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Fastnacht-Mordtracht
Fastnacht-Mordtracht
Fastnacht-Mordtracht
eBook456 Seiten4 Stunden

Fastnacht-Mordtracht

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Über dieses E-Book

In meinem Werk geht es um eine lebenslustige, gesellige Frau, die sich in mehreren Vereinen engagiert. Sie steckt mitten in den Vorbereitungen für die Faschingssitzung und den Umzug, als sie zunehmend das Gefühl beschleicht mehrfach beobachtet zu werden. Der Roman zeichnet sich dadurch aus, dass zu dem anfänglichen Spaß immer mehr Spannung hinzu kommt, zumal dieser in der Faschingszeit handelt und wegen der Kostüme es ein schweres Los ist herauszufinden, wer tatsächlich der Täter ist.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum15. Feb. 2020
ISBN9783750224865
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    Buchvorschau

    Fastnacht-Mordtracht - Bärbel Fotsch Jüngling

    Kapitel 1: Die Vorbereitungen/ Hessen, Spätsommer 2016

    Rike schlendert gerade gemütlich die Bahnhofstraße entlang. Feder-

    leicht wie bei einem Ballett-Tanz schreitet sie voran, vorbei am Poli-

    zeigebäude, bis sie schließlich die Ecke zur Einhardstraße erreicht.

    Artig bleibt sie an der roten Fußgängerampel stehen. Sie hatte es einmal

    gewagt, bei Rot schnell drüber zu huschen, da hatte auch schon der

    nächste Autofahrer gehupt. Sie konnte damals ihren Hintern gerade

    noch so auf die andere Seite retten. Das war ihr eine Lehre. Sie schwor

    sich,nie wieder hier drüber zu huschen, denn dazu war sie sich zu scha-

    de. Nachdem auch das fünfte Auto an ihr vorbei gefahren ist, geht die

    Ampel endlich auf „Grün" über. Auf der anderen Seite angekommen,

    sieht sie von weitem eine asiatische Gruppe. Welche Asiaten es sind,

    konnte sie nicht erkennen. Vermutlich kommen sie gerade von einer

    Besichtigung der Basilika oder des Klostergartens. Aber es freute sie

    immer wieder, wie viele Touristen ihren Weg in die Einhardstadt finden.

    Als sie das Kino passiert hat, zieht sie ihre Strickjacke enger zusammen.

    Es war zwar erst September, aber man merkt langsam doch, dass der

    Herbst im Anmarsch ist. Noch sind es so um die 18 Grad, aber es würde

    nicht mehr lange dauern und die Kälte würde sich durchsetzen. Aber das

    war auch gut so. Denn Kälte gehörte schließlich zu ihrer liebsten Jahreszeit.

    Auf dem Marktplatz herrscht wieder einmal reges Treiben. Leute, die

    noch gemütlich auf den Außenplätzen der Cafés sitzen, Rentner, die auf

    der Bank den neuesten Tratsch austauschen und hektische Mütter, die

    mit ihren Kindern offensichtlich zu ihren Terminen eilen. Doch zum Glück

    gehört sie heute nicht dazu. Am kleinen Schmucklädchen wirft sie einen

    Blick in das Schaufenster. Heute sind silberne Ketten mit wunderschönen

    opalförmigen Anhängern und goldene Armbanduhren ausgestellt. Als

    Rike noch so verträumt den Schmuck betrachtet, fällt ihr auf einmal ein,

    dass sie eigentlich gar keine Zeit zum Bummeln hat. Sie dreht sich um

    und schaut auf die große Turmuhr vom Rathaus. Es ist mittlerweile fünf

    vor sechs. Jetzt muss sie sich aber sputen, damit sie nicht

    zu spät kommt. Schnell nimmt sie die Beine in die Hand, rennt über den

    Marktplatz, vorbei an dem Laden „Schaurein" und zischt die Gassen

    entlang, bis sie schließlich vor einem großen Haus mit der Leuchtre-

    klame „Karnevalsmission" steht. Leicht aus der Puste betritt sie das

    Lokal.

    „Hallo Rike!", begrüßt sie Kurt, der Wirt.

    „Hallo Kurt. Wie geht es dir?"

    „Eigentlich ganz gut. Und genug zu tun ist auch. Du weißt ja, wo

    du hingehen musst!?"

