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Berlin, Berlin: von meinem Balkon aus gesehen
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Berlin, Berlin: von meinem Balkon aus gesehen
eBook93 Seiten1 Stunde

Berlin, Berlin: von meinem Balkon aus gesehen

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Über dieses E-Book

Ursula Koch wohnt mitten in Berlin – und sie erzählt Geschichten aus ihrer Stadt. Sie nimmt uns mit in "ihr" Schloss, zeigt uns eine versteckte Kirche und verrät, was es mit Robben in Berlin auf sich hat. Sie berichtet von originellen Menschen, aber auch von ihrer langjährigen Freundschaft zu Nofretete. Beobachtungen in bunter Mischung: Himmlisches und Historisches, Bewegendes und Skurriles, Schnoddriges und Charmantes. Wer nicht nur die glänzende Fassade der Stadt kennenlernen will, findet in diesen Geschichten auch das Alltägliche.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. Feb. 2017
ISBN9783765574733
Berlin, Berlin: von meinem Balkon aus gesehen

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    Buchvorschau

    Berlin, Berlin - Ursula Koch

    Vorbemerkung

    Es ist in Berlin nicht üblich und nicht erwünscht, mehr Worte als notwendig zu machen. Da­rum – und mit Rücksicht auf die Druckkosten dieses Buches – steht der Begriff „Berliner für alle Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt, ebenso wie „Hunde auch für Hündinnen, „Schwäne" auch für Schwäninnen usw.

    Ich bitte meine Geschlechtsgenossinnen um ­Verständnis.

    Ursula Koch

    Anfahrt

    Klack – klack – klack: Die Erinnerung an das Fahrgeräusch auf der Autobahn Richtung Berlin (durch „die Zone", wie es damals hieß) wird mich bis an mein Lebensende begleiten.

    Klack – klack – klack: aneinandergelegte ­Betonplatten, die sich im Laufe der ­Jahrzehnte verschoben, anhoben, zwischen denen sich Rillen bildeten. Tempo 100 war vorgeschrieben und wurde streng kontrolliert, weil jeder Verstoß den Behörden Devisen („Westgeld") brachte.

    Wir fuhren nach Hause – klack – klack – klack –, in den Semesterferien mit dem Lloyd 400, als junge Familie mit dem alten R4 … die Großmutter besuchen, die Freunde wieder­sehen. Wir fuhren immer nach Hause, wenn wir nach Berlin fuhren.

    Dabei bin ich nicht in Berlin geboren. Die kleine Wohnung meiner Mutter war ausgebrannt, der Vater an der Front, da wurden wir nach Süddeutschland an einen vermeintlich ­sicheren Ort gebracht. So habe ich meine ersten Tage und Nächte nicht im Bombenkeller verleben müssen. Aber der Krieg kam ­überallhin und als er zu Ende war, hatte meine Mutter es eilig, wieder nach Berlin zu kommen. Fünf Tage brauchten wir im amerikanischen Lazarettzug, dann wurden wir entlaust und durften in Großvaters instand gebliebene Wohnung ziehen. So wurde aus mir eine „Berliner Jöre. Begriffe wie „Schwarzmarkt, „Interzonenzug, „Blockade, „Brotsuppe gehörten früh zu meinem Wortschatz. Zu den Sendungen von Günther Neumanns „Insulaner krochen wir fast ins Radio; als Chruschtschows Berlin-­Ultimatum ablief, schrieben wir eine Mathe­arbeit und hofften im Stillen, sie würde ausfallen – aber sie fand statt. Und das Ultimatum blieb folgenlos.

    Später hatte ich eine Familie und einen Beruf im „Westen". Die Grenzen waren dicht, die Fahrt durch die Transitzone auf der Autobahn immer spannend: Autoschlangen in Marienborn, Pass abgeben, Kofferraum öffnen. Man lernte so zu packen, dass alles schnell herausgenommen werden konnte und anschließend auch wieder hineinpasste. Der Pass wurde in irgendwelchen unsichtbaren Hinterzimmern geprüft. Gut, wenn er am anderen Ende der Baracke wieder herauskam. Gesichtskontrolle.

    Und dann ging es weiter, aufatmend und doch angespannt. Eine Panne konnte Komplikationen verursachen. Ein freundlich gesprochenes Wort auf dem Parkplatz wurde aufmerksam mitgehört. Endlich: die Elbe! Ein Blick hinüber zum Magdeburger Dom – unerreichbar für uns. Aber die Stimmung stieg. Zwischen scheinbar endlosen ­Kiefernwäldern fahrend, begannen wir zu singen. Der Verkehr war ruhig, sehr ruhig.

