Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die Drachenprinzessin: Die Heimkehr
Die Drachenprinzessin: Die Heimkehr
Die Drachenprinzessin: Die Heimkehr
eBook245 Seiten3 Stunden

Die Drachenprinzessin: Die Heimkehr

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die Prophezeiung der Elfen:

»Die rechtmäßige Erbin des Drachenthrons
Sie kehrt schon bald zurück.
Sie floh in die andre Welt davon.
Doch getrübt, so ist ihr Blick.
Sie weiß nichts von ihrem wahren Ich,
Hat sich auf ihr neues Leben eingestellt.
Doch fühlt sie so einsam sich
In der für sie so fremden Welt.
Der Wolff wird sich mit dem Drachen paaren,
Und bricht damit den Bann.
Das bringt Frieden nach all den Jahren.
Wenn sie ihn denn lieben kann.
Doch ist der Wolff in die andre Welt gereist,
So lausche still und gib gut Acht,
Denn alles verlangt doch seinen Preis.
Mit unaufhaltsam großer Macht.
Für den Tod ein Leben
Damit bleibt das Gleichgewicht.
Einer muss es geben,
Das verhindern, lässt sich nicht!«

Eine Geschichte, die in zwei parallelen Welten spielt - die moderne und die "Andere Welt", die dem Mittelalter ähnelt.

Emma lebt in der modernen Welt, doch fühlt sich dort nicht zuhause. Im Gegenteil, sie fühlt sich unendlich fremd. Dennoch findet sie ihr Glück mit Jack. Doch Jack ist nicht der, für den Emma ihn hält. Sie findet heraus, dass sie eng verbunden ist mit der "Anderen Welt" und dass sie dort eine Prophezeiung erfüllen muss. Merkwürdige Dinge passieren, die ihr eine Entscheidung abverlangen: Glaubt sie ihrem Verstand oder folgt sie einfach ihrem Gefühl?
Wagt sie den Schritt und stellt sich ihrem Schicksal? Doch was hält es wirklich in der "Anderen Welt" für sie bereit?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum26. Apr. 2016
ISBN9783734521300
Die Drachenprinzessin: Die Heimkehr

Ähnlich wie Die Drachenprinzessin

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Die Drachenprinzessin

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die Drachenprinzessin - Ambros Chander

    Rabenkunde

    Ein Rabe flog lautlos durch die Nacht. Auf seinen schwarzen Schwingen brachte er eine Seele zurück nach Haus. Seine schneeweißen Augen leuchteten in der Dunkelheit und sein Flug wurde begleitet von Wolffsgeheul, das von sleibos di iago, dem Eisgebirge, widerhallte. Wolffsgeheul, so unnatürlich und schrill, dass es wie Splitter von berstendem Glas tief in die Seele drang. Eisige Winde, die Schnee und klirrende Kälte brachten, umwehten die Burg Wolffshall am Fuß jener Berge. Still lag die Burg in der dunklen Nacht, nur wenige Fenster waren von Feuerschein erhellt. Wolffshall war der Sitz von König Kylion und seiner Frau Nálani und lag im Herzen der Wolffsebene Lucglénnos.

    Alles schlief friedlich, als plötzlich ein markerschütternder Schrei die nächtliche Stille des Schlosses durchschnitt. Nálani wachte mit pochendem Herzen auf. Ihre fast tiefschwarzen Augen füllten sich mit Tränen. Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte leise. »Mutter, was ist geschehen?«, fragte ihr Sohn Iain, der, alarmiert durch ihren Schrei, ins Zimmer gekommen war. Wenige Augenblicke zuvor hatte ihn das Geheul seines Eiswolffes Edan aus dem Schlaf gerissen und noch immer heulte dieser, dass es einem durch Mark und Bein ging. »Jock, dein Bruder. Er ist tot«, hörte Iain seine Mutter sagen. Ihre Stimme war nur ein Flüstern, das man kaum vernehmen konnte. »Mutter, ihr habt nur geträumt«, versuchte er sie zu beruhigen.

    Da landete ein Rabe mit leisen Flügelschlägen auf dem Sims des offenen Fensters. Dort blieb er regungslos sitzen und schaute Iain und Nálani mit seinen schneeweißen Augen an. Es herrschte Totenstille, als ein warmer Wind durch den Raum wehte. Iain schloss die Augen, denn der Rabe zeigte ihm zu deutlich, dass seine Mutter recht hatte.