    „Na klar", sagt Rike und zwinkert ihm zu. „Bringst du mir eine Apfel

    schorle?"

    „Natürlich. Oder hast du schon jemals gehört, dass ich meine Gäste

    verdursten lasse?"

    Rike lacht und geht geradeaus auf den großen Saal zu. Als sie ihn betritt,

    hebt Gregor gerade seinen Kopf und schaut Rike geradewegs an.

    „Na, endlich. Das wird auch Zeit." Rike setzt sich zwischen Marion und

    Dunja auf einen freien Stuhl.

    „Ich bin noch pünktlich", sagt sie und nickt mit ihrem Kopf, wie ein Schul-

    kind, das sich vor seinem Lehrer rechtfertigt.

    „Schon gut. Das bin ja von dir nicht anders gewohnt." Er hebt die Augen-

    brauen und wirft Rike einen kritischen Blick zu.

    Nachdem auch Rike ihre Apfelschorle hat, schließt Kurt die Tür.

    Gregor sortiert seine Unterlagen und schaut in die Runde. „Fangen wir an.

    Der erste Punkt betrifft die Musik in der Sitzung.

    Kann jemand eine Stereoanlage organisieren?"

    „Ich", meldet sich Frank. „Tobias spielt mit in der Schulband. Die leihen uns

    die Anlage gegen Vorlage unsrer Haftpflichtversicherung aus."

    „Sehr gut. Ich lasse dir in den nächsten Tagen eine Kopie einwerfen.

    Wie sieht es mit dem Transport aus?"

    „Auch kein Problem. Mein Schwager hat einen Kleinbus. Mit dem

    bringen wir die Anlage."

    „Na, dass höre ich doch gern", sagt Gregor und kratzt sich an seiner

    linken Geheimratsecke.

    Rike muss gähnen. Sie ist so müde. Aber noch musste sie sich

    zusammenreißen. Die Besprechung ist wichtig. Sie trinkt einen Schluck.

    „Wie ist es bei euch?" Er wirft Marion und Rike einen Blick zu. „Ihr

    wolltet doch ein kleines Kabarett einstudieren."

    „Ich bin noch nicht ganz mit dem Text fertig", antwortet Rike. „Aber

    bald habe ich es geschafft. Spätestens Anfang Oktober können

    wir mit den Proben anfangen."

    „Dann halte dich ran. Ich will bei unserem nächsten Treffen schon

    ein paar Szenen davon sehen."

    „Ist gut."

    „Ich habe übrigens noch zwei Laienkomiker engagiert. Zwei Studenten,

    die sich während der Semesterferien was dazu verdienen wollen. Sie

    kommen aber erst nach eurem Auftritt. Wer kümmert sich um die Gar-

    derobe?"

    „Das machen Lukas und Emely", meldet sich Dunja zu Wort.

    „Sind Sie denn alt genug? Es wird sicher drei Uhr werden, bis die

    letzten Gäste gegangen sind."

    „Emely ist 17 und Lukas 15. Und eigentlich sind sie ja unter Aufsicht.

    Anfangs kommen die Leute, nach der Feier gehen sie. Und zwischen-

    zeitlich kommt sicher auch der ein oder andere Raucher um seine Jacke

    zu holen. Ich kann ab und an ja auch nach Ihnen sehen. Wobei ich mir

    nicht sicher bin, ob sie das überhaupt gut heißen würden."

    „Du meinst, das klappt?" hakt Gregor nach.

    „Natürlich. Emely ist schon reif für ihr Alter. Sie sagt Bescheid, wenn

    was nicht stimmen sollte."

    „Na gut. Ich vertraue dir. Wie sieht es mit der Deko aus?"

    „Ich habe nachgesehen. Wir haben von letztem Jahr noch Hexenhüte,

    Luftschlangen und Tröten. Helium, Konfetti und Luftballons muss ich

    noch kaufen", meldet sich Frank zu Wort.

    „Kann ich davon ausgehen, dass das bald erledigt ist?"

    „Natürlich, Gregor. Ich bringe dir wie immer die Quittung mit."

    „Wie sieht es mit unseren Musikern aus?"

    „Ich habe leider noch keine Zusage, aber ich habe mich ins Zeug

    gelegt und hoffe, dass die „Jügesheimer Lautstarken kommen.

    „Das hoffe ich auch", sagt Gregor. „Sag mir Bescheid, wenn du eine

    Antwort hast."

