Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Das Alberdon Komplott: Zweiter Teil des Drachenreiter Epos, spannende Fantasy
Das Alberdon Komplott: Zweiter Teil des Drachenreiter Epos, spannende Fantasy
Das Alberdon Komplott: Zweiter Teil des Drachenreiter Epos, spannende Fantasy
eBook347 Seiten4 Stunden

Das Alberdon Komplott: Zweiter Teil des Drachenreiter Epos, spannende Fantasy

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Etwas ist dort draußen, in der Dunkelheit. Es wartet.
In einer Gasse wird ein Leichnam gefunden. Schnell wird klar, dass es sich um keinen Menschen handeln kann. Inquisitorin Roslyn übernimmt die Ermittlungen. Diese führen sie in die höchsten Kreise der Regierung von Alberdon. Auf ihrem Weg zur Wahrheit trifft Roslyn auf die Drachenreiterin Jiana und ihren bärtigen Freund Balduin.

Doch ein alter Feind ist ihnen bereits auf der Spur. Was folgt, ist ein Katz-und-Maus-Spiel, welches die Gruppe zu verlieren droht.

Im zweiten Teil der Fantasy-Reihe müssen Jiana und ihr Drachen Elias erneut gegen den drohenden Untergang ihrer Welt kämpfen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Sept. 2023
ISBN9783384023469
Das Alberdon Komplott: Zweiter Teil des Drachenreiter Epos, spannende Fantasy
Autor

Matthias Lange

Matthias Lange wurde 1983 geboren. Er lebt mit seiner Frau und seinen Hunden in Schleswig-Holstein. Hauptberuflich ist er im sozialen Bereich tätig und unterstützt Menschen mit Behinderung in ihren Lebenslagen. Schon in seiner Jugend liebte er Fantasy, Horror und Science-Fiction. Seit geraumer Zeit widmet er sich dem Schreiben. Nach seinem ersten Roman "Die Ankunft des Drachen" folgen jetzt weitere, mit denen er die Leserinnen und Leser dazu einladen möchte, ihm in andere Welten zu begleiten.

Mehr von Matthias Lange lesen

Ähnlich wie Das Alberdon Komplott

Titel in dieser Serie (1)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Das Alberdon Komplott

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Das Alberdon Komplott - Matthias Lange

    Der Fall Remstieg

    1

    Die Nacht war sternenklar. Vereinzelt waren einige blasse Wolken zu erkennen, die durch das Licht des Vollmonds angestrahlt wurden. Auf den Dächern der Stadt jagte eine Katze ihre Beute. Sie lief über die Schindeln und wurde vom Schatten der Abseite eines der Dächer verschluckt. Je tiefer man in die Häuserschluchten vordrang, umso dunkler wurde es, bis nur noch einzelne Fackeln und die Lichter in den Fenstern Orientierung gaben. Aus den Schornsteinen drang vereinzelt Rauch. Die Nächte in dieser Jahreszeit waren schon relativ kalt geworden. Bald würden die letzten Zeichen des Spätsommers verschwunden sein und sich das Laub braun färben.

    Die Katze sprang von einem Vorsprung und landete auf der Brüstung eines kleinen Balkons. Sie hatte ihre Beute verloren und langsam streunte sie weiter in Richtung der Straßen. Ein herumstehender Karren diente als Landeplatz für einen gewagten Sprung in die Tiefe. Auf ihm war Stroh geladen. Kurze Zeit war sie verschwunden, dann war ein Rascheln zu hören und sie streckte ihren Kopf aus dem Stroh hervor. Entspannt setzte sie sich auf den Rand des Wagens und fing an, sich zu putzen. Sie hielt inne. Ihre Ohren bewegten sich und sondierten die Umgebung.

    Die Straße, in der der Strohwagen stand, gehörte zum Viertel der Edelleute und Gildenhändler. Hochgewachsene und verwinkelte Häuser reihten sich aneinander. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ein großes Anwesen. Es stach aus seinem Umfeld hervor. Neben einigen Schrägdächern, die die einzelnen Abteile des Anwesens unterteilten, befand sich nahe der Straße ein rechteckiger Turm, der die restlichen Häuser der Umgebung bei Weitem überragte. Das Anwesen wirkte eher wie eine Festung als ein Wohnhaus. Seine Mauern bestanden aus massivem Gestein und nicht aus gebrannten Ziegeln, wie der restliche Straßenzug.

