Die Farbpalette der Sehnsucht
Von Louis Geras
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Buchvorschau
Die Farbpalette der Sehnsucht - Louis Geras
1.Kapitel
Als ich den Schlüssel im Schloss drehte und die Tür aufsprang, wusste ich bereits, was mich erwartete. Wie immer bückte ich mich im Vorraum und hob die mitten auf dem Weg liegenden Schuhe auf, um sie auf die Seite zu stellen. Die Bewegungen vollführte ich automatisch, denn sie wiederholten sich jeden Tag aufs Neue, wie in einem Film, der immer wieder und wieder von vorne abgespult wird. Ich ging durch den schmalen langen Vorraum, von dem die Türen in die einzelnen Räume abgingen und stellte müde die Taschen mit den mitgebrachten Einkäufen in die kleine Küche. Dann kehrte ich in das Wohnzimmer zurück, wo ich mich erschöpft auf das gemütliche, buntgemusterte Sofa sinken ließ.
Ich hatte es erst vor kurzen auf einem Flohmarkt erstanden und liebevoll mit neuem Stoff bezogen. Ich blickte mich um. Jedes Detail im Wohnzimmer nahm ich heute unnatürlich intensiv wahr. Es war nicht sehr groß, aber praktisch und liebevoll eingerichtet. Jedes Möbelstück hatte ich sorgsam ausgesucht und zum Teil selbst renoviert. So wie alle Räume in der kleinen Wohnung war auch dieser Raum hell und freundlich.
Als ich die Wohnung vor einigen Jahren das erste Mal betreten hatte, war es das vorherrschende Gefühl darin gewesen. Dies war der Hauptgrund gewesen, dass ich sie damals mit dem Geld, das ich von meinen frühverstorbenen Eltern geerbt hatte, kaufte. Obwohl sie ansonsten ziemlich heruntergekommen war, hatte ich mich in die helle Freundlichkeit ausstrahlende Wohnung sofort verliebt. Es kostete viel Zeit und Mühe sie in diesen Zustand, in dem sie sich jetzt befand, zu bringen. Aber die Mühe hatte sich gelohnt, denn nun war sie ein liebevoll restauriertes Schmuckstück, um das mich so mancher meiner Bekannten beneidete.
Die Wohnung bestand, außer dem Wohnzimmer noch aus einem Schlafzimmer, einem Vorraum, einer Küche und einem Bad.
Die Küche war groß genug um darin gemütlich zu zweit zu sitzen. Ein kleiner runder Tisch mit zwei Thonet-Stühlen stand in der Ecke und man sah von dort durch das Fenster hinunter in den kleinen Park, der direkt vor dem Haus lag. Am Morgen schien die Sonne bereits beim Frühstücken herein und im Sommer hörte man am Nachmittag das fröhliche Lachen der Kinder vom nahen Spielplatz herauf.
Ich liebte es in der Früh hier in aller Ruhe zu Frühstücken. Die heiße Tasse Kaffee mit beiden Händen haltend, hinauszublicken und die ersten warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht zu spüren, wie sanfte Hände, die einen über das Gesicht streichen mit zärtlicher Berührung. In solchen Momenten hing ich meinen Tagträumen nach und genoss es, mir meine Zukunft in den schönsten Farben auszumalen.
Als ich hier einzog, war ich so voller Energie und Lebensfreude. Das Abitur hatte ich mit Erfolg abgeschlossen und in meiner Fantasie träumte ich von einer steilen Kariere im Berufsleben. Nun arbeitete ich seit mehreren Jahren in einer großen Marketingfirma, machte Tag für Tag die gleichen, oft wie mir schien, sinnlosen Tätigkeiten und fühlte mich unzufrieden und lustlos. Ich wollte mehr leisten, meine Ideen verwirklichen, aber man gab mir keine Gelegenheit dazu. Mein direkter Vorgesetzter hörte sich meine Ideen und Vorschläge an, lehnte sie jedoch stets strikt ab, um kurz darauf sie, als seine großartigen Gedanken auszugeben. Am Anfang ärgerte ich mich und protestierte dagegen, aber schließlich resignierte ich. Inzwischen hasste ich meinen Job regelrecht, ging mit Widerwillen zur Arbeit und überlegte bereits seit geraumer Zeit, ob ich kündigen sollte. Dies war aber nicht so leicht, denn ich brauchte das Geld, das ich dort verdiente.
Bald nachdem ich einzog, lernte ich Peter Wieland kennen. Er war groß, sportlich und charmant und - wie ich inzwischen wusste - egoistisch und rücksichtslos.