    In diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Marcellus, der Hofmagier, kam aufgeregt zur Königin gelaufen, nachdem sie ihn hereingebeten hatte. »Euer Majestät, ich habe traurige Kunde … das Portal … es schloss sich und … Euer Sohn, er kehrte nicht zurück …«, stammelte der Magier hilflos. Er war der Wächter des Tores in die andere Welt, in die Jock, der Erstgeborene der Königin und somit rechtmäßiger Thronerbe von Wolffshall, gereist war, um eine alte Prophezeiung der Elfen zu erfüllen. Marcellus war anzusehen, dass er sich äußerst unwohl fühlte. »Jock …«, begann er erneut. »Ich weiß«, unterbrach ihn die Königin und senkte den Blick, als sich ihre Augen erneut mit Tränen füllten. »Das hier ist alles, was durch das Portal zurückgekehrt ist.« Marcellus überreichte ihr ein Amulett. Den Drachenstern.

    Nálani erinnerte sich noch genau an den Tag, als Salérimä Aanon, die Königin der Elfen, zu ihr und König Kylion gekommen war und ihnen von der Prophezeiung der Weisen erzählt hatte.

    Die rechtmäßige Erbin des Drachenthrons

    Sie kehrt schon bald zurück.

    Sie floh in die andre Welt davon.

    Doch getrübt, so ist ihr Blick.

    Sie weiß nichts von ihrem wahren Ich,

    Hat sich auf ihr neues Leben eingestellt.

    Doch fühlt sie so einsam sich

    In der für sie so fremden Welt.

    Der Wolff wird sich mit dem Drachen paaren,

    Und bricht damit den Bann.

    Das bringt Frieden nach all den Jahren.

    Wenn sie ihn denn lieben kann.

    Doch ist der Wolff in die andre Welt gereist,

    So lausche still und gib gut Acht,

    Denn alles verlangt doch seinen Preis.

    Mit unaufhaltsam großer Macht.

    Für den Tod ein Leben

    Damit bleibt das Gleichgewicht.

    Einer muss es geben,

    Das verhindern, lässt sich nicht!

    Salérimä hatte ihnen erzählt, wie die Elfen vor über dreißig Jahren ein Portal in eine andere Welt geöffnet hatten, um die Drachenprinzessin Aemiliana vor ihrem eigenen Vater, König Natháir, in Sicherheit zu bringen. »Dies ist der Drachenstern. Mit seiner Hilfe werdet ihr die Drachenprinzessin in der anderen Welt finden, denn der Stern beginnt in ihrer Nähe zu leuchten. Je stärker er leuchtet, desto näher seid ihr der Drachenprinzessin.« Mit diesen Worten überreichte sie dem König und der Königin von Wolffshall ein Amulett – einen Stern, umschlungen von einem weißen und einem schwarzen Drachen.

    Dass Nálani es erneut in der Hand hielt, verhieß nichts Gutes, denn es bedeutete, dass ihr Sohn gescheitert war und dass er den Preis zahlte. Nálani stand auf und ging zum Fenster hinüber, wo noch immer der Rabe saß. Sie sah ihm tief in die Augen und lächelte ihn an. Denn auch wenn der Verlust sie schmerzte, zeigte ihr die Anwesenheit des Raben, dass ihr Sohn in innerer Zufriedenheit gestorben war. Dies ließ sie den Schmerz etwas leichter ertragen. Der Rabe krächzte und flog davon. Im selben Augenblick entschwand ein kleiner Grünfink, der ebenfalls auf dem Fenstersims gesessen hatte, in entgegengesetzter Richtung.

    Iain war von hinten an seine Mutter herangetreten und legte ihr liebevoll die Hand auf die Schulter. Sie wandte ihm ihren Blick zu und ihre Augen schimmerten silbern unter dem Schleier ihrer Tränen. Er nahm sie in den Arm und versuchte ihr, so gut er konnte, Trost zu spenden, wenngleich auch er tiefen Schmerz über den Tod seines Bruders empfand.

    In dieser Nacht hörte man unaufhörlich das eisige Heulen von Edan.

