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Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin
Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin
Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin
eBook823 Seiten11 Stunden

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin

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Über dieses E-Book

Gefährlicher als jeder Dämon ... Ein stinksaurer Teenager!

"Hat Vettel wirklich geglaubt, dass ich mich dem Ganzen einfach beuge? Zusehe, wie diese unkontrollierbare Göre mein Lebenswerk zerstört und mein Reich mit ihrem Frevel vergiftet?"

Die Welt von J.J. Smith ist seit ein paar Monaten eine andere.
Seit dem Wiedersehen mit ihrer Großmutter Vettel, einer ehemaligen dunklen Hexe, hat sich für den Teenager aus Neuseeland alles geändert.
Letztendlich sogar die Farbe ihres Blutes.

Was also vor drei Monaten wie ein zauberhaftes Märchen begann, hat sich rasant zu einem Albtraum entwickelt, aus dem es für J.J. kein Entkommen zu geben scheint.
Von den Problemen überrollt, die ihre außergewöhnliche Bestimmung mit sich bringt, flieht sie kurz nach Beginn des neuen Schuljahres vom Internat, und versteckt sich eine Zeit lang bei Broaf in Havelock. Aber auch dort hat sich einiges verändert.

Obwohl der überforderte Diener sich redlich bemüht, gemeinsam mit dem Mädchen eine schnelle Lösung zu finden, damit sie nicht im dunklen Phad leben muss, scheitern seine Bemühungen kläglich. In letzter Not nimmt Broaf dann doch Kontakt zu Oma Vettel auf, die nur auf Probe im weisen Phad leben darf, und bittet sie um Hilfe.

Während des Kurzbesuchs von Oma Vettel in Havelock kommt ein neuer Bewohner ins Haus, der den verzauberten Ausgang auf der Deponie gefunden hat.
J.J. belauscht ein Gespräch zwischen ihm und Oma Vettel, indem der Halfie Ungeheuerliches aus dem Zauberreich erzählt und fasst in ihrer Verzweiflung einen dramatischen Entschluss:
Schluss mit dem Versteckspiel!

Und so zieht eintausend Jahre nach Vaun's Prophezeiung, Jezabel, die schwarze Prinzessin, in den dunklen Phad.

Mit Band zwei: "Die schwarze Prinzessin", geht das Abenteuer um J.J. Smith und ihre außergewöhnliche Familie weiter.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum2. Dez. 2014
ISBN9783738004410
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    Buchvorschau

    Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02 - M.E. Lee Jonas

    Prolog

    »Unsere Welt liegt im Wandel. Alles verändert sich …

    Dort, wo das Licht die Schwachen in falscher Sicherheit wähnte, breitet sich die ewige Dämmerung unaufhaltsam aus. Unberechenbar wie ein heimtückischer Sturm auf ruhiger See schleicht sie über alle Grenzen hinweg.

    Es ist so weit!

    Meine tiefste Sehnsucht steht kurz vor ihrer Erfüllung. Endlich wird meine unerschütterliche Treue belohnt. Alles fügt sich, so wie ich es mir immer erträumte.

    Die Tore öffnen sich. Und die Verbannten kehren endlich zurück.

    Niemand kann sie aufhalten!«

    Daranias Stimme ist dunkel und ruhig. Erwartungsvoll starrt sie in den Spiegel der Tore, bevor sie sich langsam zum steinernen Altar dreht.

    »Hat Jezabel wirklich geglaubt, dass sie mich überlisten kann?«

    Das dämonische Lachen der Oberhexe schallt laut durch den steinernen Zeremoniensaal.

    »Ja! Unsere großartige schwarze Prinzessin dachte ernsthaft, dass sie mir überlegen sei! Eine dumme, verzogene vierzehnjährige Hexe, die gleich bei ihrem ersten großen Zauber einen unschuldigen Jungen in die ewige Unwissenheit verbannte, will also mächtiger sein als ich?

    Ihr seid erbärmlich! Ich kann dir nicht sagen, wie sehr mich euer Clan anwidert. Dieses Mädchen ist eine einzige Schande für mein Reich!

