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Ich trampe zum Nordpol: Abenteuerlicher Bericht einer Ein-Mann-Expedition mit Auto, Buschflugzeug, Hund
Ich trampe zum Nordpol: Abenteuerlicher Bericht einer Ein-Mann-Expedition mit Auto, Buschflugzeug, Hund
Ich trampe zum Nordpol: Abenteuerlicher Bericht einer Ein-Mann-Expedition mit Auto, Buschflugzeug, Hund
eBook418 Seiten5 Stunden

Ich trampe zum Nordpol: Abenteuerlicher Bericht einer Ein-Mann-Expedition mit Auto, Buschflugzeug, Hund

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Über dieses E-Book

Die Ein-Mann-Expedition zum Nordpol mit Ford, Schlafzelt, Schlauchboot, Hundeschlitten und Buschflugzeug ist geglückt! Heinz Helfgen, der schriftstellernde Tramp und bekannte Weltumradler, er hat es wieder einmal riskiert - und geschafft!

Tausende von Kilometern hat er sich im riesigen Kanada aus den nördlichsten Stätten der Zivilisation allein in die Polarnacht der Eiswüsten an der Bering-See gewagt. Unter unsagbaren Anstrengungen und tollen Abenteuern hat er mit eisernem Willen und einer guten Portion Glück das heißumkämpfte Ziel erreicht: Ein deutscher Globetrotter erlebt aus dreihundert Meter Höhe den Nordpol.

Über viele Tausende von Meilen führte die Expeditionsroute: Auf der berühmten Alaska-Straße, von wo Helfgen kilometerweit den Wald brennen sah, wo der wütende Elch auf dem Autokühler herumtrampelte, bis nach Vancouver, der letzten Großstadt am Rande der Zivilisation.

- Fairbanks, der gewaltige Flugstützpunkt der Amerikaner und Zentrum jenes riesigen Radarnetzes, das Helfgen später in Banks Island das Leben retten sollte

- Alleinflug von Nome zur Beering-Straße

- zur Diomedes-Doppelinsel, wo den Eskimos in ihren Iglus die militärischen Geheimnisse der UdSSR zum Greifen nahe sind.

Irgendwo mit Buschflugzeug in der urweltlichen blau weißen Trostlosigkeit der Eiswüste abgesetzt mit dem denkwürdigen Abschiedsgruß des Piloten: „Hein, nicht um eine Million Dollar möchte ich jetzt in deiner Haut stecken..."

Bei seinem Trampen durch die endlosen Eiswüsten sind es immer wieder Eskimos, die weiterhelfen, nicht zu vergessen Alapah, der riesige Schlittenhund, die prächtigen Buschpiloten und sogar die amerikanische Luftwaffe, die dem hartnäckigen Einzelgänger endlich seinen heißesten Wunsch erfüllen konnte.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum15. März 2021
ISBN9783945668672
Ich trampe zum Nordpol: Abenteuerlicher Bericht einer Ein-Mann-Expedition mit Auto, Buschflugzeug, Hund

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    Buchvorschau

    Ich trampe zum Nordpol - Heinz Helfgen

    Abenteuerbücher

    Vorwort

    Ich weiß wirklich nicht, was ich mit dem Nordpol anfangen soll...

    ... telegraphierte der amerikanische Präsident Taft an den Forscher Peary, als dieser ihm stolz mitteilte, er habe am Nordpol die Flagge der Vereinigten Staaten gehißt.

    Die Zeiten ändern sich und auch die Meinungen. Man schreibt heute das Wort Nordpol groß. Es steht im Mittelpunkt des wirtschaftlichen und politischen Zeitgeschehens. Wo früher große Expeditionen mühsam in das nordpolare Eis vordrangen, brummen heute die Flugzeugmotoren der Luftlinien, die über den Pol die kürzesten Strecken zwischen den Hauptstädten der Welt fliegen.

    Bei meiner großen Weltumradlung stand ich oft vor einer Landkarte, besser gesagt einer Weltkarte, und wußte genau: einmal mußt du auch dort hinauf zum Nordpol, dem kalten Dach der Welt.

    Je öfter ich später den Globus auf meinem Schreibtisch betrachtete, um so mehr festigte sich bei mir der Entschluß, wieder einmal die sogenannte Zivilisation der Alten Welt zu verlassen und dorthin zu gehen, wo ich Neues erleben und bisher Unbekanntem begegnen konnte.

    Man hat mir vorgeworfen, ich würde die Gefahr suchen. Das trifft nicht zu. Ich suche das Abenteuer und gehe der Gefahr nicht aus dem Weg, vermeide es aber, sie unnötig heraufzubeschwören.

