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Rosen im Schnee: Katharina Luther, geborene von Bora - Eine Frau wagt ihr Leben
Rosen im Schnee: Katharina Luther, geborene von Bora - Eine Frau wagt ihr Leben
Rosen im Schnee: Katharina Luther, geborene von Bora - Eine Frau wagt ihr Leben
eBook217 Seiten2 Stunden

Rosen im Schnee: Katharina Luther, geborene von Bora - Eine Frau wagt ihr Leben

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Über dieses E-Book

Katharina von Bora musste einen weiten Weg gehen, ehe sie Martin Luthers Frau wurde. Und das katholische Europa spottete über den Reformator, als er 1525 eine entlaufene Nonne heiratete. Das ein Mönch und eine Nonne sich in Liebe miteinander verbinden könnten, schien aller Welt so unmöglich, wie Rosen, die im Schnee blühen ...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum30. Juli 2013
ISBN9783765571152
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    Buchvorschau

    Rosen im Schnee - Ursula Koch

    WITTENBERG, 20. FEBRUAR 1546

    Erst der Habn – und dann ich: So war es immer. Während er draußen krähte, tappte ich durch den dunklen Flur in die Küche hinunter. Die anderen schliefen noch, alle: die Kinder, die Mägde, die Studenten, der Knecht – und er, der Mann, der neben mir lag. Ich hörte ihn schnarchen, nicht laut. Es war fast ein Schnurren, wie die Katze am Ofen. Er hörte den Hahn nicht. Er hörte auch nicht, wenn die Tür leise knarrte. Meist schlief er, bis der Tag durch die Scheiben dämmerte und das Lärmen der Kinder im Flur in seine Träume drang. Ja, er träumte oft, schlug um sich und brüllte manchmal wie ein Stier. Seine Träume rissen mich aus tiefem Schlaf. Ich schlief wie eine Tote und war lebendig, wenn ich erwachte. Ich beruhigte ihn und redete leise, während meine Hand über seine Brust strich, die sich hob und senkte unter der Last

    Aber gegen Morgen schlief er. Ich ließ kaltes Wasser über meine Arme laufen und wusch mir das Gesicht. Dann heizte ich den Herd und weckte die Mägde. Oft stand schon einer vor der Tür, wenn ich gerade die Milch auf das Feuer setzte; einer in Lumpen, das Gesicht voller Narben, und wir holten ihn herein, gaben ihm Suppe und ein Stück Brot. Und der Mann in der Kammer schlief noch, während die Kinder aufstanden und auf den Hof stürmten. Er schlief seinen unruhigen Schlaf.

    Der Hahn kräht. Auch heute. Aber er ruft mich nicht aus dem Schlaf. Ich lag mit zerschlagenen Gliedern, als hätte ich Fieber. Schon lange vor dem Hahnenschrei bin ich aufgestanden, habe das Licht angezündet und sitze auf meinem Bett im flackernden Schein.

    Wenn ich die Hand ausstrecke, fährt sie über kaltes, sauberes Tuch. Niemand stöhnt im Schlaf. Kein Laut, keine Wärme. So beginnt mein neuer Tag.

    Was soll ich mit diesem Tag?

    Schneewind pfeift durch die Ritzen. Nichts rührt sich im Kloster. Alles ist wie tot. Das Kloster. Die Stadt. Nur der Wind jagt durch die Straßen. So wie gestern, als der Bote kam.

    Er kam früh. Kaum einer wird ihn gesehen haben. Er ging durchs Tor die Straße entlang im Wind und schlug an die Tür des Nachbarn. Dann kamen sie zu mir – drei gebeugte Männer.

    Warum erschrak ich so sehr, als sie anklopften? Wie oft hatten wir frühe oder späte Gäste, Freunde oder Fremde, Adlige oder Bettler. Was für eine Ahnung erfaßte mich?

