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Jikaila, Die Splitter der Erinnerung I
Jikaila, Die Splitter der Erinnerung I
Jikaila, Die Splitter der Erinnerung I
eBook464 Seiten5 Stunden

Jikaila, Die Splitter der Erinnerung I

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Über dieses E-Book

Die Welt Terklora ist gefangen im ewigen Genderkrieg zwischen Phallokratien und Matriarchaten. Als die Entscheidung näherrückt, wird in der fenlorischen Stadt Telvenkeskua eine junge Frau ohne Erinnerung aufgefunden, die sich bald als die legendäre Kriegerin der Frauen, die Jikaila, zu entpuppen scheint. Ist sie gekommen, die Frauen im letzten Kampf gegen das andere Geschlecht zu führen? Oder geht es doch um andere, noch düsterere Dinge, wie die Ritualmorde in der Hauptstadt Targomua? Eine Magaermittlerin der fenlorischen Stadtwache, ein Sklavenjäger aus Gysanien, ein junger Krieger aus Terkonnia und andere geraten in den Strudel der Ereignisse, in deren Mittelpunkt die Jikaila und der Grund stehen, aus dem sie erwacht ist.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Dez. 2014
ISBN9783738011074
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    Buchvorschau

    Jikaila, Die Splitter der Erinnerung I - Alexa Keller

    Prolog

    Sie war allein. Am Anfang und am Ende allein. Einerlei, ob Anfang oder Ende, ist nicht jedes Ende auch ein Neubeginn?

    Allein in der Schwärze, dem Nichts, sich selbst ausgeliefert, erschrocken vor der Leere in ihrem Inneren, schwärzer noch als die Äußere.

    Ihr Inneres, ein Gefäß, geleert, um gefüllt zu werden. Aber war da nicht doch etwas? Sie tauchte hinab in diese Schwärze in ihr, und spürte wie sie zugleich fiel durch die Finsternis, die sie umschloss.

    Fallend und tauchend, handelnd und doch ausgeliefert, war es nicht immer so gewesen?

    Da war etwas in der Dunkelheit, tief vergraben, nun aufblitzend wie Splitter eines geborstenen Kristalls.

    Geborsten wie ihre Seele. In den Splittern war Bewegung, Bilder winzig klein und doch scharf wie die Kanten des Kristalls.

    Sie versuchte zu sehen, zu verstehen. War sie das dort, kämpfend, tötend, leidend und sterbend?

    War es nicht immer so gewesen? Einen Moment wusste sie, es würde wieder so sein.

    Sie schlug auf.

    I

    Telvenkeskua, Zarijat Fenlora, 26.Juni 2.325, 1.Stunde

    Betaleta der Tafuxa Telvenkeskua (Feldwebel der Polizei) Aniga Germantov war nicht schnell aus der Ruhe zu bringen. Sie war seit 23 Jahren im Polizeidienst, immer in den Straßen Telvenkeskuas, und da musste schon mehr kommen als eine Messerstecherei zwischen einer rayatshischen Jugendbande und zwei blonden Wehrpflichtigen mit zu hohem Alkohohlgehalt und niedrigem Intelligenzquotienten.

    Während ihre Streifenkollegin, Nevashee Islenko, über Komspiegel das nächste Heilungshaus verständigte und um rasche Entsendung einer Ambulanzkutsche bat, besah sich Aniga gemächlich die Bescherung. Blonde Nummer Eins saß gegen eine Hauswand gelehnt am Boden, Blut sickerte oberhalb ihrer linken Hüfte aus einem Schnitt in ihrem schwarzen Ledermieder. Sie jammerte kläglich, kurz vorm Heulen. Blonde Nummer Zwei dagegen stand neben Aniga und plapperte aufgeregt auf die Tafuxa ein. Von den Rayatshas war natürlich nichts mehr zu sehen. Sie war zudem sicher, dass für die zwei blonden Schicksen eine Rayatsha mit ihrer braunen Haut, den dunklen Augen und Haaren wie die andere aussah. Die Täterinnen würden also nie gefasst werden.

    Die Wunde von Blondie Eins war nicht tief und blutete nicht wirklich stark. Die Rayatshas schienen nicht wirklich böse gewesen zu sein. Wahrscheinlich waren sie von Kalimejat Nudhya, den Blumen der Nacht, gewesen. Dieses Syndikat beherrschte den Shasha-Handel in der Gegend, und seine Mädels waren sehr schnell mit der Klinge bei der Hand, vor allem bei großmäuligen Weißen, die sich für die Krone der Schwesternschaft hielten.

    „Dieser braune Abschaum gehört in die Fleischfarm gesteckt," schimpfte Blondie Zwei, und Aniga brummte unbestimmt.

    Nevashee meinte beruhigend zu Blondie Eins:

    „Die Kutsche mit der Heilmaga ist gleich da."

    „Es… es tut so weh."

    „Ganz ruhig, Hilfe kommt, Kleine."

