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Führungspraxis für Ingenieure und IT-Experten: Der Werkzeugkasten für effektive Führungskräfte in der IT der Zukunft
Führungspraxis für Ingenieure und IT-Experten: Der Werkzeugkasten für effektive Führungskräfte in der IT der Zukunft
Führungspraxis für Ingenieure und IT-Experten: Der Werkzeugkasten für effektive Führungskräfte in der IT der Zukunft
eBook449 Seiten4 Stunden

Führungspraxis für Ingenieure und IT-Experten: Der Werkzeugkasten für effektive Führungskräfte in der IT der Zukunft

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Über dieses E-Book

Das Buch geht auf die konkreten Probleme der Führung in der IT ein, räumt mit überholten Standardlehren auf und konzentriert sich auf die Fähigkeiten der IT-Führungskraft der Zukunft. Der Leser erhält sofort umsetzbare Handlungsempfehlungen, die durch Fallbeispiele auf Basis von Interviews mit IT-Führungskräften internationaler Unternehmen ergänzt werden.
Wenn Sie es als IT-Führungskraft satt haben, dass die IT als Kostenfaktor statt als Business Enabler gesehen wird, wenn Sie überzeugt sind, dass die IT der Zukunft eine ganz andere Arbeits- und Führungsweise erfordert, wenn Ihre IT nicht mehr als Handlanger zur sinnbefreiten Kennzahlen-Generierung missbraucht, sondern als innovativer Partner des Business akzeptiert werden soll, dann ist dieses Buch genau das Richtige. Wollen Sie jedoch weitermachen wie bislang, ist es nichts für Sie.                                    

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Vieweg
Erscheinungsdatum12. Nov. 2019
ISBN9783658266004
Führungspraxis für Ingenieure und IT-Experten: Der Werkzeugkasten für effektive Führungskräfte in der IT der Zukunft

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    Buchvorschau

    Führungspraxis für Ingenieure und IT-Experten - Axel Rittershaus

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    A. RittershausFührungspraxis für Ingenieure und IT-Expertenhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-26600-4_1

    1. Führungsherausforderungen der internen IT

    Axel Rittershaus¹  

    (1)

    Kapstadt, Südafrika

    Axel Rittershaus

    Email: ar@targetter.de

    „Unsere IT blockiert unser Geschäft. Sie ist zum Hemmschuh des Unternehmens geworden und macht keinerlei Anstalten, uns mit innovativen Ansätzen zur Digitalisierung unseres Geschäftsmodells voranzubringen.", sagt ein führender Mitarbeiter eines Großkonzerns.

    Er ist nicht der Einzige, der so über die Konzern‐IT spricht.

    Es gibt Unternehmen, in denen der IT‐Bereich als Innovationstreiber und leistungsstarkes Rückgrat des Unternehmens gesehen wird. Bei denen die IT‐Mitarbeiter jeden Tag mit Stolz zur Arbeit gehen. Leider ist das die Ausnahme. Dabei wollen nahezu alle IT‐Mitarbeiter, die ich in den letzten 20 Jahren kennen gelernt habe, dem Unternehmen durch ihre Arbeit helfen, besser am Markt bestehen zu können. Sie wollen innovativ sein, Nutzen bringen und das Unternehmen vor Cyber‐Angriffen schützen. Sie wollen geniale Software entwickeln, die richtungsweisend ist. Sie wollen für das, was sie tun, auch wertgeschätzt werden.

    Obwohl die Mitarbeiter die besten Absichten verfolgen, hat die IT leider ein katastrophal schlechtes Image.

    Was eine Schande ist, da heute und in Zukunft ohne IT in Unternehmen nichts mehr geht. Wenn Ideen wie Industrie 4.0 wirklich funktionieren sollen, dann ist eine leistungsstarke IT die Erfolgskomponente schlechthin.

    Man kann jammern, schimpfen, sich rechtfertigen. Aber das ändert nichts an der Wahrnehmung der internen IT durch die anderen Unternehmensbereiche.

    Man kann aufgeben, klein beigeben und mahnend den Finger heben. Aber das frustriert nur noch mehr.