    Erst drei Tage waren vergangen, seit Nálani Kunde vom Tod ihres Sohnes erhalten hatte, doch nun saß sie schon wieder mit ihrem Ratgeber und Iain zusammen. Sie war eine starke Königin. Sie musste es sein, da ihr Mann seit einer Ewigkeit die Grenzen des Landes gegen Morla, die Königin des Nachbarlandes Dracobéria verteidigen musste. Also leitete Nálani indessen die Amtsgeschäfte.

    Die wichtigste Aufgabe, die es zu lösen galt, war, die Drachenprinzessin zurück nach Hause zu holen. Das wusste Nálani. Also musste sie jemanden finden, der erneut in die andere Welt reisen würde. Irgendjemand! Nur nicht mein anderer Sohn, dachte sie.

    »Euer Majestät, ihr wisst, es ist unumgänglich«, redete ihr Ratgeber Kiron auf sie ein. »Der Prinz muss gehen. Die Prophezeiung ist eindeutig!« Oh ja, sie wusste es, aber sie wollte ihn nicht gehen lassen. Sie hatte schon einen Sohn in der anderen Welt verloren und wollte nicht auch noch Iain betrauern müssen. »Mutter, ich werde gehen, notfalls auch ohne Eure Zustimmung«, warf nun ihr Sohn ein. »Sonst war alles umsonst! Sonst war Jocks Tod umsonst!«

    Unter dem Klang von Jocks Namen zuckte Nálani zusammen. Sie stand auf und lief unentschlossen umher. Dann sah sie Iain an und bemerkte die eiserne Entschlossenheit in seinem Blick. Sie wusste, er würde gehen, und was sie auch sagte, es würde ihn nicht davon abhalten. Traurig schloss sie die Augen und seufzte tief. Dann nickte sie nur wortlos und sah aus dem Fenster. Ihr Blick fiel auf die Untertanen, die im Schlosshof Zuflucht gesucht hatten. Zuflucht vor Hunger, Krieg, Zerstörung und Tod. Nálani wusste, dass es sein musste.

    Sie ging zu ihrem Sohn, überreichte ihm den Drachenstern und wies Marcellus an, das Portal zu öffnen. »Pass auf dich auf, mein Sohn, und kehre heil zurück«, sagte sie und verließ den Raum. Sie wollte nicht, dass man sie weinen sah.

    Marcellus begab sich in seinen Zaubererturm und bedeutete Iain, ihm zu folgen. Dieser hatte sich unterdessen den Drachenstern um den Hals gehängt und verwahrte ihn nun unter seinem Hemd. Im Turm angekommen, begab sich Marcellus zu einem mit Ornamenten verzierten Spiegel, auf dem ein weißgoldener Drache saß. Dann begann er vor sich hin zu murmeln und fiel in eine Art Trance. Iain kannte das bereits. Er war dabei gewesen, als sein Bruder damals durch das Portal gegangen war.

    Iain wartete geduldig, bis der Spiegel endlich zum Leben erwachte. Ein gleißend helles Licht hüllte ihn ein. Er wusste, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, hindurchzugehen. Er streichelte noch einmal seinen Eiswolff Edan, den er von der Elfenkönigin an seinem sechzehnten Geburtstag zur Seite gestellt bekommen hatte. Jedes der Königskinder von Wolffshall erhielt dieses Geschenk und wurde in einer magischen Zeremonie mit dem Wolff verbunden. Dadurch erhielten die Königskinder einen magischen Schutz. Dieses unsichtbare Band konnte nur der Tod durchtrennen. Edan war kein Haustier, er war und blieb ein wildes Tier mit einem eigenen Willen, doch er folgte Iain aus Freundschaft überall hin. Dieses Mal allerdings musste er zurückbleiben, denn nun war es an Iain, die Prophezeiung zu erfüllen. Er schritt durch das Portal und blickte nicht zurück.

    Im Nachbarland Dracobéria schritt Morla unruhig auf und ab. Sie herrschte über dieses Land, auch wenn sie diese Herrschaft mit Blut erkauft hatte. Gnade und Nachsicht kannte sie nicht, sie regierte mit Willkür und Grausamkeit und ihre Armee von Orluks verbreitete Angst und Schrecken im Land. Die Orluks hatte Morla durch Schwarze Magie erschaffen. Sie waren Untote, gepaart mit Echsen. Da sie weder tot noch lebendig waren, war es schwer, sie zu töten. Sie heilten sich selbst und abgetrennte Körperteile wuchsen ihnen einfach wieder nach. Nur das Abschlagen des Kopfes und anschließendes Verbrennen aller Körperteile konnte ihnen Einhalt gebieten. Zu Tausenden durchstreiften sie das Land, seit Morla dort herrschte. Sie zogen von Dorf zu Dorf, von Hof zu Hof und raubten, brandschatzen und mordeten ohne jeglichen Plan. Sie taten es einfach, weil sie Spaß daran hatten. Das war ihre grausige Natur.