Peter bezauberte mich anfangs durch seine kraftvolle, dynamische Art. Es schien, als würde er jede Schwierigkeit mit Leichtigkeit meistern und aus den Weg räumen. Ich dachte, mit ihm würde alles leichter werden.
Aber ich stellte bald fest, dass dies ein großer Irrtum war. Fünf Monate nach unserem Kennenlernen zog er bei mir ein und machte sich breit in meiner Wohnung und in meinem Leben. Sein Fernseher stand auf meinem Beistelltisch, auf dem ich bis zu diesem Tag meine Sammlung von Farben und Pinseln und anderen Malutensilien aufgestellt hatte und in der ganzen Wohnung lagen seine achtlos hingeworfenen Sportsachen. Die stinkenden Socken auf dem Boden, die verschwitzten Pullis auf den Sesseln und sein Feuerzeug und der Aschenbecher neben der Obstschüssel. Durch seine Unordnung lebte ich in einem ständigen Chaos und er erwartete, dass ich es ebenfalls mochte. Er bestimmte den Tagesablauf und da ich ihn liebte (zumindest dachte ich das zu diesem Zeitpunkt), nahm ich auf seine Wünsche Rücksicht.
Wenn er länger schlief, blieb ich auch liegen, um ihn nicht zu stören. Für mich war es oft eine Qual, da ich gerne morgens aufstand. Ich kochte seine Lieblingsspeisen, die in erster Linie aus Fleisch bestanden (obwohl ich lieber vegetarisch aß) und sah seine Filme, die entweder langweilig oder extrem brutal waren. Nur beim Rauchen gab ich nicht nach. Da ich nicht rauchte, verlangte ich, dass er auf den Balkon ging. Er tat es, aber er machte es immer theatralisch, als wäre es eine unerträgliche Zumutung von mir, von ihm das zu verlangen.
Er zog demonstrativ geräuschvoll die Vorhänge weit zurück, bevor er die Tür öffnete, nahm eine lächerlich dicke Jacke, auch wenn es nicht kalt war, und zog sie möglichst umständlich vor meinen Augen an. Dann ging er mit hochgezogenen Schultern hinaus auf den Balkon. Wie ein grausam Vertriebener!
Automatisch fing ich an seine Sachen aufzuräumen. Dabei überlegte ich, wieso ich mir all seine Launen und sein überhebliches Getue gefallen ließ. Solange er nur zu Besuch in meine Wohnung gekommen war, hatte er sich immer ordentlich gezeigt. Seine Schuhe standen an ihren Platz, seine Jacken waren aufgehängt und das Bad war sauber, wenn er es verließ. Wie Selbstverständlich hatte er bei der Hausarbeit mitgeholfen. Das Geschirr weggeräumt und, wenn er etwas verschüttet hatte, aufgewischt. Ich hatte, in meiner Naivität, meinen Freundinnen voller Begeisterung von seinen ‚Hausmannqualitäten‘ vorgeschwärmt. Doch sobald er eingezogen war, hörte er schlagartig auf damit, so als wäre er ein Anderer.
Wieder einmal überlegte ich mir, was ich falsch gemacht hatte. Langsam schüttelte ich den Kopf. Ich hatte keinen Fehler gemacht. Ich hatte ihn immer wieder gebeten seine Sachen wegzuräumen und im Haushalt mitzuhelfen. Aber er sah mich jedes Mal nur erstaunt an, als würde ich etwas Unmögliches, Unverständliches von ihm verlangen. Es war für ihn selbstverständlich, dass das meine Arbeit war, oder anders ausgedrückt: die Sache der Frau.
Aber nicht nur, dass ich die Hausarbeit machte, sondern ich zahlte auch noch sämtliche Rechnungen für die Wohnung und die Einkäufe. Als ich ihn aufforderte, er möge seinen Teil dazu beitragen, erklärte er mir, dies ginge ihn nichts an, denn es sei doch meine Wohnung und somit meine Angelegenheit.
In letzter Zeit stellte ich mir nun immer öfter die Frage: „Was trägt Peter eigentlich zu unserem Zusammenleben bei?" Je länger ich angestrengt darüber nachdachte, umso mehr wurde mir bewusst, dass er nichts, rein gar nichts für unsere Beziehung tat.