    Man kann sich aufrappeln, alle Uhren auf 0 stellen und zu der IT werden, die dafür sorgt, dass das eigene Unternehmen das beste und leistungsfähigste in seinem Markt wird. Das erfordert zuallererst bei sich selbst anzufangen und die IT‐Organisation auf Vordermann zu bringen, Erinnerungen an die gute alte Zeit zu beerdigen und damit auch jegliches IT‐System auf den Prüfstand zu stellen – egal wie sehr man emotional daran hängen mag.

    Lassen Sie uns loslegen und die IT dort positionieren wo sie hingehört.

    1.1 Was ist die Aufgabe der IT‐Abteilung?

    Wer für alles zuständig ist, ist vor allem für all das verantwortlich, was schief geht.

    Was würden Sie zu folgendem Auftrag sagen:

    „Statten Sie einen im Flug befindlichen, vollbesetzten A380 auf 33.000 m Höhe mit einem neu entwickelten Glasboden aus, der zum Zeitpunkt der Flugzeugkonstruktion noch nicht erfunden und somit nicht eingeplant war. Ermöglichen Sie bitte den Fluggästen den Genuss von 3-D-Kino, auch wenn die Video‐Systeme bei Abflug noch 2-D‐Geräte waren. Parallel dazu entwickeln Sie mit dem Rest Ihrer Mannschaft und ein paar jungen Ingenieuren ohne Berufserfahrung ein neues Flugzeug mit Überschallgeschwindigkeit. Aufgrund des Zeitdrucks und des Wettbewerbs müssen die ersten Fluggäste schon in diesen neuen Flieger umsteigen, sobald 70 % des Flugzeuges hergestellt sind, da sich der neue Rumpf bei einem Test am Boden als stabil erwiesen hat. Schief gehen darf dabei natürlich nichts. Dass der Gesetzgeber zusätzliche Auflagen für Flugsicherheit angekündigt aber noch nicht publiziert hat, ist für Sie kein Problem."

    Klingt wahnsinnig, oder?

    IT‐Abteilungen aller Großunternehmen müssen mit reduzierten Mitteln sowohl jahrzehntealte Systeme am Laufen halten, als auch gleichzeitig durch Neuentwicklungen ersetzen. Parallel dazu müssen sie die wöchentlich neu auf den Markt kommenden Technologien kennen, analysieren und wenn möglich nutzen. Das Einhalten gesetzlicher Auflagen wird stillschweigend vorausgesetzt.

    Unternehmens‐IT ist verantwortlich für:

    Betrieb und Management von Legacy ‐Systemen, die zwar alt, aber für die tägliche Arbeit unersetzbar sind, wie z. B. Kontoführung, Ticketbuchung, Kasse

    Anpassung von Legacy ‐Systemen und deren Anbindung an neueste Technologien, wie beispielsweise das 20 Jahre alte Lagerhaltungssystem an den Webshop

    Verhinderung von Datendiebstahl, wofür es durch mobile Nutzer und uneingeschränkte Zugriffsanforderungen auf sämtliche Daten des Unternehmens immer mehr Risikobereiche abzusichern gilt

    Einhaltung von Datenschutzgesetzen und Compliance ‐Richtlinien für sämtliche personenrelevanten Daten in jeglichem Medium, von der E‐Mail über Ausdrucke bis hin zu Datenbanken und Online‐Systemen

    Gewährleistung der Informationssicherheit aller Systeme

    Einhaltung aller geltenden Gesetze und behördlichen Anforderungen, die unter anderem externe Zugriffe auf Systeme verlangen, die ursprünglich vollständig abgekapselt konzipiert wurden

    Anpassung von alten Systemen an neue Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle

    Ermöglichung von „Big Data" Analysen von über Jahrzehnte hinweg gesammelten Daten, die ebenso lange ungenutzt waren und von teilweise katastrophaler Datenqualität sind

    Echtzeit‐Kommunikation mit ständig neu entstehenden digitalen Plattformen wie Social Media und Co.