    Aniga sah sich um. Die Kazenu Murani, Straße der Trauer, war bis auf ihr Grüppchen völlig verlassen. Ein halb abgerissenes Plakat für einen Tanztempel flatterte schwach in der lauen Brise der Nacht. Gegenüber lag der Friedhof, dem die Straße ihren Namen verdankte, der Älteste der Stadt. Wenn ihre Kollegin und sie sonst nachts hierher kamen, dann wegen dämlicher Dämonenladrixes die auf dem Friedhof ein Fuwup-Mupp opfern oder Geister beschwören wollten. Dumme, verwöhnte kleine Schicksen, die nichts Besseres zu tun wussten, als…

    Was war das gewesen? Im Zentrum des Friedhofs, etwa 200 Meter (?) im Inneren, hatte es einen blendenden Lichtblitz gegeben. Wirkte dort jefrau Magie?

    „Hast Du das bemerkt?" fragte Aniga ihre Partnerin.

    „Was, Ani?"

    „Den Lichtblitz, drüben bei den Toten. Magie, wenn Du mich fragst."

    „Nein. Ah, da ist schon die Kutsche."

    Eine von vier Khakumons gezogene Ambulanzkutsche im Gelb der Dashefumon – des Ordens der Heilerinnen – bog von links kommend in die Straße ein und näherte sich rasch.

    „Komm, ich will mir das ansehen."

    „Die Blonden…"

    „Die Heilerin wird sich drum kümmern"

    Blondie Zwei zeterte:

    „Ihr werdet die Schlampen doch erwischen, oder? Sie sollen zahlen, das Ausländerpack!"

    Nevashee tätschelte ihr beruhigend den Arm und nickte abwesend. Die Kutsche hielt, eifrig sprang eine junge Heilmaga heraus, ihre gelbe Ordenskleidung vom Mieder bis zu den Stiefelspitzen korrekt und glänzend. Selbst ihr wippender roter Zopf strahlte Eifer aus. Ihr folgte, erheblich langsamer, eine stämmige Assistentin, deutlich älter schon, mit kurzen schwarzen Haaren und grünen Augen.

    Nevashee instruierte die eifrige Jungheilerin, die sich sogleich zu der Verletzten beugte.

    Die Assistentin sprach Aniga mit vor Langeweile triefender Stimme an:

    „Ruhige Nacht heute. Ist Neumond."

    Aniga spähte immer noch zum Friedhof hinüber. Bewegte sich dort etwas zwischen den Erinnerungssteinen)?

    „Ja, nix los heute. Aber warte bis morgen, wenn die Baflayas kommen."

    „Wir werden sie abziehen. Hast Du Dienst?"

    „Nein, hab getauscht."

    „Du Fuwupp-Mupp!"

    Die putzigen kleinen Haustiere galten als Inbegriff des Glücks in Fenlora. Baflayas – Schmetterlinge, waren die Hockai-Frauschaft der Stadt Aridantua, die morgen ihr Meisterschaftsspiel gegen Telvenkeskua hier absolvierten. Großkampftag für Tafuxas und Heilerinnen. Nicht, dass die Fans des Hockaisports in Fenlora so gewalttätig gewesen wären wie die Phallokraten mit ihrem brutalen und tumben Dostek, aber auch hier schlugen die Emotionen hoch, und der Alkohohl tat ein Übriges.

    „Werd mir das Spiel im Clubhaus auf dem Mapazak ansehen."

    Jede Gaststätte im Zarijat, die etwas auf sich hielt, nannte ein magisches Artefakt zum Abspielen bewegter Bilder, von Magas aufgenommen und an die Geräte gesandt, sein Eigen – die Mapazaks.

    Dort drüben bewegte sich tatsächlich etwas. Etwas Bleiches. Kurz kam Aniga die Vorstellung eines wandelnden Skeletts in den Sinn. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Das war Unsinn! Sie schalt sich eine Närrin, ging schon zwei, drei Schritte auf den Friedhof zu.

    „Na toll, ich hab Dienst. Hörst Du mir überhaupt zu?"

    „Wir müssen da eben was überprüfen. Wir sehen uns, ja?"

    Aniga winkte ungeduldig Nevashee, die kritisch die junge Heilerin musterte.

    „Komm, Neva."

    „Ja, komme schon. Bist Du sicher, da ist etwas?"

    „Verdammt ja. Da war dieses helle Licht, und jetzt bewegt sich etwas dort zwischen den Steinen."

    „Ein terkonnischer Magierjüngling, der ins Bett masturbiert und nen fehlerhaften Teleport hingelegt hat?"

    Nevashee brachte den alten Witz mit bierernster Stimme und Mimik. Bei Männern standen Pubertät und erwachende magische Kräfte in engem Zusammenhang. Tanzende Hormone führten dabei manchmal zu unbeabsichtigten, heftigen Zaubern, die sich real aber zumeist im Rahmen von magisch gewachsenen Pickeln, wundersamer Färbung der Bettwäsche oder dem Verlängern einer Nase oder der Zehen des Betreffenden hielten. Gerüchte und Witze jedoch wollten wissen, die fraglichen Jünglinge verwandelten ihre Eltern in Mieps, setzten das Haus in Brand oder teleportierten sich über tausende Meilen in matriarchalische Gefilde.

    Gerade Letzteres war barer Unsinn, brachte doch kein Teleporter Terkloras mehr als 20 oder 30 Meilen Entfernung per Zaubersprung hinter sich, ohne die Hilfe eines Portalartefakts zu nutzen.

    „Ich lach später. Schau, da ist es wieder!"

    „Bei der Jikaila, jetzt seh ichs auch."

