Schulgangster: ... aber Malins Denkzettel haben es in sich!
Von Juli H. Kiel
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Über dieses E-Book
Eine spannende und kraftgebende Geschichte! Sie spielt in der heutigen Zeit in städtischem Umfeld mit Brennpunkt-Stadteilen aber auch vielen schönen Wohnvierteln. Eine lehrreiche Geschichte für Kinder.
"Man fiebert richtig mit - was hasse ich diese Erpresser-Jungs" (Luisa, 12 Jahre)
"Schön geschrieben - und wichtig! Meine Tochter hat sich die Geschichte sehr zu Herzen genommen." (Maren, 36 Jahre).
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Buchvorschau
Schulgangster - Juli H. Kiel
KAPITEL EINS
Malin hörte das Schimpfen ihres Stiefvaters noch durch das Treppenhaus hallen, wie so oft war der Fahrstuhl kaputt. So musste sie die zwölf Stockwerke nach unten eilen ... ob sie den Bus noch erwischen würde? 50 Minuten auf den nächsten zu warten wäre eine Katastrophe. Es war schon dunkel und die Bushaltestelle inmitten der Wohnblocks alles andere als sicher. Warum sollte ich Dich fahren, faules Kind
, blökte ihr Stiefvater. Nichts hier ist aufgeräumt, das Bier ist alle und wann hast Du das letzte Mal geputzt? Hau bloß ab zur alten Schachtel
, schossen Broncos Worte durch den Wohnblock. Malin rannte die Treppe runter. Der Hund im zehnten Stock schlug an, sein Bellen überschlug sich schier. RUHE
schallte es aus einer anderen Wohnung und eine Wohnungstür schlug so heftig zu, dass es Malin durch die Knochen fuhr. Sie verlor in der Hektik das Gleichgewicht, dabei wurde ihr Oberkörper nach vorn gerissen, die Arme ruderten wie wild in der Luft und suchten das Gleichgewicht. Malin war auf ihren offenen Schnürsenkel getreten und konnte einen Sturz gerade noch abwenden. Fokussier Dich
, schärfte Malin sich in ihren Gedanken ein, der Bus ist noch zu schaffen
. Ab da kam sie gut voran. Endlich mal ein guter Gedanke zur richtigen Zeit. Davon war Malin nicht gerade verwöhnt, in der Schule fiel ihr nie das Richtige ein. Noch schnell durch die Haustür und nach zwei Ecken war die Bushaltestelle erreicht. Malins zierliche Gestalt und ihre geringe Körpergröße für ihre zehn Jahre waren oft nachteilig, aber sie war wirklich schnell unterwegs. Das konnte man wohl sagen! Das Blut pumpte wild durch ihren kleinen Körper und sie musste immer noch heftig atmen, als die Bustüren sich hinter ihr schlossen. Es rauschte richtig in ihren Ohren. Nur langsam beruhigten sich Atem und auch Malins Gedanken… Was für ein Stress und das nur um zu Oma Amanda zu gelangen um mit ihr Deutsch-Diktat zu üben
. Oma Amanda hätte sie liebend gern abgeholt, aber ihr kleiner grüner Polo war leider heute liegengeblieben. Motorschaden
- so diagnostizierte der hilfsbereite Nachbar - ich bestelle zwei Teile und nach dem Tausch könnte der Motor wieder starten. Ich kümmere mich in der nächsten Woche darum, heute kann ich leider nicht mehr machen.
