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Eine Schwester des Todes
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eBook49 Seiten36 Minuten

Eine Schwester des Todes

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Über dieses E-Book

Erinnerung ist nicht gleich Erinnerung - Kindheitserlebnisse werden von den Beteiligten höchst unterschiedlich abgespeichert, das muss die Protagonistin der titelgebenden Geschichte "Eine Schwester des Todes" erleben. Die Angst vor einem Verlust der Erinnerung treibt die Protagonistin der Geschichte "FREE" um, und in der "Friedhofsmauer" ist die Erinnerung quälender Begleiter eines alten Mannes, der sich zu seinem moralischen Versagen bekennt.
Viele der Protagonisten dieser sieben Kurzgeschichten müssen auch Abschied nehmen - von geliebten Menschen, aber auch von Illusionen über sich selbst oder andere.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum3. Nov. 2014
ISBN9783847618683
Eine Schwester des Todes
Autor

Kirsten Döbler

Kirsten Döbler, gebürtige Hamburgerin, lebt in Braunschweig. Slawistin und Anglistin. Seit 2005 ist sie als Internetredakteurin und freie Autorin tätig. Weitere Informationen zur Autorin unter www.kirstendoebler.de

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    Buchvorschau

    Eine Schwester des Todes - Kirsten Döbler

    Das rote Kleid

    Die Tür fällt ins Schloss. Helmut hat das Haus pünktlich verlassen, und Doris atmet auf: endlich Ruhe. Seine monoton dozierende Stimme wird erst am Nachmittag wieder in die Stille der Zimmer einfallen. Wie an jedem Arbeitstag wird er ihr einen Vortrag halten über die Ignoranz der Schüler und Lehrerkollegen, über ihre Dummheit und Abgestumpftheit. Vehement wird er die Trägheit verurteilen, die er täglich erleben muss. Er wird keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er den Kampf gegen die grassierende Unwissenheit unter keinen Umständen aufzugeben gedenkt.

    Von seinen Bemühungen wird auch Doris nicht verschont bleiben; sie ist seine Spitzfindigkeiten gründlich leid. Ist es wirklich so wichtig, wie man »Pas de deux« schreibt? Hängt das Glück davon ab, dass man »bruschetta« richtig ausspricht? Müssen sie darüber streiten?

    Verstimmt holt sie die Tageszeitung aus dem Briefkasten. Die Wintersonne scheint durch das Küchenfenster, und Doris setzt sich an den Esstresen. Sie liest die Nachrichten aus aller Welt, studiert den Lokalteil und überfliegt die Anzeigen. Etwas hält sie davon ab weiterzublättern. Ein Name, der ihr bekannt erscheint, eine vertraute Buchstabenfolge. Sie fixiert den Vor- und Nachnamen und hält den Atem an. »Durch einen tragischen Unfall aus dem Leben gerissen…« Fahrig sucht Doris nach Hinweisen für einen Irrtum. Sie wird vorschnell gefolgert haben; es kann nicht Ralf sein, nicht der Ralf, mit dem sie einst durchs Leben wirbelte. Unmöglich. Vielleicht ein anderer Ralf. Ja! Derselbe Vor- und Nachname! Das gibt es doch. Für einen Moment schöpft sie Hoffnung, aber mit Blick auf die benachbarte Anzeige stirbt ihre Zuversicht. Die Belegschaft einer Tischlerei trauert um ihren Chef, und es gelingt Doris nicht, an einen weiteren Zufall zu glauben. Sie lässt die Zeitung sinken und begreift: Ralf ist tot.

    Ganz benommen geht sie ins Wohnzimmer, sinkt, wie von einer großen Erschöpfung überwältigt, auf ihren Schreibtischstuhl. Sie will weinen, aber die Tränen bleiben aus. Tödlich verunglückt…

    Wie viele Jahre ist es her? Dreißig? Sie schaut aus dem Fenster auf die akribisch gestutzte Gartenhecke, die den Blick auf die Häuser und Menschen jenseits des Grundstücks verstellt. Doris sieht sich im Geiste das Geschenk auspacken, das Ralf zu einer ihrer ersten Verabredungen mitgebracht hatte. Ein Parfüm, goldene Schrift auf schwarzem Etikett. Sie war überwältigt. Nie zuvor hatte ein Verehrer sich getraut, einen Duft für sie auszusuchen. Sofort tupfte sie sich einen Tropfen Parfüm hinters Ohr. Ralf kam näher, schnupperte und berührte ihr Haar mit seiner Nase. Die Mischung der blumigen Aromen begleitete sie von diesem Moment an durch alle gemeinsamen Abende.

    Doris beugt sich hinunter und öffnet die unterste Schublade ihres Schreibtisches. Beim Anblick des leeren Flakons meint sie, den lange verflogenen Duft wieder zu erahnen. Für Bruchteile von Sekunden bringt er Ralfs Gesicht zurück, seine Lippen, seine Hände, die kräftigen Arme, mit denen er sie beim Tanzen an sich drückte, so eng, dass sie manchmal einen roten Kopf bekam. Es erschien ihr unpassend, ihr körperliches Begehren so öffentlich zur Schau zu stellen. Aber wenn sie sich von ihm entfernen wollte, packte er nur noch fester zu und lachte sie aus.

    Mit geröteten Wangen geht Doris ins Schlafzimmer, öffnet die hinterste

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