut und Tatendrang zusammen. In etablierten Unternehmen sind erprobte Prozesse, Perfektion und längere Innovationszyklen eher an der Tagesordnung. Mitunter besteht die Gefahr, dass sie von völlig unerwarteten Innovationen überrascht werden. Gerade im Kontext der rasant zunehmenden Digitalisierung entstehen Innovationen und Unternehmungen, die ganze Branchen in Bewegung bringen und die Welt radikal verändern. Unabhängig von Größe, Branche und Geschäftsmodell haben Unternehmen die Pflicht, wachsam das Unternehmensumfeld zu beobachten und auf neue Trends auf sozialer, technologischer, ökonomischer, ökologischer und politischer Ebene in ihren Strategien zu reagieren. Jede Firma steht vor spezifischen „Grand Challenges" und ist heute extrem gefordert, wenn sie ihre langfristige Fitness sicherstellen will. Dafür müssen Entscheider strategische Entscheidungen treffen.
Zu diesen Entscheidungen gehört auch Führung neu zu denken. Hierfür stehen Begriffe wie Leadership. Kotter (1990) definiert Leadership in seinem Werk „A Force for Change: How Leadership Differs from Management" wie folgt: Manager seien eher Verwalter, Leader dagegen Visionäre. Im Management ginge es darum, Abläufe zu planen und zu kontrollieren. Leadership hingegen solle inspirieren und motivieren. Wenn es darum geht Transformationen erfolgreich zu gestalten, braucht es Leader, die tradierte Pfade verlassen und neue Wege gehen. Indem Leader neue Vorstellungen artikulieren, tragen sie dazu bei, eine Zukunftsvision zu entwickeln. Indem sie neue Ideen umsetzen und damit Neuland betreten, zeigen sie im Idealfall auf, wie der Wandlungsprozess gestaltet werden kann.
Der Blick der Gründer auf das Thema Unternehmensentwicklung unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den Perspektiven etablierter Unternehmer. Doch eines ist beiden gemein: Für den eigenen Fortbestand und damit auch für die Zukunftsfähigkeit Deutschland sind Unternehmen, die sich beständig weiterentwickeln und neue Wege gehen, essenziell. Die unternehmerischen Wege können sich dabei stark unterscheiden. Doch im besten Fall lernen die Akteure voneinander. Eine Vision für die Zukunft benötigen beide.
Auch die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit ist ein Prozess, den die Gesellschaft zu gestalten hat. Im gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskurs hat die Ökologie aus historischen Gründen oft im Vordergrund gestanden. Denn die Weltgemeinschaft begann sich im Laufe des 20. Jahrhunderts mit den Problemen der Umweltverschmutzung, den Folgen von Überbevölkerung und dem schonungslosen Umgang mit Ressourcen zu beschäftigen. Nachhaltigkeit befasst sich jedoch mit dem Zusammenspiel der drei Dimensionen „Ökologie, „Ökonomie
und der „sozialen Ebene". Ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel sind die von der UN aufgestellten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Vereinte Nationen 2015). Die 17 Ziele machen klar, dass alle drei Dimensionen berücksichtigt werden müssen, um die Weichen für eine nachhaltige Zukunft zu stellen. Betrachtet man die drei Dimensionen isoliert voneinander, stößt man schnell an Grenzen. Die Politik hat dabei nun die Aufgabe, Rahmenbedingungen setzen und Agenda-Setting zu betreiben. Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist die Politik auch auf eine wissenschaftlich fundierte Politikberatung angewiesen. Auch Wirtschaft und Gesellschaft sind gefordert, nachhaltige Wege einzuschlagen.
Ein entscheidender Zielkonflikt besteht nach wie vor zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit. Wenngleich sich die Diskussionen um eine nachhaltige Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten intensiviert haben, stand im 20. Jahrhundert das Wachstumsziel im Vordergrund, um den Wohlstand zu fördern. Heute geht es vermehrt darum, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu fördern, um Handlungsspielräume zu erhalten. In Zukunft kommt es bei Wachstum darauf an, ein Mehr an struktureller Stärke wie Flexibilität, Adaptionsfähigkeit und Potenzial sicherzustellen, anstatt ein Mehr an Waren und Dienstleistungen. Gleichzeitig sind Innovationsaktivitäten notwendig, um solche neuen Wege gehen zu können. Für Deutschlands Zukunftsfähigkeit ist es daher essenziell, ein innovationsfreundliches Umfeld zu fördern.