    Gleichzeitig soll der IT‐Bereich aber auch noch:

    Kostengünstiger werden

    Schneller und flexibler auf Anforderungen reagieren

    Änderungen des Geschäftsmodells unterstützen

    Innovative Lösungen für das Kerngeschäft finden und vorstellen

    Den Fachbereichen neue Technologien so darstellen, dass diese daraus eigenständig neue Geschäftsmodelle entwickeln können

    Sowohl das Kerngeschäft als auch die Mitbewerber und die in Zukunft zu erwartenden Veränderungen der Branche verstehen, sowie die dafür optimalen technologisch unterstützten Antworten geben

    Intelligente junge Mitarbeiter finden, die mit neuesten Technologien im Schlaf umgehen, und diese nicht zu Innovationsunternehmen wie Google, Apple und Co. abwandern lassen, während gleichzeitig die eigene Unternehmenskultur in Hinblick auf Arbeitsplatz, Flexibilität, soziale Leistungen nicht mit den Technologiegiganten mithalten kann.

    Und das ist nur ein Auszug …

    Das sind alles Aufgaben der IT. Aber kann das funktionieren?

    Von der EDV zum IT‐/ITK‐Bereich

    In den Anfangszeiten der „EDV" war deren Aufgabe klar: Man stellte die EDV‐Infrastruktur zur Verfügung, sorgte für die Programmierung und den Betrieb. Die Großrechner waren so kompliziert, dass sich kein Nicht‐EDVler damit beschäftigen wollte. Das war Aufgabe der Computertechniker, die in ihrer eigenen Welt lebten, mit der kaum jemand etwas zu tun haben wollte.

    Mit der Zeit wurden die Geräte immer kleiner und die Leistungsfähigkeit immer größer. Ein Dammbruch begann, als die Möglichkeiten selbst „zu programmieren einer immer breiteren Schicht von Personen zugänglich wurde. Das Aufkommen von Microsofts Office Produkten und deren Programmiermöglichkeiten eröffnete den Fachbereichen völlig neue Welten. Sie konnten selbständig Probleme mittels IT lösen, ohne dabei die „EDV‐Abteilung einbinden zu müssen.

    Bis zu diesem Zeitpunkt waren zumindest zentrale IT‐Systeme immer noch klar in der Verantwortung der IT.

    Die explosionsartige Verbreitung von Smartphones und Tablets in Verbindung mit der schier endlosen Auswahl an „Apps" und Cloud‐Services veränderte die Welt für IT und Fachbereiche. Mit den Möglichkeiten wuchsen auch die Anforderungen der Kunden dramatisch.

    Rund um die Jahrtausendwende warfen insbesondere IT‐Anbieter vielen Branchen wie beispielsweise Banken oder Versicherungen vor, dass diese eine viel zu große Fertigungstiefe hätten. Eine Fertigungstiefe, die man mit dem intelligenten Einsatz moderner IT verringern und optimieren könne. Eine der Metaphern war, dass diese Unternehmen so agierten, wie wenn Autohersteller noch die Kühe züchten würden, die sie für die Lederbezüge der Autositze benötigen.

    Heute stecken die IT‐Abteilungen selbst in diesem Dilemma der Fertigungstiefe fest. Mancher IT‐Bereichsleiter ist immer noch der Auffassung, dass alle IT‐Systeme des Unternehmens komplett von der internen IT verwaltet, überwacht, betrieben und weiterentwickelt werden müssen. Fachbereiche sollen Anforderungen definieren (und zwar ITIL ‐konform) und die Umsetzung der IT überlassen. Diese Aussagen sind auch nachvollziehbar, da IT‐Compliance, Datenschutz oder Informationssicherheit IT‐fachliche Themen sind.

    Der Haken an der Sache: Kaum eine interne IT‐Abteilung kann heute der geforderten Geschwindigkeit an neuen oder sich ändernden Anforderungen noch nachkommen. Denn die IT ächzt beängstigend unter der Last des Betriebs ihrer Altanwendungen. Natürlich stimmt es, dass man vor 30 Jahren keine Kassensysteme von der Stange kaufen konnte und selbst entwickeln musste. Aber heute gibt es solche Lösungen als Standardprodukt.

    Es gibt wohl keinen IT‐Bereich, der nicht gerne diverse Altsysteme ersetzen würde. Doch wo fängt man an, wo hört man auf und vor allem, wo bekommt man das Geld dafür her? Also gehen teilweise mehr als 70 % aller IT‐Kosten in Legacy ‐Systeme, die zwar in aller Regel ihre ursprüngliche Funktion hervorragend bewältigen, aber für die hohe Dynamik der heutigen Zeit zum Hemmschuh werden.