    Die Waffenhände beider Tafuxas gingen nicht zum Latexoog – dem Gummiknüppel – an der Hüfte, sondern zu den Katanas auf ihren Rücken, deren Griffe über ihre linken Schultern ragten – die meisten Menschen Terkloras waren LinkshänderInnen.

    Sie tauschten einen Blick, ein kurzes Nicken, und die langen gebogenen Klingen glitten aus den Scheiden.

    Am Haupttor der Ruhestätte angekommen, öffnete Aniga das Tor, welches auch nachts nicht verschlossen war. Ein kurzer, schriller Schrei von rückwärts sorgte für kurze Ablenkung, als die Maga die Wunde von Blondchen Eins mittels Zauber heilte. Dies war schmerzhaft und bedeutete große Anstrengung für die Verletzte, kamen die Kräfte für den beschleunigten Heilvorgang doch aus der zu Heilenden selbst.

    Die beiden Tafuxa, die Schwerter beidhändig geführt vor sich, beschritten die geharkten Kieswege zwischen den Gräbern, näherten sich dem Zentrum des Ortes. Kleine Kiriöllichter flackerten vor den Erinnerungssteinen, verbreiteten ein bläuliches Licht, dass zu phantasievolle Gemüter für unheimlich halten mochten. Zuviel Phantasie konnte keiner den beiden Ordnungshüterinnen vorwerfen.

    Sie umrundeten den protzigen Stein einer ehemaligen Provinzgouverneurin, und da war sie.

    Nackt und bleich, mitten auf einem Grab, mit Händen und Füssen ziellos in der Erde scharrend, als wollte sie sich hinein graben, um die Überreste der Verstorbenen zu umarmen.

    Beiden Tafuxa fuhr ein Schauder das Rückgrat entlang, Nevashee gab unwillkürlich einen Laut des Erschreckens von sich.

    Das Wesen sah auf, ein bleiches Gesicht, umrahmt von wilden, wirren schwarzen Haaren, deren Strähnen sich wie Schlangen zu winden schienen. Große, braune Augen, erfüllt von Schmerz und Verwirrung starrten zu den beiden Bewaffneten hoch.

    Einen Moment glaubte Aniga, eine Razigu, eine mächtige, gefährliche Vampirin aus der Dämonensphäre vor sich zu haben, doch dann öffnete die Bleiche den Mund und keine spitzen Fänge offenbarten sich, stattdessen floss Speichel über ihre Lippen und ein wildes Stöhnen, in dem aller Schmerz der Welt zu liegen schien, brach hervor.

    Es war nur eine Frau, eine sehr verwirrte junge, schöne Frau, eine Schwester in Not.

    Aniga steckte das Katana zurück in die Scheide und griff nach ihrem Komspiegel. Nevashee brauchte einige Augenblicke länger, bevor auch sie das Schwert wegsteckte und sich entspannte.

    Der Bleichen liefen jetzt Tränen über die Wangen, sie stammelte Unverständliches.

    Aniga sah sie mit Mitgefühl in den Augen an und aktivierte den Komspiegel.

    „Shalim Kappa an Zentrale. Standort Kazenu Murani, Friedhof. Verwirrte, hilflose Person. Heilmaga bereits vor Ort."

    „Zentrale verstanden, Shalim Kappa. Komisch, und das an Neumond."

    Die Tafuxa ignorierte die letzte Bemerkung, verstaute das Kommunikationsartefakt wieder und ging vor der jungen Verwirrten in die Hocke.

    Nevashee wandte sich zum Gehen und sagte:

    „Ich hol die Heilmaga. Fall für die Seelenheilerinnen, das arme Ding. Ein Jammer, so ein hübsches Mädchen."

    Aniga brummte und streckte vorsichtig eine Hand nach der jungen Frau aus. Sie wollte deren lange Finger aus der Erde des Grabes lösen.

    Für einen sehr kurzen Moment verdunkelte sich das Gesicht des Mädchens, ihr unsteter Blick fokussierte sich. Wenig Phantasie oder nicht, Aniga besaß einen ausgeprägten Instinkt für Gefahr, Ergebnis jahrelangen Streifendienstes in einer der größten Metropolen des Zarijats und Zentrum des Shashahandels, möge die Jikaila das verfluchte Zeug holen. Und in diesem Augenblick, der so schnell verging wie er gekommen war, spürte sie Lebensgefahr. Dieses Mädchen war gefährlich, sehr gefährlich. Dann war es vergangen, und die junge Blasse blickte sie jammervoll an und stammelte hilflos.

    Behutsam löste Aniga des Mädchens Finger aus dem Dreck.

    „Ja, alles wird gut. Ganz ruhig. Alles wird gut, mein Fuwupp-Mupp. Kannst Du mir Deinen Namen sagen?"

    „Ashg… agg.. nnnn…"

    „Ganz ruhig."

    „Ash Krasn… Ashexee Krasnajal."

    Das Letzte kam mit erstaunlicher Klarheit heraus. Die Verwirrte hatte eine schöne, angenehme Altstimme.

    „Was machst Du hier, Danja?"

    „Ich… wo bin ich? Was? Ich… ich bin so allein. Am Ende bin ich immer allein."