    Frank nickt.

    „Kommen wir zu den Eintrittskarten. Ich hatte an 7,00 € für Kinder und

    11,00 € für Erwachsene gedacht. Wie letztes Jahr."

    „Wenn die Lautstarken zusagen, müssen wir die auch einrechnen."

    „Stimmt, Frank. Aber das können wir dann noch bei den Getränken

    mit einrechnen. Wer überwacht eigentlich den Vorverkauf?"

    „Das mache ich", ruft Dunja.

    „Gut. Mit Computern hab ich´s nicht so."

    Rike muss wieder gähnen.

    „Da offensichtlich einige Mitglieder müde sind, machen wir für heute

    Schluss. Wir treffen uns dann am Freitag, den 20.10. nochmal. Diesmal

    schon um 17:00 Uhr. Wegen eurer Szenen!", sagt er und nickt Rike und

    Marion zu.

    „Dann besprechen wir auch die Kostüme, Frank. Trinken wir noch einen?"

    „Gern. Ich komme gleich nach."

    Als Gregor durch die Tür in den Gastraum verschwunden ist, sagt Frank:

    „Das nächste mal sei bitte etwas ausgeschlafener, Rike."

    „Du weisst doch, warum ich müde bin. Keine Sorge. Ich krieg schon

    alles mit."

    „Das will ich hoffen. Kommt ihr auch noch mit an den Stammtisch?"

    „Ich nicht", sagt Rike.

    „Ich auch nicht", stimmt Marion zu. „Wir müssen noch ein paar Dinge

    wegen unserer Aufführung besprechen."

    „Ist gut. Bis dann."

    „Bis dann." Beide winken Ihm.

    „Warum warst du denn wieder so spät dran?", fragt Marion und schubst

    Rike am Arm.

    „Zunächst war ich ja zeitig. Aber dann verflogen die Minuten doch

    schneller als gedacht."

    „Gib´s zu. Du hast wieder gebummelt", sagt Marion und schaut Rike

    auffordernd an.

    „Na ja. Ein bischen vielleicht", gibt Rike notgedrungen zu.

    „Typisch für dich. Aber eigentlich muss das ja so sein. Sonst wärst du

    nicht unsere Rike."

    „Na siehst du. So erkennst du mich wenigstens immer."

    Sie lachen.

    Dann kommt plötzlich Silke in den Saal. Silke ist Kurt´s Ehefrau.

    Sie hatten das Lokal vor vier Jahren übernommen. Und offensichtlich

    klappte es gut, obwohl keiner von beiden vorab je in der Gastronomie

    tätig war.

    „Darf ich schon abräumen?", fragt sie.

    „Natürlich", antwortet Rike.

    „Und? Wie geht es dir so?"

    „Na ja. So lala. Du weisst schon."

    „Das klingt gar nicht gut. Hängt der Haussegen schief?"

    „Es ist momentan einfach ein bisschen viel für mich."

    Silke räumt die leeren Gläser auf das Tablett. „Das wird schon wieder.

    Wie viel bin ich dir schuldig?"

    „Es war nur eine Apfelschorle? Dann 2,50 € bitte."

    Rike gibt Ihr das Geld. Nachdem auch Marion bezahlt hat, ziehen sie

    ihre Jacken über und verabschieden sich noch von Silke.

    Beim Gehen beobachtet Marion, dass Silke seufzend die Gläser

    auf der Theke abstellt und gleich darauf wieder im Saal verschwindet.

    Weil Marion noch auf die Toilette muss, wartet Rike draußen vor der

    Tür auf Sie. Die Karnevalsmission ist eigentlich nichts anderes als ein

    Dreifamilienhaus. Im ersten Stock leben Kurt und Silke. Wer oder was

    im zweiten ist, wusste sie gar nicht und die unteren Räumlichkeiten

    werden für die Gastronomie genutzt. Sie führen eine deutsche Küche

    und meistens ist auch viel los. Gedankenversunken betrachtet Rike das

    Parkdeck gegenüber. Eigentlich findet sie es schade, dass es die Stadt

    vor 15 Jahren hier hatte bauen lassen. Es ist ca. 5,82 Meter hoch und

    es gibt sowohl oben als auch unten Stellflächen. Gewiss, wir alle brau-

    chen Parkplätze und für das Restaurant ist es auch gut, aber sie fand

    es schade, dass dadurch die Sicht auf den schönen Steinheimer Turm

    verdeckt wurde. Kurz darauf kommt Marion raus, tippt ihr von hinten

    auf die Schulter und sagt: „Na, bist du wieder mal mit offenen Augen

    am Träumen?"

