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Das Monster im Schatten: Neuinterpretation einer Legende / Japan Mysteries
Das Monster im Schatten: Neuinterpretation einer Legende / Japan Mysteries
Das Monster im Schatten: Neuinterpretation einer Legende / Japan Mysteries
eBook500 Seiten6 Stunden

Das Monster im Schatten: Neuinterpretation einer Legende / Japan Mysteries

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Über dieses E-Book

Das klassische Japan. Ein marodes Dorf, ein deillusionierter Kriegsherr, und ein humorbefreites Monster. In einem kleinen japanischen Dorf beginnt ein grausames Monster zu wüten, und Gerechtigkeit für eine Sache einzufordern. Die einfachen Leute und auch ihr Kriegsherr sehen sich vor unlösbare Probleme gestellt. Und das Monster wirkt bis in die Gegenwart.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Mai 2020
ISBN9783750232495
Das Monster im Schatten: Neuinterpretation einer Legende / Japan Mysteries
Autor

Andreas Meckel

Der Künstler schreibt schon seit 36 Jahren. Dabei unternahm er bereits erfolgreiche Ausflüge in die Fantasy, Science-Fiction und Thriller-Welt. Schöpfer unbekannter, unbesehener, Welten.

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    Buchvorschau

    Das Monster im Schatten - Andreas Meckel

    Dramatis Personae

    Vergangenheit

    Der Kriegsherr Takomuro

    Fumiko, seine Tochter

    Hara, ihre Zofe

    Asuka, Tochter des Schmieds

    Asano, Hauptmann der Wache

    Mariko, seine Tochter

    Suda, Tochter des Seifensieders

    Ayana, Mietschwert

    Der Shogun

    Gegenwart

    Der Minister

    Sashiko, Herumtreiberin

    Aki, Diebin

    Reina & Mae, Geheimpolizistinnen

    Natsumi, Akimo, Nito, Yui, Soldatinnen

    Haruka, Schamanin

    Fumiko Takomuro

    Hara, Geist aus der Vergangenheit

    Asuka & Yuki, Freundinnen

    Asano, Wachpolizist

    Mariko, seine Tochter

    Suda, Bibliothekarin

    Ayaka, Tempelwächterin

    1. Kapitel

    Muromachi-Periode

    Bunmei-Ära

    Christliches Jahr 1472

    Takayama, Präfektur Toyama

    Dorf Takomoru

    Stolz und schwarz thronte auf einem kleinen Hügel die gemauerte Festung des Kriegsherren über dem kriegsgeschundenen Dorf. Sonderlich groß war das Dorf nun wirklich nicht mehr. Die vergangenen Kriegsjahre hatten fürchterlich in ganz Japan gewüte, und weitreichende Verwüstungen angerichtet. Es standen nicht mehr viele Häuser in dem kleinen Dorf, welches vorher schon nicht eben reich gewesen war. Neben vielleicht einem halben Dutzend Bauernhütten stand im Dorfzentrum noch eine uralte Schmiede, deren Feuer auch nicht mehr so brannte, wie man eigentlich meinen konnte. Vom Dorfzentrum führte ein dreckiger, lehmiger, Feldweg hinauf zu der schwarzen Festung. Dieser Weg war nicht einmal besonders gesichert, sondern wirkte genauso verwahrlost, wie der Rest.

    Durch das Dorf selbst führte die Straße von Osaka in Richtung Aishi. Und auch diese Straße machte nicht eben einen wohl gepflegten Eindruck, sondern wirkte eher so, daß sie auch ein Opfer der letzten kämpferischen Auseinandersetzung geworden. Auch sie war lehmig und dreckig und zeugte wenig davon, daß es überhaupt noch Menschen in Takomoru gab.

    In der Straße oberhalb der Schmiede besaß der Hauptmann der Wache sein eigenes Zuhause. Auch ein Gebäude, welches einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Doch diese guten Zeiten waren für Takomoru schon lange Vergangenheit. Das kleine Dorf hatte eine ruhmreiche Zeit erlebt, doch jedoch schon einige Jahrhunderte zurück lag. Damals war das Dorf ein Zentrum der Seifensiederei gewesen.

    Folgte man der Straße von der Schmiede nach Osten hin, kam man an die eine Hälfte der Bauernhäuser, die vor einer verfallenen Palisade standen. Ging man dann diesem Weg hinunter kam man an das südliche Wachhaus, in dem immer zwei Soldaten des Kriegsherren ihren Dienst versahen. Auf der anderen Seite des Wachhauses ging die südliche Straße nach Osaka ab. Osaka, welches jetzt bereits eine Großstadt war, in der es alle Annehmlichkeiten des Kaiserreiches zu genießen gab. Doch davon konnten die Soldaten des Kriegsherren Takomoru nur träumen. Hinter der Palisade erstreckten sich in Richtung Osaka die fruchtbaren Felder des Dorfes. Hier wuchs dank eines kleinen Baches so gut wie alles. In dem kleinen Dorf gab es zwar eine winzige Taverne, doch da man nirgendwo Reisschnaps besorgen konnte, nutzen Durchreisende jene nur, um dort zu speisen und zu nächtigen.

