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SCHNEEZEIT: Im Winter allein durch Lappland
SCHNEEZEIT: Im Winter allein durch Lappland
SCHNEEZEIT: Im Winter allein durch Lappland
eBook216 Seiten2 Stunden

SCHNEEZEIT: Im Winter allein durch Lappland

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Über dieses E-Book

Zwei Monate im subarktischen Schnee, ohne den gewohnt festen Boden unter den Füßen: Wie fühlt sich und was erlebt ein die Zivilisation gewöhnter, normaler Zentraleuropäer bei diesem Leben? Allein, nicht motorisiert, ohne Hunde, in menschenleeren Gegenden, in klirrender Kälte, auf sich selbst gestellt, ohne Kontakt zur Zivilisation, "offline"? Detaillierte Beschreibungen schaffen eine Atmosphäre, in der die Erlebnisse und Erfahrungen mit den Elementen unmittelbar nachvollziehbar werden. Da die jahrzehntelangen Erfahrungen des Autors vom Wandern und Leben im Hohen Norden dabei immer mitschwingen, entsteht ein authentisches, aktuelles Bild vom heutigen Lappland mit all seinen Licht- und Schattenseiten.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Okt. 2012
ISBN9783844229110
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    Buchvorschau

    SCHNEEZEIT - Sebastian Below

    Sebastian Below

    SCHNEEZEIT

    Im Winter allein durch Lappland

    Für Adrian

    SCHNEEZEIT

    Im Winter allein durch Lappland

    Sebastian Below

    Copyright: © 2012 Sebastian Below

    published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    E-Book-Produktion: MELLE New Media, Potsdam

    ISBN 978-3-8442-2911-0

    Bild295.JPG

    Im Waldland

    Über die Seen (Karats)

    Das Feuer in der Schneegrube brannte lichterloh, meterhoch schlugen die Flammen in die sternklare Nacht. Der riesige Gluthaufen wärmte, am Feuer liegend merkte ich von der Kälte nicht viel. Wurde es von hinten kühl, drehte ich mich auf meinem Rentierfell eine Weile um. Dann schien mir der glasklar leuchtende Vollmond ins Gesicht und ich konnte meinen Blick über den tiefverschneiten Wald in der Bucht und den im Mondlicht glitzernden Schnee auf dem See gleiten lassen, während mein Rücken wieder warm wurde. Es war so hell, dass sogar der Rauch einen sacht sich bewegenden Schatten auf den Schnee warf. Über dem Feuer stieg der Rauch senkrecht empor, knickte in Höhe der Baumwipfel ab und waberte am Waldrand entlang. Draußen an der Landzunge hing eine große Rauchwolke über dem See.

    Heute, Freitag, am letzten Wochenende vor Ostern, waren viele Skoter unterwegs gewesen. Diese Motorschlitten hinterlassen eine feste Spur im Schnee und das hatte ich mit meinem Ziehschlitten auch dringend gebraucht. Seit der Siedlung Karats konnte ich einem offiziellen Skoterweg über den See folgen und bin auf der festen, ebenen Spur gut vorangekommen.

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    Bis Karats jedoch hatte ich viel auf Waldwegen gehen müssen, wo es nur zufällig ab und zu Skoterspuren gab. Ohne diese Spuren bin ich mit meinem schweren Ziehschlitten im Tiefschnee oft fast steckengeblieben. Um den 50 Kilo schweren Pulka einen Kilometer durch den Tiefschnee zu ziehen, musste ich mehr als eine Stunde schuften. Über viele Kilometer hinweg hatte das eine zermürbende Schinderei bedeutet, bei der ich mir wie ein Maulwurf vorkam. Trotz der Kälte triefte ich vor Schweiß und begann bei Verschnaufpausen sofort zu frieren. Also schuftete ich stundenlang ohne Pause und wenn ich schließlich doch eine machte, dann nur an Stellen, wo viel gutes Feuerholz in Reichweite war und ich schnell ein großes Feuer machen konnte. Stieß ich auf eine passende Skoterspur, freute ich mich wie ein Schneekönig über den plötzlich wieder gleitenden Pulka und war später um so mehr enttäuscht, wenn die Spur in eine falsche Richtung abbog. Ich konnte den Spuren nicht einfach nach irgendwohin folgen, sondern hielt mich an meine Richtung und die Waldwege, die ich mir auf der Karte ausgesucht hatte. Nach mühevollen Tagen mit langen Tiefschnee-Passagen erreichte ich schließlich Karats. Nun konnte mir auf den restlichen 70 Kilometern bis zum Ort Kvikkjokk auf diesem Skoterweg, der jedes Jahr neu abgesteckt wird und meist über Seen führt, nichts Derartiges mehr passieren.