Auf Malins Eltern war leider kein Verlass ... ihre Mutter Beatrice hätte sich vielleicht noch dazu herabgelassen, Malin bei der Dunkelheit zu fahren. Aber ihr Stiefvater ... Malin seufzte. Es war mehr als Seufzen, Malins Herz wurde ganz schwer. Kälte kroch durch die dünne Jacke, die für den Herbst viel zu leicht war. Doch jetzt hatte sich ihr Atem wieder normalisiert und sie konnte sich wieder auf ihre Umgebung konzentrieren. Malin scannte die Mitfahrer im proppevollen Bus. Es war so wichtig, in ihrem Wohnblock und in dem Stadtviertel aufmerksam zu sein und zu beobachten, ganz besonders weil Malin klein und zierlich war und keine Geschwister hatte, mit denen sie sich gemeinsam gegen die Größeren wehren konnte. Ihre Mutter hatte sie in letzter Zeit nicht gerade unterstützt. Ihr Stiefvater hatte noch nie die Anführer am Kragen gepackt und durchgeschüttelt. Noch nie. Malins Blick glitt durch den Bus. Die meisten Mitfahrer im Bus am Freitagabend sahen müde und von abgearbeitet aus, die Jobs schienen alle Energie rauszuziehen, dachte Malin. Der Mann, der sich an der gleichen Stange festhielt wie sie, schaute mit grauem Blick und grauem Mantel durch die Bustür nach draußen. Plötzlich riss Malin die Augen weit auf und sah Mikey mit seinem Freund Alex direkt vor ihr stehen und sie an die Bustür drängen. Angst kroch in Malin hoch. Wie hatte sie die beiden Erpresser-Jungs beim Einsteigen nur übersehen können? Hätte sie bloß einen anderen Bus genommen!
Malin spürte eine altbekannte Mutlosigkeit in ihre Beine sickern. Die Beine wurden zittrig. Sie wollte doch nur zur - zugegebenermaßen - etwas langweiligen Oma Amanda fahren, damit sie in Deutsch keine weitere Fünf kassierte. Diese deutsche Rechtschreibung war für ihr Gehirn so schwierig, nichts konnte sie sich leicht merken. Weiches S oder scharfes S, Dehnungs-H oder der Unterschied zwischen F und V, alles war Durcheinander in ihrem Kopf und mit ganz viel Mühe konnte Oma Amanda da etwas Ordnung hinein bringen. Ansonsten waren diese Freitagabende bei ihr nicht gerade ein Knaller, um den sie andere Kinder beneidet hätten. Oma Amanda war oft hektisch, machte gern drei Sachen auf einmal und hatte einen ganz komischen Modegeschmack. Nicht grad perfekt. Malin seufzte. Aber immerhin nahm ihre Oma sich Zeit für sie, während ihre Mutter noch nicht einmal wusste, dass eine drohende Fünf im Zeugnis eine ernste Sache ist. Unbewusst ließ Malin ihren Kopf noch tiefer hängen. Dabei entdeckte sie in dem Gedränge etwas auf den Gummirillen des Busbodens liegen. Tief in den Knien und mit ihrem dünnen Arm ganz weit vorgestreckt gelang es ihr, den Gegenstand aufzuheben. Die Oberfläche fühlte sich wie Leder an, war das eine Geldbörse? Oh ja! Die musste dem Mann mit dem grauen Mantel aus seiner Tasche gefallen sein. Äh ... Entschuldigung
Malins Stimme, war kaum zu hören. Hallo, Sie haben ihre Geldbörse verloren
, setzte Malin noch einmal an, aber der Mann schien sie nicht zu hören und ihre Stimme im vollbesetzten Bus unterzugehen. Sie nahm ihren Arm, in der Hand die Geldbörse fest umklammert, zu Hilfe, um den Mann anzustupsen und seine Aufmerksamkeit zu erregen. Im dunklen Busfenster spiegelte sich alles, während der Bus sich durch den abendlichen Stadtverkehr zwängte. Plötzlich blitzen die grauen Augen des Mannes sie böse an. Er schien sich abrupt umgedreht zu haben. Sie spürte seinen abgekämpften Atem. Was soll das? Hör sofort auf, mich zu bestehlen und gib mir mein Portemonnaie zurück!
So viel Leben aus dem grauen Mantel überraschte Malin. Sie wollte doch nur das Geld zurückgeben, warum fuhr er sie jetzt an? Malin fühlte sich klein, noch kleiner als sie es ohnehin schon tat. Ihr Gesicht glühte, wahrscheinlich war es rot geworden. Ich ... ich ...