    Hat Vettel wirklich geglaubt, dass ich mich dem Ganzen einfach beuge? Zusehe, wie diese unkontrollierbare Göre mein Lebenswerk zerstört und mein Reich mit ihrem Frevel vergiftet?«

    Mit verachtender Miene schleicht Darania um den Diener, der regungslos auf dem steinernen Altar liegt und sie entsetzt anstarrt.

    Broaf versucht verzweifelt seine Gedanken zu kontrollieren. Aber er ist viel zu erschöpft. Alles dreht sich im Kreis. Außerdem schmerzen seine Glieder grausam, da die Hexen seinen Körper mit schweren, geschmiedeten Handschellen auf dem kalten Steintisch fixiert haben. In einer unbeobachteten Minute hat Hexe Onstasia die Schrauben sogar noch einmal fester nachgezogen. Dabei hat sie gekichert, als wäre sie geisteskrank.

    Die dunklen Hexen haben den Diener überrascht.

    In einem unbedachten Moment, als er sich im Schutz seines Anwesens wähnte und darüber sinnierte, ob sich für ihn und Oma Vettel doch noch alles zum Guten wenden würde, haben sie ihn überwältigt. So unerwartet, dass Broaf nicht reagieren konnte. Es geschah alles so furchtbar schnell.

    Sechs Hexen standen plötzlich vor ihm und lähmten ihn unversehens mit einem verbotenen Zauber. Broaf konnte nichts tun, denn er war allein.

    Daraufhin verschleppten die Hexen den wehrlosen Diener nach Xestha und brachten ihn ins Amtsgebäude. Dort überließen sie ihn den Gluggs, die ihn kreischend in den steinernen Zeremoniensaal zerrten.

    Diese bösartigen Kreaturen verschonten ihn nicht. Nachdem sie Broaf gezeigt haben, wozu sie ihre blitzenden Stöcke gebrauchen, rissen sie ihm den Frack vom Leib und hievten ihn auf den Altar. Dann verschwanden sie und ließen den entsetzten Diener mit seiner Angst allein.

    Stundenlang lag er regungslos auf dem kalten Steintisch und betete. Nicht um seine Rettung, sondern darum, dass seine Vettel in Sicherheit ist.

    Dann kamen diese bösen Hexen zurück. Hystasia, Furiase, Onstasia und eine höchst zufriedene Darania. Diese dunklen Seelen verhöhnten ihn, während sie die Leuchter um den Spiegel der Tore entzündeten. Als sie daraufhin die Werkzeuge ihrer dunklen, dämonischen Magie hervorholten, um ihr geheimstes und grausamstes Ritual zu beginnen, lachten sie sich regelrecht in Rage.

    Seitdem versucht Broaf zu begreifen, was sie mit ihm vorhaben.

    Sein Herz rast vor Angst, denn die Worte, die er ab und an erhascht, lassen Grausames befürchten.

    Über vierzig Jahre hat der Diener mit einer Hexe vom dunklen Phad zusammengelebt. Aber Vettel hatte immer so viel Respekt vor ihm, dass sie die mächtigen Zauber, die sie im Auftrag des Hexenrats ausführen musste, niemals in seiner Anwesenheit vollbrachte. Sie wusste, dass es ihm insgeheim große Angst macht und dass es gegen seine Gesinnung verstößt.

    Nun liegt er vollkommen wehrlos angeschnallt auf einem Altar im Reich der ewigen Dämmerung und weiß nicht, was diese bösartigen Kreaturen von ihm wollen.

    Hexe Hystasia stellt sich lachend an das Kopfende, aus dem plötzlich zwei schwarze Klauen geschossen kommen, die gierig nach dem uralten Buch greifen, das sie feierlich in den Händen hält. Ihre Stimme klingt tief und widerwärtig, während sie die dunklen Verse murmelt, die für jeden anderen Xesthaner verboten sind.

    Furiase, die Wächterin der alten Zauber und Flüche, steht am Fußende und bespricht ein dampfendes Gebräu, das bestialisch stinkt. Dabei sieht sie Broaf hasserfüllt an. Bei jedem Zucken, das dem Diener entfährt, lacht sie lauthals auf. Ihr wahres Gesicht zeigt sich nun, das dem der bildschönen Frau nicht im Geringsten ähnelt. Wie ein hungriges Reptil mustert sie den wehrlosen Körper.