    Auf der westlichen Seite des kleinen Dorfes ging eine weitere Straße ab. Jene führte in Richtung Aishi, doch bevor man das größere Provinzdorf erreichen konnte, kam zuerst noch ein weiteres Dorf, welches mit zum Lehen des Kriegsherren gehörte. Auch hier lebten nur einfache Bauern. Das Lehen von Kriegsherr Takomoru war nicht reich zu nennen. Es versorgte seine Bewohner und auch seinen Lehensherrn. Doch dies war mehr schlecht als recht.

    Im Süden erstreckte sich auch der Abschluß eines Bergrückens direkt neben dem großen Bambuswald, der parallel zur Straße nach Osaka wild vor sich hin wuchs. Am Rande des Berges hatte man einst einen kleinen Brunnen oben bei der Quelle des Baches gegraben, so daß man zumindest die Burg und das Dorf davor immer mit frischem Wasser versorgen konnte.

    Die Zeiten waren schlecht. Die Kriege der kleineren Kriegsherren gegeneinander hielt nun schon seit einigen Jahren an, und ein Ende war nicht abzusehen. Selbst der einfache Bauer mußte bei der Verschärfung der Gesetze jederzeit damit rechnen, daß es ihm an den Kragen ging. Entsprechend war auch die Moral der Menschen. Die Wenigsten hatten Hoffnung, daß nun wirklich im geeinten Kaiserreich wieder eine goldene Ära anfing, wie sie einst Nobunaga versprochen hatte, als er das Reich vor zwei Jahrhunderten einte. Der Bürgerkrieg forderte immer noch Opfer.

    Takomoru war einmal ein wunderschönes kleines Dorf, welches das Privileg besessen hatte, hinter einer schützenden Palisade zu liegen. Doch die letzten Kämpfe hatten weder etwas von der Palisade, noch vom Dorf sonderlich viel übrig gelassen. Wer während der Kämpfe nicht getötet worden war, besaß ein außergewöhnliches Glück. Der Feind hatte sogar den Hauptweg hoch zur schwarzen Festung belagert. Hätte der Shogun mit seinen eigenen Gruppen nicht in die Belagerung eingegriffen, würde weder von diesem Dorf, noch von der darüber thronenden Festung noch ein Stein auf dem anderen stehen.

    Die meisten Häuser des Dorfes hatten den letzten Angriff gerade noch so überstanden. Sehr viele Häuser und Hütten waren ausgebrannt, oder standen baufälligf herum. Manche der einfachen Bauernhütten konnte sogar ein etwas heftigerer Wind einfach umwerfen. Das Dorf machte nicht eben den Eindruck als würde es den nächsten kriegerischen Konflikt noch überstehen. Es sah sogar eher so aus, als wäre das Dorf zum endgültigen Untergang verurteilt.

    Doch auch wenn seine Einwohner nicht viel Hoffnung hatten, besaßen sie noch Nahrung und Kleidung und den Schutz ihres Kriegsherren. Festliche Gewänder suchte man in diesem Dorf vergebens, einfache Kleidung herrschte vor. Auch wenn der Kriegsherr noch genug Truppen hatte, um den Kern seines Lehens zu halten, stand außer Frage, daß eine letzte Verteidigung kaum noch mehr möglich war. Es sei denn, der Kriegsherr bekam Hilfe von außerhalb. Doch dies war nicht sehr wahrscheinlich. Takomoru lag nicht an einer der kriegswichtigen Straßen. Also würde der Shogun hier auch keine zusätzlichen Truppen stationieren, um diesen Teil seiner Grenzen zu halten.

    Das Dorf war im dauernden Verfall begriffen. Es gab zwar außer dem Schmied noch einige andere Handwerker im Ort. Doch am wichtigsten waren die Schmiede und der Tofumacher. Alle anderen waren selbst für die Dörfler mehr oder weniger entbehrlich. Dies soll jetzt nicht abgedroschen klingen, doch man brauchte nicht sehr viel Phantasie, um sich klarzumachen, daß Takomoru dem Untergang geweiht war. Denn untergehen würde es früher oder später, ein Überleben war noch nicht einmal gesichert, selbst wenn von einem Tag zum anderen das goldene Zeitalter hereinbrechen würde.

    So ist in jenen Tagen die Situation im Dorf als unsere Geschichte ihren Anfang nimmt. Und wie jede gute Geschichte beginnt sie in Frieden und Eintracht.

    2. Kapitel

    Es war ein Tag wie jeder andere. So sollte man zumindest denken. Die wöchentliche Patrouille des Kriegsherrn Takomoru hatte soeben wieder die neuen Klingen aus der Schmiede abgeholt. Der alte Schmiedemeister versah seine Arbeit so gut er es mit den vorhandenen Rohstoffen konnte. Sonderlich viel Auswahl hatte er nicht, wenn es darum ging, andere Dinge einzuschmelzen, um weitere Waffen herzustellen oder vorhandene zu verbessern.

    Seine Arbeit war immer laut und dreckig. Der Rauch brannte in den Augen und die Finger schmerzen ihn beinahe täglich von der Arbeit. Der Schmied lebte nicht allein in dem halbverfallenen Gebäude neben seiner Arbeitsstatt. Neben seiner Frau lebte er dort noch mit seiner fast achtzehnjährigen Tochter Asuka. Jene war nichts besonderes, doch oftmals ging sie in den nahen Bambuswald oder an die Feldraine, um Kräuter zu sammeln, die man zum würzen oder heilen gebrauchen konnte.