Ich richtete mich auf und sah auf die Socken, die ich in der Hand hielt und plötzlich wurde mir schlagartig klar, dass ich mich schon seit einiger Zeit selbst belog. Ich hatte mir immer wieder eingeredet, dass Peter mein Traummann wäre, aber das stimmte nicht. Bevor ich Peter kennengelernt hatte, ging es mir in jeder Hinsicht besser. Ich war mein eigener Herr, konnte mir mehr leisten und brauchte keine Rücksicht auf einen launigen, selbstherrlichen Kerl nehmen, der seinerseits keinerlei Rücksicht auf mich nahm. Es wurde mir klar, dass meine Lustlosigkeit und mein Frust nicht nur mit meiner langweiligen, unbefriedigenden Arbeitsstelle zu tun hatte, sondern vor allem auch mit Peter.
Niedergeschlagen setzte ich mich auf das bunte Sofa, nahm einen der gelben Polster in den Arm. Fest hielt ich ihn umschlungen, als würde er mir Halt und Kraft gegeben und schmiegte bekümmert meine Wange daran. Den Tränen nahe, grübelte ich vor mich hin.
Wir hatten beide die nächsten Tage frei, aber die Vorstellung, ständig mit ihm beisammen zu sein, verursachte mir förmlich Bauchweh. Ich hatte ihm vorgeschlagen, dass wir gemeinsam eine Reise machen könnten. Ich wäre gerne in eine Stadt gefahren, um eine Besichtigungstour durch die Gassen und Museen zu machen. Er aber wollte lieber mit seinen Kumpeln Freddy und Bernhard in die Berge. Sein Vorschlag war, ich sollte gemeinsam mit ihm und seinen Freunden ins Gebirge. Sie würden ebenfalls ihre Freundinnen mitnehmen. Dort würden wir gemeinsam ein paar Nächte in einer gemütlichen, einsamen Hütte verbringen, auf offenem Feuer grillen und uns gemeinsam unter die Decke kuscheln.
Als er das erste Mal davon sprach, gefiel mir die Idee sogar sehr gut. Ich liebte die Ruhe der Berge, die urtümliche Kraft, die sie ausströmten. Früher war ich eine begeisterte Kletterin gewesen. Aber seit ich mit Peter beisammen war und er den Tagesablauf bestimmte, hatte ich keine Zeit mehr für dieses Hobby gefunden. Aber auch Wandern war O K. Ich würde meinen Zeichenblock mitnehmen und wenn ich keine Lust hatte zu wandern, konnte ich mich vor die Hütte setzen und zeichnen. Ich malte es mir in meiner Fantasie aus, wie herrlich es werden würde, bis ich richtiggehend begeistert war. Doch die Wirklichkeit holte mich sehr schnell brutal ein. Denn bald wurde mir klar, dass Peter nicht vorhatte mit mir zu wandern, sondern ich sollte mich mit den Freundinnen der Freunde beschäftigen.
Ich kannte die Beiden. - Britta eine etwas mollige Blondine mit rotem Schmollmund und ständig Kaugummi wiederkäuend und Elisa, eine fast magersüchtige, zickige Braunhaarige, deren einziges Gesprächsthema ihre vielfältigen Diäten war. Ich hatte nicht die geringste Lust die gehässigen Bemerkungen und ständigen Nörgeleien der Beiden zu ertragen, die sie unentwegt von sich gaben. Sie hatten an Allen etwas auszusetzen und kritisierten ständig jeden, der ihnen zu nahe kam. Ich stellte mir unter einen schönen, erholsamen und amüsanten Urlaub etwas anderes vor.
Als ich Peter darauf ansprach, dass ich doch mit ihm und seinen Freunden auf die Berge aufsteigen könntet, und wenn ich es nicht schaffte, einfach auf sie warten oder umkehren würde, war er nicht gerade begeistert davon. Ich konnte es ihm förmlich ansehen, dass er das nicht wollte. Im Grunde wollte er seine Gipfelsiege nur mit seinen Freunden feiern und das mit ausgiebig Alkohol. (Für diesen Zweck hatte er schon vor einer Woche zwei Kisten Bier besorgt. Alles andere durfte ich besorgen, beziehungsweise organisieren.) Für mich war in seinen Plänen genaugenommen kein Platz. Außerdem hatte er seinen Freunden bereits versprochen, dass ich die Rolle des fleißigen Hausmütterchens in der Hütte übernehmen würde, denn Britta und Elisa dachten nicht im Traum daran diese Rolle zu spielen. Er war nicht einmal auf den Gedanken gekommen, dass ich dies vielleicht nicht wollte, geschweige denn, dass er mich gefragt hätte. - Wie kam er nur dazu mich dafür vorzuschlagen? Als ich das vor wenigen Tagen zufällig beim Frühstücken erfuhr, blieb mir der Bissen, den ich gerade im Mund hatte, fast im Hals stecken. Ich war so wütend, das ich kein Wort herausbrachte. Der Appetit aber war mir restlos vergangen.
