Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Lethal Vacation: Tiefe Wurzeln
Lethal Vacation: Tiefe Wurzeln
Lethal Vacation: Tiefe Wurzeln
eBook413 Seiten5 Stunden

Lethal Vacation: Tiefe Wurzeln

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Nach der großen Enttäuschung von Albany bringt Corporal Railey die Reisegruppe nach Poughkeepsie, wo sie im Hotel eines Freundes eine vorübergehende Heimat finden. Hier hoffen sie, sich von den Strapazen und Verlusten der letzten Wochen erholen zu können. Schnell müssen sie feststellen, dass der Tod nicht nur vor Tür nachsetzt. Er lauert auch in den eigenen Reihen.

Dennoch geben Ivy und Sebastian nicht auf. Unerwartet lässt sie das Glück einen alten Weggefährten und dessen Kolonie finden.

Als sie den mysteriösen Funkspruch eines Fremden empfangen, der ihnen die langersehnte Rettung verspricht, bricht die Zweckgemeinschaft endgültig auseinander.

Ivy und einige andere aus der Gruppe folgen dem Aufruf sich zur Küste zu begeben …

… dorthin, wo die ›Tiefen Wurzeln‹ verankert sind …
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum30. Dez. 2019
ISBN9783750267893
Lethal Vacation: Tiefe Wurzeln

Mehr von Josephine Lessmann lesen

Ähnlich wie Lethal Vacation

Ähnliche E-Books

Horrorfiktion für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Lethal Vacation

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Lethal Vacation - Josephine Lessmann

    Kapitel 1

    Interstate 87, Poughkeepsie

    28.September, 2012

    Railey fuhr den Bus entlang des Hudson Rivers durch verlassene Städte und trostlose Gegenden. Er war innerlich aufgebracht und biss sich nervös auf der Unterlippe herum, während er konzentriert den Bus auf der Straße hielt. Haben sie tatsächlich Albany weggebombt. Ich hoffe nur, dass meine Idee wirklich gut ist. Wir brauchen einen Ort, der uns zur Ruhe kommen lässt und sicher ist. Die anderen brauchen genauso eine Pause wie ich. Es ist einfach zu viel passiert, in den letzten Tagen.

    Die Infizierten säumten verstärkt ihren Weg. Die Gebäude in den Ortschaften waren zum Teil in Brand gesteckt worden. Nur noch ihre verkohlten Grundmauern waren übriggeblieben.

    Gebannt sahen sie auf die Ruinenstädte und ihre Hoffnungen schwanden auf den Nullpunkt. Ratlos und verzweifelt wanderten ihre Blicke zueinander und niemand vermochte das auszusprechen, was jeder vermutete: War die Reise für umsonst? Wo sollen wir hin?

    Ivys verzweifelte Augen klebten an der Scheibe und sie war den Tränen nah. Der Drang vor Wut und Hoffnungslosigkeit zu Schreien wurde einzig durch ihre Machtlosigkeit gebremst.

    Auf der Landstraße fanden sie viele verlassene und geplünderte Autos, Krankenwagen, aber auch Trucks der Army vor. Nach etwa einer Stunde fuhren sie an einem Ortsschild vorbei.

    »Pog- … was? Wo sind wir?«, stutzte Klaas und sah Railey mit großen fragenden Augen an.

    »Poughkeepsie. Ein Freund wohnt hier … Wenn er noch am Leben ist«, seufzte Railey skeptisch und lenkte konzentriert den roten Briten geschickt durch die Straßen der Stadt. Einzelne Infizierte torkelten durch die verlassene Örtlichkeit. »Er wollte hier ein Baumhaushotel eröffnen«, fügte der Corporal nach einer Weile hinzu.

    Verblüfft, aber dennoch zweifelnd ob dies eine gute Idee sein wird, guckten sich die Mitglieder der Zweckgemeinschaft an.

    »Ein Baumhaushotel?«, amüsierte sich Rupert zweifelhaft. »Ist er denn auch fertig geworden?«

    »Ich hoffe es«, lächelte Railey. »Wir sind bald da!«

    Er lenkte den Bus im Slalom durch die Geisterstadt und die aufgeschreckten Kreaturen auf der Straße schauten fauchend dem Roten hinterher, als wollten sie mitfahren oder hätten ihre nächste Mahlzeit ausgemacht.

    *

    Nach einer halbstündigen Irrfahrt durch die Gemeinde überquerten sie eine Brücke und fuhren aus der Ortschaft in ein dicht bewachsenes Gebiet. Die hohen, mächtigen Bäume wirkten ehrfürchtig auf sie. Nach eineinhalb Meilen im Wald bog Railey auf einen kleinen asphaltierten Weg ein.

