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Keine Zeit zum Atmen
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eBook155 Seiten2 Stunden

Keine Zeit zum Atmen

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Über dieses E-Book

Was tust du, wenn du vom Leben einfach nicht genug bekommen kannst? Wenn deine Nächte niemals enden sollen, die Jungs niemals gehen dürfen, die Küsse niemals süß genug sein können?
Die 22-jährige Michelle Dahlem, genannt Mischa, lebt auf der Überholspur. Sie glaubt an die Göttin des Augenblicks. Darum zieht sie nachts durch Hamburg und tut, was ihr gefällt: feiern, trinken, sich verlieben. Und das ohne jemals an den nächsten Tag, die nächste Woche, das nächste Jahr zu denken.
Aber wenn du nicht an die Schwerkraft glaubst, kannst du leicht den Boden unter den Füßen verlieren.
Mischa streitet sich erst mit ihrem Chef, verliert daraufhin ihren Job – und rastet total aus. Sie klaut die Kasse und dazu einen schnellen Wagen. Ab da gelten keine Gesetze und keine Regeln mehr für sie. Mischa tut, was sie will, und das tut sie schnell. Da bleibt keine Zeit zum Atmen...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum9. Sept. 2013
ISBN9783847642503
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    Buchvorschau

    Keine Zeit zum Atmen - Kim Seitz

    TEIL I: Vergiss es!

    1

    Ich liege im Bett, in meiner kleinen Wohnung in Hamburg-St-Pauli. Die Sonne kitzelt mich im Gesicht und weckt mich. Ich öffne träge die Augen und sehe, dass es ein strahlender Sommertag wird. Warm und sonnig und perfekt dazu geeignet, um einfach nichts zu tun.

    Dann drehe ich den Kopf und werfe einen vorsichtigen Blick auf meinen Wecker. Es ist schon kurz nach zehn Uhr! Die Erkenntnis versetzt meiner gerade noch so guten Laune einen hammermäßigen K.O.-Schlag.

    Ich muss aufstehen, weil ich in – Oh Gott! – in nicht einmal einer Stunde bei meinem Kellnerinnen-Job sein muss. Und ich kann unmöglich schon wieder zu spät kommen, weil ich dann garantiert rausfliege.

    Ich strecke und räkele mich, und dann grunze ich und mache komische Geräusche. Nicht gerade mädchen-like, mein Verhalten, aber das ist mir egal!

    Ich springe aus dem Bett und gehe mit müden Schritten rüber ins Bad. Mann, bin ich fertig. Die letzte Nacht war mal wieder viel zu lang und ich habe mal wieder viel zu viel getrunken. Dafür bezahle ich heute mit Kopfschmerzen und einem seltsamen Geschmack im Mund. Aber gelohnt hat es sich trotzdem!

    2

    Zwanzig Minuten später sitze ich frisch geduscht und mit geputzten Zähnen am Küchentisch. Ich trinke einen starken, pechschwarzen Kaffee mit nix drin. Dazu rauche ich eine erste gute Zigarette. Ich sauge den Rauch tief in meine Lunge ein, halte ihn, bis es weh tut und mir schwindelig wird.

    Ich muss an letzte Nacht denken. Meine beste Freundin Lara wollte unbedingt ins Indra, einem Club auf dem Hamburger Kiez. Typisch Lara, sie hatte mal wieder Hummeln im Hintern. Aber mir ging es genauso. Ich war nicht zu bremsen. Irgendwann, lange nach Mitternacht, habe ich einen süßen Typen kennengelernt, er hieß Hendrik, aber ich habe ihn Hank genannt, so wie Hank Williams. Wir haben miteinander geredet und dann habe ich ihn geküsst, einfach so, weil ich Lust dazu hatte. Wir tranken Bier und Wodka und Kaffee, und dann noch einmal Wodka, und ich war total verknallt in ihn. Aber dann eröffnete Hank mir, dass er eine Freundin hat. Na, klasse, dachte ich, du blöder Kerl. Ich sah rot und ich ballerte ihm eine, vor allen Leuten. Er hatte Tränen in den Augen, und irgendwie tröstete mich das. Weil ich ihm ansah, wie sehr es ihm leid tat, dass er nicht frei für mich war. Sein Herz blutete und mein Herz blutete, und der Schmerz schweißte uns zusammen wie es kein Kuss und kein Sex gekonnt hätten. Das war echt umwerfend, und ich war wieder versöhnt mit ihm und der Nacht.

    Lara und ich sind dann weitergezogen, wir waren im Molotow und in der Hasenschaukel und am Schluss im Pudel Club. Wir haben weiter getrunken und gelacht, und ich weiß echt nicht, wann ich eigentlich ins Bett gekommen bin.

    3

    Verdammt, ich muss gleich los und mich vorher unbedingt noch stylen. Ich gehe rüber ins Schlafzimmer, lasse auf dem Weg meinen Kimono zu Boden gleiten. Dann stehe ich splitternackt vor dem Schrank und krame ein paar ziemlich seltsame Klamotten raus, die ich freiwillig niemals tragen würde.