    Im Lauf des Tages waren immer mehr Skoter an mir vorbeigefahren. Ich war der einzige Skiläufer weit und breit. Langlauf ist in Lappland unter den Einheimischen nicht populär und mit Gepäck schon gar nicht. Der größte Wintervolkssport ist das Skoterfahren. Wenn diese Motorschlitten ankamen, ging ich zur Seite und machte Platz. Der Regel nach sollen Skoter Skiläufern ausweichen. Ich verließ mich aber besser nicht auf diese Vorschrift und wich seitlich in den Tiefschnee aus.

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    Ein Skoter mit Anhänger war von hinten angefahren gekommen, hatte gebremst und neben mir angehalten. Der Fahrer stellte den Motor ab, rückte seine Pelzmütze zurecht und fragte mich unvermittelt:

    Är du envis? Bist du stur?

    Zuerst war ich völlig verblüfft. Es ist absolut unschwedisch, dermaßen direkt zur Sache zu kommen. Ich musste lachen.

    „Wieso?" fragte ich zurück.

    „Man muss schon ziemlich stur sein, wenn man hier auf Skiern mit Pulka entlangzieht!"

    Dazu konnte ich schon etwas sagen und wir unterhielten uns eine Weile. Schließlich bot er an, mich auf dem Anhänger ein Stück mitzunehmen. Ich lehnte freundlich ab. Das verstand er nun überhaupt nicht:

    „Aber wenn du mitfährst, sparst du doch 20 Kilometer Ziehen!"

    „Danke nein sagte ich, „ich will den Pulka ziehen. Ich will ja gehen. Sonst hätte ich doch gleich auf der Straße mit dem Auto nach Kvikkjokk fahren können!

    Kopfschüttelnd fuhr er ab.

    Einige Stunden später kam er zurück, hielt wieder an und fragte:

    „Ist das eigentlich nicht frustrierend, dauernd von Skotern überholt zu werden?"

    „Nein meinte ich. „So sehr viele waren es heute auch gar nicht. Vielleicht vierzig.

    Und dann bedankte ich mich für die prima Skoterspur, ohne die man als Skiläufer mit Pulka bei diesen Schneeverhältnissen ja kaum vorwärts käme.

    Das gefiel ihm und er lachte mit hoher Stimme.

    Skoterfahrer und Skiläufer sind sich meistens nicht sehr wohl gesonnen. Man ist selten nett zueinander. Es gibt viel Streit, meistens in Hütten, wenn es um das Übernachten geht, aber auch auf den Wegen. Manchmal gibt es Unfälle, bei denen Motorschlitten Skiläufer oder Fußgänger anfahren. Es passiert viel. Und manchmal bringen sich Skoterfahrer selbst um.

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    Diese Maschinen können zu tödlichen Geschossen werden. Das liest sich in der Zeitung dann so: Jokkmokk/Årrenjarka. Es war relativ spät am Abend, nach 22 Uhr. Es war dunkel, als G. mit einigen anderen Skoterfahrern auf dem See unterwegs war. G. fuhr gegen einen Felsen und der Skoter flog 17 Meter durch die Luft, bevor er auf dem Eis aufschlug. G. selbst fand man 13 Meter vom Skoter entfernt.

    Die Skoter werden immer zahlreicher. Die Anzahl der Skoter in Schweden ist gestiegen von etwa 20.000 im Jahr 1983 auf fast 200.000 zwanzig Jahre später.

    Der Skoterfahrer war auf der Suche nach einem Bekannten und fragte:

    Har du sett en lapp med en svart lapphund köra förbi på väg mot Karats? Hast du einen Lappen mit einem schwarzen Lappenhund auf dem Weg nach Karats vorbeifahren sehen?

    Nein, hatte ich nicht.