    Neugierig blickten sich alle, verteilt auf die zwei Etagen des Busses, aus den Frontfenstern und erspähten eine hohe Mauer aus Bruchstein sowie ein schwungvolles Eisentor. Ein Flügel stand offen.

    Railey hielt den Bus an und musterte die Männer der Gruppe. »Jemand muss den anderen Flügel öffnen«, ließ der Corporal die Anweisung im Raum stehen.

    Es war keine Frage.

    Thomas und Klaas nickten sich zu und übernahmen diese Aufgabe. Sie schnappten sich ihre Messer und Railey öffnete ihnen die Tür des Briten. Vorsichtig traten sie heraus und lugten hinter die Flügel. Auf dem Gelände liefen einzelne Kreaturen apathisch umher.

    »Die erledigen wir gleich, wenn der Bus durch ist und wir das Tor schließen können«, schlug Thomas entschlossen vor und zusammen öffneten sie den anderen Einfahrtsflügel. Der Doppeldecker konnte sie passieren, worauf sich die beiden beeilten das schwere Tor wieder zu schließen. Nun konnten sie sich der Bedrohung widmen, zückten ihre Messer und liefen auf die Wesen zu, die das Fahrzeug mittlerweile bemerkt hatten. Nervös dachten sie an den Nahkampfunterricht.

    Die beiden teilten sich auf der Grünfläche auf um die Untoten auseinander zu treiben. Sie traten den Kreaturen die Beine weg, sodass sie zu Boden fielen und schlugen ihnen die Messer in die Schädel. Der Gestank des spritzenden Blutes kroch in ihre Nasen, doch zum darüber nachdenken war keine Zeit. Fauchend traten die anderen Wesen auf sie zu und schlugen mit ihren verfaulten Gliedmaßen nach ihren Körpern aus.

    Klaas hackte einem dem Arm weg, sodass dieser ins Straucheln kam. Das Blut schoss aus der Wunde und er rammte ihm die Klinge in den Kopf.

    »Klaas!«, rief Thomas ängstlich gedämpft, als ein Infizierte ihn packte und ihn in die Knie zwang.

    Beherzt schlug er dem Toten das Metall in den Hinterkopf und streckte ihn zu Boden.

    Sichtlich erleichtert stützte sich Thomas auf seine Knie, nickte seinem Gefährten dankend zu, atmete tief durch und wandte sich den letzten ungebetenen Gästen zu.

    *

    Der Rote fuhr auf ein zweistöckiges, längliches Gebäude zu, welches auf dem Dach eine große Solarfläche installiert hatte. Das Mauerwerk des Hauses schien ebenso aus Bruchstein hochgezogen worden zu sein, wie die Geländeumrandung. An den Hausecken wuchsen Efeuranken in Richtung Dach. Railey hielt an, öffnete die Bustür und die Passagiere stiegen wachsam aus.

    Der Ort schien verlassen, keine Menschenseele, außer den nun getöteten Infizierten, war auf dem Außengelände zu sehen.

    Wortkarg betrachteten sie die große Grünfläche, an der sie vorbeigefahren waren, als sie zu dem Gebäude gelangten. Am Parkplatz vor dem Bauwerk standen schwere Kübel, die schon lange keine Zuwendung mehr erhalten hatten.

    »Gehen wir rein?«, wollte Christoph angespannt wissen und sah zu Railey, der die Seesäcke mit den Waffen aus dem Kofferraum holte.

    Er schüttelte den Kopf und begann fachmännisch die Schalldämpfer auf die Läufe der Pistolen zu schrauben. »Nein, erst riegeln wir das Gelände ab«, beschloss er und reichte die fertigen Pistolen an jedem weiter.

    Sie schlichen, sich gegenseitig schützend, um das Gebäude und waren schier sprachlos von den anmutigen Baumhäusern, die sich dahinter befanden. Zwischen den Geästen der mächtigen Laubbäume waren die Häuser aufgebaut. Auf anderen waren nur Plattformen und Gerüste der unfertigen Behausungen zu sehen.

    »Wow, der Typ hatte recht gehabt«, staunte Elmar.

    Skeptisch liefen die übrigen Mitglieder auf die Domizile zu.

    »Diese leeren Plattformen … Die können wir doch zu Häusern ausbauen, oder?«, schlug Bryan unsicher vor.

    »Anscheinend war das auch der Plan der Bauherren«, vermutete Rupert grübelnd und zeigte auf eine Scheune, deren Tor offenstand und voller Baumaterialien war.