    Hexe Onstasia schiebt indessen Wache an der Tür, da in den nächsten Stunden kein anderes Wesen den Altarsaal betreten darf. In ihren Händen hält sie ein gewaltiges Zepter aus schwarzem, glänzenden Holz, an dessen Ende eine glasklare Kugel rotiert, die sich langsam mit dunklem Rauch füllt. Mit versteinerter Miene starrt die hässliche Hexe zu Darania und wartet auf weitere Befehle.

    Die Oberhexe schwebt derweil erhaben um den Altar. Im Gegensatz zu Furiase und Hystasia, die für dieses Ritual ihre Maskerade abgelegt haben, ist die Schönheit Daranias heute makellos. Eiskalt starrt sie auf den steinernen Tisch und hebt triumphierend die Hände.

    »Wie lange habe ich diesen Moment herbeigesehnt!

    Für Außenstehende mag es vielleicht wie ein albernes Spiel aussehen. Aber das ist es nicht. Das war es nie, mein lieber Broaf!

    Meine Ergebenheit gegenüber dem dunklen Phad ist aufrichtig und unerschütterlich. Ich hätte es sein sollen! Ich wäre die Richtige gewesen! Ich allein hätte die Legende nach ihrer wahren Bestimmung erfüllt. So wie es sein sollte.

    Aber nein. Ein schwaches, dazu hochmütiges Kind, welches sich erlaubt, unser Reich anzuzweifeln, unsere Gesetze mit Füßen tritt und die Traditionen unserer Ahnen lächerlich macht, bekommt die Macht, das Erbe Crysaldis zu entehren. Crysaldis, meine Urahnin, würde diese Wahl ebenso wenig akzeptieren wie ich. Jezabel kann vielleicht die restlichen Bewohner des Zauberreiches täuschen, mich nicht! Ich weiß, was sie plant. Und sie weiß, dass ich es weiß.

    In dem Moment, als dieses Mädchen sich triumphierend in der Sicherheit wähnte, alles zu wissen, und meinem Volk gerade ihre naiven Weisheiten präsentieren wollte, habe ich es ihr gesagt! Oh, ich konnte ihre Angst regelrecht riechen. Die Wut und ihre tiefe Verzweiflung drangen aus jeder Pore.

    Jezabel ist so erbärmlich einfach. Absolut unwürdig!

    Ich denke jedoch, dass du mich verstehst, mein lieber Broaf. Du kennst diese Schmach, wenn ein anderer dir das wegnimmt, was du selbst so sehr begehrst.«

    Für einen kurzen Moment bleibt Darania stehen und sieht dem Diener gierig in die Augen. Sie will ihn sehen! Diesen Schmerz, der sie seit Jahren selbst quält.

    Broaf schließt die Augen und schluckt. Der Lähmungszauber beherrscht seinen Körper weiterhin. Also kann er sich weder wehren noch manifestieren.

    Aber er kann sprechen.

    »Fahr zur Hölle!«, zischt er ihr verachtend zu.

    Darania schnappt entsetzt nach Luft und lacht lauthals los. Die anderen Hexen stimmen ein.

    Es sind nicht seine Worte, über die sich diese Hexen amüsieren, sondern die Tatsache, dass der Mann, der für die absolute Höflichkeit steht, sie in ihren heiligen Hallen auszusprechen wagt.

    »Vielleicht tue ich das. Aber vorher schicke ich deine Vettel nebst ihrer verzogenen Enkelin dorthin! Oh, ich kann es kaum erwarten.

    Was meinst du? Wird sie weinen, wenn sie erfährt, dass ihr geliebter Broaf fortan als Wärter durch das Reservat trippelt? Wird sie mich verfluchen? Schreien? Mich den Rest ihres erbärmlichen Daseins hassen?«

    Die Oberhexe beugt sich dicht über Broafs Gesicht. Doch der Diener starrt sie nur gleichgültig an.

    »Wird sie endlich zerbrechen?«, flüstert sie ihm ins Ohr und schnell nach oben.

    »Lasst uns anfangen! Dieser Mann langweilt mich«, schreit sie den anderen Hexen zu.

    Hystasia hebt ihren Blick vom Buch und starrt Darania ungläubig an. Auch Furiase scheint überrascht.

