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Erste Person Singular
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Erste Person Singular

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Über dieses E-Book

Dieser Erzählband gewann 2005 den italienischen Elsa-Morante-Preis für unveröffentlichte Literatur. Ab 2007 wurde er in zwei Auflagen publiziert. Es handelt sich um Cristiana Pivaris erste literarische Veröffentlichung. Die 10 Erzählungen lassen den Leser weinen, lachen und über das Leben reflektieren. Jede Geschichte erzählt das Leben aus einer anderen Perspektive. Porträitiert werden alte und junge Personen, Kranke und Gesunde, Arme und Geschlagene, Asylsuchende und sogar ein Embryo. Der Leser lernt auf diese Weise verschiedene Perspektiven des Lebens einzunehmen und Rollen zu hinterfragen.

SpracheDeutsch
HerausgeberBadPress
Erscheinungsdatum20. März 2018
ISBN9781547520855
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    Buchvorschau

    Erste Person Singular - Cristiana Pivari

    Unser tägliches Brot gib uns heute

    What the fuck is this world running to?

    Was ist das für eine Welt, in der man nur funktioniert?

    Ja, das frage ich mich auch. Was drehst Du Dich, Welt, wenn ich doch nicht hinter Dir stehe?

    Das sind fromme Worte, lieber Eddie brumme ich mich dem Radiowecker entgegendrehend. Dieses Ding ist dabei mich mit einem Stück von Pearl Jam aus dem Bett zu jagen. Obgleich ich diese Band sehr gerne höre, zwingt mich dieser Song nun über bittere Erinnerungen nachzudenken. Und all das vor Sonnenaufgang.

    Ich bin quasi 30, habe weder eine nette Freundin noch akzeptable Arbeit. Ich stehe Morgen für Morgen um 5 Uhr auf, um ein abstoßendes Brot auszutragen, alles für einen Hungerlohn, bezahlt von abscheulichen, grässlichen, betrügerischen und fiesen Halsabschneidern.

    Der Lohn, den sie mir auszahlen, reichte nicht dieses Brot auch nur für eine Woche selbst zu kaufen.

    600 Euro im Monat: Ich bezahle die Miete, x Rechnungen und die Lebensmitteleinkäufe. Und dann gibt es nichts mehr zu bezahlen. Dann ist kein Geld mehr da. Aus die Maus.

    Leben am Existenzminimum, keine Pizza Freitag Abend. Nichts.

    Michele im Bad. Was um alles in der Welt macht er hier um diese Uhrzeit? Ich hoffe er ist bald geduscht und verlässt das Badezimmer, denn für mich ist es schon spät. Er kann den ganzen Vormittag schlafen.

    Tja, Michele kann sich glücklich schätzen, tolles Leben, das er da hat!

    Eltern, die ihm Monat für Monat Geld in den Hintern pusten, hie und da mal eine Prüfung für die Uni, um nicht ganz aus dem Rhythmus zu fallen, und dann noch ein Meer an Weibern.

    Michele ist nicht wirklich eine Schönheit, aber er weiß wie's geht. Er ist ein toller Typ und es könnte mir nicht besser gehen ihn als Freund zu haben - eigentlich.

    Beeilst Du dich jetzt mal?!, krächze ich ungeduldig, während ich auf der Badezimmertür trommele. Es antwortet ein hässliches Raunen, dann überlässt man mir das Feld. Der Spiegel im Bad enthüllt ein unglückliches Gesicht. Alle Unzufriedenheit der Welt hat sich in diesem Bad verschlossen. Und ich stehe hier und schneide meinen Bart. Aber so ist es. Es gibt jene Vormittage, ich verlasse das Haus, und ich bin auf einem Tauchgang. Da ist ein Meer aus Schaufensterscheiben, voller Schnitte und viel Papier- Die Liebe eines jungen Mannes.

    Um vier Uhr dreißig morgens die Frau Deines Lebens zu treffen- das ist nicht leicht.

    Das Moped braucht lange um loszukommen. Und schließlich, Verkehrsschild, Verkehrsschild, schließlich, zack, was Neues ist ausgeliefert.

    Was für ein Gesicht, und Du bist zu spät. Mach nur so weiter, ich finde schon wen Besseren als Dich- sofort. Und mach den Ohrring raus, Du bist kein Mädchen.

    Falls die reiche Cesira nicht eines Tages aufhört mich zu stressen, leg' ich sie um. Das ist eine raffgierige alte Hexe, wie es sie nur im Buch geben kann. Sie ist immer da und drischt und drischt und drischt auf mich ein. Man kann nichts recht machen. Wer am Syndrom Fehlende Semmel leidet, sieht meilenweit, und, wenn ich das übelgelaunte Gesicht sehe, dann hat Gino mein ganzes Verständnis.