    »Das Areal ist übersichtlich und die Mauern hoch«, befand Railey, sein taktisches und militärisches Wissen einsetzend. Er wandte sich ernst an Ivy: »Bis wir eine Lösung für euch gefunden haben, wird das unser neues Zuhause sein.«

    Ivy nickte sichtlich angespannt und beobachtete die anderen, die sich erkundend zwischen den Bäumen verteilt hatten.

    *

    Melanie schritt auf eines der Baumhäuser zu und stieg langsam die seitlich angebrachte Treppe nach oben. Auf den Weg zum Haus fühlte sie die knorpelige dicke Rinde des Baumes, welche eine gewisse Wärme ausstrahlte. Sie erklimm den Pfad vorsichtig und hörte auf jedes Geräusch, was eventuell auf einen ungebetenen Gast hinwies. Oben angekommen, öffnete sie vorsichtig die Tür und trat in einen kleinen, lichtdurchfluteten Raum. Kein Infizierter war zu sehen und eine Last fiel von ihren Schultern. Ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie roch das verarbeitete Holz und spürte die angenehme Wärme der Sonne auf ihrer Kleidung. Mit vorsichtiger Neugier begann sie das Haus zu erkunden. Ein kleines Sofa und eine Nische, in der sich die Küchenzeile befand, gaben dem Zimmer eine gewisse Gemütlichkeit. Hinter einer Falttür fand sie ein kleines Bad mit einer Dusche und einer Toilette. Die hellen Fliesen schienen sie regelrecht zu blenden. Zögerlich trat sie herein und betätigte den Wasserhahn. Zu ihrem Erstaunen kam tatsächlich sprudelndes, sauberes Nass heraus. Sie lachte laut, drehte den Hahn zu und sah sich weiter um. Über eine kleine Wendetreppe gelangte sie nach oben, zum Schlafbereich, der sich direkt unter dem Dach befand. Ein einfaches Bettgestell mit einladenden Bettdecken und weichen Kissen, ausreichend für zwei Personen. »Das ist wie ein Zuhause«, sagte sie zu sich selbst. Sie ging auf den Balkon und spähte zu den anderen, die am Fuße des Baumhauses standen. »Das müsst ihr euch ansehen!«, rief sie ihnen zu. »Endlich haben wir wieder Privatsphäre!«

    Ivy und Sebastian schnellten die Treppe des Baumhauses als erstes empor, welches sich direkt neben dem von Melanie befand. Als Sebastian die Tür langsam öffnete, betraten sie ebenfalls das Wohnzimmer mit einer Kochnische. Die große Fensterfront, von der aus sie die Rückseite des Hauptgebäudes sahen, ließ den Raum im hellen Licht erstrahlen. Ein Kamin sollte im Winter für Wärme sorgen und hinter der Falttür verbarg sich ebenso das Bad mit einer Dusche und der Toilette. Die Bodenfliesen waren schwarz und eine dunkelrote Bordüre schlang sich an der Wand entlang. Auf einem Hocker lagen Handtücher. Kleine Fläschchen mit Duschgel und Shampoo warteten nur auf ihre Benutzung. Ivy sah Sebastian unglaubwürdig an. »Wir passen nicht zusammen da rein, aber wir werden nicht mehr stinken.« Amüsierte drückte sie ihn einen Kuss auf den Mund.

    Ihre Augen funkelten und schöpften neue Hoffnung.

    Ebenfalls über eine Wendetreppe erreichten sie die Schlafnische, die unterhalb eines Erkers lag. Zusammen traten sie, Arm in Arm auf den Balkon, der sich um das halbe Gebäude schlängelte.

    Ivy winkte Melanie kindlich erfreut zu, die ebenfalls auf dem Anbau stand.

    »Wir haben ein vorläufiges neues Zuhause, Leute!«, rief Sebastian und gab Ivy erneut einen zufriedenen, befreiten Kuss auf die Wange.

    Alle noch am Boden verbleibenden Paare suchten sich in der unmittelbaren Nähe ein fertiges Baumhaus um es zu beziehen.

    »Hey, Mel … Ist deine Couch noch frei?«, erkundigte sich Christoph neckisch grinsend.

    »Vorausgesetzt du duscht und wäschst deine Unterwäsche, ja«, entgegnete sie ihm Augen zwinkernd zu.

    Während Rupert, Bryan und Thomas das letzte der fertigen Baumhäuser inspizierten, wandte sich Railey ab und wollte das Hauptgebäude inspizieren.