    »Wir müssen noch auf Hexe Cybill und Quwill warten. Für dieses Ritual sind alle Mitglieder des Hexenrates zuständig«, erwidert Letztere entsetzt.

    Darania zieht die Augenbrauen streng nach oben und starrt die Hexen einen Moment lang an. Dann verzieht sie ihr Gesicht zu einer verachtenden Fratze und schlägt wütend mit der Faust in die Luft. Ein ohrenbetäubender Knall lässt den Zeremoniensaal erschüttern, dessen Wucht eine Druckwelle auslöst, die Furiase hilflos nach hinten reißt. Fauchend springt diese auf und schreit dem Oberhaupt ein paar dämonisch klingende Worte zu.

    »Ich sagte: Lasst uns beginnen! Unsere geschätzte Cybill lässt sich entschuldigen. Ich habe ihr gesagt, dass sie darauf aufpassen soll, dass unsere Quwill nicht zu neugierig wird«, zischt Darania der verdutzten Hexe zu.

    Diese wäre jedoch nicht Furiase, wenn sie sich einfach so herumkommandieren lassen würde.

    »Und ich sagte, dass für dieses Ritual alle Mitglieder anwesend sein müssen! Willst du dich jetzt gegen dein eigenes Gesetz stellen? Und wer bitte schön, soll dann den Skulk hinaufholen? Diese Viecher gehorchen nicht jedem!«, faucht diese wütend zurück.

    Darania sieht Furiase abwertend an und winkt ab.

    »Du natürlich! Wie du siehst, bin ich sehr beschäftigt.

    Seit wann interessieren dich eigentlich meine Gesetze? Bei Quwill machst du auch nicht solch einen Aufstand. Wir müssen in dieser schweren Zeit eben alle unsere Opfer bringen. Cybill wird schon darüber hinwegkommen.

    Also, wenn du jetzt bitte weitermachen würdest.«

    Ohne Furiase auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, wendet Darania sich wieder zu Broaf.

    Der erschöpfte Diener liegt mit geschlossenen Augen auf dem Altar. Die Welt um ihn herum ist ihm egal. Sollen diese Hexen ihr dunkles Werk doch vollenden. Er weiß, was seine elementare Aufgabe war, und die hat er jeden Tag nach bestem Gewissen erfüllt. Aber dieser lange Kampf hat einen hohen Preis gefordert. Seine Seele ist müde, sein Körper vollkommen erschöpft.

    Leise beginnt er das eine Mantra zu summen, damit er sich langsam aus diesem Körper lösen und in eine sichere Ebene fliehen kann, deren Erschaffung einzig der Sicherheit eines Seelenwanderers diente. Es ist ein heiliger Ort, eine Art Schutzraum, von dem jedoch nur die Ältesten zurückkehren können.

    Die Oberhexe steht grinsend vor dem Altar und schnüffelt wie ein wildes Tier an Broaf herum.

    »Was darf es sein? Ein Oktopusarm? Ein giftiger Pfeil?

    Oh, wie ich sehe, interessiert es dich nicht. Das ist überhaupt nicht schlimm. Wenn wir mit dir fertig sind, wird es dir sowieso egal sein. Dein Intellekt wird auf die minimalsten Instinkte reduziert und diesen albernen Frack ersetzen wir durch einen kräftigen Skulkunterkörper. Du wirst ein wunderschöner, barbarischer Wärter sein, Broaf. Mein Meisterwerk!

    Aber keine Angst, dein Status ändert sich nicht wirklich! Du wirst weiterhin dienen. Lediglich mit dem kleinen Unterschied, dass du dich in Zukunft vor mir verbeugen wirst und nicht mehr vor deiner geliebten Vettel.«

    Darania stöhnt siegessicher auf. Hämisch grinsend hält sie einen schwarzen Helm in die Höhe, auf dem ein Zopf aus geflochtenem, grauem Haar befestigt ist.

    Zwei Gluggs flitzen zum Altar und heben den Kopf des Dieners an. Lachend streift Darania den schweren Helm darüber und verschließt den Riegel. Dann legt sie die Haarsträhne sorgfältig zur Seite.