    Eines der wenigen Hobbys, die sich Asuka getraute auszuleben. In Takomuro gab es nur Soldaten und eine Handvoll Bauern. Jene versahen ihre Arbeit auf den Feldern oder halfen bei den immer noch laufenden Ausbesserungsarbeiten an der schwarzen Festung. Der letzte Angriff war über ein Jahr her, doch hatte er das kleine Dorf beinahe vollständig vernichtet. Im Dorf standen mehr Ruinen als noch stehende Häuser, und die Häuser, die noch standen, würden dem nächsten Monsum mit Sicherheit nicht standhalten. Also wurde neben Waffen auch noch Baumaterial gebraucht.

    Richtige Wälder mit richtigem Holz gab es in der Nähe nicht. Dafür mußte man schon ziemlich weit reisen. Eine Woche entfernt fand man einen größeren Wald, in dem man Bäume fällen konnte. Doch der Transport bis nach Takumoru nahm nicht nur Zeit in Anspruch, sondern war auch nicht mit einfacher Muskelkraft zu bewerkstelligen. Hierfür wurden Pferde gebraucht. Und Pferde waren rar, genauso wie Ochsen oder Kühe.

    Der Schmied machte sich nichts vor. Wenn es nicht irgendwie gelang, wieder an Vieh zu gelangen, würde das kleine Dorf nicht nur den kommenden Monsum nicht überleben, sondern es würde einfach so vergehen. Ochsen brauchte man zum Pflügen, Pferde zum Reisen. Mit einer Sänfte konnte man kein Holz transportieren.

    Deshalb war Asuka für ihn so etwas wie ein Hoffnungsschimmer. Auch wenn es im Dorf vornehmlich Soldaten und Bauern gab, bestand durchaus die Möglichkeit, daß er Asuka doch noch vernünftig verheiraten konnte. Zumindest so gut, daß sie eine wirkliche Zukunft hatte.

    Der Schmied, dessen Name uns nicht interessieren sollte, war ein hart arbeitender, ehrlicher Mann. Seine Arbeit war schmutzig, kräftezehrend und aus verbrauchend. Er liebte seine Arbeit, wie er es bei seiner Frau tat. Er war mit Leidenschaft dabei.

    Ähnliches konnte man auch über die anderen Handwerker, die es noch im Dorf gab, sagen. Sie alle erfüllten ihre Aufgaben so gut es ihre Rohstoffe zuließen. Die Dorfgemeinschaft war schon länger gespalten, seitdem der Kriegsherr einen seiner Samurai gestattete im Dorf selbst zu wohnen. Doch die Gemeinschaft war sich darüber einig, daß der Krieger unter Umständen irgendwann einmal gebraucht würde. Auch wenn er nicht Hauptmann der Wache war.

    Jener hatte sein Haus gegenüber der Schmiede, am Weg, der direkt hoch zur schwarzen Festung führte. Dieses Haus wirkte nicht einmal stabiler als der Rest des Dorfes, doch im Vergleich zu anderen Hütten besaß es ein regendichtes Dach.

    Einmal in der Woche kam die Patrouille von der Festung herunter, um dann mit dem Samurai zusammen die neu gefertigten Waffen aus der Schmiede abzuholen. Der Samurai hielt auch sonst die Augen in Richtung Schmiede offen. Nicht weil er dem Schmied mißtraute, sondern weil es zu seinen Aufgaben gehörte, die Schmiede zu schützen. Nur stellte sich hierbei die Frage, vor wem oder was er die Schmiede schützen sollte. Der letzte Angriff war über ein Jahr her, seitdem war in Takumoru nicht mehr viel passiert. Jener Angriff hatte die Hälfte des Dorfes das Leben gekostet. Also war es irgendwie sinnfrei, wenn ein Samurai mit seiner Familie in einer gleichfalls baufälligen Hütte gegenüber der Schmiede lebte und täglich die Eisenbarren zählte.

    Der Hauptmann der Festungswache lebte im gleichen Haus wie der Samurai. Auch er besaß eine kleine Familie. Das Haus war das einzige wirklich größere Haus in dem kleinen Dorf, doch selbst ein Kriegsherr mußte mit den Kosten in Friedenszeiten haushalten. Also lebten Hauptmann und Samurai unter einem Dach, obwohl jedem ein eigenes Haus zustand. Doch störte sich nicht wirklich einer von beiden hieran. Sie versahen ihren Dienst für ihren Kriegsherren und waren damit zufrieden. Denn ein Auskommen hatten sie durch ihren Dienst. Der Samurai selbst entsprang nicht einem Adelsgeschlecht, sondern hatte sich über die Jahre in seine jetzige Position hochgearbeitet. Er war ein Mann aus dem Volk. Beim Hauptmann sah es genauso aus. Er genoß das Vertrauen seines Herrn durch einige Heldentaten, die er in der Vergangenheit geleistet hatte.

    Auch der Hauptmann hatte Familie, und wie so viele in Takumoru besaß er, wie der Schmied, eine erwachsene Tochter. Die Hauptmannstochter trägt den schönen Namen Mariko. Angeblich ist sie von den Göttern gesegnet, denn sie hat Gesichter und richtete deshalb vor dem letzten Angriff auf die Festung ihres Herrn einen kleinen Schrein im Dorf angelegt. Ihre Gesichter jedoch sind es, die dem Hauptmann Sorge machen.