    Kurz zuckt Rike zusammen. „Klar. Was denkst du?", sagt sie lautstark.

    „Wenn ich schon nachts nicht dazu komme." Sie lachen.

    „Komm. Wir machen uns auf den Heimweg."

    Sie schlendern gemütlich die Grabenstraße entlang.

    „Und? Was macht Zoe so?" Zoe ist Marion´s Tochter.

    „Frag nicht. So wie sie rumzickt, habe ich manchmal den Eindruck, ich

    hätte nicht nur eine, sondern drei Töchter."

    Rike lacht. „Meinst du nicht, dass du übertreibst?"

    „Von wegen. Momentan kommt sie mir vor wie Poppy und Harriet in

    Wild Child."

    „Tja. Offensichtlich warst du als Teenager auch so."

    „Wirklich witzig. Aber es dauert nicht mehr lange und meine Nerven

    liegen blank."

    „Das geht auch wieder rum. Durch die Phase müssen wir alle durch."

    „Du kannst das leicht sagen. Du hast ja noch lange Zeit."

    „Stimmt. Die werde ich auch genießen."

    Mittlerweile sind sie wieder in der Bahnhofstraße angelangt.

    „Wann wollen wir eigentlich proben?"

    „Mir wäre Mittwoch recht. So um 16:00Uhr. Geht das bei dir auch?"

    „Ja. Das passt. Bei mir oder bei dir?"

    „Bei dir fände ich besser."

    „Gut. Kaufst du uns Kostüme?"

    „Groß müssen wir ja nichts kaufen. Ich brauche nur einen Faltenrock,

    einen Blazer und eine passende Bluse. Und du kannst eh in zivil

    kommen." An der Kreuzung zur Giselastraße trennen sich ihre Wege.

    „Also, bis dann. Wir sehen uns."

    „Klar. Was denkst du. Tschüss." Wieder muss Rike gähnen.

    Rike geht geradeaus weiter und biegt rechts in die Eisenbahnstraße

    ab. Am Bahnübergang konnte sie die Autofahrer immer förmlich

    fluchen hören, wenn sie wegen der Fußgängerampel anhalten mussten.

    Aber es ging nun mal nicht anders. Sonst hätte man keine Chance die

    Straße zu überqueren, bei diesem Verkehr. Kurz darauf geht Sie noch

    den Kortenbacher Weg entlang. Die Straße war eine der schönsten hier

    in der Gegend. Die Häuser sind schön gebaut, die Straße war sauber

    und es ist eine reine Fußgängerzone. So dass die Kinder mal ohne, dass

    sich die Eltern Sorgen machen müssen auf der Straße toben können.

    Das einzige, was den Anblick etwas trübt, ist die hier ansässige Pietät.

    Aber es musste ja auch solche Menschen geben, sonst würden die ar-

    men Verstorbenen noch wie in der Römerzeit im Wald und die Reichen

    im eigenen Garten vergraben werden. Wobei sie ich in Ihrem Garten

    sicher wohlfühlen würden. Auch unterirdisch. Sie lacht innerlich. Gleich

    darauf geht Sie links in den Trieler Ring und biegt kurz darauf in den

    Grießgrund ab. Jetzt hatte sie nicht mehr weit. Einige Meter weiter öffnet

    sie die Tür zu ihrer Doppelhaushälfte. Malte und sie hatten sie vor drei

    Jahren gekauft. Sie konnte sich noch gut erinnern, wie sowohl ihre eigene

    Mutter Lilo, als auch Maltes Mutter Ida damals ständig bezüglich des

    Umzugs in Sorge waren. Aber nicht etwa wegen Rike oder Malte, son-

    dern wegen Luca. Rike war zu der Zeit hochschwanger.

    Wenn sie nur mal über den Randstein stolperte, kam praktisch schon das

    Rettungsteam angerannt. Zumindest, wenn die beiden in der Nähe waren.

    Insgesamt waren alle froh, als der Umzug innerhalb von 5 Tagen geschafft

    war. Obwohl ihre Sachen nicht mal weit transportiert werden mussten.