    Broaf atmet hastig. Er unterbricht sein Mantra und öffnet entsetzt die Augen. Er kann kaum etwas sehen, da sein Sichtfeld nun auf ein paar kleine Schlitze beschränkt ist. Der Diener versucht zu begreifen, was diese Hexen mit ihm vorhaben. Aber die Geräusche aus dem Zeremoniensaal donnern nur schmerzhaft durch den massiven Helm, der seinen Kopf ganz und gar umschließt. Alles klingt dumpf und verzerrt.

    Doch dann ist es plötzlich ganz still im Raum.

    Broaf schließt die Augen und versucht sein Mantra fortzuführen. Aber er kann sich nicht konzentrieren, da ihn diese unheimliche Situation ablenkt. Er hört, wie Darania Furiase etwas zuruft. Anschließend, wie die Tür zum Zeremoniensaal aufgeschlagen wird und Onstasia abscheulich lacht. Ein scheußliches Klappern, als ob jemand ein Messer wetzen würde, begleitet von seltsamen Schrittlauten … Sie klingen ungleichmäßig und schnell.

    Furiase beginnt erneut dunkle Formeln zu murmeln, während Hystasia ganz monoton immer wieder die gleichen Worte wiederholt. Darania steht neben dem steinernen Altar und kichert.

    Dann beginnen die Gluggs zu kreischen.

    Der Diener zuckt zusammen.

    »Etwas berührt meine Beine. Ich kann es atmen hören!«

    Dieses unheimliche Klappern wird lauter.

    »Es steht direkt neben mir!«

    Die Oberhexe beginnt nun hysterisch zu lachen.

    Broaf schließt die Augen und denkt an Vettel. Mit letzter Kraft versucht er sich auf ihr Gesicht zu konzentrieren.

    Leise summt er das eine Mantra. Kurz bevor er die Besinnung verliert, hört er noch einen schrillen Schrei, schließlich ein grausames Knacken. Aber der Diener spürt nichts mehr. Er ist hinübergeglitten …

    Kapitel 1

    Verzweiflung

    Sechs Monate zuvor …

    Sehr geehrte Hexe Jezabel!

    Mit großer Freude haben wir erfahren, dass du einen unwiderruflichen Zauber aus reinem Eigennutz ausgesprochen hast!

    Laut unserem magischen Anzeiger wurde am zehnten Januar dieses Jahres, unter Benutzung des Zepters der Familie von Winterhardt, ein Zauber gegen ein anderes Wesen ausgesprochen. Und dies auch noch in der realen Welt!

    Da Vettel bereits am Morgen des besagten Datums ihr Amt und ihre Zugehörigkeit zum dunklen Phad niedergelegt hat, gilt es als bewiesen, dass du diesen Zauber vollendet hast!

    Dies bedeutet nach dem Gesetz von Xestha, dass du dich für den dunklen Phad entschieden hast.

    Du bist damit offiziell eine Hexe des dunklen Phads!

    Wir bitten dich deshalb, dich innerhalb der nächsten sieben Tage im Amtsgebäude von Xestha zu melden!

    Ein Visum ist nun nicht mehr nötig.

    Wir gratulieren dir zu dieser außerordentlichen Leistung!

    Herzlichst

    Der Hexenrat

    Heimtückisch, wie ein Blitz aus azurblauem Himmel, brach die Nachricht über J.J. Smith herein. Jedes Wort, jeder verdammte einzelne Buchstabe hat sich in ihr eingebrannt und lässt ihr seitdem keine Ruhe mehr. Was sie auch tut, ob sie atmet, es unterlässt, ob sie rennt, kriecht, schreit oder schweigt. Sie sind da und bleiben. Das ist kein böser Traum, aus dem sie erwachen kann!

    »Du bist damit offiziell eine Hexe des dunklen Phads! Wir gratulieren dir zu dieser außerordentlichen Leistung!«

    »Nein! Ich will das nicht. Das ist nicht richtig!«, schreit sie immer wieder.

    Sie rennt los, versucht vor der Konsequenz ihrer Verzweiflungstat zu fliehen. Doch wohin soll sie gehen?