    Zwar gilt seine Tochter als von den Göttern berührt und ihre Visionen halfen beim letzten Angriff auch gut die Hälfte des Dorfes zu retten, doch kosten sie Mariko Kraft, die ihr dann an anderer Stelle fehlt. Die Frau des Hauptmanns verliert über die Gesichter ihrer Tochter kaum noch ein Wort, denn sie fürchtet zurecht, daß beim nächsten Aufkommen dieser Visionen erneut Unbill für das kleine Dorf bevorsteht.

    Eine andere wichtige Person für Takumoru ist der Seifensieder. Eigentlich ist er nicht in dem Dorf ansässig, sondern kommt aus einer weit im Norden liegenden Präfektur. Ihm gelang die Flucht, als sich sein Kriegsherr mit seinem Nachbarn anlegte, und der daraufhin folgende Krieg so gut wie alles in der Präfektur vernichtete. Der Norden sollte eigentlich ruhiger als das restliche Land sein, aber selbst dort köchelt es. Die Kriegsherren sind sich im ganzen Land uneins.

    Also floh der Seidensieder bis er nach Takumoru kam. Doch während der Flucht verlor er seine Frau und ihm verblieb nur sein Kind, gleichfalls eine Tochter. Er zog sie in den nachfolgenden Jahren in dem kleinen Dorf groß, und dank Marikos hellsichtiger Gabe überlebten auch sie den letzten Angriff des benachbarten Kriegsherrn.

    Suda, seine Tochter, hilft ihm bei der schweren Arbeit Seife herzustellen. Das einzige wirkliche verkaufbare Gut, über welches Takumoru in jenen Tagen noch verfügt. Suda ist klug und intelligent. Und sie arbeitet schwer. Sie besitzt im Ort nur noch eine Freundin, dies ist die Tochter des Schmieds.

    Und es gibt noch jemanden, den wir an diesem Tage kennenlernen sollten. Dies ist der Kriegsherr, der in seiner schwarzen Festung mit seinen Soldaten und dem verbliebenen Rest seiner Familie lebt. So viel Familie hat Kriegsherr Takumoru nicht mehr. Außer seiner Tochter ist ihm nichts mehr verblieben. Seine Eltern starben bei den Kämpfen der Wiedervereinigung. Damals erhielt er auch dieses Lehen, dem er sogar seinen Namen geben durfte. Seine Frau verstarb im Kindbett, doch während des letzten Bürgerkriegs blieb ihm keine Zeit sich eine neue Frau zu suchen. Inzwischen ist seine Tochter auch erwachsen. Sie trägt den wundervollen Namen Fumiko und ist sowohl in der feinen Schrift, als auch im Waffenumgang geschult. Einer ihrer Lehrer ist der Hauptmann der Wache, doch am liebsten schaut sie im Dorf den Handwerkern bei der Arbeit zu und legt auch gelegentlich selbst Hand an. Fumiko ist wißbegierig und neugierig. Aber da sie nicht weiß, wem sie trauen kann, trägt sie immer einen Dolch in ihrem Kimono, um sich jederzeit verteidigen zu können.

    Ihr Vater jedoch ist ein durch den Krieg hart gewordener Mann, der in seiner kleinen Festung über nicht mehr als insgesamt siebenhundert Mann befehligt. Zweihundert davon dienen ihm als persönliche Wache, der Rest dient zum Schutz seines Lehens. Meist sind von diesen fünfhundert Mann, die als seine Soldaten dienen, in der Festung nicht mehr als einhundert versammelt, weil das Lehen einfach zu groß ist, um es zentral verwalten zu können. So sind an den Straßen und auch ein wenig abseits davon, Feldlager eingerichtet, in denen die Soldaten darauf achten, daß keine gegnerische Truppe die Grenzen Takumorus überschreitet. Denn dies wäre ein Kriegsgrund, dann gäbe es wieder Kämpfe.

    Kriegsherr Takumoru ist ein aufgeschlossener Mann. Er kennt seine Verantwortung, die er für sein Lehen trägt. Inzwischen ist auch er ein wenig des Kämpfens müde. Doch dies liegt daran, daß es immer noch diesen Bürgerkrieg gibt, den nicht einmal das vereinte Königshaus wirklich hat beenden können. Immer noch streiten die Kriegsherren miteinander, wer denn nun in der Riege der vielen Shogune derjenige ist, der seinem Herrn am besten gedient hat, und somit Anspruch auf den Titel besitzt.

    Herr Takumoru interessiert dies nicht. Er möchte nur eines: Sein Lehen vor weiterem Schaden bewahren. Es war schon ein regelrechtes Wunder, daß der letzte Angriff nicht das kleine Dorf vor der schwarzen Festung vollständig dem Erdboden gleichmachte. Der benachbarte Kriegsherr griff mit einfachen Katapulten an. Als der Kriegsherr mit seiner kleinen Truppe diese schließlich zerstört hatte, zog der Feind sich zurück. Doch von dem kleinen Dorf hatte er nicht genug übrig gelassen, daß man noch so bezeichnen konnte. Noch immer standen traurige Ruinen in dem Dorf herum, weil es einfach zu wenige Männer gab, die diese Baustellen abreißen konnten. Mit nur noch einer Handvoll Bauern konnte man auch nicht mehr soviel bewegen, wie es vor diesem Angriff der Fall gewesen war.