    *

    Die Hintertür stand offen. Leise betrat er das Gebäude und durchquerte den angrenzenden Aufenthaltsraum mit der kleinen Kantine. Die Tische und Stühle standen immer noch an ihren Plätzen. Durch die bodentiefen Fenster konnte er zu den Baumhäusern sehen. Innehaltend horchte er durch ein Geräusch alarmiert auf und vernahm ein leises Fauchen. Railey schlich zur Tür, lugte hinter der Zarge hervor und beobachtete sechs Infizierte vor dem Rezeptionstresen wanken, die ihn nicht registrierten.

    Anscheinend haut der Service nicht hin., dachte er mit Galgenhumor und schlich in gebückter Haltung hinter ihnen entlang um den Rezeptionstresen. Er wägte sich in Sicherheit, schnellte hoch und rammte jeden von ihnen nacheinander das Messer in den Schädel, als sie sich über den Tresen beugten um ihn zu packen. Das Blut besudelte in feinen Spritzern die Theke und seine Jacke. Ihre toten Körper fielen plump auf den Boden und Railey blickte nach getaner Arbeit über den Ladentisch auf sie hinab. Aufmerksam hörte er Schritte auf sich zukommen.

    Die zu ihm stoßende Reisegruppe hielt erschrocken inne, als sie die Leichen sahen. Angewidert wandte sich Ava von dem Anblick ab.

    Der Corporal hörte ein weiteres Poltern in einem der Zimmer hinter ihm. Angespannt sah der Wachmann zu der Gruppe, hielt stumm den Finger vor den Mund und schritt zur Tür. Zögernd umfasste er den Knauf, drehte ihn leise und riss abrupt den Eingang auf.

    »NEIN!«, schrie ein Mann verzweifelt und hielt sich schützend die Arme vor das Gesicht.

    Die anderen ließen ebenso einen Aufschrei des Erschreckens von sich und klammerten sich verängstigt aneinander.

    Railey begann indessen zu lachen und nahm die Waffe runter. »Oh, mein Gott! Aiden!«, rief er freudig und der Mann lunzte verängstigt hinter seinen Armen hervor. Railey breitete die Arme aus und grinste ihn überglücklich an.

    Der Fremde stand mit zitternden Knien auf, sah verwirrt zu dem Corporal und der Reisegruppe. »Was … Railey?!«, stotterte er und musterte ihn unglaubwürdig, als er ihn erkannte. Plötzlich brach er in Tränen aus und stürzte sich erleichtert in die Arme seines wiedergefundenen Freundes.

    Die Mitglieder der Gruppe versammelten sich um den Tresen, den Ekel vor den Leichen vergessend und beobachteten skeptisch den gebrochenen Mann, der einen Moment später sich versuchte zu beruhigen.

    Der Fremde schniefte, atmete mehrmals tief ein und aus, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Erleichtert sah er Railey an. Seine Kleidung war eingerissen, die blonden Haare standen ihm zu Berge. »Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals jemanden wiedersehe, den ich kenne«, japste er erleichtert und klopfte dem Corporal dankbar auf die Schulter.

    Er beäugte argwöhnisch die Gruppe, die vor ihm standen.

    Railey bemerkte seinen Blick. »Das ist Aiden, ein guter Freund aus der Schulzeit«, stellte er den Fremden vor. »Diese Leute sind Überlebende des Flüchtlingscamps in Dallas.«

    Verblüfft musterte ihn sein Schulfreund. »Ihr kommt aus Dallas?«, stotterte er und Railey nickte. Seine wirren Blicke schweiften zwischen den Menschen umher.

    »Vielleicht sollten wir die Leichen entsorgen und erst einmal zur Ruhe kommen«, schlug Elmar vor und Aiden nickte eindringlich.

    ***

    Kapitel 2

    Poughkeepsie, Baumhaushotel, Gemeinschaftsraum

    28. September 2012, 17:30 Uhr

    Railey parkte den Bus hinter dem Hauptgebäude, während die restlichen Männer die Leichen vor das Tor brachten. Es überraschte sie wie schwer doch ein lebloser Körper war. Ihre Gedanken sperrten sich davor diese Hüllen als Menschen anzusehen.

    Sie lagerten die Lebensmittel aus ihrem Vorrat im Kühlhaus der Kantine, welches noch in Betrieb war. Ihre persönlichen spärlichen Sachen brachten sie in die ausgesuchten Baumhäuser.