    Es gibt im Moment keinen Ort, an dem sie wirklich sicher ist. Die verräterischen Spuren der letzten Monate scheinen überall verstreut zu sein. Außer in ihrem Internat in Marton. Dort hatte sie der Schatten ihrer Bestimmung noch nicht eingeholt. Aber auch da kann sie nicht mehr bleiben. Es hat sich zu viel verändert.

    Ihr Blut, das in der Vergangenheit nur schwach pulsierte, hatte sich in den letzten Wochen in einen reißenden Strom aus verzweifelter, boshafter Energie verwandelt. Viel zu gefährlich für ihre Freunde. Viel zu stark, um noch länger unentdeckt bleiben zu können.

    Deshalb hat J.J. das Internat heimlich verlassen. Sie ist einfach losgezogen, ohne sich zu verabschieden. Was sollte sie ihren Freunden oder Pippa auch erzählen? Etwa die Wahrheit? Dass sie einem Familienclan des dunklen Zauberreichs angehört, in dem sie die lang ersehnte schwarze Prinzessin ist? Dass sie einen Jungen verflucht hat, der seitdem verschwunden ist, ihr Hexenexamen dafür jedoch mit »Hervorragend« bestanden hat? Dass sie jede Minute Angst hat, riesige fliegende Monsterspinnen könnten sie holen und auf die Deponie verschleppen?

    »Das war eine Falle! Darania hat mich ausgetrickst. Aber mein Blut …«

    Angewidert starrt J.J. auf ihren Zeigefinger.

    In den letzten Stunden hat sie unzählige Male hineingestochen, zugesehen, wie die zähe dunkle Masse herausdrängte, die Öffnung sich aber sofort wieder verschloss. Ihr Verstand will das einfach nicht akzeptieren.

    Sie vergräbt die Hände tief in ihren Jackentaschen und läuft weiter Richtung Süden.

    Seitdem J.J. das Internat fluchtartig verlassen hat, schleppt sie sich quer über die Nordinsel Neuseelands. Das Mädchen will zur Fähre, die sie zurück nach Havelock bringt.

    Stundenlang ist sie durchgelaufen. Ohnmächtig vor Angst und ohne Ahnung, wie es jetzt für sie weitergehen soll.

    »Was ist das für eine bescheuerte Welt? Ich war ein ganz normales Mädchen, das vielleicht irgendwann mal davon träumte, eine verwunschene Prinzessin zu sein. Das ist nichts Schlimmes!

    Aber eine schwarze Prinzessin im dunklen Zauberreich? Das ist doch lächerlich! Sie haben mich alle belogen! Sie haben mir erzählt, dass ich frei entscheiden könne, wo ich mein Leben verbringen möchte. Und ich hatte mich entschieden! Ich wollte bei meinen Freunden in Marton bleiben!

    Ich gehöre nicht in diese andere Welt, zu diesen abscheulichen Kreaturen! Auch wenn Vauns Prophezeiung eintausend Mal etwas anderes behauptet! Ich will das nicht! Ich will wieder normal sein! Schlicht, ohne Magie und Prinzessinnenstatus. Ohne dieses ekelhafte schwarze Blut!«

    Mit voller Wucht schlägt sie einen Ast zur Seite, der ihr die Sicht versperrt. Besser das, als unkontrollierte dunkle Magie in der realen Welt. Es kostet sie viel Kraft, ihr Blut unter Kontrolle zu halten. Der innere Druck ist stark. Das Verlangen, ihrer Wut Luft zu machen, steigt mit jedem Meter, den sie zurücklegt. Es ist ihr kaum noch möglich, es zu verdrängen. Noch mehr Probleme kann sie sich allerdings nicht leisten.

    »Was soll ich jetzt tun? Hat mich irgendjemand gefragt, ob ich das alles will? Genau! NIEMAND!

    Zauber aus Eigennutz?! Ich hatte doch gar keine andere Wahl! Das ist ein gewaltiger Unterschied, meine liebe Darania! Er wollte mich verfluchen, mich töten, weil ihr ihn manipuliert habt! Hätte ich es nicht getan, wäre er innerhalb einer Stunde zu Stein geworden! Das ist also Eigennutz?

