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Kanton Afrika: Eine Erbauungsschrift
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eBook76 Seiten46 Minuten

Kanton Afrika: Eine Erbauungsschrift

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Über dieses E-Book

Auf der Flucht vor der Berner Obrigkeit reiste Matto Kämpfs Urgrossvater Immanuel Kämpf anno dazumal durch die Schweiz. Die ereignisreiche Reise wurde an weihnachtlichen Familienzusammenku¨nften stets gerne erzählt. Matto Kämpf hat sie nun zu Papier gebracht. Eigentu¨mlicherweise reiste der Vorfahr nicht nur quer durch die ganze Schweiz, sondern auch quer durch die Schweizer Geschichte und begegnete Tell, Calvin, Escher und auch Höhlenbewohnern.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. März 2014
ISBN9783905825855
Kanton Afrika: Eine Erbauungsschrift

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    Buchvorschau

    Kanton Afrika - Matto Kämpf

    Herkunft

    Das Berner Oberland ist ein mit Tannen bewachsener Unsinn. Noch blöder ist es, wenn es schneit. Dann sind alle drinnen und der Charakter platzt heraus. Tektonisch verhöhnt treten wir am Morgen vor das Haus und beschimpfen die Berge. Die Mutter wühlt im barmherzigen Lumpensack aus Spiez und sagt: Kein Pygmäe würde das anziehen! Die Grossmutter grölt: Schickt mehr, sonst werden wir katholisch! Und der Grossvater erklärt: Dem Napoleon haue ich eine runter, falls er noch lebt! Der Vater liegt den ganzen Tag im Stall und schläft. Dazwischen trinkt er Schnaps. Wer ist König von Sardinien? fragt die Mutter. Keine Ahnung, antworte ich, ich bin ja erst fünf. Einmal im Jahr kommen die Verwandten von oberhalb der Baumgrenze. Sie sind dicht behaart und sprechen gut auf Futter an. Draussen ist immer das Wetter. Dem Onkel widerfährt ein Unglück. Zwecks Ergreifung einer Karriere hat er an höchster Stelle um eine Unterredung gebeten. Diese wird ihm schliesslich gewährt. Darauf schreit er monatelange das Wort ZUKUNFT in die Landschaft hinein. Der Tag kommt. Der Onkel glänzt zwar mündlich, hat aber vergessen, seine Hose anzuziehen. So bleibt er Senn. In der Schule hören wir von der vorzeitlichen Faltung, glauben es aber nicht. Dann stirbt der Grossvater. Wir lassen ihn in seinem Sessel. Er stinkt, sagt die Mutter. Nicht mehr als vorher, meint der Vater. Man muss ihn beerdigen, fordert der Pfarrer. Leichen gehören sich selber, erwidert der Vater, der den Grossvater dem Anatomischen Institut in Leipzig verkaufen will. Wir werden ihn zwangsbeerdigen, entscheidet der Pfarrer. Die Mutter schweigt und düpiert eine Kartoffel. Zehn Jahre später stirbt der Vater. Ich erbe eine leere Schnapsflasche. Andere erben Schulden. Dann kommt der Frühling. Es geht bergab, sagt der Pfarrer, bauen wir eine Seilbahn. Die Grossmutter liest die Zukunft, aus vom Blitz erschlagenen Fröschen. Meistens richtig. Im Religionsunterricht lernen wir, wie man einer Heuschreckenplage entgegentritt. Viele aber sterben in Lawinen. Wir üben, wie man das Meer teilt. Viele aber ertrinken im Bergsee. Wir erfahren, wie man einem feurigen Dornbusch lauscht. Viele aber verbrennen bei Hofbränden. Wir stammen alle vom Molch ab, behauptet ein englischer Affe, sagt der Lehrer. Wenn er uns bestrafen will, müssen wir hundert Mal Ich vergeude Kreide an die Tafel schreiben. Jagen oder klagen? fragt die Grossmutter. Meistens beklagen wir uns. Fleisch schärft die Seele, sagt der Grossvater, der plötzlich wieder lebt, aber nur anfallsweise. Das fahle Pferd wird schwer zu braten sein, wirft die Mutter ein. Einmal im Jahr gehen wir nach Olten. Niemand weiss warum.

    Auf Schloss Thun

    So war das bei uns. Dann kam der Tag, an dem es klopfte. Herein trat die Staatsmacht in Form des Landjägers. Hoher Befehl aus Thun, ich sei arretiert. Die Mutter liess die Kartoffel fallen und klagte: Der Bub ist ach so jung und der Vater ach schon tot. Doch sämtlicher Tumult half nichts, ich musste nach Thun hinab. Zum Abschied steckte mir die Mutter unter Tränen ein Fläschchen Gletschermilch zu. Hämisch tirilierende Vögel säumten meinen Weg. Die Sonne versank im Kanton Freiburg. Ich ahnte Schlimmes. Auf Schloss Thun übergab mich der Landjäger dem Kerkermeister, der seinen einäugigen Schergen herbeipfiff. Dieser riss mir die Kleider vom Leib, zündete sie an und schien grundsätzlich verdrossen. Der Zyklop steckte mich in gestreifte Lumpen und zerrte mich Fackel fuchtelnd in ein feuchtes Verlies. Ich setzte mich und begann zu schmoren.

    Da war ich nun, wo Heulen und Zähneklappern herrscht. Einmal am Tag kam ein Napf mit Brei in die Zelle geflogen. Beim Aufprall sickerte die Hälfte in den Lehmboden. Das war auch so gemeint. Nach drei Wochen wurde ich einem missmutigen Schöffen vorgeführt. Dieser sass mit speckblassem Gesicht in seiner Amtsstube und stopfte gelangweilt einen schwarzen Schwan mit einem weissen aus. Nach einer Weile fragte er nach meiner Aufzucht. Froh darüber, mich endlich äussern zu können, vollführte ich einen Bückling und hob an: In dieser unserer Zeit, von welcher man hofft, es sei die

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