    *

    Aiden wollte für alle kochen und bediente sich aus den nun aufgestockten Vorräten. Es wurde ein einfacher Eintopf von dem sie sicher mehrere Tage zehren konnten. Als es fertig war, stellte er das Gefäß auf die gestellte Tafel im Gemeinschaftsraum. Sichtlich zufrieden über die neue Gesellschaft reichte er jedem einen gefüllten Teller.

    Railey erzählte in Kurzversion von ihrer Reise und Aiden saß verstummt zwischen ihnen.

    Nach einer Weile räusperte er sich und strich laut schnaufend durch sein wirres Haar. »Es tut mir wirklich leid … Was ihr alles durch gemacht habt, ist wahrlich furchtbar.« Mitfühlend blickte der Hotelbesitzer seufzend zu den Reisenden.

    Rupert schaute durch die bodentiefen Fenster zu den Baumhäusern, dachte nach und wandte sich an Aiden.

    »Diese Baumhäuser sind fantastisch. Ein Wunder, dass sie die perfekte Form für solch einen Umbau hatten«, staunte er, das Thema wechselnd.

    Aiden schmunzelte. »Ich wollte meinen Gästen etwas bieten. Abenteuer und trotzdem sollten sie auf bestimmte Dinge nicht verzichten müssen - fließend Wasser und Strom. Was aussieht wie ein Baum, ist eine Konstruktion aus Beton und Stahl, in der sich alles verbirgt, was die Versorgung der Häuser bedarf.«

    »Das sind gar keine echten Bäume?!«, hakte Elmar sichtlich verblüfft nach.

    »Aber die Rinde … Die fühlte sich so echt an!«, warf Melanie überrascht dreinblickend ein.

    Aiden nickte mit stolzem Blick. »Es hat zwei Jahre gedauert, diese acht Unterkonstruktionen zu bauen. Detailgetreu war mir wichtig. Es ist nicht echt, aber es versprüht dennoch einen gewissen Charme.«

    »Was bekomme ich denn, wenn ich hier einchecke?«, erkundigte sich der Doktor neugierig.

    »Funktionierende Toiletten, warmes Wasser aus der Leitung, Strom. Ich hatte einen Shuttlebusservice um die Gäste zu den Attraktionen der Umgebung zu bringen«, erklärte er, während er sich noch einmal etwas zu Essen auf seinen Teller drapierte. »Ich habe ein ökologisches Klärsystem installiert und beziehe den Strom von den Solarflächen. Außerdem stelle ich den besten Apfelsaft in der Umgebung her. Meine Plantage ist nicht weit weg. Und frische Eier gibt es fast täglich!«

    »Und in diesen Zeiten sind die Mauern das Beste, was uns passieren konnte«, warf Bryan ein, der sich ebenfalls Nachschlag aus dem Topf nahm.

    Die anderen nickten ihm zustimmend zu.

    »Da der Plan, sie nach Albany zu bringen, fehlschlug, würden wir gern hierbleiben, bis wir eine Lösung gefunden haben«, bat Railey.

    »Ihr seid herzlich willkommen«, lächelte sein alter Freund und sah jeden einzelnen an.

    »Wir können die anderen Baumhäuser fertig bauen«, schlug Sebastian vor. »Und Gemüse anpflanzen … Wie richtige Farmer.«

    »Bald kommt der Winter und die sind recht kalt und Schneereich. Aber für das nächste Jahr können wir uns das vornehmen«, wiegelte Aiden ab. »Bevor wir anfangen, die Häuser fertig zu bauen, sollten wir uns um die Vorräte kümmern. Die meisten Leute sind nach Albany und den anderen Evakuierungszentren gegangen. Es gibt noch genug Lebensmittel im Ort. Das sollte als erstes angegriffen werden …«, schlug er indessen vor.

    Die anderen brauchten nicht lange über seine Worte nachzudenken und nickten ihm zustimmend zu. »Alles andere ist in der Nähe, beziehungsweise im Lager. Ich habe sogar die Möbel für die neuen Häuser hier. Hat mich ein Vermögen gekostet«, schwelgte er in Gedanken und seufzte erneut. »Hier im Hauptgebäude befindet sich im ersten Obergeschoss meine Wohnung. Ihr könnt auch dort schlafen, wenn es an Platz mangelt …«

    Rupert und Thomas erhoben sogleich die Hände und nickten ihm zu.

    »Wenn wir hierbleiben, sind die Mauern auch sicher?«, wisperte Ava verängstigt Aiden entgegen.

    »Die Mauern sind drei Meter hoch«, erwiderte er.