    Endlich ist der Kontrollpunkt Dreilinden erreicht, wieder in die Schlange stellen, jetzt schon ungeduldig. Wieder die Gesichtskontrolle. Nein, wir haben im Lloyd keinen Flüchtling versteckt (hätten wir ja gern) … Und dann steht der kleine Bär auf dem Mittelstreifen der Auto­bahn, putziges Tierchen, ganz ungefährlich. Jetzt könnten wir Gas geben, aber unser Auto fährt nur 80. Das tut der Stimmung keinen Abbruch, denn der Funkturm winkt uns schon zu, wir stehen bald mit dem gelben Doppeldecker an der Ampel und schauen auf den Lietzensee hinunter.

    Jahrzehnte sind seitdem vergangen, inzwischen wohnen wir wieder in Berlin. Auch wenn sich vieles verändert hat und wir angeblich in ein neues Zeitalter eingetreten sind: Für uns ist es immer noch und immer wieder ein Nach-­Hause-Kommen.

    Wenn wir unterwegs sind, rasen wir mit doppelt so hoher Geschwindigkeit an den einstigen Kontrollposten vorüber und stehen dafür spätestens am Dreieck Nuthetal im Stau. Das Verkehrsaufkommen hat sich – dem Gefühl nach – verzehnfacht. Wir überholen endlose Kolonnen von Lastwagen. Aber wir summen auf dem Weg die alten Schlager:

    „Kleiner Bär von Berlin, du wirst sehn, deine Stadt, die wird wieder groß und schön …"

    Mein Kiez

    „Kiez" = ursprünglich: Ortsteil, wo die Fischer wohnen, wohl aus dem Slawischen. Nordostdeutschland, besonders Berlin: Stadtteil.

    So steht es im DUDEN-Wörterbuch, womit bewiesen ist, dass Begriffe in Berlin eine eigene Bedeutung annehmen können. Denn es sind ja keineswegs alle Berliner Fischer, auch wenn das Angeln in Spree, Havel und den zahllosen Seen sehr beliebt ist. „Kiez bedeutet für den Berliner aber noch viel mehr als „Stadtteil. Was ist das schon: ein „Teil"?

    „Kiez" ist zum Inbegriff für Heimat geworden, Heimat in dem unüberschaubaren, viel zu großen Konglomerat der verschiedensten Quartiere. Es gibt Untersuchungen, dass zahlreiche Menschen in Berlin ihren Kiez nur selten verlassen, denn zwischen den zehn Häuser­blöcken, den paar Straßenzügen und Kreuzungen kennen sie sich aus. Sollte sich etwas verändern, werden sie demonstrieren.

    Der alte türkische Gemüsehändler im Kreuzberger Wrangelkiez hätte bleiben können – trotz Mieterhöhung und Kündigung. Es gab einen Aufstand der Anwohner, der alte Mann wusste kaum, wie ihm geschah, so viele Solidaritätsbezeugungen bekam er, und der Hauseigentümer gab nach. Aber dann war er doch zu müde, und am letzten Öffnungstag standen Mütter mit weinenden Kindern vor der Tür, um Abschied zu nehmen.

    Auf der Straße im Kiez treffen wir Bekannte. Kaum einen Namen kennen wir, aber der Mann mit dem kleinen Hund, schwer gehbehindert, der ist jeden Tag unterwegs. Und die alte Frau mit dem Rollator haben wir auch schon oft gesehen und nicken einander zu. Kiez heißt nicht, dass man einander auf der Pelle sitzt. Aber es muss ja schließlich alles seine Ordnung haben, auch die Unordnung im Nachbarhaus, wo ständig Sperrmüll vor die Tür gestellt wird. Es gibt eben „so’ne" und solche Kieze.

    Unser Kiez reicht über die Bezirksgrenze, da ist ganz egal, dass „Marion’s Rumpelkammer und die Buchhandlung zu Treptow gehören, das Café „Rudimarie mit seinen alten Sofas und wackligen Tischen aber zu Neukölln. Und wenn mal wieder eine Katze entlaufen ist (Schild am Baum: „Wer hat Mieze gesehen? Finderlohn!", dazu ein Foto mit großen traurigen Katzenaugen), dann hängt das in allen benachbarten Straßen und man wünscht sich so

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