ZeitenSprünge: Oma erzähl doch mal ...
Von Marianne Brugger
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Über dieses E-Book
Die Autorin schreibt: Wenn meine Großmutter an langen Winterabenden Episoden aus ihrem Leben erzählte, löste dies bei mir meist nicht die gleiche Behaglichkeit aus wie das prasselnde Feuer im Kohleofen. Oft war dabei von Not, Entbehrung und schlimmen Erlebnissen die Rede. Auch von anderen Zeitzeugen bekam ich solche Geschichten zu hören. Doch trotz aller Schwere sind es im Grunde auch Hoffnungsgeschichten ...
Eine Erzählung aus dieser Anthologie wurde in einem Autorenportal zum "Manuskript der Woche" gekürt.
Marianne Brugger
Mit ihrer ersten Kurzgeschichte "Reise ins Dunkel der Nacht" gewann Marianne Brugger im Jahr 2008 den überregionalen Schreibwettbewerb "Bahn-Augen-Blick". Zwei weitere Kurzgeschichten wurden in einem Autorenportal jeweils zum "Manuskript der Woche" gekürt. Mehr über die Autorin erfahren Sie auf ihrer Homepage: www.MarianneBrugger.de.
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Buchvorschau
ZeitenSprünge - Marianne Brugger
Eine Hypothek fürs Leben
Als sie das Gepolter im Treppenhaus vernahm, hielt Thekla unwillkürlich den Atem an. Heute war wieder einmal einer von Vaters schlimmen Tagen. Vielleicht würde er morgen damit prahlen, dass er den achtzigsten Geburtstag von Kaiser Franz Joseph gebührend gewürdigt habe. Hoffentlich würde Helmi, die mit in der elterlichen Schlafkammer schlief, nicht wach. Durch ihr Greinen würde sie sicherlich Vaters Zorn auf sich ziehen. Wenn er zuviel getrunken hatte, war er unberechenbar, dann halfen selbst Mutters Beschwichtigungen nicht mehr. Wie die Mutter das nur aushielt? Schon seit vielen Jahren ging Jakob Fichtner nach dem Abendessen zum Wirtshaus hinüber und kam erst in der Nacht zurück. Während in der früheren Zeit meist nur das laute Türenschlagen und das unverhältnismäßig laute Knarren der Treppe verriet, dass der Roterbauer einen über den Durst getrunken hatte, kündigten nun lautere Geräusche, manchmal lautstark wie ein Donnerhall, und zuweilen heftiges Schimpfen und Fluchen die Rückkehr des Vaters an. Krachend fiel die Schlafzimmertür ins Schloss und schon wenige Minuten später war das Schnarchen ihres Vaters zu hören. Befreit atmete das Mädchen auf. Wenigstens blieben ihr heute jene unschönen Szenen erspart, die ihr schon des Öfteren den Schlaf geraubt hatten.
Am nächsten Morgen wurde Thekla von ihrer Schwester durch ein sanftes Ziehen an ihrem Ärmel geweckt. Obwohl Marie erst zehn Jahre alt und somit zwei Jahre jünger als Thekla war, hatte sie schon seit Längerem das morgendliche Wecken übernommen. Schlaftrunken rieb sich Thekla die Augen. Thekla, steh auf, der Vater ist schon unten!
, flüsterte Marie. Thekla wusste, dass dies nicht stimmte. Nach einer schlimmen Nacht kroch er nie vor Tagesanbruch aus dem Bett. Trotzdem schwang sie, ohne weiter zu zögern, ihre Füße aus dem Bett und griff nach ihren Kleidern, die sie am Vorabend über die Bettkante gelegt hatte. Barfüßig, sich unterwegs noch das abgetragene Baumwollkleid zuknöpfend, folgte sie ihrer Schwester nach draußen.
Das matte Licht der aufgehenden Sonne zeichnete die Umgebung weich und die mancherorts zwischen den Baumwipfeln aufsteigenden Nebelschwaden taten das Ihrige, um die Landschaft zu verklären. Thekla liebte diesen Anblick, empfand trotz ihrer Jugend eine tiefe Verbundenheit mit ihrer Heimat. Je nach Jahreszeit umschmeichelte sattes Grün, blau blühender Lein und goldgelbes Getreide die sanft geschwungenen Hügel des Böhmerwalds. Auch heute schweifte Theklas Blick über die Flur, bevor sie vorm Hauseingang in die dreckverkrusteten Holzpantinen stieg.
Mit Marie melkte Thekla besonders gerne. Sie stritt nie darüber, wer die fünfte Kuh im Stall übernahm, bei ihr gab es kein „du hast, „du musst
und auch kein „aber". Schweigend machten sich die Mädchen an die Arbeit. Um diese Tageszeit warf die Sonne lediglich einen spärlichen Lichtstrahl durch das kleine Ostfenster, beleuchtete das Innere des Stalls nur schemenhaft. Thekla war noch müde. Nach Vaters Heimkommen hatte sie längere Zeit wach gelegen. Während ihre Gedanken um die Geschehnisse in der vergangenen Woche kreisten, verrichtete sie mechanisch die gewohnte Arbeit.
„Die Bless ist heute so unruhig, ich glaube mit ihr stimmt was nicht!, sprach Marie in die Stille hinein, die zuvor nur durch den rhythmischen Einstrahl der Milch in den Melkeimer unterbrochen worden war. „Sie drängt immer mehr zu der Sanne herüber.
Alarmiert durch den ängstlichen