    Unternehmen müssen jedoch ihre Handlungsfähigkeit drastisch steigern und die „Time to Market" ist eine kritische Stellgröße geworden. Das Unternehmen, das an allen Fronten am agilsten und strategisch klügsten handelt, hat die Nase vorne. Da kein Unternehmensbereich mehr ohne IT funktioniert, muss auch IT schnell und agil sein. Die IT muss Innovationen ermöglichen oder teilweise sogar zum Innovationstreiber werden. Gelingt ihr das nicht, werden Fachbereiche in noch viel stärkerem Maße als heute die Hilfe Externer (Cloud, SaaS, BPO und Co.) in Anspruch nehmen – und damit am Ende das Leben der IT noch komplizierter machen.

    Das erfolgreiche Unternehmen der Zukunft wird sich dadurch auszeichnen, dass es eine noch nie dagewesene Durchgängigkeit aller Geschäftsprozesse vom Kunden bis zum Lieferanten haben wird. Wenn eine dreizehnjährige designbegabte Afrikanerin in Soweto mit ihrem Smartphone ein Accessoire designen und per 3‐D‐Druck auf jedem Ort der Erde „herstellen" lassen kann, dann sieht der Einzelhandel ziemlich alt aus! Denn den Kunden interessiert es nicht eine Sekunde lang, warum der Einzelhandel aufgrund interner und gesetzlicher Prozesse 3 Monate benötigt, um das Produkt zu beschaffen. Er will jetzt und heute kaufen. Basta.

    IT muss raus aus der EDV‐Ecke, in der sie noch immer steckt

    IT‐ler werden eines Tages beispielsweise in Marketingabteilungen sitzen und dort direkt dabei helfen, die Marketinganforderungen zu erfüllen. Die noch verbliebene reine IT kümmert sich selbst oder mit Dienstleistern um Themen wie Infrastruktur oder ERP,

    sagt José Luis Carretero‐López, Partner des Beratungsunternehmens Dr. Steiner & Carretero, für die Zukunft der IT voraus.

    Es gibt viele Möglichkeiten, einen IT‐Bereich zum echten, wertschöpfenden und hoch angesehenen Unternehmensbereich zu machen. Dabei werden sich nicht nur die Aufgaben verändern, sondern auch die Anforderungen an das dafür notwendige Personal. Grenzen zwischen Fachbereich und IT werden verschwimmen, Aufgaben werden sich ändern. Es könnte dazu kommen, dass zwar weniger Mitarbeiter in der klassischen IT selbst, insgesamt jedoch deutlich mehr IT‐Mitarbeiter über das gesamte Unternehmen verteilt tätig sind. Manche Szenarien bezüglich der Zukunft der IT mögen radikal erscheinen, doch meist verlangt der Weg in die Zukunft eine Phase der Irritation und Unsicherheit.

    Als Dick Fosbury 1968 mit seiner neuen Hochsprung‐Technik, dem noch heute genutzten Flop, die Goldmedaille in Mexico gewann, wurde er von allen belächelt. Vier Jahre später gewann Ulrike Meyfarth als 16‐jährige mit dieser Technik die Goldmedaille in München. Sie war eine der wenigen Athletinnen, die auf diese Technik umgestiegen waren. Sie machte sich ebenso wenig wie Fosbury etwas aus den abschätzigen Kommentaren. Die Siege gaben beiden Recht. Sie haben gewagt einen alten Weg zu verlassen und einen neuen zu gehen.

    Das ist die Aufgabe für die IT der Zukunft.

    IT muss sich trauen alte Zöpfe abzuschneiden und neue Wege zu gehen. Die Erfahrung zeigt, dass dies nicht von alleine passieren wird. Oft sind massive Probleme und Druck von außen notwendig, damit sich etwas verändert. Aber darüber müssen wir uns in diesem Fall keine Sorgen machen. Der Druck durch Fachbereiche sowie die Erwartungen von Kunden und Geschäftspartnern werden die klassische IT entweder zermalmen oder IT nutzt diese Situation als Chance für den Neubeginn.

    Das erfordert jedoch etwas, wonach wir in vielen Unternehmen verzweifelt suchen: Es verlangt nach Führungspersönlichkeiten, nach Leadern, die tun was richtig ist. Wenn Sie ein solcher Leader werden wollen, dann finden Sie in diesem Buch Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Führung der Zukunft.