    Das Grundstück des Anwesens wurde durch eine Mauer geschützt, die auch neugierige Blicke davon abhielt, in den dahinterliegenden Garten zu sehen. Er war auf dieser Seite, im Vergleich zum Rest der Gartenfläche, schmal. Ein Weg wandte sich zwischen Sträuchern und Zierpflanzen und führte an einigen steinernen Statuen, die Frauen und Männer in unterschiedlichen Posen darstellten, vorbei.

    Ihre Achtsamkeit rettete der Katze vermutlich ihr Leben. Sie sprang vom Wagen und lief geschwind davon. Etwas von oben krachte kurz danach in die Stelle, wo sie gerade noch gesessen hatte. Die Stille der Nacht wurde durch ein ohrenbetäubendes Scheppern unterbrochen. Die Einzelteile des Wagens flogen durch die Luft. Ein Teil durchschlug ein nahegelegenes Fenster, hinter dem noch Licht brannte.

    Ein Schrei war zu hören und die Tür des Hauses öffnete sich. Ein Mann trat auf die Straße. Er war mit einem Schwert bewaffnet und suchte die Umgebung nach der Quelle des Lärms ab. Langsam näherte er sich dem zerstörten Wagen. Er sah auf und entdeckte weitere Menschen, die sich aus ihren Häusern gewagt hatten und vorsichtig die Situation einschätzten.

    Da, wo vorher der Wagen gestanden hatte, lag etwas. Seine Masse war fast so groß wie der Karren selbst. Der Mann näherte sich weiter. Durch das zerbrochene Fenster drang nun mehr Licht nach außen. Einige Menschen trugen Fackeln oder Öllampen bei sich. Im Schein des Lichtes versuchte der Mann zu erkennen, was den Wagen zerstört hatte. Als er erkannte, was es war, weiteten sich seine Augen.

    »Ruft die Wache! Sofort!«, befahl er einem Mann, der ihm gegenüberstand.

    Dieser machte sich augenblicklich auf den Weg und lief die Straße hinab, bis er aus dem Sichtfeld verschwunden war. Weitere Frauen und Männer sammelten sich. Ihre Gesichter waren bleich und voller Schrecken. Eine der Frauen fing an zu weinen und wurde von ihrem Mann ins Abseits begleitet.

    Eine andere Frau trat neben den Mann mit dem Schwert. Sie sah eine Weile auf den Kadaver, der in den Trümmern des Wagens lag. Blut trat aus dem aufgeplatzten Körper und lief den Rinnstein hinab. Ein merkwürdig süßlicher Duft verbreitete sich. Es roch wie eines der teuren Frauendüfte, die in den Luxusgeschäften der Flanierstraßen des Viertels zu erwerben waren.

    »Was ist das?«, fragte sie den Mann, der mittlerweile sein Schwert in die Scheide gesteckt hatte. Eine Gefahr bestand anscheinend nicht mehr.

    Der Mann sah noch eine Zeit lang auf den Kadaver. Er erkannte die geschuppte Haut, die je nach Blickwinkel und Lichtreflexion blau oder grün erschien. Sein Blick wanderte weiter und die Schuppen wurden zu Haut. Menschlicher Haut. Zu erkennen waren der Ansatz von Beinen und dem Becken. Es war grotesk verformt und endete in einem geschuppten Schwanz. Eine Hand reckte sich nach oben, verdreht und gebrochen. Sie schälte sich zur Hälfte aus den Überresten einer geschuppten Klaue, deren Krallen verkrampft in alle Richtungen standen.

    »Ich weiß es nicht«, antwortete der Mann in gedämpftem Tonfall, als ob es nötig wäre, zu flüstern.

    *

    Ein Hahn krähte. Es war bereits das zweite Mal und Roslyn drehte sich in ihrem Bett um. Sie zog die Decke ein wenig weiter nach oben. Es war kalt in ihrem Zimmer. Der Kamin war während der Nacht ausgegangen, als sie geschlafen hatte.