    Er las meinen Blick richtig und lachte wieder mit seiner hohen Stimme:

    Jag är själv en lapp! Det har jag alltid varit och det blir bara så här. Samerna, dom är mest bara till besvär för oss lappar. Ich bin selbst ein Lappe! Das bin ich immer gewesen und das bleibt auch so. Die Sami, die machen uns Lappen doch meistens nur Ärger.

    Ich staunte nicht schlecht. Das war ein Sami, der sich ungewöhnlich deutlich ausdrückte. Auf mein Fragen hin gab er mir bereitwillig Auskunft. Er sei hier in der Gegend geboren und aufgewachsen, später an die Küste gezogen und habe dort beruflich gute Arbeitsbedingungen gefunden. Er habe eine Schwedin geheiratet und sie seien als vierköpfige Familie mit ihrem Leben in der schwedischen Gesellschaft zufrieden. Auf seine rentierzüchtenden Kollegen sei er nicht gut zu sprechen. Deren Politik arbeite mit starken Ressentiments gegen die Schweden und schaffe fortwährend Konflikte. Dabei subventioniere der schwedische Staat die Rentierzucht doch schon in hohem Maße.

    Wir kamen in ein lebhaftes Gespräch, bis er schließlich wieder seine Mütze zurechtrückte, mir eine gute Tour wünschte und losfuhr, um seinen Bekannten mit dem schwarzen Hund zu suchen.

    Bild331.JPG

    Tatsächlich machen die Rentierzüchter nur knapp ein Drittel der insgesamt 16.000 in Schweden lebenden Sami aus. Sie bestimmen die samische Politik, sind aktiv, präsentieren sich rege in den Medien, haben ein eigenes Parlament, bestehen in Wort und Schrift strikt auf ihrem Status als Sami und verstehen sich als die Ursprungsbevölkerung. Sie machen es der schwedischen Regierung nicht leicht mit ihren Forderungen nach Sonderrechten. Dabei ist die Begründung immer, als erste dagewesen zu sein. Als lapp wurde man einst unterdrückt, als same will man nun sein Land zurück. Die Sympathie für diese Politik ist dort am größten, wo man weit weg von Lappland ist und wenig darüber weiß. In Lappland selbst, wo die treibenden Motoren des gesellschaftlichen Lebens im Wesentlichen die Holz-, Elektrizitäts- und Stahlindustrie sind, stößt diese Politik zumeist nur auf Kopfschütteln oder Ablehnung.

    Die restlichen zwei Drittel der Sami beteiligen sich nicht an dieser Politik und verstehen sich mehr als Schweden.

    Ich selber sage nicht „ein Lappe und „die Lappen, sondern „ein Sami und „die Sami. Damit folge ich dem Vorschlag von Svenska Institutet für den deutschen Sprachgebrauch. Lappland ist für mich aber dennoch Lappland und nicht Sameland, Sápmi oder Same Ätnam.

    Lapp kommt ursprünglich vom finnischen lappalainen („jemand im abgelegenen Land im äußersten Norden) und ist die Abkürzung. Dies war der Ursprung des schwedischen en lapp („ein Lappe) und Lappland. Lapp konnte aber auch herabsetzend gemeint sein, da lapp im Schwedischen „Fetzen, Flicken, Lappen, Zettel bedeutet. Dies hat im Zusammenhang mit der jahrhundertelangen Unterdrückung der Sami inzwischen im Rahmen der politischen Emanzipierung dazu geführt, dass das Wort „Sami zum Politikum geworden ist. Genauso wie „Eskimo für Inuit und „Zigeuner für Sinti ist „Lappe" für Sami politisch gesehen ein Schimpfwort.

    Das ist selbstverständlich zu akzeptieren. Dennoch spreche und schreibe ich aber weiterhin von Lappland, Kebnekaise, Kiruna oder Jokkmokk. Das sind geographische Namen, die in jedem Atlas der Welt zu finden sind. Viele samische Politiker sehen darin aber rassistische Tendenzen enthalten, fühlen sich diskriminiert, pochen lautstark auf samische Grundrechte und fordern Änderungen. Das hat teilweise merkwürdige Konsequenzen.