    Erwarten Sie nicht, dass es ein bequemer Weg wird. Doch das ist auch gut so. Denn weil es unbequem werden wird, nehmen die meisten Menschen Abstand davon, ihn zu gehen. Es ist auf dem Weg zum Zukunfts‐Leader nicht mit Überfüllung zu rechnen. Eher mit Einsamkeit.

    Lassen Sie uns beginnen und direkt mit der Frage nach der Auswahl von Führungskräften und den existierenden Beförderungsmodellen einsteigen.

    Literatur

    Dickens, C.: Eine Geschichte aus zwei Städten. http://​www.​gutenberg.​org/​files/​98/​98-h/​98-h.​htm (1859). Zugegriffen: 27. Mai 2015

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    A. RittershausFührungspraxis für Ingenieure und IT-Expertenhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-26600-4_2

    2. Erfolgsfaktor Führung: Welche Führungskräfte benötigt die IT?

    Axel Rittershaus¹  

    (1)

    Kapstadt, Südafrika

    Axel Rittershaus

    Email: ar@targetter.de

    2.1 Wie Warren Buffett eine Führungskraft auswählt

    Nur wenige Menschen sehen ein, dass sie letztendlich nur eine einzige Person führen können und auch müssen. Diese Person sind sie selbst. (Peter F. Drucker)

    Warren Buffett gehört zu den erfolgreichsten Investoren der Welt. Wenn er investiert, übernimmt er allerdings nicht auch die Rolle als CEO, sondern überlässt diese seinen angestellten Top‐Managern. Er vertraut damit seine Milliardeninvestition diesem CEO und der Führungsmannschaft an. Buffett wäre nicht so erfolgreich, wenn er nicht wüsste, wie man den richtigen CEO erkennt. Er hat sein Erfolgsgeheimnis verraten. Es ist verblüffend einfach.

    Warren Buffett (Searcy 2012) achtet auf drei Kriterien, um die Spreu vom Weizen der CEOs zu trennen:

    Integrität

    Intelligenz

    Energie

    Er ist der Überzeugung, dass ein Unternehmen nicht erfolgreich sein kann, wenn bei einem CEO auch nur eines der drei Kriterien fehlt. Nur die Kombination stellt sicher, dass diese Führungskraft dazu in der Lage ist, das Unternehmen langfristig erfolgreich zu machen. Schließlich ist Buffett nicht an kurzfristigen Spekulationsgewinnen interessiert, sondern daran, seine Investitionen über viele Jahre, teilweise sogar Jahrzehnte zu halten. Das erfordert CEOs, die ebenfalls den langfristigen über den kurzfristigen Erfolg stellen.

    Doch was bedeuten diese drei Kriterien wirklich? Benötigt man wirklich alle drei? Überprüfen wir deren Bedeutung doch einfach nach dem Ausschlussverfahren.

    Ein CEO mit einer hohen Intelligenz und viel Energie aber wenig Integrität wird früher oder später in seine eigene Tasche arbeiten und das Unternehmen schädigen.

    Ein CEO mit unterdurchschnittlicher Intelligenz, aber viel Integrität und Energie wird loyal und energiegeladenen für das Unternehmen kämpfen. Aber er weiß leider nicht, was er wirklich tut. Ein Kapitän, der nicht weiß, was er tut, wird irgendwann einen fatalen Fehler begehen und das Unternehmen ruinieren.

    Der energielose CEO, der eine hohe Integrität und Intelligenz besitzt, wird das Unternehmen vortrefflich verwalten und den Status quo erhalten. Er wird aber keine Chancen ergreifen und notwendige Änderungen unterlassen oder extrem langsam durchführen, was ebenfalls langfristig zur Gefahr für das Unternehmen wird.

    Die drei Kriterien ergeben also in der Tat Sinn. Bemerkenswert ist jedoch, dass weder Branchenkenntnis noch fachliches Know‐how erwähnt werden. Für Buffett ist offensichtlich klar, dass der intelligente Lenker eines Unternehmens erkennt, was für das Unternehmen wichtig ist und sich schnell in fachliche Besonderheiten hineindenken kann. Das Lösen der fachlichen Herausforderungen muss ohnehin Aufgabe der Experten sein, die für das Unternehmen arbeiten und vom CEO mit der Lösung beauftragt werden.