    Sie konnte es sich heute leisten, im Bett zu bleiben. Der Auftrag, an dem sie die letzten Tage gearbeitet hatte, war anstrengend und kräftezehrend gewesen. Ihr Vorgesetzter hatte ihr daraufhin zwei Tage freigegeben. Im Normalfall hätte sie dagegen Einspruch erhoben, aber in diesem Fall kam ihr die zusätzliche freie Zeit gelegen. Sie war ausgezehrt und brauchte dringend Ruhe. Das Jahr über hatte sie sich kaum eine Auszeit gegönnt. Sie war einfach nicht der Typ, der sich mit Hobbys oder Alkohol die Zeit vertreiben konnte. Schnell wurde es langweilig und wenn ihr langweilig wurde, dann sank auch ihre Laune ins Bodenlose. Ihrem Vorgesetzten war das durchaus bewusst und riskierte nur ungern eine schlecht gelaunte Inquisitorin im Dienst. Zumal es sich bei Roslyn nicht um eine Person handelte, die durch irgendwelche anderen dahergelaufenen Inquisitoren ersetzt werden konnte.

    Sie hatte eine Begabung, auf die die Inquisition nur zu gern zurückgriff. Sie war zwar keine Zauberin, aber sie hatte gewisse Fähigkeiten, die besonders bei Verhören sehr nützlich waren.

    Ein Hämmern an ihrer Tür unterbrach ihren Schlummer vollends. Nach Freizeit zu haben, war das Stören ihres Schlafes, die zweite Sache, die sie zum Tode nicht leiden konnte. Sie saß senkrecht im Bett. Ihr Herz hatte einen unangenehmen Sprung gemacht und hämmerte nun in ihrer Brust. Mit einem Stöhnen riss sie die flauschige Daunendecke zur Seite und machte sich barfuß auf den Weg zur Tür.

    Es hämmerte wieder. Sie entriegelte das Schloss und zog die Tür auf. Mit geballter Faust stand sie in der Öffnung und sah sich einem Mann gegenüber. Er war gut einen Kopf größer und trug einen schwarzen Ledermantel des Kommissariats. Auf seinen Schultern prangte das gelbe Schild mit dem Emblem eines Hundes, das ihn auswies.

    Der Mann wich ein Stück zurück, als er Roslyns bedrohliche Haltung sah. Als sie keine Anstalten machte, auf ihn einzuschlagen, entspannte er sich jedoch.

    »Ich wünschte, ich würde immer so begrüßt werden, wenn ich an eine Tür klopfe«, sagte der Mann und stieß die Tür weiter auf. Er ging an Roslyn vorbei in ihr Zimmer. Diese schaute an sich herab und merkte erst jetzt, dass sie nichts weiter trug, als ein dünnes Nachthemd. Sie blickte noch kurz in den Flur des Hauses und schloss dann die Tür.

    Die Dielen knarrten, als sie in Richtung ihres Bettes ging. »Du hast mich geweckt. Habe ich ein Treffen vergessen, oder warum bist du hier? Ich bin heute nicht im Dienst.«

    Der Mann sah von ihren Beinen hoch zu ihrem Oberkörper. Das Nachthemd verbarg nur wenig von den Formen ihres Körpers. Sein Mund verzog sich zu einem leichten Grinsen. Roslyn blieb vor ihm stehen und sah ihn an. Es war keine unangenehme Situation für sie. Es war ihr schlichtweg egal. Auch sie hatte ihn schon unbekleidet gesehen. Ihre Beziehung beschränkte sich zum aktuellen Zeitpunkt jedoch auf das rein Berufliche.

    Derek war ein Kommissar der Stadtwache. Er hatte sich von der Pike auf hochgearbeitet und kannte sich mit dem Abschaum der Gossen in Alberdon gut aus. Die beiden hatten sich bei einem gemeinsamen Fall kennengelernt, als Roslyn noch eine Anwärterin auf den Inquisitorentitel gewesen war. Damals hielt sie es für eine gute Idee, sich eine Tür bei der Stadtwache offenzuhalten. Eine Zusammenarbeit hatte ihre Vorteile. Sie konnte so auf Ressourcen zurückgreifen, die die Inquisition nicht hatte. Kontaktleute, Spitzel und Informationen aus den Ermittlungen des Kommissariats, die ihr weiterhelfen konnten.