    Bei den Ortsnamen zum Beispiel halte ich mich an die schwedische Schreibweise, weil sich die samischen Namen in schwedischer Schreibweise leichter aussprechen lassen. Das war bis vor 20 Jahren auch überall so üblich. Dann kam die samische Schreibweise hinzu, die Namen wurden also in zwei Sprachen geschrieben, wie das inzwischen auch bei den Ortsschildern der Fall ist. Inzwischen werden die Namen in den Wanderkarten aber nur noch auf Samisch geschrieben. Das hat zur Folge, dass auch ortsunkundige Schweden hier draußen gar nicht mehr sagen können, wo sie eigentlich sind oder was wo ist, weil sie die Namen nicht aussprechen können. Warum muss in der Karte Jåhkamåhkke stehen, wenn die Aussprache [jokkmokk] ist? Warum Ijvvárláhko statt [ivarlako], Ábeskovvu statt [abisko] oder Giebmegáisi statt [kebnekaise]?

    Ähnlich weit über ethnische Anliegen hinausgeschossen wie Verlage sind Reiseveranstalter, die das Wort Lappland durch Sápmi oder Same Ätnam ersetzt haben. Touristisch gesehen hat das Wort Lappland einen hohen Klang. Wörter wie Lappland, Rio, Serengeti oder Himalaya lösen sofort eine starke Vorstellung aus. Das ist für den Tourismus von größtem Wert. Wer für Lappland werben will und aus ethnischen Gründen mit Sápmi wirbt, schießt ein Eigentor. Wer in Rom, Berlin oder London weiß, was oder wo Sápmi ist und wer kann damit etwas verbinden?

    Mein samischer Skoterfahrer war schon lange weg, während ich beim Skilaufen weiter den Gedanken nachhing, die das Gespräch bei mir ausgelöst hatte. Inzwischen hatte es langsam begonnen Abend zu werden.

    Der kalte Wind auf dem See wehte schon den ganzen Tag von Osten her. Zum Glück hatte das für mich Rückenwind bedeutet. Andersherum hätte ich mein Gesicht vermummen und mich vor Erfrierungen in Acht nehmen müssen.

    Jetzt wollte ich ans Seeufer und einen Lagerplatz für die Nacht suchen. Dafür brauchte ich eine Landzunge, die mir Windschutz und viel Holz bot. Ich hatte schon seit geraumer Zeit das Ufer mit dem Fernglas nach einer Bucht mit Kiefern mit vielen dürren Ästen abgesucht. Ich wollte ein großes Feuer machen können, ohne deswegen von weit her Holz heranschleppen zu müssen. Der Himmel hatte eine stahlblaue Farbe, es sah nach einer kalten Nacht aus.

    Die 300 Meter zum Ufer musste ich mich wieder durch Tiefschnee wühlen. Gálav sagt man dazu auf Samisch, djupränt skidföre auf Schwedisch: tief versinken die Skier im losen Schnee. Man stapft, von Fahren oder Gleiten kann keine Rede sein.

    Trotz meiner 220 cm langen und 8 cm breiten Skier sank ich bis über die Knie ein und pflügte eine tiefe Bresche in das weiße Pulver. In dieser Rinne glitt der hoch bepackte Pulka trotz Deichselführung einfach nicht so hinterher, wie ich es gern gehabt hätte. Alle Tricks halfen nichts, weder breitbeiniges Stapfen, seitliches Gehen oder schiefes Ziehen an der Deichsel. Meistens hing der Schlitten schräg in der Rinne und kippte dann irgendwann um. Hinten war niemand, der die 50 Kilo wieder hätte aufrichten können. Also musste ich mich aus der Deichsel ausklinken, zum Pulka zurückstapfen und ihn hinstellen. Dann ging ich wieder nach vorn, schirrte mich an und zog ihn weiter, bis er nach einigen Metern wieder umkippte. Wie immer im Tiefschnee kam ich ins Schwitzen, worauf meine Brille beschlug und dann vereiste. Ich sah nichts mehr und musste ständig stehenbleiben, die Handschuhe ausziehen und die Brille frei reiben. Das ging auf die Nerven und veranlasste mich zu ausgiebigem Fluchen.

    Die letzten 100 Meter ließ ich den Pulka einfach stehen, begann am Ufer die Arbeit an Zeltplatz und Feuerstelle, musste dafür immer wieder Sachen aus dem Schlitten holen und legte so mit der Zeit eine feste Loipe in den Schnee, durch die ich den Pulka schließlich leicht zum Feuer ziehen konnte.

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