Ich starrte ihn eine Weile sprachlos an. Aber er tat, als merke er es nicht. – Wahrscheinlich war es auch so. - Vor Zorn brachte ich kein Wort heraus. So stand ich langsam auf und machte mich fertig, um zur Arbeit zu gehen. Ich nahm mir vor am Abend mit ihm noch einmal darüber zu reden, aber wie immer wenn es ein Problem gab, (oder genau genommen, wenn ich ein Problem hatte,) kam er erst spät nachts nach Hause, so dass er sicher sein konnte, dass ich schon lange schlief. Er machte es sich leicht. Für ihn war die Sache damit erledigt. Er dachte wohl, ich würde so, wie in letzter Zeit immer, klein beigeben und es einfach akzeptieren. - Kannte er mich denn so wenig, oder war es ihm einfach egal, was ich dachte und fühlte?
Wenn ich heute daran zurück denke, glaube ich das Zweitere.
2. Kapitel
Ich hatte es endgültig satt. Und jetzt wusste ich auch, dass ich nicht länger meine Gefühle ignorieren konnte, sonst würde ich mein restliches Leben von Peter ausgenützt und tyrannisiert werden.
Erst vor Kurzen hatte er sich darüber beschwert, dass ich ihn in seiner Freiheit zu sehr einschränken würde. Und das nur, weil er, bevor er seine Freunde in der Kneipe traf, sein Auto vom Service holen sollte.
Normalerweise ließ er mich nicht mit seinem Auto fahren, nur wenn es darum ging es zum Service oder zur Reparatur zu bringen, änderte er schlagartig seine Meinung. Dann hieß es plötzlich ‚Frauen wären Gleichberechtigt und hätten auch technisches Verständnis, anstatt den üblichen Sprüchen wie ‚Frauen hintern Steuer, Ungeheuer! ‘ und dergleichen Abgedroschenes. Er war es gewöhnt, dass ich solche lästige Dinge erledigte. Doch an diesem Tag musste ich länger arbeiten und hatte keine Zeit dafür. Daher wagte ich es, ihn darum zu bitten. Er regte sich maßlos darüber auf und beschuldigte mich, ich würde es mit Absicht tun, nur um ihm das Leben schwer zu machen. Er drohte mir sich seine Freiheit zurückzunehmen. Sollte er sie sich doch nehmen. In Zukunft würde ich ihn nicht mehr einengen und seine Freiheit würde ich ihm nachschmeißen, beschloss ich. Und zwar sofort, damit ich nicht wieder schwach würde.
Ich stand auf und holte ein Blatt Papier aus der Schublade des Kastens, setzte mich an den kleinen runden Tisch in der Ecke des Wohnzimmers und fing an zu schreiben:
‚Lieber Peter…‘
Ich hielt inne und betrachtete diese zwei Wörter, die mir, wie mir schien, höhnisch entgegen lachten.
WAS FÜR EINE LÜGE!
Er war schon lange nicht mehr mein „Lieber Peter". Ich nahm das Blatt und zerriss es zornig in lauter kleine Stücke und warf diese in den Papierkorb unter dem Tisch, den ich mit meinem Fuß heranzog. Dem zweiten und dritten Blatt erging es nicht besser. Ich hatte nicht geahnt, dass es so schwer sein würde ihm einen Abschiedsbrief zu schreiben. Schließlich hielt ich inne und starrte einige Zeit lang nachdenklich aus dem Fenster.
Draußen war es trist und grau. Seit Tagen regnete es in Strömen und die düsteren Wolken am Himmel ließen keine Besserung des Wetters erwarten. Immer wieder prasselten plötzliche Regengüsse auf die Fensterscheibe. Dann sah man, wie die Tropfen am Glas hinunterliefen und sich auf der Fensterbank sammelten und dort kleine Pfützen bildeten. So saß ich da und beobachtete die Regentropfen. Die Zeit verstrich, ohne dass ich eine passende Formulierung fand. Endlich sammelte ich meine Gedanken wieder und konzentrierte mich auf das, was ich schreiben wollte. Ich setzte neuerlich zum Schreiben an und verzichtete auf die Anrede. Stattdessen schrieb ich auf den letzten Bogen Papier, der vor mir auf dem Tisch lag:
‚Ich fahre weg!
Nimm dir deine Freiheit, deinen Fernseher und deine Sachen und zieh aus!
PS.: Und vergiss deinen Aschenbecher und die Bierkisten nicht!