    „Ich sorge, wenn du nicht aufhörst zu sorgen, es möchte uns zuletzt die Erde verschlingen …, schrieb er doch noch gerade aus Eisleben. Wie hat er mich geschmäht mit meiner Sorge! Ich hätte kein Gottvertrauen … Wohl dem, der es hat, in einer Zeit, wo an allen Enden die Waffen geschmiedet werden und die Scheiterhaufen brennen. Mag ja sein, daß Gott es wohlmachen wird mit ihm, mit mir – wie er es wohlgemacht hat mit unserer Magdalene, unserem Kind, das er uns nahm. Aber ich bin nur eine arme Frau, die den Ratschluß des Herrn so schwer verstehen kann. Ich sorgte mich. „Was ändert’s? sagte er. Nichts. Nichts.

    Ich weiß. Und doch hätte ich gern unserm himmlischen Vater noch ein Jährchen abgerungen mit meiner Sorge und meinem Gebet.

    Mußte es denn jetzt schon sein? Er hatte doch noch so viel zu tun, der Herr Doktor. Alle Welt hat nach ihm geschrien. Hierher und dorthin mußte er reisen, um Streit zu schlichten und das Wort zu verkündigen. Mitten im Winter – und war doch schon ein alter Mann. Aber es ist dennoch zu früh, daß er gehen mußte. Für mich ist es zu früh. Der Wind pfeift ums Haus, pfeift durch alle Ritzen.

    Die Freunde kamen und klopften. Das Haus hallte wider von den Schlägen. Wolf humpelte zur Tür.

    Als ich sie sah und Philippus den schwarzen Kragen zurückschlug, da brauchte ich nicht mehr zu fragen. Ich starrte in seine flackernden Augen, auf seinen zuckenden Mund, auf seine Hände, die unruhig an seinem Mantel arbeiteten.

    Keiner meiner Söhne war bei mir. Ich zog Margarete an mich, die einzige, die mir blieb in dem dunklen Haus. Ich tat so, als wollte ich sie beschützen, dabei brauchte ich Schutz. Ich wagte nicht, den Mund zu öffnen. Endlich fragte Wolf:

    „Habt Ihr Nachricht aus Eisleben?"

    „Ja."

    „Vom Doktor Martinus?"

    Schweigen.

    Da sprach ich es aus. Wieder einmal mußte ich es sein. Keiner hatte die Kraft, es zu sagen.

    Ist unserem Herrn etwas zugestoßen?

    Philippus nickte.

    „Befindet er sich nicht wohl?"

    Wieder Schweigen.

    „Ist er tot?"

    Seine Arme fallen herab. Der Unterkiefer klappt nach unten. Ich sehe ihn nicht mehr, höre nur das Schreien der Mägde. Wolf will mich stützen, Margarete schlingt ihre Arme um mich. Nur die Wände stehen fest wie immer. Und doch: Er ist tot. Der Herr Doktor Martin Luther ist tot.

    Die Freunde bleiben bei mir, sitzen schweigend um den Tisch. Im Haus wird es still. Mittags bat ich sie dann zu gehen. Ich wollte allein sein und versuchte zu beten. Aber ich saß nur am Fenster und wartete, daß es Nacht wurde. Und auch in der Nacht fand ich keine Ruhe.

    Ich war mit dem Boten unterwegs, brachte die Nachricht in Dörfer und Städte, trug sie von Herd zu Herd, in Hütten und Schlösser: Er ist tot. Die Feinde jubilieren. Die Freunde klagen. Und ich? Ich – seine Frau? Was soll ich nun tun? Wer bin ich? Was bleibt mir noch?

    Steh auf, Käthe, würde er sagen. Steh auf und danke Gott, daß er mich erlöst hat. Geh an deine Arbeit, Käthe! Gott ist mit dir bei allem, was du tun wirst. Rühr dich, Doktorin! Spring herum, Saumärkterin! Es gibt noch Menschen, denen du befehlen kannst, Herr Käthe!