    Morla war außer sich vor Wut, während sie vor einem Mann mit Hakennase auf und ab schritt. Seine langen schwarzen Haare hingen ihm in fettigen Strähnen ins Gesicht und seine Augen zuckten mit linkischem Blick nervös in den Augenhöhlen hin und her. Der Kristall an der Kette um Morlas Hals pulsierte mit einem blutroten Licht. »Das Portal ist erneut geöffnet worden«, schrie sie und ihre Stimme bebte vor Zorn. »Trálir, du sagtest, das könne nie wieder passieren. Mit dem Tod des großen Wolffes, würde sich auch das Portal für immer schließen und der Zauber der Prophezeiung wäre damit gebrochen.«

    Trálir trat unsicher von einem Bein auf das andere. »Ja doch, Euer Majestät, das dachte ich auch«, versuchte er seine Haut zu retten. »Wahrscheinlich haben sie einen Weg gefunden, es wieder zu öffnen. Vielleicht mit Hilfe der Elfen …«

    Trálir war Morlas Ratgeber, doch als solcher lebte man äußerst gefährlich. Vor allem, wenn man sie nicht nach ihren Vorstellungen zu beraten pflegte. »Diese Elfen werden allmählich richtig lästig.« Langsam schritt Morla auf Trálir zu und fixierte ihn mit zornigem Blick.

    Ein stechender Schmerz drang in seinen Kopf. Er sank auf die Knie und wand sich unter ihrem Blick. Er hörte sie in seinem Geist.

    Wenn ich dich nicht noch brauchen würde, würde ich dich für deine Unfähigkeit auf der Stelle töten. Morla wandte sich ab und damit verschwand auch der Schmerz in Trálirs Kopf. »Noch ist nicht alles verloren. Ich werde verhindern, dass Aemiliana zurückkehrt und du wirst mir dabei helfen!« Mit Wahnsinn in den Augen sah sie Trálir an, der ahnte, was ihm bevorstand. »Aber, Majestät…«, wollte er widersprechen, doch sie sah ihn mit einem Blick an, der jegliche Gegenwehr in ihm erlöschen ließ.

    Morla hatte lange daran gearbeitet, ihren Plan in die Tat umzusetzen und ihre Macht auszuweiten. Zu lange, um sich das von Aemiliana zerstören zu lassen. Lange hatte sie versucht, mit dem Drachenkönig ein Kind zu bekommen, um auch die Macht der Drachen nutzen zu können. Denn jedes Königskind von Dracobéria erhielt dieses Geschenk von den Elfen. Sie banden das Kind und einen Drachen mit Magie aneinander, ähnlich wie die Königskinder aus Wolffshall an einen Wolff gebunden wurden. So wollten die Elfen den Frieden im Land wahren. Die Drachen und die Eiswölffe mit ihrem sanftmütigen Wesen übernahmen in diesem Bündnis die Rolle der Vernunft.

    Morla jedoch sah in den Drachen etwas anderes. Macht, grenzenlose Macht. Doch immer wieder waren ihre Kinder tot und missgebildet zur Welt gekommen. Erst als sie ihre dunkle Magie eingesetzt hatte, konnte sie ein Kind austragen und gebar ein gesundes Mädchen. Beinahe dreizehn Jahre war dies nun her. Morla verzog wütend das Gesicht bei diesem Gedanken, denn ihr Plan war dennoch nicht aufgegangen. Die Elfen hatten ihrer Tochter Gale das ihr rechtmäßig zustehende Geschenk verweigert. Ihren Drachen. Sie sagten, sie sei nicht rein, keine echte Drachenprinzessin. Andreana, die erste Frau von König Natháir und Aemilianas Mutter, entstamme der Drachenlinie und Kinder, die der König mit einer neuen Frau zeuge, hätten kein Anrecht auf den Drachen. Das war Haarspalterei und Morla wusste, dass die Elfen ihrer Tochter den Drachen nur verweigerten, weil sie sie durchschauten. Morla fluchte laut. Aber im Grunde machte es keinen Unterschied mehr, denn sie hatte einen neuen Plan gefasst. Doch damit dieser aufging, durfte Aemiliana keinesfalls zurückkehren. Das musste Morla um jeden Preis verhindern. Dann würde die Zeit für sie arbeiten. Manchmal muss man eben einfach etwas Geduld haben, dachte sie.