    Sind die drei Kriterien nur bei der Besetzung des CEO‐Postens anwendbar oder ebenso für Führungspositionen? Kann eine intelligente Führungskraft auch mit sehr wenig IT‐Know‐how einen IT‐Bereich lenken, wenn sie ihre Intelligenz nutzt, um die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu erkennen und sinnvoll zu steuern?

    Die gängige Beförderungspraxis im IT‐Bereich setzt mehr auf Fachwissen denn auf Führungskompetenz, wenn Mitarbeiter als Führungskraft ausgewählt werden. Ob dies der langfristig richtige Weg ist, werden wir uns nun genau ansehen.

    2.2 Wie Unternehmen Führungskräfte auswählen

    Before you are a leader, success is all about growing yourself. When you become a leader, success is all about growing others. (Jack Welch)

    Wie werden heute Führungskräfte in Unternehmen ausgewählt? Meist wird der beste Techniker oder der erfahrenste Entwickler befördert. Aber warum erfolgt die Beförderung überhaupt?

    Sehen wir uns die häufigsten Gründe für Beförderungen an:

    Der Mitarbeiter hat die Grenze des Gehaltsbandes auf der Stufe „Mitarbeiter" erreicht und muss nun zur Führungskraft gemacht werden, um ihn besser für seine Leistungen entlohnen zu können – unabhängig davon, ob der Mitarbeiter Führungsverantwortung möchte oder nicht.

    Der Mitarbeiter erwartet einen Dienstwagen oder hat ihn zugesichert bekommen, doch den gibt es gemäß Firmenregeln nur für Führungskräfte.

    Die Mitarbeiterin soll enger an das Unternehmen gebunden werden, um ihr unersetzliches Expertenwissen nicht zu verlieren. Die Beförderung mit den einhergehenden Privilegien wie der Teilnahme am Mitarbeiteraktienprogramm, Bonuszahlungen, Förderprogrammen sind die jahrzehntelang etablierten und einzigen Mittel zur Mitarbeiterbindung.

    Die Mitarbeiterin hat neben der Arbeit einen MBA gemacht, erwartet mehr Verantwortung und soll gehalten werden.

    Im Kampf um gute Mitarbeiter wurde dem Mitarbeiter bei der Einstellung eine Beförderung binnen der nächsten zwei Jahre versprochen. Nachdem die zwei Jahre und ein zusätzliches Jahr des Vertröstens vergangen sind, muss nun befördert werden, um eine Kündigung zu verhindern, auch wenn dessen Eignung zur Führungskraft zweifelhaft ist.

    Es gibt eine freie Stelle und der für die Besetzung zuständige Vorgesetzte befördert eine ihm bekannte und positiv gewogene Person als Unterstützer.

    Vermutlich kennen Sie für jedes Beispiel mehrere konkrete Fälle. Doch in welchem der genannten Fälle werden die Führungsfähigkeiten berücksichtigt?

    In keinem.

    Ein Mitarbeiter soll mehr verdienen, doch weil die Gehaltsstrukturen so unflexibel sind, zwingt man ihn zu einer Aufgabe, die er gar nicht anstrebt. Welchen Sinn macht dies? Wäre es nicht intelligenter, die starren Gehaltsstrukturen flexibler zu machen und die Zwangsbeförderung abzuschaffen?

    Ein Mitarbeiter eines Kunden, der an einer renommierten Institution seinen MBA gemacht hat, sagte mir, dass über das gesamte Studium hinweg das Thema „Verhalten von Menschen" nur bei einem Abendvortrag eines externen Referenten angesprochen wurde. Doch genau das ist die Hauptaufgabe von Führungskräften. Sich mit Menschen auseinanderzusetzen und zu verstehen, wie sich Menschen im Flow, unter Druck, in Gruppen, alleine und in vielen anderen Situationen verhalten. Denn nur wer das Verhalten zumindest ansatzweise versteht, ist in der Lage zu führen. Es gibt sicherlich MBA‐Absolventen, die exzellente Führungskräfte sein können. Aber dies liegt eher daran, dass sie die dafür notwendigen Führungseigenschaften besitzen, als dass ihnen diese im Studium beigebracht wurden. Ein MBA ist keine Führungsausbildung. Dennoch geht der Abschluss eines MBA‐Studiums mit der Erwartung an eine Beförderung einher.