    Die beiden verband nun eine Beziehung, die Roslyn gern ungeschehen gemacht hätte. Es kostete sie fast den Titel zur Inquisitorin. Aber Roslyn war eine Überlebenskünstlerin. Es gab nichts, was sie nicht schaffen konnte. Davon war sie überzeugt.

    Derek schnitt ihr den Weg ab und berührte sie an den Armen.

    »Was soll das werden, Derek? Du siehst meinen Körper nicht zum ersten Mal und benimmst dich immer noch wie ein Zuchthengst vor dem Deckakt«, zischte Roslyn verärgert.

    »Wie immer, die Liebenswürdigkeit in Person. Es gab einmal eine Zeit, in der du nicht genug von mir bekommen hast. Was hat sich verändert?«, erwiderte Derek. Er blickte Roslyn abschätzend an.

    Roslyn streifte die Hände ihres Gegenübers ab und ging weiter zum Bett.

    »Nichts hat sich verändert. Ich bin jetzt Inquisitorin und muss mich meinem Amt gegenüber angemessen verhalten. Ich kann nicht mehr mit jedem dahergelaufenen Kommissar intim werden!«

    Sie biss sich auf die Lippe, nachdem sie den Satz beendet hatte. Er war ihr ein wenig zu scharf herausgerutscht. Derek nahm einen tiefen Atemzug. Seine Worte waren nun wesentlich förmlicher.

    »Nun gut. Dann auf der rein professionellen Ebene. Ich bin hier, damit du dir etwas ansiehst. Es gab einen Todesfall im Regierungsviertel. Ich warte draußen auf dich.«

    Der Kommissar war schon im Begriff, sich auf den Weg zur Tür zu machen, als Roslyn ihn am Arm berührte. Er hielt inne und sah zu ihr.

    »Du hast mich auf dem falschen Fuß erwischt. Ich hasse es, aus dem Bett geworfen zu werden. Tut mir leid«, sagte sie säuselnd.

    Derek sah sie durchdringend an. Sie konnte seinem Blick standhalten, fühlte sich jedoch immer unwohler in ihrer Haut.

    »Was habe ich getan, Lyn? Du hast dich verändert und ich weiß nicht warum. Ist es wirklich das Amt als Inquisitorin? Ich habe das Gefühl, irgendetwas steht zwischen uns, von dem ich nichts weiß. Ich habe vorhin bereits ernsthaft überlegt, ob ich dich überhaupt hinzuziehen sollte oder lieber einen deiner Kollegen anspreche.«

    Roslyn setzte sich auf den Bettrand und starrte zu Boden. Sie hatte sich der Hoffnung hingegeben, Derek hätte die Veränderungen bei ihr nicht bemerkt. Es war ein Wunschtraum gewesen. Ihr war die Veränderung an sich selbst auch nicht entgangen. Und sie hielt sich für alles andere als selbstreflektiert, auch wenn diese Annahme das Gegenteil bewies. Derek konnte Menschen lesen. Nicht so wie sie, sondern mit seinen primitiven menschlichen Instinkten, die durch seine Erfahrung geschult und geschärft wurden. Vielleicht hatte sie sich deshalb auf ihn eingelassen, weil er sie durchschaute. Er sprach das aus, was er dachte und wahrnahm. Das hatte ihn schon des Öfteren in Schwierigkeiten gebracht. Besonders bei seinen Vorgesetzten. Dennoch hatte er es geschafft, sich seinen Posten zu erkämpfen. Das war nicht einfach im Kommissariat. Dort lief nicht immer alles so sauber ab, wie es den Anschein hatte. Diese Tatsache war der Inquisition bekannt. Wer genug Geld hatte, der konnte sich schon mal ein Ermittlungsergebnis erkaufen. Ob Derek sich auf solche Spiele einließ, wusste Roslyn nicht. Sie hatte ihn nie gefragt und wollte es auch lieber nicht wissen.

    Derek wartete weiter auf eine Reaktion von ihr und stand einfach da, ohne sich zu rühren. Sie bewunderte sein Durchhaltevermögen und verfluchte es zugleich. Sie stand auf und zog ihr Nachthemd von den Schultern. Vielleicht bestand ihre Hoffnung darin, der Anblick ihres Körpers würde das Thema wechseln. Derek sah sie nur weiter an. Dann drehte er sich schweigend um und verließ ihre Wohnung.