    Sie wohnten vorher in Hainburg.

    Doch vor allem Rike war erleichtert, weil sie von da an auch mal wieder

    alleine spazieren gehen konnte; ohne ihr „Bodyguardteam". Im Nachhinein

    konnte sie nur darüber lachen. Das Schlimme war, kaum sind die Kinder

    auf der Welt, schon stehen die Mütter nur an zweiter Stelle. Egal, ob man

    wieder arbeiten gehen oder nur mal was alleine unternehmen will, immer

    heisst es: „Du musst an dein Kind denken." Man hatte oft das Gefühl, man

    durfte als Mutter kein Mensch mehr sein und sollte nur noch wie ein Roboter

    fungieren. Doch Rike wehrte sich wehement gegen diese Ansicht.

    Kaum hat sie das Haus betreten, schon kommt ihr auch schon Finja

    entgegen.

    „Mama. Da bist du ja endlich." Sie drückt Rike herzlich.

    „Was heißt hier endlich? Es ist gerade mal 19:30Uhr. Ich war nur andert-

    halb Stunden weg."

    „Mir kam es viel länger vor."

    Wenige Minuten später umarmt auch Luca seine Mutter. Zumindest ihre

    Beine, denn weiter hoch kam er noch nicht; noch nicht.

    Rike kommt bald darauf in das Wohnzimmer. Malte, der gerade am Tür-

    bogen zur Küche hin steht lächelt sie an. „Jetzt will erst mal ich eine Um-

    armung haben". Er geht auf sie zu. Sie lacht und drückt ihn herzlich.

    „Nicht so fest!, sagt Malte. „Ich arbeite nicht wie du im Handwerk.

    Sie schaut über seine Schultern auf den gedeckten Tisch.

    „Ihr wart fleißig, wie ich sehe."

    „Ja, Mama. Ich habe die Wurst aus dem Kühlschrank geholt",

    sagt Luca stolz.

    „Ich habe Papa mit dem Geschirr geholfen", tönt es aus Finjas Mund.

    „Das ist lieb von euch. Kommt, setzen wir uns."

    Sie essen zusammen Abendbrot.

    „Und? Was habt ihr alles besprochen?", fragt Malte.

    „Einiges. Von der Deko über die Garderobe bis hin zu unserem

    Auftritt."

    „Bist du demnächst mit dem Text fertig?"

    „Ja. Bald können Marion und ich mit den Proben anfangen."

    „Was ist das? Proben?", fragt Finja.

    „Das ist sowas ähnliches wie ein Test."

    „Das verstehe ich nicht."

    „Wenn zum Beispiel eine Raubkatze ihrem Jungen das Jagen bei-

    bringt, dann muss das Junge es irgendwann zum ersten Mal selbst ma-

    chen. Nur so kann der Vater sehen, wie gut das Junge von ihm gelernt hat."

    „Ja. Und?"

    „Marion und ich üben in den Proben unseren Text, um zu sehen, wie

    gut wir sind und um zu erkennen, was wir uns noch besser merken

    müssen."

    „Ach so."

    „Deshalb bin ich vermutlich ab übernächstem Mittwoch auch jeden

    Nachmittag bei Marion. Tust du mir den Gefallen und nimmst dir da

    erst mal nichts vor?", fragt sie Malte und sieht ihn mit Hundeblick an.

    „Schon gut. Der Mittwoch ist erst mal reserviert. Aber du weisst, mo-

    mentan habe ich selbst viel um die Ohren. Es darf nicht noch mehr

    werden."

    „Ich weiß. Versprochen. Es wird nicht mehr. Danke, Schatz."

    Wieder muss sie gähnen.

    Sie räumen noch zusammen den Tisch ab.

    „So. Heute ist es für euch spät geworden. Es geht gleich ins Bett."

    „Och, das ist gemein, Mama."

    „Ihr verkraftet das schon. Außerdem, auch Eltern müssen Vorteile

    haben."

    „Morgen ist doch keine Kita. Willst du es dir nicht nochmal überlegen?",

    fragt Finja bettelnd.

    „Nein, meine Kleine. Es muss sein."

    „Hey. Ich bin schon groß."

    „Natürlich. Entschuldige." Rike senkt ihren Kopf und schmunzelt heim-

    lich. Etwas enttäuscht gehen die Kinder die Treppe hoch zum Bad. Nach

    dem Zähneputzen geht Rike mit zu Finja ins Zimmer und Malte zu Luca.