    Wie kommt es, dass Mitarbeiter zu Führungskräften werden, deren Führungsfähigkeiten dabei aber keine Rolle spielen? Das ist wie wenn man einen Flugschüler, unabhängig von seinen Fähigkeiten als Flugzeugführer, zum Kapitän eines A380 machen würde, weil er so eifrig gelernt hat und den Chef der Fluglinie kennt.

    Warum halten wir an Beförderungskriterien fest, die nicht funktionieren?

    Daniel Kahneman (Kahneman 2011), ein Psychologe der für seine Erkenntnisse über das irrationale menschliche Verhalten im Wirtschaftsleben den Wirtschaftsnobelpreis erhalten hat, beschreibt eindrucksvoll, wie er selbst zu Beginn seines Berufslebens an einem Beurteilungssystem festgehalten hat, das nachweislich keinen Wert bot.

    Bei der Auswahl von Offiziersanwärtern der israelischen Armee sollte herausgefunden werden, wer am besten für diese Aufgabe geeignet wäre. Also wurden alle über einen körperlich und geistig herausfordernden Übungsplatz geschickt, auf dem sie individuell und in Teams ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen sollten. Alles unter den Augen der Beobachter, zu denen Kahneman gehörte. Die Jury machte sich Notizen und entschied am Ende mit voller Überzeugung, welcher Kandidat sich wohl am besten als Offizier eignen würde.

    Nach einiger Zeit erhielten die Jurymitglieder Rückmeldungen darüber, wie gut sich die von ihnen ausgewählten Anwärter in ihrer Ausbildung zum Offizier machten. Mit einem niederschmetternden Ergebnis. Die Erfolgsquote der scheinbar als Top‐Kandidaten selektierten Anwärter war nicht besser, als wenn man eine willkürlich ausgewählte Gruppe von Soldaten zur Offiziersausbildung geschickt hätte. Die Jurymitglieder waren schockiert, dass ihre clevere Auswahltechnik nicht funktionierte.

    Doch da die Armee hoch organisiert und prozessorientiert ist, wurde aus Mangel an Alternativen bei der nächsten Auswahlrunde wieder exakt das gleiche, sich bereits als nutzlos erwiesene Verfahren angewendet. Mit voller Überzeugung wurden die nächsten Kandidaten für die Offiziers‐Ausbildung selektiert. Schließlich glaubte die Jury immer daran, die besten Leute auszuwählen, trotz der niederschmetternden Rückmeldungen der späteren Ausbilder.

    Kahneman bezeichnete dieses Phänomen später als „Illusion of Validity, in diesem Fall am besten mit „die Wissens‐Illusion zu übersetzen. Weil wir davon überzeugt sind, dass unsere Beurteilung korrekt ist, nehmen wir gegenteilige Signale nicht wahr. Dies gilt insbesondere, wenn wir keine Alternative zum bislang angewendeten Verfahren sehen. Oder das Verfahren von uns selbst entwickelt wurde.

    Weil seit Jahrzehnten in der IT, in Ingenieurberufen und in der Wissenschaft der beste Experte zur Führungskraft befördert wurde, wird trotz einer massiven Unzufriedenheit der von diesem geführten Mitarbeitern an dieser Praxis festgehalten.

    Hinzu kommt der Glauben vieler analytisch denkender Menschen, dass Mitarbeiterführung eine einfache Sache sei. Man gibt den Mitarbeitern Aufgaben, diese arbeiten sie ab, und wenn Probleme bestehen, werden diese von den Mitarbeitern selbst gelöst oder angesprochen. In einer idealen Welt wäre das vielleicht so. Aber diese Welt haben wir noch nicht gefunden.

    Was eine Änderung der Beförderungspolitik erschwert, ist die Aversion vieler Techniker und Ingenieure gegen „das ganze Stuhlkreis‐, Psychologie‐ und Soft‐Skill‐Zeug". Hier wurden in den letzten Jahren viele Fehler von HR und Trainern gemacht, als man stark analytisch und technisch veranlagte Menschen dazu gezwungen hat, in einem Stuhlkreis über ihre Gefühle zu reden. Die spontane Ablehnung solcher Programme verringern deren Wirksamkeit erheblich. Selbstverständlich ist es wichtig, dass sich Techniker, Ingenieure, Entwickler auch mit sich selbst beschäftigen, wenn sie zu guten Führungskräften werden wollen. Doch man muss ihnen einen Zugang dazu eröffnen, der von ihnen angenommen werden kann, anstatt es mit der Brechstange zu versuchen.