    Der Norden mit seinen endlosen Schnee- und Eiswüsten lockte mich, weil mir beim Lesen und Studieren der polaren Fachliteratur klar wurde, daß in der nördlichen Hälfte der Welt neun Zehntel der gesamten Menschheit leben.

    Der Nordpol lockte mich, weil es an diesem Punkt der Erde weder Nord noch Ost noch West gibt, weil dort jeder Wind aus dem Süden kommt und alle Sterne des nördlichen Himmels den „großen Nagel" der Eskimos in stets gleichbleibender Entfernung vom Horizont umkreisen.

    Der Nordpol lockte mich, weil ich wußte, daß Schnee und Eis nicht die einzigen Großmächte der Arktis sind. „Was gibt es am Nordpol zu sehen?" Diese Frage bewegte mich und trieb mich wieder hinaus in die Welt. Der Nordpol als Ziel schien mir interessant genug, um meinen Lesern und Freunden darüber zu berichten.

    Kapitel 1: Fünf Dollar pro Schnauze - Der Wald brennt - Old Dick - Rauhe Gesellen

    Nach den vielen tausend Kilometern, die ich nun schon mit meinem alten, in New York gekauften Ford - Baujahr 1950 - zurückgelegt hatte, lag plötzlich die weite Georgia-Bucht am Pazifik und damit die Grenze zwischen den USA und Kanada vor mir.

    US-Beamte winkten mir freundlich zu und ließen mich ohne jede Kontrolle passieren. Dafür stoppten mich wenige hundert Meter weiter die Kanadier. Ohne viel zu fragen, stellten sie mir für Wagen und Ausrüstung einen Passierschein durch Kanada aus. Der Blick eines der Zollbeamten fiel auf meine pelzgefütterten Stiefel.

    „Wollen Sie vielleicht hinauf in die Arktis?" fragte er.

    „Ja", sagte ich.

    Darauf zog der Beamte ein Telegrammformular aus der Tasche und reichte es mir mit den Worten: „Hier ist die letzte Information über die Alaskastraße!"

    Ich las: „ALKAN Highway closed!" (Alaskastraße gesperrt!)

    Eine böse Überraschung! Der Beamte schien zu bemerken, daß mir diese unangenehme Nachricht nicht gelegen kam. Beschwichtigend meinte er: „Das ist nicht so schlimm und kommt oft vor. Da hat es eben wieder einmal zuviel geregnet dort oben. Dann rutscht die Straße an einigen Stellen immer fort. Wir kennen das schon. Take it easy - schauen Sie sich derweil British Columbia an! Es ist das schönste Land der Welt! Eines Tages ist auch der ALKAN Highway wieder repariert. Dann ist noch immer Zeit, hinaufzufahren und Eisbären zu jagen!"

    Nun gut also. - Was blieb mir auch anderes übrig!

    Langsam fuhr ich nach Vancouver, der Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia.

    Die Stadt selbst, so schön sie auch am Wasser liegt, konnte mich jedoch nicht besonders reizen, da ich so schnell wie möglich hinauf nach Alaska wollte.

    Das Leben und Treiben in Vancouver unterscheidet sich so gut wie überhaupt nicht von dem Betrieb in den nördlichen Städten der USA. Nur ein besonders aufmerksamer Beobachter wird feststellen, daß die Leute hier nicht ganz soviel Geld haben wie dort unten im Süden.

    Natürlich wollte ich auch hier Menschen kennenlernen, die mir für meine Reise durch diese westlichste der zehn kanadischen Provinzen ein paar gute Tips geben konnten. So fuhr ich durch die Abenddämmerung zum Fischereihafen und ging dort in eine Nachtkneipe. „Sourdough" war der Name dieser Kaschemme. Das Wort ist schlecht ins Deutsche zu übersetzen, hat jedoch für die Amerikaner und die Kanadier eine fast legendäre Bedeutung.

    Ein Sourdough ist ein Oldtimer, ein Pionier des nördlichen Westens - unrasiert und lederhäutig, meist einsam inmitten der unendlichen waldreichen Weiten dieses Landes lebend, Fischer, Bären- und Elchjäger, Goldsucher - alles in einer Person.

    Durch eine knarrende, quietschende Tür betrat ich diese Sourdough-Kneipe und war auf allerlei gefaßt.

    An den schwarzgeräucherten Wänden hingen einige Angeln, ein paar Netze und das riesige Fell eines Grizzlybären. Vor einem rohgezimmerten Holztisch saß ein junger Mann. Er trug einen überdimensionalen Stoppelbart und blickte verträumt in sein halbvolles Bierglas.