    Morla ging zum Fenster und jagte einen kleinen Grünfink davon, der auf dem Fenstersims saß. Sie schaute in den Innenhof hinab und beobachtete, wie sich zwei Orluks um einen toten Ochsen stritten. Der eine stieß den anderen, der daraufhin ins Stolpern geriet und einen weiteren Orluk zu Boden riss. Und schon war eine ordentliche Rauferei im Gange, an deren Ende der Ochse einfach in mehrere Stücke gerissen wurde. Oh ja, diese Orluks sind das Beste, das ich je erschaffen habe. Sie werden mir noch sehr nützlich sein, dachte Morla, als sie sich vom Fenster ab- und Trálir zuwandte, der sie ängstlich anstarrte.

    Auch Morla besaß einen Spiegel mit einem Drachen darauf. Er war das exakte Ebenbild des Spiegels, der sich in Wolffshall befand. Früher hatte er ihrem Ehemann König Natháir gehört, der einmal ein freundlicher Mann gewesen war, als seine erste Frau Andreana noch lebte. Doch nachdem er Morla zur Frau genommen hatte, hatte sich sein Wesen immer mehr verändert.

    Morla ging zu dem Spiegel und wob mit entschlossenem Blick ihren Zauber, bis sich schließlich, eingehüllt in einen blutroten Lichtschein, das Portal öffnete.

    In Laeg Eryn, dem Reich der Elfen, das auf einer Insel inmitten des Sees Lim Hen lag, flog ein kleiner Grünfink durch die Nacht. Er hatte eine lange und weite Reise hinter sich. Der kleine Vogel flog durch den Wald und landete in der großen Halle der Elfen direkt vor dem Thron von Königin Salérimä Aanon. Im selben Augenblick verwandelte er sich in die Elfe Meridiana. Mit ihren langen braunen Locken und den kastanienfarbenen Augen strahlte Meridiana eine Anmut aus, die wirklich jeden in ihren Bann zog. Meridiana begrüßte die Königin mit einer Verbeugung. »Sprich, welche Kunde bringst du mir aus Dracobéria und Lucglénnos?«, fragte diese schließlich. »Der große Wolff ist gescheitert und zahlte den Preis. Der kleine Wolff wird sich auf die ihm vorherbestimmte Reise begeben. Doch die dunkle Königin sieht ihre Macht in Gefahr und wird nicht ruhen«, berichtete Meridiana kurz und knapp. »Das sind nicht die besten Nachrichten. Ich werde den Elfenrat einberufen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Folge mir, damit du dort auch alles berichten kannst.« Salérimä verließ den Raum und trat hinaus. Die große Halle bestand ganz und gar aus Bäumen, deren Äste so ineinander verwachsen waren, dass sie Wände bildeten, wobei sie zwischen ihren Zweigen Fenster- und Türöffnungen offenließen, so dass die Halle von Sonnenlicht durchflutet wurde. Die Kronen der Bäume waren so dicht, dass sie sich zu einer Kuppel schlossen. Vor der großen Halle ging Salérimä zu einer kleinen Schwarzweide. Einst waren deren Blätter von dunkelgrüner Farbe gewesen, doch seit Morla begonnen hatte, Angst und Schrecken, Zerstörung und Tod über das ganze Land zu bringen, verdorrte auch der kleine Baum zunehmend und die Blätter färbten sich tiefschwarz. Ein stummes Zeichen für das langsame Sterben von Laingladhdôr.