    „Ich bin doch hier, schöne Schwester. Ich passe auf Dich auf. Wir bringen Dich erstmal ins Bett, dort kannst Du etwas ausruhen, einen Draal trinken. Ist das gut?"

    „Allein… immer allein."

    Der Blick des Mädchens – Ashexees – wurde wieder unscharf. Sie weinte wieder.

    Aniga seufzte. Bestimmt würden die Seelenheilerinnen ihr helfen können. Meistens konnten sie das. Ob sie magisch begabt war? Der Lichtblitz deutete darauf hin. Geisteskranke Magas waren per se gefährlich, ob sie wollten oder nicht. Aber Aniga spürte, dass jetzt Nichts mehr geschehen würde. Ashexee schluchzte, ihr schlanker Leib zitterte. Aniga zögerte nur kurz, dann nahm sie das arme Ding in die Arme.

    So saßen sie noch, als Nevashee mit der Heilerin und ihrer Assistentin hinzutrat.

    II

    Lesagaux, Gysanien, 27.Juni 2.325, 20.Stunde

    „Eure Arroganz ist extraordinär, mein werter Dartagne."

    „Arroganz, schöner Pligourette, ist das Vorrecht der Fähigen und Erfolgreichen."

    „Ha! Ihr hattet unglaubliches Glück drüben in Fenlora. Jeder, ich sage, JEDER, mit nur ein bisschen Verstand und Esprit hätte die Situation zu seinem Vorteil genutzt."

    Etienne Dartagne lehnte sich in seinem bequemen weißen Ledersessel zurück und sagte nichts. Bastalore Pligourettes Eifersucht und Neid waren geradezu sprichwörtlich, und wenig Gewinn hätte darin gelegen, ihn überzeugen zu wollen.

    So ließ Etienne unerwähnt, dass die Entführung von 25 schönen fenlorischen Shakeshas (Händlerinnen) von ihrer Privatparty im Hinterzimmer eines Benemus (Gasthaus) in Jedalestua nur durch die Beimischung eines magischen Tranks in ihr Essen möglich war. Der Trank, in Gysanien als Madamellesdompteurex, „Ladyzähmer", bekannt, hatte die nämlichen Damen lammfromm und hilflos gemacht, so dass sie wie Blumen gepflückt werden konnten.

    Selbstverständlich war die Beimischung des Trankes in der Damen Speise nur dem Koch möglich gewesen, den zufälligerweise ER gegeben hatte. Seinen exorbitanten Kochkünsten war es zu verdanken, dass er sehr kurzfristig als Küchensklave in besagtem Benemu eingesetzt worden war. Der kurzfristige Einsatz wiederum war seinen herausragenden Verführungskünsten zu verdanken, mit deren Hilfe er eine Sklavenhändlerin von SHEGULLUMOL Jedalestu, Leihsklaven Jedalestua, umgarnt und zu seiner Komplizin gemacht hatte.

    Auch sprach er nicht davon, dass es gewisser schauspielerischer Talente und einer gehörigen Portion Nervenstärke bedurfte, einen Sklaven in Fenlora zu geben, zumal die Küchenaufsicht des Benemus an besagtem Abend wohl schlechten Stuhlgang gehabt hatte, setzte sie doch ihren Strafstab(terkl.Begriff!) allzu oft ein und beäugte alles, inklusive Etiennes Kochkünsten in Aktion, mit mißtrauischen Augen. Etienne hatte die blauäugige Blondine letztlich der Sammlung hinzufügen müssen. Er hatte Anweisung gegeben, sie auf eine spezielle Diät zu setzen, die ihren Verdauungsproblemen Rechnung trug.

    Alles in allem, war es allein seinen mannigfaltigen, in ihrer Kombination einzigartigen, Talenten zu verdanken, dass ihm die Aktion geglückt war. Der gute Bastalore konnte von derlei nur träumen. Zudem er nur mit einem vollen Dutzend haariger Hommes Memaloux (Lederschwuler) auf Fang auszog, während Etienne auch diese Sache solo durchgezogen hatte.

    „Mon Lorn! Mein Fingernagel ist abgebrochen, seht nur, mes amieieux!"

    Bastalore Pligourette musterte den Sprecher, den in pink-weiß gekleideten Joubert Astenboueff, indigniert.

    „Wir führen hier eine ERNSTHAFTE Diskussion, schöner Joubert. Bitte, halte Dein Mäulchen geschlossen und laß uns bei allen zu lockeren Knebeln IN RUHE, Deine Maniküre ist nun WAHRLICH nicht das Thema."

    Pligourette pflegte gerne das ein oder andere Wort im Satz überzubetonen, eine Affektiertheit, die Etienne für ebenso überflüssig und sterbenslangweilig hielt wie Jouberts Obsession mit seiner äußeren Erscheinung oder Geraldoux Omphennes, des vierten Sklavenfängers in der Runde, schlecht verhüllte Fresssucht.

    Omphennes nahm am Gespräch nur mit Grunzen und anderen unappetitlichen Lauten teil, verspeiste er doch gerade sein drittes Stück Mashmakuchen mit Suslasahne und Banidrops.