    Seine Stimme – nie wieder? Das Bett neben mir – kalt, leer? Mir ist so bange, so … als sollte ich noch einmal … ins Kloster gehen

    NIMBSCHEN, 1509–1523

    Das große dunkle, mit schwarzem Eisen beschlagene Tor öffnete sich langsam und nur einen Spalt. Das Mädchen, im bunten Rock und in einen langen Umhang gehüllt, stand und rührte sich nicht. Die Hand des Vaters drückte und schob, bis es, fast stürzend, dann doch den ersten Schritt tat, durch den Spalt huschte, während der Vater sich zwängen mußte. Aus dem Grau des vor ihnen liegenden Hofes kam eine weiße Gestalt auf sie zu.

    Das Mädchen drehte sich um und stolperte gegen den Körper des Vaters. Es fühlte rauhen Stoff und das kalte Metall seines Gürtels.

    „Herr von Bora?"

    Mit einem Laut des Unwillens schob der Mann das Kind von sich, griff die kleine Hand und preßte sie zusammen. Er zog die Tochter hinter sich her über das vom Regen glänzende Pflaster. Die Schwester, die sie eingelassen hatte, verschwand in dem Haus, das zur Linken neben einem langgestreckten Bau nahe dem Eingang stand. Herr von Bora trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Die schwere Luft lastete auf seinem Kopf, der vom Zechgelage der letzten Nacht brummte. Er hielt sich in der Nähe des Tores, das ihn wieder ins Freie führen würde. Nur ihn. Aber das Mädchen an seiner Hand zog – kaum merklich – in dieselbe Richtung.

    Im leichten Frühlingsregen, wenige Tage nach Ostern, lag der äußere Hof des Klosters Marienthron wie blankgewaschen vor den Besuchern. Aus den Ställen hörte man das unruhige Scharren der Pferde. Die jungen Tiere strebten nach draußen. Aber ihre Wächter hielten die Türen verschlossen. Auch die Kühe waren noch im Stall. Man erwartete die Eisheiligen …

    Im ehemals herrschaftlichen, durch die Jahrhunderte aber etwas heruntergekommenen Wohnhaus der Äbtissin waren die Türen fest verschlossen. Aus dem Chor der Kirche auf der anderen Seite des Hofes hörte man das Singen der Ordensfrauen.

    „Tretet ein!"

    Die Pförtnerin wies auf die Tür des Hauses.

    „Unsere Ehrwürdige Mutter wird Euch empfangen, wenn sie die Vesper zu Ende gebetet hat."

    Wieder Dunkelheit. Das Mädchen wurde eine Treppe hochgeschoben, der Vater ächzte hinter ihr. Eine neue Tür tat sich auf. Das Kind fühlte die Nässe der Kleider und drängte sich an einen Kamin, in dem es noch glühte von einem erloschenen Feuer. Die Nonne ließ die Besucher allein. Der Vater stampfte mit schweren Schritten auf und ab. Dielen knarrten. Seine Lippen bewegten sich. Das Mädchen sah es, aber es wartete vergeblich, daß er etwas sagen würde. Sie zog den dünnen Umhang noch fester um den Oberkörper und lauschte angstvoll hinaus. Endlich hörte man Stimmen. Ein unterdrücktes Gemurmel, das sich entfernte, Schritte, Schlagen von Türen, das Knarren der Treppe.

    „Steh auf!"

    Das Mädchen erhob sich langsam. Der Vater blieb stehen. Durch die Tür, die sich öffnete, wehte feuchtkalte Luft herein.

    Als sie eingetreten war, schob die Ehrwürdige Mutter den Schleier zur Seite und wandte sich mit zusammengezogenen Brauen Herrn von Bora zu:

    „Wir hatten Euch früher erwartet, Vetter Hans. – Ist das Eure Tochter Katharina?"

    Sie erwartete offensichtlich keine Antwort, sondern sprach ihre Begleiterin an.

    „Bring das Mädchen in den Schlafsaal, Schwester Barbara! Wo sind ihre Sachen?"