    Aber für den Job im Café Hafenblick muss ich mich in ein nettes, adrettes Mädchen verwandeln. Der Laden ist eine Schicki-Location, mit reichen, schnöseligen, aufgeblasenen Gästen, und einem Chef, der auf genau solche Typen steht. Aber immerhin zahlt er einen ordentlichen Stundenlohn.

    Der Job ist zurzeit meine einzige Geldquelle, mit ihr halte ich mich überwasser. Ich bin offiziell Studentin, aber die Uni habe ich seit Monaten nicht mehr von innen gesehen. Die Vorlesungen öden mich einfach nur an, sie sind Zeitverschwendung. Natürlich habe ich deswegen ein schlechtes Gewissen, schon allein wegen meiner Eltern. Sie halten mich für eine fleißige Studentin, die eines Tages einen Abschluss ablegen wird, und zwar in ... ja, in was eigentlich? Was studiere ich doch gleich? Germanistik? Romanistik? Philosophie? Keine Ahnung, ist aber auch egal, es wird mir schon wieder einfallen, irgendwann wenn die Zeit dazu reif ist.

    Mit der Kohle vom Job finanziere ich meine nächtlichen Streifzüge durch Hamburg. Die sind ganz schön teuer und darum habe ich keine Ahnung, wie ich die Miete und den Riesenberg an Rechnungen und Schulden bezahlen soll. Aber egal, mir wird schon etwas einfallen.

    Ich schlüpfe in eine schwarze Stoffhose, wähle einen BH mit Spitzenbesatz, und ziehe darüber eine ziemlich enge, weiße Bluse mit Hemdenschnitt an. Später, bei der Arbeit, werde ich ein paar Knöpfe aufmachen, weil jeder offene Knopf hochgerechnet auf den Tag mindestens zehn Euro Trinkgeld wert ist.

    Ich übertreibe es aber auch nicht, denn das ist das Geheimnis bei den Männern: Du musst ihnen genug zeigen, damit sie ins träumen geraten. Aber nicht so viel, dass sie glauben, alles von dir haben zu können.

    Ich schlurfe in den Flur herüber, sehe mich im Spiegel an und finde, dass ich so bleiben kann, jedenfalls, wenn ich meine Haare noch bändige. Im Moment sehe ich noch aus wie eine Schwester von Bob Marley, das liegt an meinen Dreadlocks, die ich mir vor ein paar Wochen gegönnt habe.

    Ich probiere es erstmal mit nem Tuch, das ich mir umbinde, aber damit sehe ich aus wie ne alte Russenmutti auf dem Weg zum Wochenmarkt. Geht gar nicht.

    Also Tuch wieder weg. Dafür binde ich mir die Haare zu einem Zopf zusammen, und dann nehme ich ein paar Haarnadeln und eine Spange, und bin dann mit dem Ergebnis ganz zufrieden.

    Die Styling-Aktion hat mich in eine Gouvernante verwandelt, aber eine Gouvernante mit drei offenen Hemdknöpfen ist sogar noch ein bisschen mehr Trinkgeld wert… Mein Gott, ihr Männer da draußen seid wirklich primitiv. Ihr seid so einfach gestrickt wie ein mechanischer Rührbesen, hier oben drehen, dann macht es unten rssscht und die Sahne spritzt durch die Gegend.

    Was soll’s, wir Frauen sind ja auch nicht besser, nur komplizierter halt. Irgendwie kommen wir schon miteinander klar.

    4

    Ich muss unbedingt noch etwas essen, bevor ich aufbreche. Ich habe zwar keinen Hunger, aber sonst halte ich den Tag nicht durch.

    Ich mache mir schnell eine Schale Müsli mit Milch, das beste Frühstück überhaupt. Viel bekomme ich dann doch nicht runter, ich bin zu müde, und außerdem ist es einfach zu warm, um etwas zu essen. Schließlich ist Hochsommer und das Thermometer klettert und klettert, als wollte es bergsteigen.

    Ich trete hinaus auf den Balkon und sehe, dass auch heute nicht das geringste Wölkchen am Himmel ist. Eigentlich ist das wunderbar, ich liebe blauen Himmel, ich liebe die Sonne, ich mag die Sommerhitze, wenn alle schwitzen und einen Gang runterschalten.

    Aber an einem Tag, an dem ich arbeiten muss, ist gutes Wetter eine Strafe. Ich muss draußen auf der Terrasse vom Hafenblick bedienen, also ständig rein und raus spurten. Drinnen gibt es eine Klimaanlage und es ist irre kalt, und draußen, wo nur Steine sind und die Fensterscheiben die Sonne spiegeln, herrscht das reinste Wüstenklima. Vermutlich werde ich am Abend tot sein, vor allem weil ich auch noch ne Doppelschicht habe. Die geht bis Mitternacht oder sogar noch länger. Aber sie bringt ordentlich Kohle, und darum will ich mich gar nicht beklagen.