    Die vier Gysanier saßen im hinteren, ruhigeren Teil des Cluboux Cashais de Lymelles, einem in weiß und blau gehaltenem Etablissement, in dem sich die exquisite Zunft der Fänger von Frauen versammelten. Dies war insofern ungewöhnlich, als in Gysanien, und speziell der Hauptstadt Lesagaux, an beinahe jeder Ecke ein Club für Sklavenfänger zu finden war, die sich der Jagd nach männlicher Beute verschrieben hatten. Der Markt für und das Interesse an weiblichen Sklaven war im homosexuellen Land deutlich schwächer ausgeprägt, wenngleich für niedere Haushaltsarbeiten wie auch die schnöde Fortpflanzung Sklavinnen benötigt wurden. Und dann gab es natürlich noch die Lymellesshopralleurs, die Sklavinnensammler. Trotz der homosexuellen Sozialisation der Gysanier wussten viele von Ihnen Schönheit und Ästhetik sehr zu schätzen, und die Frau an und für sich war ein unbestreitbar ästethisches Wesen, etwa auf einer Stufe mit Gemälden, Gedichten, Blumen und einem guten Gericht.

    Es existierte also durchaus ein Markt für schöne und außergewöhnliche Frauen, und da der Ruf der gysanischen Fänger so gut war, erhielten sie gar Aufträge aus dem Ausland, so aus dem terkonnischen Clan Kalantia, Zylevi oder gar dem fernen Rayatsha.

    Der Gipfel der Kunst war natürlich, die „Kundinnen" in matriarchalischen Staaten einzusammeln, wo jedem erwischten Sklavenfänger höchst unangenehme und endgültige Strafen drohten. Und Etienne Dartagne war unbestreitbar, egal was Bastalore oder andere sagten, auf dem Gipfel.

    Mit nur 26 Jahren war sein Ruf in der Zunft bereits legendär, und Etienne rechnete es sich zur besonderen Ehre an, dass er auf den Fahndungslisten des Zarijats Fenlora für Sklavenfänger ganz weit oben stand. In einem Land androgyner und femininer Männer, komplettiert durch eine Gemeinde harter, haariger Lederkerle, war er eine unauffällige Erscheinung, sein schulterlanges braunes Haar nicht aufwendig mit dem Lockenstab behandelt, seine Augenpartie nicht geschminkt, es sei denn, er wollte es so, und seine Kleidung in gedeckten Farben und sehr praktisch und bequem. Davon abgesehen, war er natürlich ein Verwandlungskünstler und Schauspieler erster Güte, der sowohl einen zwar kleinen und schlanken, aber dennoch furchtbar engstirnigen Terkonnier geben konnte, als auch mehr als einmal eine überzeugende Fenlora mit etwas herben Zügen, aber nicht unattraktiv, dargestellt hatte.

    Geraldoux verschlang das letzte Stück Kuchen, tupfte sich mit einer parfümierten Seidenserviette die wulstigen, blassrosa geschminkten Lippen ab, und schaltete sich in die Diskussion ein.

    „Werter Pligourette, mein Bester, unbestreitbar war Dartagnes letzte Arbeit eine reife Leistung, würdig seiner anderen großen Unternehmungen. Lasst Euch vom Neid nicht eine Augenbinde anlegen."

    „Ich bin NICHT neidisch. NIEMALS gäbe ich mich einem so niederen Gefühl hin. Ich habe meine eigenen Erfolge, die mich mit großem STOLZ erfüllen."

    „Sicher, mein Schöner. Lym! Noch einen Mashmakuchen. Bitte etwas mehr Sahne und Drops diesmal. Ich zahle einen sündhaft teuren Clubbeitrag, da sollten schon mehr als fünf Drops drin sein."

    Der Sklave, angetan nur mit einem knappen weißen Lederslip und kniehohen weißen Stiefeln verziert mit Silbermünzen, ein Rakizeshkin mit edlem Gesicht und rötlicher Haut, nickte beflissen und eilte davon. Der Service des Hauses war exzellent, doch Etienne hatte nie verstanden, warum ausgerechnet ein Club für SklavINNENfänger männliche Sklaven beschäftigte.

    Bastalore Pligourette steckte eine Zigarette in seine graumelierte Spitze und wirkte immer noch beleidigt. Joubert Astenboueff feilte an seinem abgebrochenen Nagel herum und schien nicht willens, dem Gespräch zu folgen. Geraldoux wandte seinen Blick von der appetitlichen Kehrseite der Rothaut ab und fuhr fort:

    „Seht, Freunde. Monsieur Dartagne ist zweifellos der Beste unserer Zunft, und das trotz seiner jungen Jahre. Aber sagt, Etienne, kann Euch das noch befriedigen? Ich denke, die Zeit ist gekommen, weiter zu gehen. Ihr seid bekannt, vielleicht gar berühmt, doch wenn ihr zu einer echten Legende werden wollt, an die sich die Menschen noch in ferner Zukunft erinnern, so müsst ihr Euch ein Denkmal setzen."

    Etienne hob eine Braue und trank von seinem Wein.

    „Ein Denkmal? Ihr meint, ich sollte das ganze Zarijat samt Zarija und allen ihren Legionen auf einmal entführen?"

    Pligourette kicherte:

    „Puh, am Ende traut ihr euch das gar zu. Das grenzt an Größenwahn, Dartagne, GRÖSSENWAHN!"

    Geraldoux hob einen fetten, beringten Finger.

    „Nicht ganz, großer Dartagne. Aber was, wenn ihr die Tour de Herculles wiederholt?"