    Jeder darf sich noch eine Gute-Nacht-Geschichte aussuchen. Zehn Mi-

    nuten später endet Finjas Geschichte.

    „...und von da an herrschte Frieden im Land", beendet Rike den Text.

    Rike klappt das Buch zu und stellt es ins Regal zurück. Wieder muss

    sie gähnen.

    „Du bist aber schon ganz schön müde."

    „Du weisst warum. So. Schluss für heute. Jetzt wird geschlafen.

    Gute Nacht."

    „Gute Nacht."

    Sie gibt ihr noch einen Kuss auf die Wange.

    Wenige Minuten später tauschen sie und Malte das Zimmer, um jedem

    der Kinder Gute Nacht zu sagen.

    Unten im Wohnzimmer läuft schon der Fernseher.

    Rike: „Ich lasse dich heute freiwillig was aussuchen. Ich werde eh nicht

    bis zum Schluss durchhalten."

    „Dann will ich heute einen Horrorfilm sehen", sagt er und lächelt sie

    höhnisch an.

    „Ist dir dein Alltag nicht genug Horror?", unkt sie.

    „Komm schon und setz dich zu mir." Er zieht sie zu sich auf die Couch

    und küsst zärtlich ihren Mund.

    Liebevoll schaut sie ihn an. „Ich weiß gar nicht, womit ich so einen tollen

    Mann verdient habe."

    Malte lächelt. „Ehrlich gesagt, ich auch nicht."

    „Hey. Nicht frech werden."

    „Wieso frech? Gib´s zu. Du wolltest es doch so."

    Rike und Malte schunkeln, schmusen und knutschen noch den ganzen

    Abend auf der Couch. Dann, während einer leichten Drehung, als Rikes

    Kopf auf Maltes Schultern liegt fällt ihr Blick auf die Terrassentür. Sie hält

    inne und sagt: „Sieh mal. Was für ein wunderschönes Abendrot!", dabei

    deutet sie nach draußen. Malte dreht seinen Kopf um und berührt dabei

    versehntlich Rikes Nase.

    „Autsch. Das hat weh getan."

    „Sonst bist du doch auch nicht so zimperlich", erwidert er und grinst.

    „Aber das heißt nicht, das ich aus Stahl bin."

    „Nein. Aber dafür aus Stein", spottet Malte und lacht.

    „Du frecher Kerl."

    Er entschuldigt sich für das Versehen und schaut wie sie nach draußen.

    „Du hast recht. Es ist wirklich wunderschön. Ich mag dieses rot auch.

    Das ist romantischer als das knallrot von euren Lippenstiften."

    Er dreht den Kopf wieder zu ihr, stupst sie mit seiner Nase, öffnet seinen

    Mund und nur Sekunden später gleitet Rikes Zunge auf seine. Sie küs-

    sen sich innig und schmiegen sich eng aneinander.

    Von dem Film, den Malte ausgesucht hatte, sehen sie nur noch die

    Schlussblende. Es ist mittlerweile 22:30 Uhr und Rike war zwischenzeit-

    lich eingeschlafen. Nach den Spätnachrichten tippt Malte auf ihre

    Schultern.

    „Komm. Geh in dein Bett. Du schläfst sowieso."

    Rike reibt sich die Augen. „Ich glaube, du hast recht. Ich gehe hoch."

    „Schön, dass du vernünftig bist. Ich komme später nach."

    Sie gibt ihm einen Kuss auf die Wange, geht die Treppe hoch, schafft es

    gerade noch ihre Zähne zu putzen und legt sich anschließend sofort in

    ihr Bett.

    Am nächsten Morgen wacht Rike entspannt und munter auf. Sie streckt

    sich und schaut auf die Weckeruhr. Es ist 08:30 Uhr. Malte schläft noch

    tief und fest. Sie zieht sich langsam ihre Joggingsachen über, kämmt im

    Bad ihre Haare und geht leise die Treppe hinunter.

    Nachdem sie den Tisch gedeckt hat, setzt sie sich ein paar Minuten drau-

    ßen auf einen Gartenstuhl. Es war herrlich heute. Ein lauer Wind weht

    um ihre Nase und die Sonne erwärmt leicht ihren Körper.