Innovationen – verstanden als Sprungbrett in die Zukunft – fallen nicht einfach vom Himmel. Dafür bedarf es Anstrengungen von allen gesellschaftlichen Akteuren sowie einen starken Verbund aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Sie sind Teil des Innovationssystems, auf welchem sich die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft und eines Landes gründet.
2 Systemverständnis für Handlungsspielräume
Ein Plan kann immer nur so gut sein wie seine Anpassungsfähigkeit. Dies zu akzeptieren wird besonders deshalb immer relevanter, weil es immer mehr einflussnehmende und vor allem schnell veränderliche Kontextfaktoren gibt. Für das Verständnis von Innovationen, die die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sichern sollen, müssen daher Rahmenbedingungen und Wechselwirkungen mitgedacht werden.
Innovation geschieht nicht einfach. Innovationen entstehen in einem komplexen System, das auf dem Zusammenspiel einer Vielzahl an Akteuren, Handlungsfeldern und Prozessen beruht. In dieses System muss sich eine Innovation dann auch einfügen. Eindimensionales Denken, das nur einen Ausschnitt des Systems in Betracht zieht, führt daher nicht zum Erfolg. Stattdessen gilt es, alle zugrunde liegenden Mechanismen und Wechselwirkungen zu betrachten (Weissenberger-Eibl 2017), um Handlungsspielräume zu eröffnen. Dazu gehört, von Anfang an die unterschiedlichen Akteure in den Innovationsprozess einzubeziehen:
Sowohl die Angebotsseite als auch die Nachfrageseite kann relevanten Input liefern. Auf der Nachfrageseite sind vor allem gesellschaftliche Akteure, der öffentliche Sektor oder Wirtschaftsakteure für den Innovationsprozess wichtig. Auf der Angebotsseite standen lange Zeit nur ökonomische Akteure im Fokus. Aber auch der öffentliche Stakeholder oder Nutzer können Neuerungen, nicht zuletzt im sozialen Kontext, einführen und umsetzen. Entscheidenden Input können beispielsweise Wissenschaftler, Kapitalgeber, Mediatoren und Bildungsakteure liefern. In jedem Falle funktioniert das Ganze nur in einem komplexen Innovationsrahmen. Institutionen wie Gesetze und Normen, Infrastrukturen, Policies und der soziokulturelle Kontext tragen zum Gelingen von Innovationen bei (Warnke et al. 2016).
Dabei gilt zu bedenken, dass Wirtschaft, Politik und Gesellschaft einem permanenten und rasanten Wandel unterworfen sind – wegen der zunehmend globalisierten Wirtschaft, sich verschärfenden Umweltbedingungen oder grundlegenden technischen Entwicklungen. Innovationen sind dabei Ursache für den Wandel. Gleichzeitig ermöglichen sie es, diesen Wandel aktiv mitzugestalten. Eine wichtige Basis dafür ist das Verständnis des Innovationssystems. So lässt sich analysieren, wie das Neue in die Welt kommt und welche Handlungsspielräume sich aus der Innovation ergeben können. Die öffentliche Hand ebenso wie die Wirtschaft können damit frühzeitig auf Entwicklungen reagieren und ihr Handeln strategisch ausrichten.
Für ein valides Gesamtbild des Innovationsgeschehens muss die Vielzahl entscheidender Akteure und relevanter Mechanismen einbezogen werden. Es geht heute nicht mehr nur darum, isolierte Fragestellungen durch einzelne Lösungen zu beantworten, sondern darum, ganze sozio-technische Systeme zu transformieren, etwa das Energie-, das Verkehrs- oder das Gesundheitssystem (Eichhammer et al. 2018). Hierbei sind ebenso technische Lösungen zu generieren, wie organisatorische und gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern. Die größten Hürden bestehen insbesondere darin, die relevanten Akteure zusammenzubringen und das Zusammenspiel der Beteiligten zu orchestrieren.