    Ich ging auf ihn zu und sagte das landesübliche „Hey!"

    Dieser Gruß bürgert sich gerade in ganz Amerika ein. Man sagt nur noch selten: „Hallo! Man sagt: „Hey!

    Der junge Mann versetzte einem an seinem Tisch stehenden Stuhl einen derben Fußtritt und nickte. „Sit down!"

    Ich nahm also Platz und rief zur Theke hinüber: „Bier!"

    Der Wirt stellte mir gleich zwei und meinem Nachbarn auch zwei Gläser vor die Nase. Das ist nun einmal so der Brauch in British Columbia, niemand bekommt nur ein Glas Bier serviert.

    „Looking for a job?" fragte der Mann an meinem Tisch.

    „No! sagte ich. „Ich hab’ noch ’nen alten Ford und ’n paar Dollars und will nach Alaska.

    Lange Pause.

    Dann: „Kommst mir bekannt vor! Glaube, ich hab’ dich schon mal in Television gesehen. Stimmt’s?"

    „Ja, vor zwei Jahren, erwiderte ich. „Als ich durch die Staaten kam.

    „All right! Bist mit einem Fahrrad um die Welt gefahren - okay?"

    Das hatte ich nicht erwartet! „Ja, gab ich zurück. „Du hast ein gutes Gedächtnis!

    Er nickte.

    Wieder eine lange Pause.

    Dann: „Was wirst du in Alaska tun?"

    „Ich will in die Arktis, möglichst dicht an den Nordpol ran."

    „Warum?"

    „Nur so."

    „Crazy! - Verrückt!"

    Lange Pause.

    Dann, nachdem wir das erste Glas geleert hatten, sagte der junge Mann mit dem Stoppelbart: „I´m going seal-killing, five dollars each! - Ich gehe Seehunde töten, fünf Dollar für jeden!"

    „Wo?" fragte ich.

    „Achtzig Meilen von hier. Fahr mich hin! Kannst auch welche schießen und ’n paar Dollars verdienen."

    Seals? Seehunde?

    Donnerwetter, das war eine Chance! Meine Frau daheim in Düsseldorf würde sich bestimmt freuen, wenn ich ihr ein paar Seehundfelle für einen Pelzmantel mitbrächte!

    Ich überlegte also nicht lange, sondern sagte: „Come on, let’s go! — Komm, laß uns gehen!"

    Der andere legte einen Dollar auf den Tisch und bedeutete mir, ich solle mein Geld steckenlassen.

    Vor uns lag schwarz und drohend die weite Bucht von Georgia. In der Ferne waren die Lichter der großen Vancouver-Insel zu sehen. Über ein sehr schlechtes Pflaster erreichten wir ein hellerleuchtetes Fährschiff.

    Bis dahin hatte mein neuer Freund kein Wort gesprochen und mir nur durch entsprechende Handbewegungen den Weg gezeigt. Doch nun wurde er plötzlich gesprächig. „I’m broken! I’m student. You’ll pay, you’ll shoot seals and get your money back! - Ich bin pleite! Ich bin Student. Du mußt jetzt bezahlen, aber du wirst Seehunde schießen und bekommst so das Geld zurück", sagte er.

    Hmhm ...

    Ich stoppte den Wagen und betrachtete den jungen Mann ein wenig verwundert von der Seite. Ein Student? Ich hatte noch nie einen so bärtigen Studenten gesehen - außer einigen etwas verrückten Franzosen. Er schien zu fühlen, daß ich mißtrauisch war. Hastig suchte er nach dem Lichtknopf des Wagens. Als das Licht brannte, reichte er mir stillschweigend eine kleine Personalkarte.

    Dan Hill... Größe ... Gewicht ... Kanadier ... Student der technischen Wissenschaften an der Universität Columbia.

    Etwas beschämt, ihn nicht richtig eingeschätzt zu haben, gab ich ihm den Ausweis zurück. Dan Hill erzählte mir darauf, daß seine Eltern arme Farmer im Osten seien und daß er noch zwölf Geschwister hätte und sein Studium, wie die meisten Studenten hierzulande, selbst verdienen müsse. „Viele von uns, fuhr er fort, „arbeiten während der Semesterferien als Holzfäller. Ich halte diese Arbeit allerdings gesundheitlich nicht durch. Aber mit dem Seal-killing kann man auch ganz gut Geld verdienen, weißt du!

    „Klar! sagte ich. „Fünf Dollar für ein Fell...

    „No, no, verbesserte mich Dan. „Nicht fürs Fell, nur für die Schnauzen.

    Ich schüttelte den Kopf.