    An jenem einfachen Tag war ein Teil der Bauern auf den Feldern, um den Stand der Feldfrüchte zu kontrollieren und wieder zu wässern. Die Handwerker, die noch ein wenig zu tun hatten, waren dabei, ihrem normalen Tagewerk nachzugehen.

    Und die Mädchen des Ortes vertrieben sich ein wenig die Zeit mit ihren wenigen Spielen und Hobbys, die sie besaßen. Asuka und Suda waren am Rande des Bambuswaldes unterwegs, um einige Kräuter und wildwachsene Gemüse zu sammeln. Sie hatten ein leichtes Stofftuch dabei. Die beiden Mädchen kannten sich gut mit den wilden Kräutern aus, und unweit des Baches am Waldrand wuchsen mehr als genug davon. Einige davon konnte man mehrmals in der Woche abernten.

    Frisches Feuerkraut wuchs hier, wilder Rettich und noch einige andere Dinge. Die Mädchen waren fleißig dabei, systematisch zu zupfen und zu graben. Hierzu benutzten sie kleine Bambusstücke. Viel hatten sie noch nicht beisammen.

    Schließlich bemerkten sie auf dem Weg ein junges, einfach gekleidetes Mädchen aus dem Nachbardorf. Sie trug einen Schulterträger an dem zwei große Eimer befestigt waren. Das Nachbardorf lag ein wenig abseits, gut einen Kilometer an der Straße in Richtung Aishi entfernt. Zwar hatten sie dort auch eine Wasserquelle, doch keinen gemauerten Brunnen, wie er nach der ersten Biegung oben im Bambuswald vorhanden war. Also machten sich die Mädchen des Nachbardorfes immer wieder auf, um von dort Wasser zu schöpfen. Zwar hatte der Nachbarort einen kleinen See keine halbe Stunde Fußmarsch entfernt, doch man konnte dort nur fischen, denn das Wasser selbst dort hatte keinen guten Geschmack. Da war das Quellwasser des Brunnens schon etwas anderes.

    Asuka und Suda konzentrierten sich wieder auf ihre selbstgestellte Aufgabe. Sie entfernten sich immer mehr vom Bach und gelangten zur unteren Seite des Bambuswaldes. Hier vorne wuchsen vornehmlich jene Kräuter, die man sehr gut im Tee verwenden konnte. Asuka hatte sich angewöhnt, diese Kräuter zusammenzubinden und im warmen Luftzug der Schmiede zu trocknen. Suda selbst konzentrierte ihr Sammeln mehr auf die im Boden verborgenen Knollen, die hier zuhauf wuchsen. Manchmal waren es frisch ausschlagende Bambuswurzeln, oftmals aber auch kleine orangene sehr feste Knollen, die sich sehr gut braten ließen.

    Die beiden Mädchen kümmerten sich also mehr um ihre Aufgabe und vergaßen dabei die Welt um sich herum. Beide liebten es, regelmäßig hier nach Waldfrüchten zu graben und zu zupfen. Denn sie konnten mit dem, was sie fanden, dem gesamten Dorf ein wenig helfen. Auf den kargen Feldern wuchs auch nicht mehr alles. Zwar gab es noch drei Felder auf denen Reis wuchs, doch die anderen sechs Felder warfen seit dem letzten Angriff auf das Dorf nicht mehr so viel ab. Dabei strengten sich die Bauern wirklich an, den Boden locker zu halten. Doch der Paq Choi wuchs noch, wenn auch nicht mehr so groß und fein, wie er es in der Vergangenheit getan hatte.

    In der Zwischenzeit hatte das Mädchen aus dem Nachbardorf die kleine Steigung erklommen, die sich in dem Bambuswald erstreckte. Erschöpft blieb sie kurz stehen und schaute zurück. Bis zum Rand des Bambuswaldes waren es vielleicht zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Meter. Trotzdem wirkte hier oben bereits der Bambuswald dunkler, und auch irgendwie böse.

    Das Mädchen legte kurz den Schulterträger ab. Der Brunnen lag ein wenig abseits vom Hauptweg, damit nicht jeder aus ihm schöpfte. Sie mußte die kleine Steigung bis zu ihrer Spitze erklimmen, dann ging ein lehmiger, schon fast zugewachsener Weg, vom Hauptweg ab, und führte parallel zum Berg zum gemauerten Brunnen. Dieser Weg war nicht mehr sonderlich steil, sondern ließ sich relativ einfach bewerkstelligen. Doch diese kleine Steigung, die gerade einmal über dreißig Meter ging, kostete jedes Mal viel Kraft. Hatte man diese Steigung erst geschafft, ginge es deutlich schneller.

    Das Wasserschöpfen selbst war keine schwere Arbeit, denn der Brunnen war eine moderne Variante. Man zog einen an einer Schnur befestigten Eimer aus dem gemauerten Brunnen nach oben. Doch nicht mit einfacher Muskelkraft, sondern über eine Winde, die das Seil anzog, und so den Transport möglich machte.