Malin bracht kein Wort heraus. Sie fühlte sich wie eine Maus, eine kleine Maus. Ihr Sprachzentrum war blockiert, sie schaffte es nicht, die Situation richtig zu stellen. Der Mann im grauen Mantel wand ihr die Geldbörse aus ihrer Hand und schüttelte den Kopf. Selbst kleine Mädchen stehlen hier
raunte er. Alle anderen Mitfahrer sahen weg. Hier interessierte sich niemand für die Probleme anderer.
Malin kämpfte mit den Tränen. Sie wollte wirklich nicht Weinen. Das Einzige, was ihr in solchen Situationen - und Malin fühlte sich sehr oft wie eine kleine, ungeliebte Maus - half, waren ihre schönsten Erinnerungen an das Zuhause, das sie seit dem Tod ihres Vaters verloren hatte. Mit ihm war ihre Familie rundum liebevoll gewesen. Und was hatten sie für Spaß zusammen erlebt, mit Papa war immer was los! Er hatte fast immer quatschige Ideen, die er wie ein kleiner Junge direkt in die Tat umsetzte. Als einmal der Buchstaben- und Kommasalat in Malins Kopf schier unerträglich wurde, tröstete er richtig gut. Er nahm ihre Übungsunterlagen, suchte sorgfältig aufbewahrte D-Böller der letzten Silvesterparty im Keller des kleinen Häuschens hervor und sprengte sie im Garten in die Luft. Mama musste herzhaft lachen, Malin und ihr Papa kugelten sich auf dem Boden auf dem gemütlichen Flokati-Teppich und konnten sich gar nicht wieder einkriegen. Ach ja, das gemütliche Familienhaus in der Nähe von Oma Amandas Haus, schwärmte Malin grad innerlich weiter. Sie hatte den Geruch der weltbesten Lasagne, die Ihre Mutter damals für Malin so gerne kochte, direkt wieder in der Nase. Yummy! Ihre Mutter Beatrice war damals auch eine richtig Klasse-1a-weltbeste-Mama! Doch nach dem Autounfall und Papas Tod war alles anders. Und seit Beatrice unter dem Einfluss von Broncos stand, war alles Mist. Malins Leben hing in Fetzen und ließ sich bisher nicht wieder zusammennähen. Die einfache, billige Kleidung, die sie trug, war Malin nicht so wichtig, aber die Einsamkeit fühlte sich schlimm an. Und dass jeder auf ihr herum trampelte. Malins Gedanken schwenkten nach dem pinkfarbenen Ausflug zurück in die graue Realität. Immerhin hatte sie ihr Weinen unterdrücken können.
Plötzlich spürte Malin einen Schmerz in den Rippen. Sie musste einen Schritt machen, um sich abzufangen und im fahrenden Bus nicht hinzufallen. Na schau mal, was macht so eine kleine Portion denn ganz allein hier?
, spottete Alex. Zusammen mit seinem Kumpel Mikey war er sowohl in ihrem Wohnblock als auch in der Schule gefürchtet. Malin, haben Deine Eltern Dich Merlin wie den Zauberer nennen wollen und waren zu betrunken, den Namen richtig zu schreiben?
Alex grinste über seinen fiesen Scherz. Mikey lachte richtig laut und versuchte dabei betont männlich zu wirken - mit 15 gar nicht so einfach. Er warf mit einer ruckartigen Kopfbewegung seine dunklen Haare nach hinten. Wie immer hatte er seine Frisur ausgiebig mit Haar Gel versehen. Malins Bauch zog sich zusammen, die Worte trafen sie obwohl sie schon oft von den beiden beleidigt worden war. Sie war eines der zahlreichen Opfer der beiden. Sie wusste, was gleich kommen würde. Malin suchte Blickkontakt zu den Mitfahrern im Bus. Sie hatte gar nicht registriert, wie die Fahrgäste