    „Doch, meinte Dan. „Wir brauchen bloß die Schnauzen eines jeden getöteten Tieres dem Bürgermeister des Fischerdorfes zu bringen. Der zahlt pro Stück fünf Dollar!

    Ich wollte es nicht glauben.

    Dan Hill klärte mich auf.

    Es war jetzt gerade Hochsaison für die Fischer. Jedes Jahr im Sommer kommen Millionen Seefische, vor allem Lachse, in die Buchten nördlich von Vancouver und schwimmen die Flüsse hinauf. Aber Hunderte von alten Seehunden folgen ihnen auf den Fersen, beziehungsweise auf den Schwanzflossen. Das wäre nun zwar halb so schlimm, denn was sie fressen, fällt nicht besonders ins Gewicht. Doch diese Seehunde haben noch eine andere Eigenschaft, die jeden Fischer zur Verzweiflung bringt. Sie warten, bis die Netze schön voll sind, und greifen dann den im Netz zappelnden Fischschwarm an, zerreißen die Netze und zerstören auf diese Weise den ganzen Fang!

    Als ich Dans interessante Geschichte gehört hatte, bezahlte ich die zwei Dollar für die Fähre.

    Nach einstündiger Überfahrt brausten wir die angegebenen achtzig Meilen an der Westküste der Vancouver-Insel nach Norden hinauf zu den Fischgründen des Campbell River.

    Obwohl es bereits kurz vor Mitternacht war, hielten wir in dem kleinen Fischerdorf Quinsam vor der Hütte des Bürgermeisters.

    Dan klopfte laut ans Fenster.

    Als eine schlaftrunkene Stimme irgend etwas aus den Kissen heraus brummte, rief er: „Hier ist Dan und noch einer! Gib uns zwei Knarren und die Lampe!"

    Dan schien hier gut Bescheid zu wissen, stellte ich bei mir fest.

    Nach einer Weile schlurfte ein alter Mann aus der Hütte. Er war im Nachthemd und trug eine großväterliche Kapuze über den Ohren. Es war der Bürgermeister in Person! Er reichte uns die Lampe und zwei Gewehre.

    „Viel Glück, boys!" brummte er in seinen weißen Stoppelbart.

    Damit zog er die Tür hinter sich zu, und wir standen wieder allein zwischen den verstreut liegenden einsamen Fischerhütten.

    Über einen schlüpfrigen Pfad steuerte Dan den Wagen kreuz und quer durch die Gegend. Schließlich kamen wir an einen großen Süßwassersee.

    „Hier geht es nicht mehr weiter, sagte Dan. „Wir müssen nun bis zum ersten Morgengrauen warten und dann mit einem Boot bis zur Flußenge rudern. Dort gibt es eine Stelle, wo die Seals aus der Tiefe des Sees auftauchen und Luft holen, um sich dann, schlau, wie die Biester sind, am Boden der Untiefen des Flußaustritts in den Strom zu schmuggeln.

    Wie sich denken läßt, hatte mich Dans Jagdfieber angesteckt. Außerdem - fünf Dollar für jede Seehundschnauze? Na, das war nicht zu verachten!

    Als sich langsam die Wolkendecke über uns auseinanderschob und der volle Mond sein weiches Licht auf den See warf, sah ich jenseits des Wassers das Weiß eines schneebedeckten Berges herüberleuchten.

    „Das ist einer der vielen Dreitausender drüben auf dem Festland, sagte Dan. „Da gibt es Gegenden, wo noch kein Mensch gewesen ist. Das Land dort, gar nicht weit von Vancouver, ist fast noch unerschlossen - und vielleicht sogar das beste Jagdgebiet. Es gibt dort Hirsche, Elche und Schwarzbären!

    Dan hielt mir einen langen Vortrag über die Größe und den Reichtum von British Columbia. Ich erfuhr, daß diese westlichste Provinz Kanadas doppelt so groß ist wie Gesamtdeutschland (Kanada selbst ist über 20mal größer als Deutschland!) und daß allein British Columbia über mehr Holz und Mineralien verfügt als ganz Europa!

    Dieses herrliche Wald- und Gebirgsland ist nur von knapp einem halben Dutzend Straßen durchzogen. Nur zwei Eisenbahnlinien führen nach dem Norden. Die eine von Vancouver über Prince George nach Prince Rupert, mit einer Länge von etwa 2000 km. Die andere kommt von Edmonton aus der Nachbarprovinz Alberta und reicht bis hinauf nach Dawson Creek, wo der Alaska-Highway seinen Anfang nimmt. Die Bevölkerung dieser riesigen kanadischen Provinz, noch keine zwei Millionen Menschen, wohnt zu 80% in Vancouver und Umgebung. Das Land mit all seinen Reichtümern ist so gut wie menschenleer.