    In der Krone des kleinen Baumes schien ein Kristall zu schweben. Bei genauerem Hinsehen war zu erkennen, dass er von einem Geflecht hauchdünner, winziger Ästchen gehalten wurde. Die Königin hielt die Hände über den Kristall und schloss die Augen. Einen kurzen Augenblick später erschienen drei Elfen, Calolorn Vanyar, Fornósûl Beor und Vásíphel Deldúwath. Sie bildeten einen Kreis um die Königin und den Kristall. Dieses war der Elfenrat, der über schwerwiegende Entscheidungen beriet. Und dies war eine schwerwiegende Entscheidung, denn der kleine Wolff würde Unterstützung brauchen, wenn er seine Aufgabe erfüllen wollte. »Meridiana, bitte berichte dem Rat, was du mir eben erzählt hast«, forderte die Königin Meridiana auf. Diese erzählte alles noch einmal, ohne irgendetwas auszulassen. »Das Schicksal wird entscheiden«, sagte nach einer kurzen Pause des Schweigens Fornósûl Beor bestimmt. »Wir sollten aber bedenken, dass wir uns damals der Drachenprinzessin verschrieben haben, als ihre Mutter Andreana ihr Leben für einen der Unseren gab«, warf Calolorn Vanyar ein. Sie war eine sehr angesehene Elfe, deren Wort viel galt in Laeg Eryn. »Diese Schuld ist längst beglichen!«, gab Fornósûl erbost zurück. »Die Menschen sind ein grausames und blutrünstiges Volk. Sie verdienen unsere Hilfe nicht!« Er lieferte sich mit Calolorn ein wildes Wortgefecht, wobei er immer mehr in Rage geriet. Er mochte die Menschen nicht und machte auch keinen Hehl daraus. Er fand, es wäre besser, man ließe sie sich gegenseitig umbringen. Dann wäre Laingladhdôr endlich wieder der friedliche Ort, der er einmal war. »Schluss jetzt!«, erhob Vásíphel Deldúwath seine Stimme und augenblicklich herrschte absolute Stille. Er war ein Elf mit schlohweißem langem Haar. Doch sein Äußeres täuschte, denn für einen Elfen war er noch jung an Jahren. Dennoch strahlte er eine Autorität und gleichzeitig eine sanftmütige Ruhe aus, der man sich nicht entziehen konnte. »Wir haben damals geschworen, das Leben von Aemiliana zu schützen. Diese Schuld ist erst dann beglichen, wenn sie auf natürliche Weise ihre letzte Reise angetreten hat. Der kleine Wolff ist viel zu unerfahren, um diese Aufgabe allein zu meistern. Deshalb werden wir einen von uns in die andere Welt schicken, um sie zu beschützen. Wen schlägst du also für diese Aufgabe vor, Salérimä?« »Ich ahnte damals schon, dass der große Wolff vielleicht scheitern könnte und auch, dass der kleine Wolff es nicht allein schaffen würde, wenn seine Zeit gekommen wäre, seinem Bruder zu folgen. Deshalb habe ich meine Tochter Meridiana ihr ganzes Leben lang nur auf diesen einen Moment vorbereitet. Sie ist die Einzige, die dieser Aufgabe gewachsen ist.« »Gut, dann soll sie gehen«, sagte Vásíphel und sah dabei die anderen beiden Elfen des Elfenrates fragend an.

    Calolorn nickte mit einem Lächeln und auch Fornósûl stimmte nach kurzem Zögern mit grimmigem Blick zu. »So sei es!«

    Vásíphel wandte sich an Meridiana. »Du solltest sofort aufbrechen. Dein ganzes Volk und ganz Laingladhdôr zählen auf dich.«

    Bei dem Gedanken, dass das Schicksal von ganz Laingladhdôr von ihrem Gelingen oder Scheitern abhing, wurde Meridiana ein wenig unwohl und so nickte sie nur. Salérimä trat zur Seite und der Elfenrat schritt näher an den Kristall heran.

    Vásíphel bat Meridiana in die Mitte. »Halte nun die Hände über den Kristall!«, wies er sie an.

    Als die drei Elfen sich anschließend an den Händen fassten, begann der Kristall grün zu leuchten und vor Meridiana tat sich das Portal zur anderen Welt auf. Sie blickte noch einmal zu ihrer Mutter, die ihr aufmunternd zunickte. Dann schritt sie hindurch und das Portal schloss sich hinter ihr.

    Ein neues Leben oder Tod

    Emma öffnete die Augen. Ihre Gedanken kreisten und sie versuchte sich zu orientieren. Sie ließ ihren Blick umherschweifen

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1