    Katharina zog ein enggeschnürtes Bündel unter dem Arm hervor. Die Äbtissin nickte. Sie streckte die rechte Hand aus und griff dem Mädchen unter das Kinn. Katharina sah durch einen Schleier von Tränen in die kalten blauen Augen über ihr. Der schmale Mund bewegte sich nicht. Mit einem leisen Seufzer ließ die Frau den Kopf des Kindes los und streckte den Ringfinger aus.

    „Knie nieder!" flüsterte der Vater.

    Katharina beugte sich gehorsam über den Ring und küßte ihn.

    „Nimm Abschied von deinem Vater", befahl die Äbtissin.

    Herr von Bora verzog das Gesicht. Er gab dem Mädchen die Hand und wandte sich ab. Katharina starrte auf seinen Rücken.

    „Tretet ein, Vetter Hans, wir haben noch einiges zu regeln. Deine zweite Frau hat dir noch ein Mädchen geschenkt, hörte ich. So haben deine Knaben wieder eine Schwester …"

    Der Äbtissin folgend verließ Hans von Bora den Raum durch eine schmale Tür. Katharina folgte der Nonne. An der Treppe drehte sie sich noch einmal um. Schwester Barbara aber hielt schon das Schlüsselbund in der Hand und klapperte ungeduldig damit. Katharina stolperte die Treppe hinunter. Draußen dämmerte der trübe Tag. Sie preßte ihr Bündel an sich und versuchte, mit der rasch voranschreitenden weißen Gestalt Schritt zu halten.

    „Wie heißt du?"

    „Katharina. Und du?"

    „Elsa."

    „Seid ruhig! Ihr sollt schlafen", zischte es vom Nachbarlager herüber.

    Im dunklen Saal lagen die Klosterschülerinnen nah beieinander.

    Draußen prasselte der Regen.

    Nach einer Weile, als das ruhige Atmen rechts und links vermuten ließ, daß die Kameradinnen schliefen, wisperte es wieder:

    „Wie lange bist du schon hier?"

    „Ostern waren es zwei Jahre."

    Katharina seufzte.

    „Es ist nur am Anfang schlimm, flüsterte Elsa. „Ich habe auch viel geweint. Du darfst es aber nicht zeigen. Du mußt stolz sein. Schließlich darfst du ja etwas lernen. Sind deine Eltern reich?

    Katharina zögerte. Sie hörte den Vater fluchen, wenn er die Schatulle öffnete, in der er seine Gulden aufbewahrte.

    „Ich glaube nicht."

    „Dann sei zufrieden! Du kriegst doch nie einen Mann, wenn du nicht reich bist."

    „Hört endlich auf! Was redet ihr da für dummes Zeug!"

    „Schlaf gut! murmelte Elsa und drehte sich auf die andere Seite. Katharina zog die dünne Decke über ihre Schultern. Sie fror. In Brehna, in der Schule, da war es wärmer gewesen. Da hatte auch im Schlafsaal im Kamin ein Feuer gebrannt. Aber der Vater war gekommen, gleich nach Weihnachten, und hatte sie geholt, schimpfend über die Habgier der frommen Schwestern. Und im Gutshaus dann: eine neue Frau. Die Brüder sagten „Mutter und spotteten über sie, wenn sie die Kinder zur Ordnung rief. Aber Margret, die alte Magd, hatte Katharina ein Schaffell um die kalten Füße gewickelt.

    Sie wollte ja nicht weinen, ganz gewiß nicht. Aber es konnte niemand sehen. Und ab morgen würde sie tapfer sein wie Elsa und die anderen alle. Ab morgen …

    „PASTOR, PASTORIS"xs – die Feder zog mit einem leisen Quietschen über das Papier. Der Hirte!