    Während wir noch plauderten, zog ein leichter grauer Streifen über den östlichen Horizont.

    „Der Tag kommt", sagte Dan.

    Automatisch griffen wir nach den Gewehren und stiegen schweigend in ein kleines Ruderboot. Als wir durch das hochgewachsene Schilf stießen, flog laut schnatternd ein Schwarm Wildenten auf und entschwand in Richtung des langsam verblassenden Mondes. Irgendwo quakten ein paar Frösche. Der See lag ruhig und spiegelblank vor uns.

    Drüben, wo am immer heller werdenden Horizont die Schneeberge herübergrüßten, war eine ziemlich felsige Bucht zu erkennen. Mein neuer Freund Dan, der Columbia-Student, erklärte: „Der Plan, die Tiere dort abzuschießen, ist unbedingt richtig. Den Fischern ist das bisher nicht geglückt, weil sie ihre Außenbordmotoren benutzen und dadurch die alten, schlauen Seals nur warnen." Er ging jetzt dazu über, mir mehr von den Seehunden zu erzählen.

    „Wenn diese Seals nämlich alt und häßlich werden, sagte er, „büßen sie auch ihr Flinksein ein. Aber sie ersetzen das dann durch Klugheit. Manche Fischer meinen, die alten Seehunde sähen und hörten schlecht. Gut, sie sehen schlecht. Das stimmt schon, es mag am Alter liegen oder daran, daß ihnen das ungewohnte Süßwasser die Augen trübt. Aber ihre Ohren sind verdammt okay! Warum kommen sie trotz ihres Hungers nicht heran, wenn sich ein Motorboot der Flußmündung nähert, he? Rudert man aber lautlos hin - na, du wirst es gleich sehen, wie dumm und neugierig sie ihre alten Köpfe aus dem Wasser heben.

    Langsam rötete sich der Himmel im Osten. Goldrot leuchteten die Schneeberge an der Küste British Columbias und warfen ihr Leuchten auf die blauschwarze Fläche des Sees. Doch da leuchtete noch etwas! Kaum hundert Meter vor uns spritzte und zappelte es!

    Dans Gesicht strahlte. „Das sind Lachse, sagte er. „Ein ganzer Schwarm. Sie gehen flußauf. Ich wette um meinen Bart, daß es gleich knallen wird! Denn die Seals kommen bestimmt hinterher!

    Mit doppelter Anstrengung tauchten wir die Ruder ins Wasser. Fast ohne Geräusch glitt unser Boot über den See. Dann sah ich die rötlich schimmernden Fische, die gleich riesigen Goldfischen der schmalen, seichten Flußmündung zustrebten. Hier und da schossen sie aus dem Wasser heraus, übersprangen die vor ihnen schwimmenden Gefährten - Hunderte großer, ausgewachsener Prachtexemplare.

    „Warum haben sie’s nur so eilig?" fragte ich.

    „Sie rasen dem Tod entgegen!" erwiderte Dan sarkastisch.

    Plötzlich erinnerte ich mich, schon einmal etwas darüber gelesen zu haben.

    Diese Lachse hatten ihr sechs- oder siebenjähriges Reiseleben beendet. Sie eilten die Flüsse Amerikas hinauf, um dort zu sterben. Die meisten von ihnen werden aber einige Tage früher ihr Leben lassen, denn überall haben die Fischer ihre Netze durch die Flüsse gezogen. Durch das alljährliche Massensterben der Lachse ist es den Fischern in Kanada möglich, zu leben. Der Tod der einen ist auch hier die Existenz der anderen!

    Was mag so ein Lachs wohl alles erlebt haben!

    Geboren in irgendeinem amerikanischen Fluß, wandert er als winziges Fischlein mit Millionen Gleichaltrigen hinaus in den planktonreichen Nordpazifik. Riesige, kilometerlange Schwärme, kaum fingergroß der einzelne Fisch, folgen einem unumstößlichen Gesetz und schwimmen entlang den nebelreichen Aleuten zu den sibirischen Inseln. Hier wenden sie sich dann, größer geworden und viele Male durch räuberische Seebewohner dezimiert, immer schneller gen Süden. Sie beginnen sich subtropischen und tropischen Gewässern anzupassen, umschwärmen die japanische Inselwelt, Formosa, die Philippinen, die Marshall-Inseln, um dann im besten Alter die Gesamtbreite des Pazifiks abermals zu durchqueren. Eine Art Sehnsucht nach ihren Geburtsplätzen scheint über sie gekommen. Nur dort, wo sie geboren wurden, wollen sie im ewigen Kreislauf der Schöpfung eine neue Generation zur Welt bringen. Und dann eilen sie ihre heimatlichen Flüsse hinauf, kristallklaren Quellwassern entgegen, um dort zu sterben.