    Roslyn atmete ein paar Mal durch. Ihre Lunge zitterte und das Einatmen hörte sich an wie kleine Schluckauf, kurz nacheinander. Das sich mit der Zeit aufgebaute Bohren hinter ihren Rippen ebbte ab. Sie machte sich gerade, streckte die Brust vor und entspannte sich wieder. Es war Zeit, sich fertig zu machen. Die Arbeit wartete nicht, dachte sie.

    Als Roslyn aus ihrer Wohnung trat, stand Derek am Ende des schmalen Flurs. Er hatte sich seine Pfeife angesteckt und blies den Rauch durch ein geöffnetes Fenster nach draußen.

    Als Roslyn näherkam, klopfte er die Pfeife an der Außenseite des Fensterrahmens aus. Nachdem das Fenster geschlossen war, wandte er sich ihr zu. Roslyn kniff die Augen zusammen, um gegen das Licht, welches ihr ins Gesicht schien, etwas zu erkennen. Derek nickte in Richtung der Treppe und sie ging nach unten.

    Im Erdgeschoss des Hauses, befand sich eine kleine Schenke. Sie war einfach gehalten und bot Platz für eine Handvoll Menschen. Zu dieser Uhrzeit waren kaum Besucher anwesend. Es saß lediglich ein Mann am Tresen und dieser hatte noch nicht einmal etwas bestellt. Erst als Roslyn ein Stück auf ihn zugegangen war, erkannte sie, um wen es sich handelte. Derek wurde offensichtlich von einem Deputy begleitet.

    Auch wenn sich in ihrer Wohnung eine kleine Kochstelle befand, nutzte sie Roslyn so gut wie nie. Sie war froh darüber, sich in der Schenke, nach getaner Arbeit, einen Teller heißen Eintopf abzuholen. Das Paar, welches die Schenke betrieb, war auch ihr Vermieter. Sie schienen froh darüber zu sein, eine Inquisitorin zu beherbergen. Das hielt das Gesindel fern, denn niemand, der bei Verstand war, würde sich mit Roslyn anlegen wollen. Das übertrug sich dann auch auf ihr Umfeld. Die Mieter der anderen Wohnungen benahmen sich dementsprechend gesittet. Das war durchaus ein Vorteil für das Paar. Außerdem zahlte sie ihre Miete pünktlich und gab immer einen Bonus für die Verpflegung hinzu. Das tat Roslyn nicht aus Herzensgüte. Es war ihr einfach nützlich.

    Barbara, die Frau des Wirtes, kam aus dem Hinterzimmer. Als sie Roslyn sah, lächelte sie kurz. Sie hatte ausreichend Anstand, um der Inquisitorin in diesem Moment kein Angebot einer Mahlzeit zu unterbreiten. Sie befand sich schließlich in Begleitung von Kollegen.

    Roslyn näherte sich dem Tresen und Barbara sah auf.

    »Hast du noch Kaffee für mich?«, fragte sie.

    Die Wirtin lächelte und ging, ohne zu antworten, in das Hinterzimmer.

    »Ist wohl nicht sehr gesprächig, die Frau«, kommentierte der Deputy das Verhalten.

    Roslyn sah ihn einen Augenblick an und hob eine Braue.

    »Das ist Deputy Gallow. Er war als Erster vor Ort«, sagte Derek.

    »Und was macht er hier?«, fragte Roslyn.

    Der Deputy machte sich gerade. Er trug einen Schnauzbart und seine roten Haare waren zu einem Scheitel gekämmt. Er war der typische Mann, durch den es zu Komplikationen bei der Kooperation von Kommissariat und Inquisition kommen würde. Entweder Derek hatte ihn absichtlich mitgebracht, um Roslyn zu provozieren, oder er hatte ihn unfreiwillig aufgedrückt bekommen.

    »Er wollte dir unbedingt persönlich berichten, was er heute Morgen gesehen hat«, sagte Derek und verschränke die Arme vor der Brust.

    Es war also Zweiteres. Vielleicht hatte Derek jemandem zu viel auf die Füße getreten und wurde nun mithilfe dieses Idioten bestraft.