    Über den gesenkten Köpfen der Mädchen kreiste summend eine Fliege. Es war noch kühl in dem hohen Gewölbe, wo den Klosterschülerinnen Unterricht erteilt wurde. Aber draußen brütete schon der Sommer zwischen den Mauern. Die Kühe waren auf den Weiden. Als Katharina den Blick hob, sah sie durch einen Spalt ins Freie: Da blühte der Klee unter der Sonne, und ein Schaf mit seinem Jungen stand unbeweglich mitten auf der Wiese wie in einen Traum versunken. Der Hirte!

    Über die Weiden rings um das alte Gutshaus derer von Bora zogen im Sommer große Herden, und die Kinder des Hauses liebten es, sich mitten unter die Schafe zu mischen. Die wilden Buben trieben ihr Spiel mit den ängstlichen Tieren. Die kleinste aber, die eigentlich noch gar nicht mit ihnen hinausgehen sollte, die Schwester der übermütigen Bora, Katharina, die hielt gern ein Lämmchen auf dem Arm, und der gutmütige Hirte zeigte ihr die jüngsten, die noch so weich waren …

    „Katharina, du träumst!"

    Schwester Gertrud hob den Stock und drohte. Erschrocken fuhr Katharina zusammen und senkte beschämt den Kopf über die lateinischen Wörter. Schwester Gertrud würde wohl kaum zuschlagen. Ihr Stock fuhr nur immer durch die Luft. Man sah es an ihrem Gesicht, daß sie und der Stock nicht zusammengehörten, daß sie ihn nur nahm, weil sie meinte, es müßte so sein. Trotzdem gehorchte Katharina ihr aufs Wort. Es war sonst ein Schmerz in den Augen der Schwester, den die Mädchen nicht ertrugen. Sie liebten Gertrud, auch wenn sie die lateinischen Wörter nur mit Mühe aufs Papier und über die Lippen brachten.

    „AGNUS" – das Lamm

    Katharina zwang sich, die Vorstellung von dem weichen Fell der jungen Lämmer und der zärtlich feuchten Berührung ihrer Lippen Schwester Gertrud zu opfern.

    „AGNUS DEL" – aber wenn Jesus selbst ein Lamm war, durfte man dann nicht die Lämmer auf der Weide liebhaben? So wie den alten Hirten. Ob er wohl auch dieses Jahr kommen würde? Sein Bart war bestimmt noch länger geworden. Und der Hut hatte große Löcher, was bei Regen recht unangenehm sein mußte.

    „Katharina, wo bist du heute mit deinen Gedanken?"

    Schwester Gertrud sah besorgt auf das Papier, das voller Flecken war.

    „Kannst du nicht ein wenig sorgfältiger schreiben? Du hast ja eine ganze Schafherde gekleckst."

    Katharina brauchte nicht mehr zu antworten. Die Glocke rief zum Gebet.

    Zwischen den Säulen des hohen Kirchenschiffs standen die Mädchen in ihren grauen Schürzen dicht beieinander, während aus dem Chorraum die hellen Stimmen der Nonnen Gott lobten. Katharina wartete ungeduldig auf das Läuten der Angelus-Glocke, denn in all den lateinischen Gesängen verstand sie nur selten ein Wort:

    „LAUDA, ANIMA MEA, DOMINUM:

    LAUDABO DOMINUM IN VITA MEA …"

    Endlich schlug die Glocke an, die das Nahen des Engels zu Maria verkündete.

    „AVE OTARIA, GRATIA PLENA …"

    Ihre Lippen bewegten sich: „Sei gegrüßt, Maria, …"

    Das konnte sie schon mitbeten mit den frommen Frauen, die unsichtbar hinter dem Chorgitter saßen. Katharina stellte sich vor: Der Himmel fing dort an. Die Nonnen saßen auf leuchtenden Wolken, und ein goldener Schein stand über ihren Köpfen. Sie stellte sich Schwester Gertrud vor, die den Mund spitzte, die Augen schloß und voller Begeisterung sang. Aber unwillkürlich fiel ihr auch Schwester Adelheid ein, die gestern die kleine

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