    Gut, dachte ich, also die Fischer sollen sie meinetwegen haben, aber nicht diese verdammten alten häßlichen Seehunde!

    Wir erreichten die ersten vom Wasser verdeckten Sandbänke an der Flußmündung. Der Kiel des Bootes scharrte knirschend über den Sand.

    Dans Blicke schweiften suchend über die Wasserfläche. Wir warteten - fünf Minuten - zehn Minuten...

    Da tauchte unmittelbar vor uns, keine zwanzig Meter entfernt, ein rundes Etwas aus der Tiefe. Zunächst sah es aus wie ein Fußball. Langsam drehte sich der „Ball" und - ich mußte unwillkürlich laut auflachen! Es gibt wohl nichts Komischeres als das plötzlich aus dem Wasser tauchende Gesicht eines alten Seehundes!

    „Number one! - Nummer eins!" sagte Dan und nahm ganz gemütlich sein Gewehr auf.

    Ach, ich hatte beinahe schon wieder vergessen, daß wir auf diese komischen Viecher schließen wollten! Irgendein Gefühl von Mitleid überkam mich. Darum mußte ich erst einige Male tief Luft holen. Es war so schön hier in dieser herrlichen Landschaft; die leuchtenden Berge, der ruhige See, die aufgehende Sonne - alles so friedlich. Aber dann dachte ich wieder daran, daß wir für jede dieser komischen melancholischen Schnauzen fünf Dollar bekommen würden.

    Peng! Peng!

    Dan hatte bereits geschossen. Das komische Gesicht war verschwunden. Gleich darauf tauchte ein schwarzer Fleck aus dem Wasser und trieb ganz langsam fort. Daneben ein paar rote Punkte.

    Dan Hill sah mich an. „Der erste für heute, sagte er. „Die Biester sind doch nicht weise genug. Paß auf, jetzt werden die vielen anderen neugierig! Hoffentlich, Neugierde ist nämlich ihre schlechte, verderbliche Eigenschaft.

    Tatsächlich! Da kam schon wieder einer hoch. Und dort auch, und dort - und dort! Einer kroch sogar, keine zehn Meter von uns entfernt, auf die Sandbank und ragte mit seiner ganzen Länge aus dem Wasser.

    Jetzt oder nie! dachte ich, griff nach dem Gewehr und zielte. - Peng! Genau zwischen die Augen. Peng! Genau zwischen Auge und Ohrloch. Es war wie ein Rausch. Von den Bergen hallte das Echo.

    Das halbe Dutzend aufgetauchter Tiere war erledigt. Neue kamen hoch. Weitere Lachsschwärme drängten in die schmale Flußmündung, und ihre rötlichen Leiber glitzerten in den ersten Sonnenstrahlen.

    „Nicht zu schnell schießen, Hein! rief Dan. „Du mußt bei jedem aufgetauchten Seal erst bis dreißig zählen, damit er Zeit hat, sich mit Luft vollzupumpen. Sonst sackt er nämlich wie ein Stein in die Tiefe, und wir müssen doch die Schnauzen haben!

    Das leuchtete mir ein, und ich richtete mich danach.

    Eigentlich dumm von den Biestern! ging es mir durch den Kopf. Motorbootgeräusch verscheucht sie, Schüsse hingegen locken sie geradezu an! Aber es mag wohl an ihrer Abhängigkeit vom Herdeninstinkt liegen. Taucht der Anführer einmal auf, wird erlegt und bleibt nun, von der vollgepumpten Lunge getragen, an der Wasseroberfläche liegen, so macht die ganze unwissende Herde es ihm nach und kommt ebenfalls nach oben. Schlecht für sie - gut für uns!

    Eine neue Schußserie folgte. Dann noch eine. Hierauf schien, nach einer guten halben Stunde, der Rausch vorbei zu sein.

    Wir ruderten und stocherten herum, und Dan zog mit dem Bootshaken einen Kadaver nach dem anderen heran, um ihnen die Schnauzen abzuschneiden. Offenbar hatte er einige Übung darin. Das sah man, wenn er den bizarr nach allen Seiten strebenden Schnurrbart der Tiere mit einem einzigen Griff umfaßte. Ein kurzer Rundschnitt, und er hielt das Oberteil der Schnauze in der Hand.

    Bei jeder abgetrennten Seehundschnauze, und das hörte sich recht nüchtern an, rief er: „Five dollars!"