    Immer noch gut gelaunt, legte sich das Mädchen wieder den Schulterträger über und machte sich auf, den letzten Rest des Weges hinter sich zu bringen. Die Steigung tat ihr jedes Mal an Rücken und Füßen weh, doch anders war diese gute Quelle nicht zu erreichen. Der Rückweg war deutlich einfacher, selbst mit den beiden schweren Eimern. Also raffte sie sich zusammen, und brachte den Rest des Weges hinter sich. Schließlich stand sie vor dem fast zugewachsenen Abzweig, der hinüber zum eigentlichen Brunnen führte. Der Weg war von dichten, saftigen Gras fast vollständig bedeckt. Man sah, daß die Einwohner Takumorus selbst den Brunnen nicht oft nutzten, sonst wäre der Weg breiter ausgetreten.

    Das Mädchen verlagerte ihr Körpergewicht, damit sie mit dem Schulterträger durch die noch freie Passage kam. Der restliche Weg war weder steil, noch war er schwierig zu bewältigen. Er ging beinahe von selbst von statten. Nach nicht einmal weiteren zehn Minuten Fußmarsch stand sie endlich an dem gemauerten Brunnen.

    Dieser Brunnen reichte gerade einen Meter zwanzig über den Boden. Er war aus festen, schweren Bruchsteinen erbaut. Dieser Brunnen war keine Schönheit, aber er versah seinen Sinn und Zweck. Der hölzerne Arm, an dem die Winde hing, reichte einmal um den Brunnen herum. Der Schöpfeimer hing an seinem Seil, sah jedoch schon ein wenig mitgenommen aus. An der Seite besaß er Kratzspuren irgendeines riesigen Tieres.

    Doch das Mädchen interessierte sich nicht für die Kratzspuren, sondern schaute, ob der Eimer noch dicht genug war. Es lag wirklich nicht in ihrem Interesse mehr Zeit am Brunnen zu verbringen, als unbedingt notwendig war.

    Der hölzerne Eimer klatschte das erste Mal hinunter in das Wasser des Brunnens, dann vernahm man das stöhnende Quietschen der Winde. Das plätschern des Wassers in einen der Trageeimer war weithin zu hören. Ein normales Geräusch, wenn man bedachte, wo sich der Brunnen befand.

    Insgesamt schlug der Schöpfeimer fünfmal auf der Wasseroberfläche auf, bis die beiden Trageeimer endlich richtig gefüllt waren. Dann erst hatte das Mädchen seine Arbeit erledigt. Erneut schulterte sie den Träger und machte sich auf den Rückweg.

    Sie hatte gerade das Stück Weg vor der Abzweigung erreicht, als sie hinter sich ein verdächtiges Knacken wahrnahm. Das Mädchen drehte sich herum, doch sah es hinter sich nichts, was das Knacken erklären könnte. Es drehte sich wieder in Richtung Hauptweg, als es rechts von ihr erneut knackte. Doch diesmal hörte sich das Knacken deutlich näher an.

    Für Eventualitäten trug das Mädchen immer ein kleines Messer bei sich. Doch im Falle eines Überfalls würde dieses Messer auch nicht eben sehr viel Schutz bieten. Doch das Messer zu ziehen würde bedeuten, die Stabilität ihres Schulterträgers zu riskieren. Und dem Mädchen stand es wirklich nicht danach, erneut nochmal Wasser schöpfen zu müssen.

    Es knackte ein drittes Mal. Diesmal links von ihr. Das Mädchen wandte den Kopf in die entsprechende Richtung, doch erneut war nichts zu sehen. Verwirrt schüttelte es den Kopf, nahm noch einmal alle Kraft in ihre Schultern und ruckte mit dem Träger hoch. Genau in diesem Moment knackte es genau vor dem Mädchen. Es hob den Kopf, doch bevor es schreien konnte, war es auch schon geschehen.

    Die Kreatur, die vor dem Mädchen wie aus dem Nichts entstanden war, wirkte wie wabernder Nebel, und trotzdem massiv. Es war nichts greifbares, und trotzdem spürbar. Das Fell war grob und zottelig. Lang, mit verfilzten abschnitten, die darauf hindeuteten, daß es wohl sehr lange geruht hatte. Die Farbe dieser Kreatur ist braunschwarz, doch mehr schwarz denn braun, und irgendwie furchteinflößend. Sein Kopf scheint direkt mit dem Torso verwachsen zu sein, es ist kein Hals zu sehen. Stattdessen erkennt man deutlich die überlangen Arme und Beine, die an einem relativ kurzen, menschlich wirkenden Torso angesetzt sind. Arme und Beine enden in Füßen oder Händen, die man wohl eher als Krallen beschreiben kann. Sie sind sechsgliedrig, dem Menschen ähnlich, doch die Nagelkrallen gehen weit über zwanzig Zentimeter hinaus. Die Nagelkrallen haben eine ungesund gelblichweiße Farbe, und sie sind höllisch scharf. Die Krallenfinger sind länger als bei einem Menschen, und genauso wie die Handflächen von einem dunkleren schwarzen Flaum bedeckt.