    „Warum sollte er das tun? Selbst ich WEISS, dass er das Meisterzertifikat mehr als berechtigt sein Eigen nennt."

    Das will ich meinen, wo doch selbst DU es bekommen hast, mein lieber Bastalore, dachte Etienne amüsiert.

    „Naturelement soll der gute Etienne nicht seine Prüfung wiederholen. Nein, er soll eine Tour de Herculles absolvieren, die seinen Fähigkeiten angemessen ist. Eine echte Herausforderung, und wie in der Legende, sollen es zwölf Aufgaben sein, die er nacheinander zu bewältigen hat."

    Überraschend schaltete sich Joubert ins Gespräch ein, indem er mit seiner himmelblauen Nagelpfeile nach Etienne stach und ausrief:

    „Das ist eine wundervolle Idee! Viel Spaß und Abenteuer und ein Dartagne an seinen Grenzen! Nehmt ihr an, sagt, nehmt ihr an?"

    Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Etienne verspürte tatsächlich mehr als nur einen Hauch von Überdruß, und Geraldouxs Idee entzündete seine Phantasie. Tour de Herculles – Die Reise des Herkules – nannte man in Gysanien traditionell die Meisterprüfung der Sklavenfänger. Der Ausdruck ging auf eine alte Geschichte von einem Helden zurück, der zwölf schöne, gefährliche Königinnen und Hexen einfangen und zähmen musste, um Lorns, des phallokratischen Hauptgottes, Gunst zurückzuerhalten. Die Legende existierte in abgewandelter Form in der Erzphallokratie Terkonnia, wo der Held selbstredend in blutigem Gemetzel zwölf Monster erschlagen musste. Etienne verzog kurz das Gesicht – diese phantasielosen Barbaren.

    „Also schön, Geraldoux. Das klingt interessant. Ich bin geneigt, die Herausforderung anzunehmen."

    „Und wir suchen die Missionen und Opfer aus?"

    Bastalore zog an seiner Zigarettenspitze, blies mit gespitzten Lippen Rauch aus und konnte ein wahrhaft boshaftes feines Lächeln nicht unterdrücken.

    „Eine Bedingung jedoch bitte ich mir aus."

    Geraldoux nickte Etienne zu und lächelte jovial.

    „Nur zu, Meister Etienne, nur zu, lasst hören."

    „Ich bitte mir das Recht aus, die Kundinnen nach Präsentation vor euch gegebenenfalls wieder in die Freiheit zu entlassen."

    Joubert quiekte entsetzt auf:

    „Iiih, Humanität und Gefühlsduselei! Es sind nur Schlampen, Dartagne, keine Menschen!"

    Etienne sagte nichts. Geraldoux nahm vom rothäutigen Sklaven seinen neuen Mashmakuchen in Empfang und begann die in der schwarzen Suslasahne eingebetteten milchigen Banidrops zu zählen.

    „Sicher, liebster Etienne, daran soll es nicht scheitern. Es gibt genug Sklavinnen im Land, ihr sollt sie fangen und herbringen, danach könnt ihr sie von mir aus zur Maharani von Udhya machen."

    Bastalore nickte, in Gedanken sichtlich bei möglichst gefährlichen und schwierigen Aufgaben.

    Geraldoux, mit der Anzahl der Drops im Kuchen anscheinend zufrieden, entließ den Sklaven mit einer lässigen Handbewegung.

    „Schön. Da es Monsieur Pligourette war, der eure Fähigkeiten in Zweifel zog, soll er Euch die erste Aufgabe stellen."

    „Mit Vergnügen. Hmhm… was nehmen wir denn da?"

    Etienne lächelte schmal. Wenn er ehrlich war, konnte er es kaum erwarten. Sollte Bastalore nur mit etwas Unmöglichem um die Ecke kommen – umso besser.

    III

    Targomua, Zarijat Fenlora, 28.Juni 2.325, 9.Stunde

    „Das gleiche Muster."

    „Ja."

    „Der Haussklave?"

    „Mit Klebeband gesichert, erdrosselt. Das Fuwupp-Mupp wurde auch erdrosselt."

    „So?"

    Ein Schwall heißer, irrationaler Wut stieg in Aurora Boreal, Magaermittlerin von Jikai Delta – viertem Mordezernat – in der fenlorischen Hauptstadt Targomua, auf und wollte sich Bahn brechen, doch sie blieb kühl und beherrscht wie stets. Sie schalt sich selbst – sie musste die Perspektive wahren. In dieser Wohnung waren zwei Frauen und ihr Sklave brutal ermordet worden, da fiel die Tötung eines Haustiers, und sei es noch so süß und unschuldig wie ein Fuwupp-Mupp, nicht wirklich ins Gewicht.

    „Wo sind die Leichen?"

    „Hier, im Schlafzimmer, Lady Maga."

    Aurora folgte der jungen Ermittlerin ihres Teams. Da waren sie. Nackt und sehr tot, mit kupfernen Drähten brutal Rücken an Rücken gefesselt, die aufgerissenen Münder mit leuchtendem Silber gefüllt, Augen ausgestochen, in die Haut geritzte Zeichen, vom Blut teilweise verdeckt.