    Die hellglänzenden Bäuche der Tiere stachen mir mächtig in die Augen. Ich besah sie mir näher, aber das war wirklich nichts für Mutti daheim in Düsseldorf! Die Felle waren so fürchterlich vernarbt und verknorpelt, daß jeder Kürschner sie ablehnen würde. Es war schon so, wie Dan als Fachmann vorausgesagt hatte. Diese Seals hier waren alte Gesellen, die schon wer weiß wie viele Jahrzehnte in allen nördlichen Meeren auf dem Buckel hatten. Ihr Fell war zerzaust und zerbissen. Wahrscheinlich wollten sie sich in den süßen Gewässern einen bequemen Lebensabend machen. Aber ihr Seehundverstand hatte nicht mit dem gefährlichen menschlichen Schießeisen gerechnet.

    Und schon gar nicht mit Dan und mit mir und der Tatsache, daß der Bürgermeister dieses Fischerdorfes für die Schnauze eines jeden der lachshungrigen Seals eine Fangprämie von fünf Dollar ausgesetzt hatte.

    Peng!

    Pech gehabt, alter Seehund! –

    Ich möchte noch mehr von Dan Hill erzählen, jenem typischen amerikanischen Studenten, der auf einer einsamen Farm inmitten der Wildnis geboren und aufgewachsen war, vertraut mit der Natur, mit Wasser, Wind und Tieren.

    So kam er im Laufe der Zeit auf die ausgefallensten Ideen, Dollars zu machen. Eine dieser Möglichkeiten, auf ebenso abenteuerliche wie kurzweilige Art Geld zu verdienen, hatte ich durch ihn nun schon kennengelernt und selber davon Gebrauch gemacht.

    Meine Bewunderung für Dan stieg aber noch, als er mir verriet, daß er sich auch im Winter immer für einige Wochen frei macht, um auf ganz raffinierte Weise in den Besitz teurer weißer Iltis- und Marderfelle zu gelangen.

    Auch hier hatte er eine eigene Methode erfunden: Er bohrt - weit oben in den fast unzugänglichen Bergen - daumengroße Löcher in die Baumstämme und treibt durch diese Löcher schräg von oben Hufnägel. Dann geht er auf irgendeinem der unzähligen zugefrorenen Bergseen fischen, so wie er es von den dort lebenden Indianern gelernt hat, kehrt wieder zu seinen Bäumen zurück und legt in Würfel geschnittene „Fischhappen" in die Baumlöcher. Bei Nacht stecken dann die kleinen hungrigen Raubtiere ihre Köpfe durch die Bohrlöcher, um an den so appetitlich riechenden Fisch zu kommen. Aber sie können nicht wieder zurück, denn die Hufnägel halten sie fest!

    Drei Minuten vergebliches Bemühen - dann sind die Tiere erschöpft und Augenblicke später steifgefroren.

    Am Morgen sammelt Dan Hill die Pelzbeute ein - und sein Weiterstudium ist gesichert!

    In den unvorstellbaren, fast unbewohnten Weiten des dem Pol zugewandten Kanada gibt es unzählige ausgefallene Verdienstmöglichkeiten.

    Nach meiner großen Weltumradlung stand ich manchmal nachdenklich vor dem Globus und überlegte, wohin ich wohl gehen könnte, um Neues zu erleben und meinen Freunden und Lesern erzählen zu können. Plötzlich fiel mir eine Landkarte ein, die ich bei meiner Fahrt durch die USA oft gesehen und neugierig betrachtet hatte. Das war die Lösung...

    Der Nordpol und das Nördliche Eismeer lockten mich. Mit dem Fahrrad konnte ich dieses neue Ziel nicht erreichen. Wie sonst? Als erstes kaufte ich mir ein Schlauchboot. Ich taufte es noch in Düsseldorf auf den Namen „Fräulein Kautschuk".

    Wenige Stunden, nachdem ich mich von Dan verabschiedet hatte, hielt ich an einem kleinen Privatflugplatz.

    Eine Gruppe junger bärtiger Männer, die alle irgendwie Dan sehr ähnlich sahen, machte sich an verschiedenen kleinen Flugzeugen zu schaffen. Mir fiel auf, wie sie viereckige Kästchen aus ihren Autos holten, zu den Maschinen trugen und - wie kleine Bomben - unter den Rümpfen festmontierten.

    Ich stand vor einem Rätsel.

    Üben die hier vielleicht in „vormilitärischer Ausbildung" Bombenzielwurf? Aber mit diesen langsamen Privatmaschinen? Das war doch unmöglich! Oder handelte es sich um Landvermesser?