    Das ist das optimale Wetter für sie. Eine Knallhitze wie in Australien war

    einfach zu viel für sie. Sie legt ihren Kopf auf die Lehne, schließt ihre Au-

    gen und träumt noch ein paar Minuten vor sich hin. Sie wusste, das einige

    aus ihrem Bekanntenkreis diesbezüglich gern über sie spotteten. Aber sie

    brauchte das einfach. Für sie war es wichtig mal ein paar Minuten abzu-

    schalten und so ihrem Körper neue Kraft zu geben. Sowohl psychisch als

    auch körperlich. Man konnte es mit einer professionellen Autoreinigung

    vergleichen. Oft sahen die Wagen danach wie neu aus. Und so brauchte

    Rike ihre Tagträume zum Kraft auftanken. Minuten später zieht sie ihre

    Laufschuhe an, eine leichte Jacke über und schnappt sich ein paar Han-

    teln. Zunächst läuft sie den Grießrund entlang um danach in den Trieler

    Ring abzubiegen und geht den Radweg entlang Richtung Drogeriemarkt.

    Das Powerwalking tat ihr immer wieder gut. Und irgendwie muss man

    sich ja fit halten. Bald ist Winter. Dann wird wieder drinnen in der Gruppe

    Yoga trainiert. Bei dem Dr.Herrmann-Neubauer-Ring geht sie noch ein

    paar Meter über den Feldweg bis zur Fußgängerbrücke. Danach macht

    sie kehrt. Auf dem Rückweg läuft sie die Dr. Ruth-Pfau-Straße entlang.

    Als sie auf ihre Haustür zukommt, steigt ihr schon der Duft frisch geback--

    ener Brötchen in die Nase. Malte war also aufgestanden. Sie kommt rein,

    lächelt ihn verschmitzt an und sagt:

    „Da hat wohl jemand ein gutes Frühstück für mich."

    „Ja. Für heute und morgen reicht es noch. Aber am Montag musst du

    wieder welche mitbringen."

    „Wird gemacht. Ich gehe schnell die Hände waschen und ziehe mir was

    anderes an. Sind die Kinder schon wach?"

    „Schon längst, Mama. Wir warten nur noch auf dich!", tönt es aus dem

    Wohnzimmer.

    Rike lacht. „Ist gut. Ich beeile mich."

    Kurz darauf sitzen sie gemeinsam am Esstisch.

    „Und? Habt ihr gut geschlafen?"

    „Ja, sehr gut", antwortet Finja.

    „Ich auch", ergänzt Luca.

    „Das freut mich. Wollen wir drei nach dem Frühstück zum Spielplatz

    gehen?"

    „Oh, ja", rufen beide begeistert.

    „Und was ist mit mir?", fragt Malte.

    „Ich dachte, du hättest dann mal wieder Zeit für anderes." Ihre Pupillen

    schieben sich in die untere Iris.

    Er wirft ihr einen fragenden Blick zu. Doch schon Sekunden später als

    Rike die Erleuchtung in seinem Gesicht sieht, sagt er:„Eine gute Idee."

    Auch Finja weiß, was Rike meint. Nur Luca darf es nicht erfahren.

    Jedenfalls an manchen Tagen nicht. So wie heute. Das Wochenende ist

    schnell um. In den letzten zwei Tagen wurde gespielt, gelacht und getobt.

    Rike stöhnt, als am Montag um 1:00 Uhr ein leises Summen unter ihrem

    Kopfkissen zu hören ist. Sie greift nach ihrem Handy und schaltet die

    Vibration aus.

    Sie hat absichtlich keinen Wecker. Schließlich muss Malte ja nicht auch

    um diese Zeit geweckt werden.

    Sie zieht sich an und geht ins Bad. Sie wascht ihr Gesicht, trägt ihre Tages-

    pflege auf, kämmt das Haar und bindet es zu einem Pferdeschwanz zusam-

    men. Unten in der Küche trinkt sie noch ein Glas Wasser. Kaffee würde es

    auf der Arbeit noch genug geben. Schon bald zieht sie ihre Jacke über.

    Draußen bläst ihr ein kalter Wind ins Gesicht. Sie schließt leise die Haustür

    und geht los. Ihre Arbeit ist schnell zu Fuß zu erreichen. Deshalb hatten sie

    auch nur ein Auto. Damals, als sie und Malte zusammen zogen, hatte sie

    schweren

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