    Heute morgen ist die Runde besonders hart. Weil Samstag ist. Man arbeitet auch Samstag, ich bin ja kein Hebräer- leider. Samstag werden, ich erklär's, auch Brotlaibe an einen Supermarkt außerhalb der Stadt ausgefahren. Der hat nämlich wiederum einen jiddischen Bäcker. Folglich- fällt es auf mich - keine Alternative.

    Was ein Wunder! Heute Vormittag grüßt mich Giulio, der Angestellte im Markt. Er ist gut gelaunt. Aber das war noch nicht alles. Er bietet mir sogar einen Kaffee an. Wir betreten die Bar und der noch schlaftrunkene Barista schenkt uns was ein, was nach Palmolive-Seife schmeckt. Die ersten Laute, die heute aus seinem durchgeknautschten Mund kommen sind:

    Nehmt doch ein paar vom SuperEnalotto! Nur zwei-fünfzig. Der Vorschlag nimmt Giulio ein, Spieler auch letzter Woche. Er probiert auch mich rumzukriegen, ich bin aber ruiniert, wie auch immer. 

    Und der Tag der Arbeit endet nun endlich.

    Das ist doch schön. Ich hänge im Mezzogiorno fest und kann eine ganze Reihe Dinge tun, alles Mögliche, alles was nicht besonders teuer ist.

    Du machst ein Gesicht heute. Was ist los, mein Sohn? Lass mal Dein Blut untersuchen.

    Das ist meine Mutter. Sie glaubt man könne die Zukunft anhand des Blutbildes bestimmen. 

    Sie ist fanatisch, geht es um Verpflichtungen. Man kann meinen, in einem anderen Leben hätte sie viele, viele Vormittage im Vorzimmer eines Arztes verbracht, ganz um nur viele Gebrechen zu finden, um sie dann sogleich zu packen und mit den eigenen Fäusten zu zerdrücken, triumphierend, pflichterfüllt. Gäbe sie mir all das Geld, das sie dafür aus dem Fenster wirft, gäb's bei mir jeden Freitag Pizza und das ein oder andere Buch spränge auch dabei heraus.

    Samstag ist es üblich zu mir zum Mittagessen zu kommen und Kotolett mit Puree zu essen. Das ist wohl sehr repetitiv, dafür aber ein fester Ritus. Ich hatte ein Mal angedeutet, dass es mir gefiele, und nun beraumt man es jeden Samstag ein. Italienische Mütter sind sehr aufmerksam, geht es um die Bedürfnisse ihrer Kinder.

    Nichts, Mama. Nichts von gestern. Ich habe ein Scheissleben, und ich bekomme Allergie von den Kotoletts. Vielleicht hab' ich daher dieses Gesicht. Sie entdecken vielleicht Morbus Creutzfeldt, wenn sie mein Blut abnehmen. Aus diesem Grund besser nicht.

    Mein Vater unterbricht die Unterhaltung. Er sagt etwas, was wohl noch kein Vater je gesagt hat:

    Sprich nicht so mit Deiner Mutter. Bringe ihr Respekt entgegen.

    Meine Eltern sind so. Das sind Originale.

    Ich muss das von ihnen haben.

    Wie immer das Mittagessen, vor dem Fernseher. Es läuft Rai, und die scheusslichsten Nachrichten würzen unser trauriges Essen. Dann Nickerchen, und schließlich, nachdem ich von meiner Mutter das muffige Brot und eine Tragetasche gefüllt mit verschiedenen Gemüsesorten entgegen genommen habe, gehe ich endlich.

    Das alles ist Teil des Ritus.

    Roberto, ich bitte Dich, heute Abend möchte ich die Wohnung für mich haben. Ich will Simona anbaggern, auf ein schönes Abendessen mit ihr, und nachher mit ihr ins Bett. Ich bezahl' Dir auch das Kino, und die Pizza danach- Hauptsache Du machst die Fliege.

    Das ist Michele. Er ist spontan und anpassungsfähig. Sagen wir, sein eigenes Flachgelege rettet meine Abende.

    «Ok, ok, aber duschen will ich noch».

    Zugestanden. Aber Du machst das Bad sauber. Und wechsel' die Handtücher aus. Simona könnte ein Duschbad nehmen wollen.

    «Das wünsch' ich Dir», sage ich mit einem Anflug von Neid.

    Es muss Jahrhunderte her sein, dass ich ein Mädel mit nassen Haaren vor mir hatte.

    Draußen vor der Bar steht das gewöhnliche Grüppchen Leute, das da immer steht. Und wenn ich

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