3 Zukunft und Fortschritt gestalten
Es reicht nicht aus, auf die Zukunft zu warten. Viel wichtiger ist es, dass die Gesellschaft Zukunft und Fortschritt in eine wünschenswerte Richtung lenkt. Es gibt zwar keine Glaskugel, die die Zukunft voraussagt, doch wissenschaftliche Methoden der strategischen Vorausschau ermöglichen uns, den Blick in die Zukunft zu öffnen und Gestaltungsräume zu erfassen. Eine solche Vorausschau in die Zukunft ist nicht nur spannend, sondern essenziell: Denn nur wenn eine Gesellschaft sich mit Zukunft und Fortschritt beschäftigt, kann sie diese auch gestalten. Die Chance gilt es zu nutzen. Dabei erfordert ein Vorausdenken, das Heute zu analysieren sowie Erwartungen über das Morgen und möglichst alle einflussnehmenden Faktoren einzubeziehen.
Zu bedenken ist dabei, dass heutige wie zukünftige Herausforderungen komplexer werden und gleichzeitig die Entwicklungsgeschwindigkeit steigt. Veränderung bedeutet häufig, dass Neuland betreten wird. Daher fehlen Erfahrungswerte und nur äußerst selten reicht planmäßig-rationales Entscheiden aus, um mit den entstehenden Unsicherheiten umzugehen. Früher konnten einzelne Akteure Neuerungen vorantreiben. Aus der zunehmenden Komplexität und Dynamik resultiert, dass sich im Heute und Morgen Hunderte und Tausende am Wandel beteiligen und die Entwicklung vorantreiben. Mehr Entscheidungsbeteiligung erfordert jedoch auch klar strukturierte, systematische Prozesse, um strategisch agieren zu können. Solche Prozesse erfordern, dass sich die Akteure auf ein gemeinsames Ziel verständigen – so die Idee einer Zukunftsvision.
Strategische Entscheidungen werden auf Basis von Zukunftserwartungen und -vorstellungen getroffen. Dazu ist es wichtig, sich aktiv mit möglichen sowie unerwünschten Entwicklungen auseinander zu setzen. In der Zukunftsforschung ist daher nicht nur von Zukunft, sondern von Zukünften die Rede. Foresight-Methoden ermöglichen eine solche strategische Vorausschau. In der Praxis bedeutet dies, gesellschaftlichen und technologischen Wandel zu analysieren, um mit Akteuren aus allen gesellschaftlichen Bereichen Szenarien und Strategien zu entwickeln (Zweck et al. 2015). Trendanalysen können beispielsweise Zukunftsannahmen zu plausiblen Zukünften verdichten. Hieraus lassen sich dann Handlungsoptionen ableiten, womit Unsicherheiten gemanagt werden können. Dafür müssen alle betroffenen Stakeholder mit ihren unterschiedlichen Perspektiven zusammengebracht werden. Ansonsten bleiben relevantes Wissen und auch die Bedürfnisse von Nutzern unberücksichtigt.
Innovation ist also keine Einzelaufgabe, sondern Teamwork. Die Lösung großer Aufgaben endet auch nicht an Branchengrenzen. Das macht Innovation zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Die Politik kann gesellschaftliche Findungsprozesse anstoßen und moderieren. Dabei ist es ihre Rolle, Akzente zu setzen, indem sie Themen aufgreift und auf die Agenda der Forschungs-, Innovations- und Bildungspolitik setzt. Dazu gehören im Besonderen auch Nachwuchs- und Talentförderung und die Stärkung der Ausbildung. Weiterhin muss der Staat auch Infrastrukturen schaffen. Er kann Rahmenbedingungen gestalten, was bedeutet Möglichkeitsräume zu eröffnen, neue Ansätze zu fördern und Regeln zu setzen. Auf diesem Nährboden können durch wirtschaftliche und andere Initiative Innovationen entstehen, die die großen Herausforderungen angehen.
Die Gestaltung der Zukunft erfordert ein klares Commitment von allen Seiten wie auch eine wahrgenommene Notwendigkeit dafür. Der Weg in die Zukunft wird sicherlich nicht einfach – und zwar nicht deswegen, weil es in Deutschland bisher schlecht läuft, sondern, weil es immer noch gut läuft. Ein eingespieltes und erfolgreiches System ist sehr stabil und schwer zu ändern. Um jedoch die großen Herausforderungen, die sich deutlich am Horizont zeigen, zu meistern und auch in Zukunft vorne dabei zu sein, gilt es, die heutige Komfortzone zu verlassen. Fortschritt und Richtungswechsel verlangen Neugier und Mut, widerstrebende Perspektiven, Ansichten und Denkweisen. Entscheidend ist es also, dass eine Gesellschaft die Neugierde pflegt, sich bewusst mit