    Die Damen Ordlov waren Mitarbeiterinnen des Baxa – das größte Kaufhaus Targomuas – gewesen, ihre Wohnung nur fünf Minuten zu Fuß vom Baxakomplex entfernt, dessen Turm durch das Schlafzimmerfenster zu sehen war.

    „Erdrosselt wie immer?"

    „Ja, vorher haben sie sichtlich viel gelitten."

    An der Wand hinter dem Bett war das Bild abgenommen worden, auf dem kahlen Weiß dahinter leuchtete es blutrot. Die verschmierte Schrift besagte in Altterklorisch:

    „Sie werden zurückkehren, und der Glanz und die Glorie werden die Welt erschüttern lassen."

    Aurora musterte die Blutschrift. Wie bei den Beiden zuvor, kam ihr auch hier sogleich der Gedanke an ein Zitat. Aber woraus? Die Leshkenailaakademie wusste vielleicht Rat. Was taten Schreibereiprofessorinnen sonst, als alte Bücher zu lesen?

    „Wollt ihr den Zauber sprechen?"

    „Ja gleich, aber ich weiß schon, dass es überflüssig sein wird."

    Beide Ermittlerinnen bezogen sich auf einen Standardzauber von Magaermittlerinnen, mit dem sie die vergangenen Ereignisse an einem Ort, also auch den Ablauf eines Verbrechens, wie in einem Film sichtbar machen konnten.

    An den beiden vorhergehenden Tatorten war der Zauber ohne Ergebnis geblieben, da die TäterInnen mittels eines eigenen Zaubers die Bilder der Vergangenheit vollständig ausgelöscht hatten. Eine solche Löschung der Matrix des Limbus an einem Ort war theoretisch mit gängigen, wenngleich illegalen, Artefakten erreichbar. Eine wirklich gute Maga – und bei Sheila, Aurora war gut – konnte die allgemein üblichen Artefakte aber in der Regel überwinden und die Verwischung der Matrix wieder entwirren. Aber hier war die Matrix völlig ausradiert worden, bis zu 2 Wochen in die Vergangenheit. Welcher Zauber konnte so etwas zuwege bringen? Nicht einmal die verfluchten terkonnischen Sklavenfänger besaßen derart gute Artefakte. Ja, Aurora selbst hätte es bei Aufwendung all ihrer Kraft und ihres Könnens nicht mal annähernd erreichen können.

    Der Gedanke, es bei den TäterInnen mit Leuten zu tun zu haben, die ihre eigenen magischen Fähigkeiten übertrafen, trug wenig dazu bei, ihre Stimmung zu heben.

    Ihr Komspiegel summte aufdringlich. Sie löste das kleine, wie ein gewöhnlicher Handspiegel aussehende Artefakt aus dem Futteral an ihrem schwarzen Lackgürtel.

    Das kleine Bild des Spiegels zeigte das übertrieben geschminkte, faltige Gesicht ihrer noch lebenden Zweitgroßmutter. Aurora seufzte. Auch das noch.

    Sie verließ das Schlafzimmer und machte sich auf den Weg in den Hausflur, sich dabei an den gerade hereinkommenden Ladies der Spurensicherung vorbeidrückend. Wo magische Mittel versagten, musste frau zu herkömmlichen Methoden greifen.

    „Kind! Bist Du da? Geh doch mal ran, bei Azuras knospendem Busen! Kind!"

    „Oma. Was gibt es so früh? Ich bin auf der Arbeit."

    „Ach, die kleinen Einbrecherinnen können mal warten. Das ist jetzt wichtiger."

    „Ich bin nicht mehr im Gyptai Zeta, Oma – ich bin bei Jikai Delta, seit einem halben Jahr schon und wir…"

    „Ja, ja, alles Pliri-Plari, mein Kind. Mappelzapp hat sich die Klaue in der Badezimmertür eingeklemmt und muß sofort zur Tierheilerin. Ich habe aber keine Zeit, gleich ist die Eröffnung der Kunstaustellung im Gumalin Kashinua (Einsame Schönheit), und ich muß die Eröffnungsrede halten. Also, komm vorbei und bring den armen Mappelzapp zur Heilerin. Wenn Du dann noch Zeit hast, kauf doch bitte noch etwas Futter für die Tiere, ja?"

    „Oma, ich… kann Terp nicht all das erledigen?"

    Mappelzapp war eines von fünf Fuwupp-Mupps von Großmutter, Terp ihr Haushaltsklave.

    „Ich habe Terp verkauft. Nahm sich im Bett zuviel heraus."

    Aurora, im Flur angekommen, schloß die Augen und ließ sich gegen die Wand sacken. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was ihre 87jährige Oma im Bett mit einem 24jährigen Männchen trieb. Sie kramte in ihrer Handtasche nach ihren Zigaretten.

    „Dann ruf doch Ullesha und Mama an."

    „Aber Du weißt doch, Kind, deren Komspiegel ist in Reparatur. Ich kann sie nicht erreichen. Früher hielten die Spiegel jahrelang, aber heute…genauso wie mit den Stiefeln. Erst letzte Woche kaufte ich neue Lackoverknees bei BuutsalBerbatov und gestern…"

    Aurora schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen und wirkte einen kleinen Feuerzauber an der Spitze ihres lackumhüllten Daumens. Gierig saugte sie den Rauch ein, den Kopf mit den langen, glatten roten Haaren in den Nacken legend.