    »Und dann hältst du es für die beste Idee, ihn zu mir nach Hause zu schleppen? Du weißt, ich schätze meine Privatsphäre.«

    »Sei froh, ich konnte ihn überzeugen, nicht mit raufzukommen«, scherzte Derek.

    Das war kein Scherz gewesen und Roslyn wusste das.

    »Was hast du wieder angestellt, damit dich Bollard an die kurze Leine nimmt?«, fragte Roslyn.

    Bollard war Dereks Leutnant und damit sein Vorgesetzter.

    »Er hat so lange auf einen Verdächtigen eingeschlagen, bis dieser aussah, als ob er ein Rendezvous mit einem Bienenstock gehabt hätte«, antwortete Gallow an Dereks Stelle.

    »Was? Das ist alles? Ist Bollard mit dem falschen Fuß aufgestanden oder was hat ihn geritten?«, lachte Roslyn.

    »Nun. Dieser Verdächtige war kein Irgendwer. Er war der Sohn des amtierenden Schatzmeisters, der nicht gerade begeistert über den Zustand seines Sohnes war«, erklärte Gallow.

    »Ich verstehe. Und jetzt hast du einen Aufpasser, der dich davon abhalten soll, weitere Adelsvisagen zu Brei zu verwandeln. Meinen Glückwunsch«, sagte Roslyn amüsiert.

    Die Wirtin kam aus dem Hinterzimmer zurück und stellte einen Becher mit dampfendem Kaffee vor Roslyn auf den Tresen. Sie lächelte ihr zu und ging wieder schnell nach hinten.

    »Dann haben wir das ja geklärt«, sagte Derek hörbar genervt.

    Roslyn nahm sich den Becher, roch an der Flüssigkeit und nahm einen Schluck.

    »Da wir dann gezwungenermaßen zusammenarbeiten müssen, las mich eines klarstellen, bevor wir beginnen. Ich sage, was zu tun ist. Du hinterfragst keinen meiner Befehle, sondern führst sie umgehend aus. Wenn meine Anweisungen, denen deines Vorgesetzten zuwiderlaufen, dann haben meine bedingungslose Priorität. Haben wir uns verstanden?«, führte Roslyn aus.

    Gallow verzog das Gesicht zu einem schmalzigen Grinsen.

    »Da hast du dir aber einen ganz schönen Braten geangelt, Derek. Ich wusste gar nichts von deinem Fetisch, dich zu unterwerfen.«

    Roslyn stellte ihren Becher auf den Tresen. Blitzschnell griff sie nach Gallow. Ihre Hand grub sich in seine Haare und sein Kopf wurde auf den Tresen gepresst. Er griff instinktiv an seinen Gürtel, um sein Schwert zu ziehen, doch Roslyn hielt ihm ihre zweite Hand vor die Augen. Aus ihrem Ärmelsaum trat eine feine Klinge aus und blieb kurz vor Gallows rechtem Auge stehen. Dieser hielt inne.

    »Weißt du, ich hasse unangemeldeten Besuch. Und noch mehr hasse ich es, wenn ich den Besucher nicht einmal kenne. Solltest du noch einmal in meine Privatsphäre eindringen oder mich so respektlos behandeln wie eben, dann ist meine Geduld mit dir am Ende! Verstanden? Glaube mir, ich muss niemandem Rechenschaft ablegen, wenn ich dir die Augen aussteche und dich blind und hilflos in der Gosse zurücklasse. Was glaubst du, was die Leute in diesem Viertel mit einem wie dir anstellen werden? Ist das soweit klar geworden?«, fuhr Roslyn ihn an und ließ den Deputy daraufhin los.

    Dieser richtete sich wieder auf und strich sich durch die Haare. Er nickte ihr stumm zu und sah Roslyn noch einen Augenblick unsicher, aber voller Zorn an, ging dann aber ohne ein weiteres Wort in Richtung Ausgang.

    »Ich habe dich gewarnt«, sagte Derek, als ihn der Deputy passierte.

    Dieser gab nur ein wütendes Schnaufen von sich und verschwand.