    »Wir müssen das Tor blickdicht machen, damit die Infizierten uns nicht mitbekommen«, erwiderte Railey mit strategischem Blick. »Die Schießübungen, die wir gemacht haben, müssen ausreichen.«

    »Was ist eigentlich in Albany passiert?«, erkundigte sich Thomas schließlich und stellte die Frage, die jedem im Kopf herumschwirrte.

    Aiden überlegte einen Moment und begann zu reden. »Der Plan, die Touristen nach Europa zu bringen, war ein Fehler … Auch die Bewohner der umliegenden Städte kamen. Sie wollten einfach nur weg.« Bekümmert hielt er inne. »Die Docks wurden überrannt, Albany wurde überrannt. Die Army setzte Napalm ein und brannte alles nieder … Zu viele Menschen auf engstem Raum waren ein gefundenes Fressen für den Virus. Im Nu verwandelten sich die Toten und griffen die Schutzlosen an. Selbst das Militär konnte da nicht viel ändern. Ihr solltet die Evakuierungszentren meiden. Dort sind die meisten Toten eingepfercht«, empfahl Aiden und untermauerte es mit einem eindringlichen Nicken.

    Seufzend sahen sie sich an und waren innerlich froh, dass sie zu spät kamen.

    All die Menschen, die aus Hoffnung dort hinkamen und gestorben sind. Nur gut, dass wir zu spät kamen., dachte Ivy betrübt und Sebastian, der ihre Gedanken förmlich erriet, nahm liebevoll ihre Hand.

    »Wir sollten uns vielleicht alle in unsere Betten legen und die erste ruhige Nacht genießen«, schlug Rupert vor, erhob sich und watschelte zur Tür. »Ich hole meine Sachen aus dem Haus.«

    »Ich denke oft an die Menschen, die in den Zentren waren«, klagte Aiden nachdenklich. »Schiffe, die bereits abgelegt hatten, wurden versenkt, weil sich Passagiere verwandelten … Es gab keine Überlebenden. Alle sind mit den Schiffen untergegangen …«

    »Gibt es noch andere Menschen, die hier in der Gegend leben?«, wollte Jerome wissen, aber Aiden schüttelte stumm den Kopf. »Wir sollten vielleicht vorsorgen und am Eingang Wachtürme aufbauen. Solch ein Ort könnte vielleicht auch für andere interessant werden.«

    »So etwas muss richtig geplant werden«, unterbrach Railey ihn und blickte ihn mit kritischen Augen an.

    »Aber bitte erst morgen«, erwiderte Melanie, schob den Stuhl nach hinten und streckte ihren schmerzenden Rücken. »Ich danke dir für das Essen, Aiden. Ich möchte einfach nur schlafen und mal an keine Toten denken.«

    *

    Auch Ivy und Sebastian verschwanden in ihrem Häuschen. Lediglich in Unterwäsche gekleidet, wackelten sie die Treppe empor. Erleichtert aufstöhnend ließen sich beide in das Bett fallen.

    So muss es sich anfühlen, wenn man auf einer Wolke liegt!, dachte Ivy und genoss die weiche Matratze unter ihrem geschundenen Rücken. Und innerlich erwartete sie, dass das Bett sich genauso ruckelnd hin und her bewegte, wie es im Bus der Fall war. Nur tat es dies nicht. Erschöpft sah sie Sebastian an und begann zu grinsen.

    »Das ist seit langem ein Lächeln, was nicht gequält aussieht«, schwärmte er und gab ihr einen Kuss. »Vielleicht sollten wir diesen ersten Abend besonders genießen.« Schelmisch zuckte er mit den Augenbrauen.

    Ivy schmunzelte und rückte näher an ihn heran. »Nein. Ich bin einfach nur kaputt, aber glücklich mal nicht mit allen in einem Raum zu schlafen. Und das Bett bewegt sich auch nicht. Du kannst mich in den nächsten Tagen gern nochmal fragen.«

    Sie gaben sich einen langen, innigen Kuss, bevor Ivy ihm den Rücken zu wandte.

    Er schüttelte lächelnd den Kopf und kuschelte sich an sie.

    Sie hielt den Tschechen fest im Arm und schlief völlig erschöpft zügig ein.

    ***

    Kapitel 3

    Poughkeepsie, Baumhaushotel

    7.Oktober 2012, 9:30 Uhr

    Sie richteten sich in den folgenden Tagen die Baumhäuser ein und fuhren mit Aidens Auto in die Stadt um Lebensmittel und Kleidung für den kommenden Winter zu besorgen. Es war ein komisches Gefühl in die Läden zu gehen, ohne gleich von aufdringlichen Verkäufern bedrängt zu werden. Stattdessen mussten sie darauf gefasst sein, dass hungrige Infizierte hinter jeder Ecke stehen könnten, die ihnen ihre stinkenden Hände in die Bäuche schlagen würden. Angst begleitete sie jeden Tag. Sie saß ihnen regelrecht auf den Schultern und flüsterte tückische Gedanken in ihre Köpfe, die sie nachdenklich werden ließ.