Den Schlüssel wirf in den Postschlitz!
Erleichtert legte ich meinen Schreiber neben das Blatt und stand auf. Es hatte keinen Sinn es nochmals zu lesen, denn es würde nichts mehr ändern.
In der Ecke stand mein bereits für die Bergtour gepackter Rucksack. Ich hob ihn hoch, drehte ihn um und entleerte ihn auf das Sofa. Schließlich türmte sich die ganze Ausrüstung, die für die Wanderungen vorbereitet war, darauf.
Ich hatte immer davon geträumt einmal, einfach aufs gerade Wohl, in den nächsten Bus oder Zug zu steigen und loszufahren, ohne vorher etwas zu planen.
Nun würde ich es tun.
Den Rucksack in der Hand ging ich zum Kleiderschrank und statt der Wanderausrüstung legte ich drei T- Shirts, zwei Jeans und Wäsche hinein. Ich wollte nur das nötigste Mitnehmen, damit ich nicht zu viel Gepäck mit mir herumschleppen musste, das mich behindert hätte. Zwei Pullis vervollständigten meine Ausrüstung. Zahnbürste, Bürste und Handtuch und meinen Bikini stopfte ich in eine Seitentasche. Schließlich wusste ich nicht wo ich landen würde. Dann schnappte ich meinen griffbereiten Pass und das Kuvert mit Geld, welches ich gestern für den Urlaub im Gebirge von meiner Bank abgehoben hatte und gab sie in meine braune Umhängetasche. Ich sah mich nochmals um, ob ich etwas vergessen hatte. Dann atmete ich tief durch.
Kurz überlegte ich noch, ob ich mich duschen und umziehen sollte, verwarf den Gedanken jedoch und griff stattdessen nach meinen Sachen und ging in den Vorraum, wo ich meine bequemen Turnschuhe anzog und meine Jacke vom Haken nahm.
Es war besser gleich loszufahren. Ich wollte vermeiden Peter noch einmal zu begegnen. Er hätte vielleicht versucht mich zum Bleiben zu überreden. Und ich kannte mich gut genug um zu wissen, dass ich schwach geworden wäre.
Ich öffnete die Tür, um hinaus in den Gang zu treten, dabei fiel mein Blick auf den Koffer mit Farben und Papier, der zwischen Peters Sportsachen hervor blitzte. Er stand seit geraumer Zeit achtlos und ungenutzt in der Ecke gestanden, da Peter keinerlei Verständnis für meine Malerei hatte. In seinen Augen war es nur Gekritzel oder Kleckserei, wobei er nicht zögerte seine Meinung lautstark heraus zu posaunen. (Am liebsten in Gegenwart seiner Freunde).
In den nächsten Tagen würde ich eine Menge Zeit mit mir alleine verbringen und so würde ich genug Muse fürs Malen haben. Also hängte ich auch noch den Riemen meines hölzernen Malkoffers über die Schultern, trat nun endgültig hinaus auf den Gang und schloss mit einem halb erleichterten halb ängstlichen Gefühl die Tür sorgfältig hinter mir ab.
3. Kapitel
Das Einschnappen des Schlosses und das Zusperren mit dem Schlüssel hallten überlaut durch den langen stillen Gang. Langsam ging ich, den mit grünen Teppichen ausgelegten Flur entlang, die Stiege hinunter zur Haustür. Vorbei an den einzelnen Wohnungstüren, deren Bewohner ich meistens nur flüchtig kannte, da sie häufig wechselten. Hier herrschte Anonymität. Bestenfalls grüßte man sich mit einem kurzen Nicken. Aber oft wandten die anderen Bewohner nur den Blick zur Seite und gingen stumm vorbei, als fürchteten sie belästigt zu werden. Normalerweise störte mich das nicht, aber in diesem Moment wünschte ich mir jemanden, der mich vermissen würde.
Als die Haustür hinter mir ins Schloss fiel, zuckte ich zusammen. Dieses Geräusch hatte etwas Endgültiges an sich. Für einen Moment schloss ich meine Augen und stand still und bewegungslos vor der Eingangstür.
Zum Glück fand ich keine Zeit mehr, über das was ich tat, lange nachzudenken.- Wer weiß, womöglich hätte ich kehrt gemacht.- Doch als ich die Augen öffnete, sah ich bereits auf der belebten Straße den näherkommenden Bus, der in Richtung Bahnhof fuhrt.
So packte ich meine Sachen fester und rannte eiligst zur nahen Haltestelle. In letzter Sekunde sprang ich, durch den sich bereits schließende Eingang des