    Die Füße sind wie die Krallenhände. Doch besitzen sie nicht sechs Krallen wie die Hände, sondern nur vier. Doch auch hier sind die eigentlichen Nagelkrallen länger als der ganze Fuß. Sie besitzen die gleiche Farbe wie die der Hände und wirken richtig tödlich spitz. Fast scheint es so, als könne die Kreatur mit einem Fuß bereits ein Tier in der Mitte zerreißen. Die Kreatur wirkt wie aus einem Albtraum entsprungen. Es ist der personifizierte Tod, der keinerlei Unterschied im Angesicht seines Opfers macht. Der Kopf selbst wirkt zum restlichen Körper regelrecht klein, beinahe menschlich. Wenn da nicht die achtundvierzig großen und breiten Zähne wären, die selbst bei normalem Tageslicht eher Messerklingen als Zähnen ähneln. Doch am schlimmsten sind die Augen.

    Die Augen sind die wahre Hölle. Aus ihrem Innerem scheint ein tiefes, dunkles, abgründiges rotes Feuer zu herrschen. Sie glühen dunkelrot auf, während es seine Hauer in die eben geschlagene Beute schlägt und genüßlich Teile des Körpers herausreißt und verschlingt. Mit seiner bekrallten Hand schlägt es nochmals in den noch zuckenden Körper des Mädchens, um den Brustkorb zu öffnen. Mit einem weiteren Griff zieht es das Herz und die anderen inneren Organe heraus, und reißt nur jene Teile ab, die es zu essen gedenkt. Dies ist einmal das Herz, die Leber, die Nieren und ein sehr großer Teil des Darmes. Der Rest des Kadavers, der inzwischen in seinem Blut schwimmt, wirkt uninteressant und wird einfach liegengelassen.

    Die Kreatur schaut nicht einmal zurück, als sie wieder in den dunkleren Teil des Bambuswaldes verschwindet. Fast scheint es, als würde sie ein Teil der Schatten. Ein Teil des wandernden Nichts.

    3. Kapitel

    Der Abend dieses ereignislosen Tages dämmerte bereits, als dem Hauptmann der Wache einige Bewohner des Nachbardorfes gemeldet wurden. mißmutig macht sich Hauptmann Asano auf den Weg. Es ist nichts ungewöhnliches daran, wenn immer wieder einmal in Takumoru Bewohner der anderen beiden Lehnsdörfer hier erscheinen. Doch an diesem Abend sind die Männer des Nachbardorfes ungewöhnlich unruhig. Selbst seinen im ersten Wachhaus stationierten Soldaten fällt dieses Verhalten auf. Die Männer lassen sich sonst wenig aus der Ruhe bringen. Heute ist alles anders. Seine Soldaten sind nervös, also rufen sie ihn, weil sie die Situation allein nicht händeln können.

    Hauptmann Asano war ein stattlicher Mann. Er war nicht kräftiger als andere, doch an ihm wirkte seine einfache Hauptmannsrüstung irgendwie mächtiger. Sein Blick traf die Bauern, die sich eingefunden hatten. Das Dorf in Richtung Aishi hatte bei den letzten Angriffen Glück gehabt und brachte nun genug ein, um selbst Takumoru mit versorgen zu können.

    Doch die Bauern waren aus einem anderen Grund so aufgebracht. Einer der Männer trat vor, verbeugte sich höflich vor dem Hauptmann und sagte dann im verwaschenen Akzent der Gegend: »Herr, eine unserer Frauen wollte heute an euren Brunnen gehen und Wasser holen. Doch sie kam bisher noch nicht zurück!«

    Hauptmann Asano besah sich den Mann näher. Er kannte ihn. Es war einer der Bauern, die sich in den vergangenen Wochen nicht eben mit guten Worten über den Kriegsherrn in seinem Dorf hervorgetan hatte. Die Wache führte eine Liste mit jenen, bei denen man mit Schwierigkeiten oder gar Ärger rechnen mußte. Im Allgemeinen ignorierte er diese Liste, doch es war immer wichtig, die Namen derjenigen zu kennen, die Ärger machen konnten, weil sie entsprechend Gehör beim einfachen Volk fanden. Der Name des Mannes lautete irgendwie auf Omaho!

    »Herr Omaho, meinen Männern fiel keine eurer Frauen auf. Und es wird bereits dunkel. Wir werden morgen früh nach ihr suchen gehen, falls sie sich bis dahin nicht wieder bei euch eingefunden hat.«

    Der Bauer wollte aufbrausen, doch einer seiner Begleiter hielt beschwichtigend seinen Arm fest. »Laß es, Hauptmann Asano wird dich bestrafen!«, sagte er dann leise. Auch hier mußte der Hauptmann einen Moment überlegen, wie dieser Bauer nun wieder hieß. Es war ärgerlich, daß sie bisher noch keine Volkszählung hatten durchführen können. In diesen Zeiten wurde dies immer wichtiger.

    Die Männer entzündeten ihre mitgebrachten Fackeln am Feuertopf der wache und gingen dann wieder den Weg zurück, den sie gekommen waren. Hauptmann Asano kannte den Weg von dem anderen Dorf bis hierher unterhalb der Festung. Sie waren bereits einige Stunden unterwegs gewesen, bevor sie sich schließlich mit der Wache anlegten.

    Hauptmann Asano ging in das Wachhaus. Wie immer schliefen die anderen sechs Wachen, die am Westtor auch mit abwechselnd Wache hielten. Widerwillig rüttelte er zwei von den sechs Männern wach. Danach ging er mit ihnen nach draußen und erklärte ihnen die Lage.