    Was würde passieren, wenn eine Horde die Gegend überrennen würde, so wie damals am Bus? Würden die Mauern standhalten? Welche Möglichkeiten würden sich ihnen bieten, nach Hause zu kommen? Wird es überhaupt einen Weg geben? Gibt es noch andere Gruppen, die eventuell ein Auge auf das Areal geworfen haben?

    Eine gewisse Art von Paranoia entwickelte sich in ihren Köpfen.

    Der anfängliche innere Konflikt, die Kreaturen zu töten, die einst Menschen waren, verblaste allmählich. Es wurde zu einer Art Normalität die wenigen Infizierten, die ihren Weg kreuzten zu erledigen, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.

    Sie füllten das Lager mit Holz und trafen bereits Vorbereitungen für den geplanten Anbau im Frühling. Ein Teil der Grünfläche wurde umgegraben und für den Ackerbau vorbereitet.

    Mit den Baumaterialien im Lager konnten sie zwei Baumhäuser fertigstellen und beziehen. Rupert bezog sein Domizil, ebenso wie Bryan und Thomas, die sich eines teilten. Nur Christoph suchte weiterhin Asyl in Melanies Haus.

    *

    Ivy befand sich in ihrem vertrauten Zuhause. Sie wusste instinktiv, dass das Haus menschenleer war und trotzdem musste sie in allen Zimmern nachschauen, auch in jedem kleinsten Winkel, ob die Kinder sich nicht doch irgendwo versteckten. Aber sie fand niemanden. Ihr fiel ein, dass sie gar nicht in ihrem Zuhause sein konnten, sondern bei ihren Eltern waren. Nach draußen stürmend rannte sie auf die Straße. Von ihrem Platz aus konnte sie sehen das in ihren Garagen keine Autos standen, weder bei ihr noch in der von Sebastian. In der ganzen Allee standen keine Fahrzeuge. Sie bekam durch ein schlechtes Gefühl in ihrer Magengegend plötzlich Panik, hetzte zum Schuppen, holte ihr Fahrrad und fuhr so schnell sie konnte zum Haus ihrer Eltern. Auf dem Weg dahin bemerkte sie wie in einem vorbeirauschenden Film, dass sie keine Menschenseele sah; keine Nachbarn, keine alte Dame, die am Fenster saß und den Autos zusah, wie diese vorbeifuhren, einfach niemanden. Noch nicht einmal den dämlichen Nachbarhund, der ständig kläffte. Als ob die Zeit still stand.

    Ivy sprang förmlich von ihrem Drahtesel, rannte auf das Haus ihrer Eltern zu und stürmte hinein. Als sie in den Flur trat, schien eine Art Schleier über dem Haus zu liegen. Die Sonne schien durch das große Flurfenster und die kleinen Staubpartikel vollführten einen geheimnisvollen Tanz. In der Küche standen benutzte Töpfe und eine Pfanne auf dem Herd. Dreckige Teller stapelten sich auf dem kleinen Tisch. Ungewöhnlich für ihre Mutter, welche eine sehr reinliche Frau war, die es hasste, wenn dreckiges Geschirr herumstand. Stutzig betrachtete sie das Essen, welches verdorben war. Ein dichter Flaum hatte sich auf dem Gericht gebildet.

    Im nächsten Raum den sie vom Flur einsehen konnte, dem Wohnzimmer mit angrenzendem Wintergarten, war ebenfalls niemand zu finden. Die Kissen und Decken lagen wild verstreut, als ob sie gerade erst genutzt worden waren. Ivy ging um die Wohnlandschaft herum. Oft saßen Hailey und Konrad dahinter und spielten dort. Aber keiner versteckte sich hinter dem Sofa. Sie schritt in den Wintergarten, schaute unter den massiven Esstisch und fand keine Menschenseele. Langsam kroch das ungute Gefühl ihre Wirbelsäule herauf.

    Ivy öffnete die Balkontür, trat heraus und lauschte. Ihr Wunsch nur irgendein Lebenszeichen von irgendjemanden zu erhalten ließ sie schaudern. Für einen Moment hielt sie inne, aber sie hörte einfach nichts. Als stünde sie in einen luftleeren Raum. Kein Vogel, kein Hund, kein Wind, der durch die Bäume streifte, war zu vernehmen. Sie schloss die Tür von innen und schritt nach oben.