    Ich mußte unbedingt wissen, was dort gespielt wurde!

    So stieg ich aus und schlenderte zwischen den Maschinen hindurch direkt auf die Gruppe zu. „Hey!" sagte ich.

    „Hey! antworteten sie und ließen sich nicht weiter stören. Aber dann hatte einer der jungen Männer meine Kamera entdeckt. „Ist das eine deutsche Kamera? fragte er.

    „Ja, erwiderte ich, „eine Voigtländer Prominent.

    Damit war auch das Interesse der anderen geweckt.

    Die meisten Amerikaner sind bekanntlich Fotoamateure, und ein gutaussehender Apparat ist oft genug der Anknüpfungspunkt für eine lange Unterhaltung.

    Als das übliche Fotolatein durchgedroschen war, kam ich endlich dazu, zu fragen: „Was macht ihr hier eigentlich? Was sollen die Kästen unter den Maschinen und all das Kabelzeug?"

    „Na, das weiß doch hier oben jedes Kind!" entgegnete mir ein schlanker Bursche mit feuerrotem Bart.

    „Halt schon den Mund, Iry! warf ein Schwarzbärtiger dazwischen. Iry ist der Spitzname für einen Irländer. „Der Gentleman kommt doch vom alten Land herüber. Wie soll er da wissen, daß wir Prospectors für Uranium sind!?

    Aha, da war’s heraus!

    Die Kästen enthielten also Geigerzähler. Jene mysteriösen Suchgeräte, die die kurzen, harten Strahlungen der im angehenden Atomzeitalter so heißbegehrten Rohstoffelemente fein säuberlich registrieren. Aber Uransuche per Flugzeug?

    Man schien meine Frage erraten zu haben.

    Iry räusperte sich. Es mochte soviel heißen wie: Darf ich wohl sprechen?

    Der Schwarzbärtige nickte. „Tell him! - Erzähl’s ihm! Darauf meinte er: „You would mind, to have a coffee? - Hast du was dagegen, wenn wir einen Kaffee trinken?

    „Das ist eine gute Idee vor dem Start! warf ein anderer der Burschen dazwischen. Und so stolperten wir, fünf Mann hoch, über die Halteleinen der hier festgemachten Flugzeuge hinüber über die Straße ins „Airport Cafe.

    Iry warf sich dort wichtig in die Brust und strich liebevoll über seinen roten Bart. „Weißt du, begann er, „hier in Kanada fängt bald die ganz große Zukunft an! Wir alle, die du hier siehst, studieren Elektronentechnik. Möglich, daß wir allesamt bald Millionäre sind. Wir suchen nämlich Uranium, weißt du, und oben in den Bergtälern haben wir sogar schon was gefunden!

    Ungläubig sah ich die anderen drei jungen Männer an.

    „That’s right, boy! lachte der Kleinste, ein etwa neunzehnjähriger Bursche mit blondem Backenbart. Am Kinn wollten die Stoppeln noch nicht recht wachsen. „Yes! Iry und ich, genannt Shorty, und Bill, our president, und unser großer Gelehrter Charly, der ewig Schweigsame mit den vier Augen da drüben - wir haben bereits die ,Columbia Atomic Research and Developing Company' gegründet. Mit unseren kleinen Piper-Maschinen durchkämmen wir während der Sommerferien sämtliche Täler und Berge, ungefähr zehntausend Quadratmeilen dort im hohen Norden. Du solltest mal sehen, wie unsere selbstgebauten ,Geiger-counters' über manchen Stellen zu tanzen beginnen!

    Die Burschen amüsierten sich mächtig über mein ziemlich dummes Gesicht.

    „In den nächsten Wochen geht es dann los mit der schwereren Arbeit, meinte Iry. „Dann müssen wir zu Fuß mit Hacke und Schaufel in die Berge. An unserem besten Platz' muß nämlich ein ,Airstrip' (ein Landefeld) gebaut werden. Außerdem wollen wir dann das Bergwerk abstecken. Weiterhin müssen die ersten Uranium-Erzproben entnommen und analysiert werden. Du siehst, es gibt eine Menge Arbeit! - „Aber wenn alles gut geht, fuhr Iry fort, „werden wir noch in diesem Jahr Aktien auflegen und Kapital heranziehen für die ,First Columbia Uranium Mining Company'! Es wird schon in Ordnung gehen, darauf kannst du dich verlassen!

    Das also war es!

    „Wünsche euch alles Gute für eine große Zukunft!"

    Mit diesen Worten verabschiedete ich mich nach dem Kaffeetrinken.

    Während ich automatisch das Gaspedal nach unten trat, um weiter dem Norden

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