    »Aus dem Nachbardorf wird eine Frau vermißt, angeblich soll sie an unserem Brunnen Wasser geschöpft haben. Doch niemand hat anscheinend auf sie geachtet, ob sie durch das Dorf kam oder nicht. Nehmt euch Fackeln, wir gehen hoch zum Brunnen und sehen nach, ob jemand dort gewesen ist.«

    Die beiden Soldaten zeigten ihre Ehrbezeigung und gingen dann sofort zu dem winzigen Ausrüstungsraum neben ihrer kleinen Kaserne, um sich Fackeln zu holen. Als sie sich auch fertig ausgerüstet hatten, trafen sie Asano am südlichen Haupttor.

    Der Hauptmann hatte sich inzwischen auch so weit ausgerüstet. Die Wache am südlichen Tor war bereits eifrig in ihrem Dienst und öffnete das schwere Tor bereits wieder. Hauptmann Asano sah den beiden Männer der Wache fest ins Gesicht.

    »Auch ihr habt Niemanden gesehen, der sich in Richtung des Brunnens bewegte?«, wollte er dann wissen.

    Einer der Soldaten deutete eine Verbeugung an und erwiderte: »Wir sahen in der Mittagswache nur Asuka, die Tochter des Schmieds, und Suda, die Tochter des Seifensieders, wieder einmal Kräuter und Gemüse sammeln. Außerdem waren am Morgen die Bauern durch das Tor gekommen, um sich um ihre Felder zu kümmern. Keine weiteren Vorkommnisse, Hauptmann.«

    Bei diesen Worten entfleuchte Asano ein leichtes Lächeln. Seine Soldaten waren gut trainiert. Wenn sie also niemand fremdes wahrgenommen hatten, war dieser wohl auch nicht durchgekommen. Denn auf das Wort seiner Leute konnte er sich im Allgemeinen verlassen.

    Die beiden Soldaten, die ihn begleiten sollten, entzündeten an einem Feuertopf ihre Fackeln und traten hinter ihn. Die beiden Männer machten keinen sonderlich nervösen Eindruck, obwohl der nahe Bambuswald im indirekten Licht der Fackeln und der Feuertöpfe direkt hinter dem Tor schon etwas unheimliches hatte. Fast schien es, als würden rot leuchtende Augen die Männer in der Finsternis beobachten.

    Hauptmann Asano trat mit seinen beiden Leuten durch das Tor und gab noch eine letzte Anweisung: »Verschließt das Tor wieder. Wenn ihr uns wieder zurückkommen seht, öffnet ihr wieder. Aber auch nur auf ausdrücklichen Befehl, keine Eigenmächtigkeiten.«

    Ein lautes »Hai« ertönte von der anderen Seite des Tores, als es schwerfällig Wieder in seinen Rahmen fiel. Der Hauptmann mußte sich keine weiteren Sorgen machen. Wenn es also etwas in diesem Bambuswald gab, würden sie es finden. Womöglich hatte die Wasserträgerin nur einen anderen Weg genommen.

    Am kommenden Morgen würde er dies dann mit den Bauern genauer überprüfen gehen. Jetzt wollte er sich erst einmal einen kleinen Überblick verschaffen. Auch wenn Asano und seine Soldaten trainierte Soldaten waren, war der gut dreißig Meter lange Anstieg in den Bambuswald eine anstrengende Angelegenheit. Selbst ein geübter Krieger konnte am Scheitelpunkt, an dem die Abzweigung zum Brunnen lag, außer Puste geraten.

    Die drei Männer erreichten mit ihren blackenden Fackeln die kleine Wegkreuzung. Sie schwenkten ihre Fackeln ein wenig, das Licht flackerte unheimlich. Dann schrie mit einem Mal einer der Soldaten auf.

    Der Hauptmann und der andere Soldat traten sofort zu ihm. Jetzt sahen sie gleichfalls die Bescherung. Neben dem Weg, halb im Gras, lag ein halb ausgeweideter Kadaver. Der Kimono war halb vom Körper gerissen und zerfetzt, genauso wie der Kadaver selbst. Hier war eine grausame Bestie am Werk gewesen. Das Gesicht der jungen Frau war noch gut zu erkennen, doch alles war blutverschmiert und eine kleine Blutpfütze hatte sich unter dem Leichnam gebildet.

    Der graue Kimono war nun eher rot, genauso wie der weiße Unterstoff. Beides sah aus, als wäre es in Himbeersirup getränkt worden. Doch viel schlimmer war es die geöffnete Bauchhöhle zu sehen, in der wirklich nichts mehr außer den Lungen vorhanden war. Ein Teil des Gedärms lag neben dem Leichnam, andere Stücke lagen ein wenig abseits. Die Lungen wirkten gleichfalls angerissen, wenn nicht auch zerfetzt. Im Licht der Fackeln war dies nicht vollständig zu erkennen. Es machte einem Angst, einen solch mißhandelten Körper zu sehen.

    Hauptmann Asano hatte schon während der vielen Kämpfe, die er oftmals nur durch sehr viel Glück überlebt hatte, gesehen, wie kämpfende Kameraden durch Schwerter und schwere Lanzenschwerter regelrecht zerfetzt

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