    Im Spielzimmer der Kinder war es still, das Spielzeug lag herum und das Licht in dem kleinen Puppenhaus brannte. Ivy machte es durch Gewohnheit aus und lugte in das angrenzende Schlafzimmer ihrer Eltern. Die Betten waren nicht gemacht und im Arbeitszimmer war auch niemand.

    Sie fasste sich ein Herz, huschte nach unten und obwohl sie den Keller hasste, schlich sie hinunter und suchte weiter. Aber da war niemand. Sie spürte wie das schlechte Gefühl ihre Wirbelsäule nach oben kroch und ihren ganzen Körper schüttelte. Seufzend, um dieses Gefühl zu verdrängen, schaute sie noch im letzten Zimmer nach und auch dort fand sie keinen ihrer Angehörigen.

    Nachdenklich setzte sie sich auf die Treppe hinter dem Haus und betrachtete den Garten. Sie rauchte eine Zigarette und sah der Glut Gedanken verloren zu, wie sie sich langsam zum Filter fraß. Normalerweise hörte sie den Verkehr von der angrenzenden Straße. Aber es war einfach nichts. Plötzlich polterte etwas hinter ihr und sie horchte erschrocken auf. Ihr Herz begann zu rasen. Sie schnipste die Zigarette in den Garten, stand auf und schlich noch einmal vorsichtig in den Flur. Sie vernahm wieder ein Poltern und sie machte es in dem kleinen Wohnzimmer aus. Sie streckte ihre Hand nach der Türklinke aus und ...

    *

    »Ivy, wach auf!«, rief Sebastian am unteren Fuße der Treppe.

    Erzürnt und noch halb verschlafen von ihrem Alptraum warf sie ihm das Kissen über die kleine Brüstung nach unten.

    Elegant fing er es auf und warf es sogleich nach oben. »Wir müssen aufstehen. Der Tag wird lang!«, rief er erneut und sah grinsend die Treppe hoch.

    »Du kannst mich mal!«

    »Gerne, aber wir müssen los«, erwiderte er keck.

    Wütend, aber frech grinsend zeigte sie für ihn ungesehen den Mittelfinger. »Ich stehe gleich auf«, brummte sie.

    »Gut, ich bin schon unten bei den anderen«, erwiderte er, ging raus und kam sogleich wieder rein. Er stellte ein Glas löslichen Kaffee auf den Tresen der kleinen Küche und verließ das Haus.

    Ivy blieb indes grüblerisch im Bett liegen, schloss die Augen und versuchte den Traum zu Ende zu träumen. Aber es gelang ihr nicht, an die Stelle zurückzukehren, als Sebastian sie geweckt hatte. Es ärgerte sie. Schließlich stand sie auf und trottete müde zur Toilette. Nachdem sie sich erfrischt hatte, schlürfte sie in die Küche. Sie fand den kleinen Wasserkocher, der nur 600 Milliliter Fassungsvermögen hatte, niedlich. Als ihr Kaffee fertig war, trat sie auf den Balkon und schaute sich das Areal an. Der Herbst hatte die Blätter bunt gefärbt und es war nicht mehr so heiß, wie vor drei Wochen.

    Weit und breit waren keine Infizierten zu sehen. Zumindest nicht hier. Nur außerhalb hörte sie ein leises Fauchen und Scharren. Sie ignorierte es einfach, weil sie sich der Sicherheit der Mauer um das Grundstück bewusst war. Im Schlafanzug, bestehend aus T-Shirt und Boxershorts, genoss sie ihren Kaffee, rauchte eine Zigarette, bevor sie sich schließlich anzog. Sie folgte ihrem Mann in den Gemeinschaftsraum und kam zum Gespräch hinzu.

    *

    »Guten Morgen, du siehst ja richtig erholt aus«, staunte Bryan und lächelte ihr neckend zu.

    »Ich sehe immer erholt aus, wenn mir morgens keiner auf die Nerven geht«, zwinkerte sie ihm zu, nahm sich ihren zweiten Kaffee und setzte sich neben Melanie.

    »Der Holztrupp muss heute die Speere an der Mauer verteilen«, ordnete Railey an, trank einen Schluck aus seiner Tasse, während er mit strengem Blick das Klemmbrett inspizierte. »Der Bautrupp geht nachher an die Arbeit. Ich fände es schön, wenn wir das letzte Haus noch vor dem Winter fertigbekommen würden. Melanie, Rupert, Ava, Thomas und Ivy sind die

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1