    »War das nötig? Das wird er Bollard melden und dann muss ich mir wieder eine Standpauke anhören, warum keiner meiner Kollegen mehr mit mir zusammenarbeiten will.«

    »Soll er sich doch beim Erzinquisitor beschweren. Ist mir egal. Ich konnte diesen Typen seit dem ersten Augenblick nicht ausstehen«, fauchte Roslyn.

    »Das hast du von mir auch gesagt. Und was in der ersten Nacht passiert ist, wissen wir beide.«

    Roslyn winkte ab und griff sich ihren Becher.

    »Worum geht es bei eurem Fall?«, fragte sie, nachdem sie einen weiteren Schluck getrunken hatte.

    »Das solltest du dir vor Ort ansehen. Es ist schwer zu erklären. Ich kann dir nur so viel sagen, der Fall wird ohnehin von der Inquisition übernommen werden. Ich wollte dich einbeziehen, weil ich dir vertraue. Du lässt dich durch niemanden, egal welchen Rang er oder sie bekleidet, von deinem Ziel abbringen.«

    Roslyn runzelte die Stirn.

    »Das scheint ja etwas Großes zu werden. Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, um was es sich handelt. Diese Geheimniskrämerei scheint mir verdächtig.«

    »Das sollte es auch. Vertrau mir, du wirst es verstehen, wenn du es siehst«, sagte Derek.

    Als sie aus der Schenke traten, spürte Roslyn einen leichten Wind. Er war nicht kalt, kündete aber von der langsam wechselnden Jahreszeit.

    Sie trug eine typische Uniform der Inquisition. Diese bestand aus einer ledernen Hose mit hohen Stiefeln und einer fein bestickten Weste. Darüber trug sie einen glänzenden Militärmantel, auch aus Leder. Abgerundet wurde das Bild von einer schwarzen Schirmmütze, die ihre Augen in einen scharfen Schatten tauchten. An ihrem Gürtel war ein Schwert mit kunstvoll verzierter Scheide befestigt.

    Gallow hatte neben der Eingangstür gewartet und rührte sich, als er die beiden aus dem Gebäude treten sah.

    »Wenn Sie so gnädig wären, mir zu folgen. Die Kutsche wird uns in das Regierungsviertel bringen«, sagte er.

    Sein übertrieben zuvorkommender Ton war nicht zu überhören, doch Roslyn verkniff sich einen Kommentar und folgte ihm.

    Ein Stück weiter, die Straße entlang, gelangten sie an eine Kreuzung. Die Hauptstraße querte hier die Seitenstraße. Eine Kutsche hatte am Straßenrand geparkt.

    Das Viertel, in dem Roslyn ihre Wohnung hatte, war nicht das schlechteste. Es lebten hier vorwiegend die Mittel- und Unterschicht. Die meisten Bewohner hatten Arbeit, auch wenn es hin und wieder Bettler gab. Die Slums von Alberdon waren in einem weitaus schlechteren Zustand. Mit ihrem Verdienst hätte sich Roslyn eine bessere Bleibe suchen können. Für sie war Luxus jedoch nicht von Belang. Außerdem empfand sie die Versorgung durch das Wirtspaar als angenehm. Die meiste Zeit des Tages verbrachte sie ohnehin bei der Arbeit. Der Stand einer Inquisitorin bot ihr zusätzlich eine Sicherheit, nicht von Gaunern belästigt zu werden.

    Gallow setzte sich, ohne ein Wort zu wechseln, neben den Kutscher. Derek hielt Roslyn die Tür der Passagierkabine auf und sie stieg ein. Die Fahrt war alles andere als angenehm. Roslyn wäre ein Pferd lieber gewesen. Dieses konnte die Unebenheiten der Straßen besser ausgleichen. Das Gefährt wurde durch die Schlaglöcher und Unebenheiten hin und her geschleudert. Eine Unterhaltung war dabei nahezu unmöglich, da die Passagiere damit beschäftigt waren, sich an den Wänden der Kabine festzuhalten. Entweder wollte Derek durch die Kutsche bei ihr Eindruck schinden, oder Bollard hatte sie ihm zugewiesen. Im ersteren Fall hatte sich Derek deutlich verschätzt, denn Roslyn hasste Kutschen. Sie behielt gerne die Kontrolle und die hatte sie nicht, wenn sie herumgefahren wurde.