    „Kind, hörst Du mir überhaupt zu? Wo ich Dich rauchen sehe, ich brauche auch neue Zigaretten. Am Besten schreib ich Dir ne kleine Liste, die leg ich auf den Küchentisch. Weißt Du übrigens einen guten neuen Sklaven? Ich will nicht wieder einen von der Agentur. Ki-Tan-Fenger sollen ja sehr fleißig und brav sein. Aber sie haben so kleine Gemächte, also…"

    „Oma, ich komme, so schnell ich kann. Ich muß jetzt weiterarbeiten. Wir sehen uns."

    Sie schaltete den Spiegel einfach ab, die Stimme ihrer Großmutter verstummte wie abgeschnitten.

    „Die liebe Familie?"

    Aurora wandte sich um. Neben ihr stand Salega Kaitenov, die erste Ermittlerin Jikai Deltas, Auroras Partnerin. Wie immer in lässiger blauer Jeanhose, einer knittrigen braunen Ledertunika und kniehohen, mattbeigen Lederstiefeln, eine Kippe qualmend im Mundwinkel, dass dunkelblonde Haar in einer altmodischen, schulterlangen Dauerwelle. Sie wartete Auroras Antwort nicht ab.

    „Das gleiche Muster?"

    „Ja, Sa, der dritte Fall. Drei Ritualmorde in zwei Wochen. Und keine Spur."

    „Bist Du sicher? Vielleicht haben sie diesmal einen Fehler gemacht. Irgendwann machen sie immer Fehler."

    Salega war 52 und seit über 25 Jahren in der Mordermittlung. Aurora gab viel auf die Erfahrung der Älteren, wenn auch nicht auf ihren modischen Geschmack.

    Die Blonde nahm eine Hand aus der Hosentasche, klopfte Aurora leicht auf die Schulter und knurrte:

    „Komm, meine Schöne, gehen wirs an. Ich will die Mistschlampen erwischen, die für diesen Dreck verantwortlich sind."

    „Woher weißt Du, dass es Geschlechtsschwestern sind?"

    „So ein Gefühl."

    Aurora nickte nur und folgte Salega zurück in die Wohnung.

    IV

    Bei Elimb-Uldegg, Gromien, 29.Juni .325, 1.Stunde

    Es waren zwölf. Gerüstet, bewaffnet und beritten. Auf Patrouille, auf der Hut. Aber nicht zu sehr. Der Waffenstillstand versprach eine gewisse Sicherheit, die Grenze zu terkonnischem Einflussgebiet war recht weit, das Selbstbewusstsein ihrer Truppe hoch.

    Das war gut. Sehr gut sogar. Kharkon erlaubte sich ein schmales Lächeln und strich nachdenklich über seine Glatze. Man sagte, sie stand ihm gut zu Gesicht. Nicht, das er eitel gewesen wäre, ein unangemessenes Gefühl für einen terkonnischen Krieger, passend zu einer Frau, einer zukünftigen Sklavin – wie dem Dutzend da drüben.

    Sie hatten ein Feuer gemacht, für Draal und eine warme Mahlzeit und natürlich wegen der Tiere. Weder Raptoren noch Jagdspinnen mochten Feuer sonderlich. Hatte natürlich auch Nachteile, so ein Feuer. Ruinierte zum Beispiel die Nachtsicht der Wachen.

    Davon gab es zwei. Sie saßen am Feuer, rauchten vorschriftswidrig und unterhielten sich leise. Irgendwelches Mädchenzeug vermutlich. Die Wehrpflichtigen der Fenloras waren alle noch recht junge Dinger, so weit er wusste nur Klamotten, Sex und Spaß im Köpfchen.

    Die 14 Khakumons, unter ihnen zwei Pack- und Ersatztiere, waren an einigen Talquique-Sträuchern in der Nähe angebunden.

    Sie wirkten ruhig und zufrieden, vielleicht etwas erschöpft. So eine gerüstete Fenlora in voller Ankylo-Rüstung war schwer, wenn man sie den ganzen Tag durch die Gegend schleppen musste. Ruhige Khakumons – also keine Raubtiere in der Nähe, außer Kharkon und seinen Männern. Und deren Geruch schien die Tiere nicht zu stören. Klar, in ihren Ställen wurden sie bestimmt von eifrigen, feigen männlichen Sklaven versorgt, gefüttert und ihre ledrige Haut poliert. Der Geruch von Männern machte also keinen besonderen Eindruck auf sie. Auch das war gut.

    Kharkon sah zu seinen sechs Männern hinüber, die reglos neben ihm im hohen Gras lagen. Ein Siebter war bei ihren eigenen Khakumons zurückgeblieben. Der glatzköpfige Krieger tauschte einen Blick mit MastoorSershend Dainoras. Das alte Grauhaar gab ihm ein Daumen-hoch. Kharkon nickte. Die Männer verständigten sich per Zeichensprache. Dann krochen sie in verschiedene Richtungen davon.

    Er selbst kroch mit Sirobas und Belgon direkt auf das Feuer zu. Näher und immer näher. Die beiden jungen Fenloras merkten nichts. Zwar trugen sie Brustpanzer und die Bein- und Armschienen über Overkneestiefeln und langen Handschuhen, hatten die Helme jedoch abgesetzt.

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