    Gelingt es jedoch, eine Brücke zwischen der Gedankenwelt eines Analytikers und dem Verhalten von Menschen zu schlagen, wird sich auch ein anfangs skeptischer Techniker dafür öffnen. Zumindest die meisten.

    Diejenigen, die sich einfach nicht mit der menschlichen Komponente von Führung beschäftigen wollen, sollten aus dem Führungsprogramm herausgenommen werden. Sie sind nicht zur Führung geeignet. Zumindest noch nicht. Punkt. Ende der Diskussion. Wie im Beispiel der israelischen Armee zu sehen ist, sind alle Mühen umsonst, wenn die ausgewählten Kandidaten für die Aufgabe nicht geeignet sind.

    Kahneman und seine Kollegen wollten ihre unbefriedigenden Ergebnisse eines Tages nicht mehr hinnehmen. Sie nahmen eine kleine Änderung an ihrem Verfahren vor, die zu einem dramatisch besseren Ergebnis geführt hat: Nachdem jeder Juror seine Beurteilung vorgenommen, aber noch nicht kommuniziert hatte, sitzt die Jury zusammen. Dann schließt jedes Jurymitglied die Augen und beantwortet für sich die Frage: „Stellen Sie sich vor, diese Person wird zu einem Offizier und muss in einen echten Einsatz gehen. Wie gut wird er seine Truppen auf dem Feld führen? Würden Sie von ihm geführt werden wollen?" Danach wurde so mancher Kandidat nochmals neu eingeschätzt. Die Folge war eine signifikant höhere Erfolgsquote der ausgewählten Personen bei der späteren Offiziersausbildung.

    Bevor Sie darauf warten, dass HR einen komplett neuen Beförderungsprozess aufgesetzt hat, können Sie selbst schon viel bewegen. Stellen Sie sich in Zukunft bei jeder Beförderung die nachfolgende Frage:

    „Wenn diese Person Führungskraft und mein Vorgesetzter wird, würde ich der Person zu 100 % vertrauen und mich von ihr führen lassen?"

    Wenn Sie mit „Nein" antworten, denken Sie unbedingt erneut über die Auswahl nach.

    2.3 Die Auswirkungen von Fehlbesetzungen

    Was bedeutet es eigentlich, wenn ein Mitarbeiter deswegen befördert wird, weil man befürchtet, ihn sonst zu verlieren und nicht, weil er Führungsfähigkeiten oder Führungspotential hat?

    Andere Mitarbeiter vergleichen sich mit demjenigen, sehen sich mindestens ebenbürtig und verlangen ebenfalls zur Führungskraft befördert zu werden.

    Andere Mitarbeiter sehen eine führungsuntaugliche Führungskraft und fordern eine Beförderung, weil sie sich selbst für eine bessere Führungskraft halten.

    Die Mitarbeiter desjenigen werden kurz‐ und langfristig demotiviert, denn schlechte Führung führt garantiert zur Demotivation.

    Demotivierte Mitarbeiter leisten weniger, fühlen sich weniger an das Unternehmen gebunden, bringen weniger Ideen ein – selbst wenn sie diese haben – und reduzieren damit die Leistung des Bereiches.

    Schlecht geführte Mitarbeiter empfehlen das eigene Unternehmen nicht weiter oder raten sogar davon ab, was die Rekrutierung guter Mitarbeiter erheblich erschwert.

    Sie können die Liste sicherlich noch fortsetzen.

    Ganz im Sinne von Laurence J. Peter und dem nach ihm benannten Peter‐Prinzip, sitzen am Ende auf vielen Chefsesseln genau die Falschen.

    Doch auch für die Führungskraft kann diese Führungsaufgabe zum Bumerang werden. Sie selbst verliert ihre Motivation, weil sie statt ihrer bisherigen Expertentätigkeit unzählige strategische Meetings aufsuchen, lästige Urlaubsanträge unterschreiben und ungeliebte Jahresgespräche führen muss. Obwohl sie so gerne weiter an ihrem Fachthema gearbeitet hätte. Der Druck

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