    5

    Als letztes male ich mir noch die Lippen an, und zwar knallrot, kirschenrot, blutrot. Das tue ich nicht für die Kerle oder das Trinkgeld, das tue ich nur für mich. Weil ich mir so gefalle, mit blassem Gesicht, mit dunklen Ringen unter den Augen und roten, sinnlichen Lippen. Ja, ich bin zufrieden mit mir, so kann ich es mit der Welt aufnehmen.

    Bevor ich aus der Tür stürme, fällt mir noch Rico ein, der Kater, den ich gerade als Pensionsgast habe. Verdammt, das Vieh braucht Futter.

    Rico gehört eigentlich meiner Freundin Sonja. Sie ist genau wie ich 22 Jahre alt und verbringt den Sommer auf Ibiza. Vor ein paar Wochen stand sie mit dem Kater auf dem Arm vor meiner Tür und meinte: „Verdammt, Mischa. Kannst du dich um Rico kümmern, solange ich weg bin. Ich habe vergessen, mich drum zu kümmern und ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll?!"

    Was blieb mir anderes übrig, als das Tier als Untermieter aufzunehmen. Rico hat sich schon die ganze Zeit bemerkbar gemacht, hat rumgeheult und ist mir ständig auf den Schoß gesprungen und so. Aber an einem Morgen wie diesem kann selbst der Kater nicht mit allzuviel Verständnis und Zuwendung rechnen.

    Andererseits darf ich ihn nicht den ganzen Tag hungern lassen. Also gehe ich an den Kühlschrank, wühle die stinkende Dose heraus und fülle seinen verklebten Napf, während er mir maunzend um die Beine streicht.

    Ja, ich weiß, Rico. Ich liebe dich auch.

    6

    Mein Auto heißt Jürgen. Er ist ein alter, klappriger Peugeot, und der einzige Mann (ist männlich, Jürgen, weiß auch nicht, warum), der mir seit über drei Jahren treu ist. Obwohl ich ihn wirklich nicht gut behandele. Ich trete und zerbeule ihn und wasche ihn nie, und ich parke ihn ständig so, dass andere ihn abschleppen und er im Autoknast von Hamburg landet.

    Aber er ist mir eben trotzdem treu, er geht nie kaputt, oder wenigstens nicht wirklich. Er spinnt nur ab und zu oder röchelt herum, aber dann bekommt er eins mit dem Schraubenschlüssel übergebraten. Danach schnurrt er wieder, und so muss man es mit Männern halt machen, nett sein, aber wenn sie Zicken machen, klarstellen, wer die Chefin ist.

    Jürgen ist auch ziemlich albern. Er hat zum Beispiel die Angewohnheit, sich zu verstecken. An diesem Morgen ist es mal wieder so weit. Ich komme aus dem Haus, sehe nach rechts und nach links, aber von der Scheißkarre ist nichts zu sehen. Na, super.

    Ich gehe ein paar Schritte die Straße entlang, aber immer noch nichts. Wie vom Erdbeben verschluckt! Mist, verdammte Kacke, Arschloch Jürgen.

    Ich denke, der Wagen macht das mit Absicht. Es macht ihm Spaß, wenn ich durch die Gegend irre, um ihn zu suchen. Und besonders klasse findet er es, wenn ich dabei fluche und vor mich hinschimpfe, und zwar so laut, dass sich die Passanten nach mir umdrehen oder ängstlich zur Seite weichen.

    Heute ist es wieder soweit. Ich bin total geladen, schreie herum und drohe Jürgen sogar: „Hör zu, du blöde Blechkiste, wenn du dich nicht sofort zeigst, dann kommst du in die Schrottpresse! Vorher mache ich dir eigenhändig Kratzer in den Lack! Oder ich verkauf dich in die Mongolei, da kannst du über die Steppe rumpeln, bis du verrostest. Also sag jetzt endlich wo du steckst, oder ich hau dich eigenhändig zu Klump!

    Nichts. Der Wagen bleibt verschwunden. Dabei bin ich mir doch so sicher, dass ich ihn in der Seitenstraße hinter dem Türkenmarkt abgestellt habe. Aber gut, mein Gedächtnis ist an Morgenden wie diesem ziemlich porös. Vielleicht habe ich ihn ja doch woanders abgestellt?! Oder haben die Bullen ihn gekapert?

    Ich habe nicht die geringste Ahnung.

    7

    Ich renne verzweifelt durch die Straßen von St. Pauli, einem coolen Stadtteil, in dem ich wohne, seit ich in Hamburg bin. Aber dann fällt es mir wieder ein! Ich habe Jürgen zu unrecht verdächtigt, wieder einmal seine Spielchen mit mir zu treiben. Verzeih mir bitte, mein Guter, ich bin selbst schuld an allem. Weil ich den Wagen ja verliehen habe, und zwar an Torsten, meinen Nachbarn, der in der Wohnung gegenüber wohnt.

    Torsten ist mit seinem Mann, die beiden sind zuckersüße schwule Kerls, ein paar Tage ins Grüne gefahren. Torsten ist ziemlich groß und dick, und sein Mann, die beiden haben letztes Jahr geheiratet, ist winzig

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