    Nach guten zwanzig Minuten waren sie am Ziel angekommen. Der Kutscher machte Halt und sie hörte Gallow vom Bock springen. Derek öffnete die Tür und sie stieg aus.

    Die Fahrt hatte sie ins Regierungsviertel geführt. Sie hatten vor einem großen Gebäude gehalten. Roslyn erkannte es wieder. Es war die Residenz des Vorsitzenden im Stadtrat, Marcus Remstieg.

    Das Haus überragte die benachbarten Gebäude und wurde durch eine hohe Mauer geschützt. Roslyn konnte den Haupteingang von ihrer Position, aus der anliegenden Hauptstraße, sehen. Ein zweiflügliges Gittertor zierte einen Torbogen. Die Straße, an der das Haus lag, gehörte zu den besten in ganz Alberdon. Typisch für die Oberschicht, dachte Roslyn. Eine Schere spaltete die Gesellschaft immer offensichtlicher. Selbst in dem Viertel, in dem sie lebte, erkannte man die Sparmaßnahmen der Stadt. Instandsetzung von Straßen und Kanalisation wurden zurückgestellt. Hier sah man nichts davon. Keine stinkenden Abwasserrinnen oder Schlaglöcher. Die Häuser waren zumindest in dieser Hauptstraße in einem angenehmen Weiß gehalten, was eine Art Reinheit suggerierte. Da fiel das naturbelassene Gemäuer von Remstieg auf. Es war recht rustikal aus Stein gemauert. Die untere Fassade gab dem Anwesen mithilfe von Buckelsteinquadern ein wehrhaftes Aussehen. Der Verteidigung hatte das Gebäude, Roslyns Auffassung nach, jedoch nie gedient. Sie schätzte, es sollte einfach nur imposant und dekadent wirken.

    Gallow geleitete sie in die anliegende Straße. Typisch für Alberdon waren die schmaleren Gassen, die von den Hauptstraßen abgingen. Die Straße führte an der Mauer des Anwesens entlang und machte weiter hinten eine kleine Biegung, weshalb Roslyn ihr Ende nicht mehr sehen konnte. Etwa fünfzig Meter in die Straße hinein sah sie bereits die Absperrung der Stadtwache. Sie sollte neugierige Bürger davon abhalten, den Tatort zu betreten und zu verunreinigen. Meistens war dies jedoch schon vor dem Eintreffen der Stadtwache geschehen, was die Ermittlungen des Kommissariats erschwerten. Derek hatte sich oft darüber beschwert. Er erzählte viel über seine Arbeit und was er anders machen würde, wenn er das Sagen hätte. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Roslyn angefangen hatte ihn zu meiden.

    Sie passierten einige Wachen, die Derek zunickten. Er schien einen guten Stand bei der Wache zu haben. Eine Inquisitorin wagten die Wachen nicht einmal anzusehen. Die Männer blickten nach ihrer Begrüßungsgeste einfach nur geradeaus, als ob sie Roslyn ignorieren würden.

    Sie war sich nicht sicher, ob sie Derek darum beneiden sollte. Auf der einen Seite hatte es seinen Vorteil, Kontakte in den verschiedenen Institutionen der Stadt zu haben. Auf der anderen Seite kostete es aber auch immer wieder Anstrengung und Mühe, diese aufrechtzuerhalten. Es musste hier und da ein Gefallen eingelöst und getätigt werden. Das konnte die Arbeit als Inquisitorin verkomplizieren. Roslyn nutzte da lieber die natürliche Autorität, die ihr Amt innehatte. Das machte ihr zwar keine Freunde, aber auch keine unnütze Arbeit.

    Der Tatort befand sich neben einem gedrungenen Wohnhaus. Ein Fenster neben der Eingangstür war zerbrochen. Feines Mosaikglas lag auf der Straße. Es war ein kostspieliger Schaden.

    »Was haben wir hier? Einen Einbruch? Ehestreit?«, fragte Roslyn in die Runde.

    Derek sah sie mit einem ernsten Blick an. Er schien nicht für ihre herablassenden Bemerkungen aufgelegt zu sein. Der Kommissar bückte sich und zog ein Tuch beiseite, das etwas auf der Straße bedeckte. Als Roslyn sah, was darunter verborgen war, setzte sie instinktiv einen Schritt zurück.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1