    Ihr dämonischen Weiber habt mir alles geraubt! Meine Träume, mein Leben, ihn. Und jetzt wollt ihr mich auch noch? NEIN! NIEMALS!«, schreit sie den Baumstamm mit hasserfüllter Miene an. Mit kräftigen Tritten bestätigt sie ihre Entschlossenheit und hört erst auf, als die Rinde birst. Überall, in jeder Wolke, jedem Baum und Busch sieht sie das Gesicht Daranias. Das triumphierende Lachen der Oberhexe, die sie schon ihr Leben lang jagt, verfolgt sie bis in ihre Träume.

    »Ich hasse dich! Du wirst mich niemals kriegen! Du widerliche, alte Fratze! Ich bin nicht wie du! Ich gehöre ins Licht, nicht in die ewige Dämmerung, mit ihrer verkorksten Moral.

    Wie naiv die Menschen doch denken. Sie glauben, dass Zauberei ihre Probleme lösen könnte. Sie einfach ins Nichts auflöst, ohne rückwirkende Konsequenz. Tut mir leid, meine sehr verehrten Herrschaften, das ist leider ein törichter, tödlicher Irrtum! Ein vollendeter Zauber bleibt unwiderruflich, selbst wenn man ihn rückgängig machen würde! Das Essentielle ist nämlich, dass man es getan hat! Auch wenn man die Zeit zurückdrehen und den Zauber nicht aussprechen würde, bliebe es letztlich nur ein »Rückgängig machen« mithilfe eines weiteren Zaubers. Es ist also eine Endlosschleife! Dunkle Magie ist gefährlich und böse. Ich will das nicht!«

    Ein verzweifelter Weinkrampf schüttelt sie durch und zwingt sie in die Knie. Diese extremen Phasen wechseln sich mittlerweile im Minutentakt ab.

    Aber bis zur Fähre sind es nur noch ein paar Hundert Meter. Das ist gut, denn das Mädchen ist inzwischen mental und körperlich vollkommen erschöpft. Ihre Fußgelenke sind dick angeschwollen und drücken sich bereits schmerzhaft aus dem Schuh. Zu allem Überfluss ist sie vom Dauerregen durchnässt.

    »Oh Gott! Ich habe ihn verflucht! Ich habe sein Leben verpfuscht. Ich habe ihn nicht gerettet! Egal, was die anderen sagen. Ich bin schuldig! Ich werde ihn nie wiedersehen! Wie soll ich damit leben? Das ist grausam! Ich bin so schrecklich einsam«, schluchzt sie hoffnungslos.

    Nun folgt ein hysterischer Schreianfall. Sie springt hoch und brüllt ihre ganze Wut, ihre tiefe Verzweiflung heraus. Ein letztes Mal, bevor sie den Anleger der Fähre erreicht. Denn sobald das Mädchen auf die öffentlichen Wege gelangt, muss sie sich so normal wie möglich verhalten. Vielleicht sucht ja bereits die Polizei nach ihr. Pippa wird dieses Mal bestimmt nicht wortlos hinnehmen, dass sie einfach fortgegangen ist.

    J.J. zieht sich ihre große Kapuze tief ins Gesicht und verlässt das unwegsame Gelände.

    »Es tut mir leid, Linus. Du hast dich in mir getäuscht. Ich habe keine reine Seele. Nicht mehr. Ich bin jetzt eine dunkle Hexe! Die alte Smirna aus der Fluchgasse hatte also doch recht: J.J. Smith hat eine dunkle, böse Seele! Ich hoffe, dass Gott mir irgendwann vergibt, dass ich einen Seelenwanderer verflucht habe. Ich kann es jedenfalls nicht. Ich kann mir nicht vergeben.«

    Sie holt tief Luft und reiht sich mit gesenktem Kopf in eine Gruppe Touristen, die ebenfalls auf die Ankunft der Fähre wartet. Ihr Atem geht ruhiger, aber ihr Herz rast wie wild. Auch das hat sich seit den Ereignissen in Havelock geändert. Dieser ständige Zwang sich zu kontrollieren hat J.J. in einen undurchdringlichen Kreislauf aus Angst und Panikattacken geschleudert. Menschenmengen machen ihr Angst. Dunkelheit, laute Stimmen, ein falscher Blick, alles versetzt sie in Panik. Deshalb starrt das Mädchen stur zu Boden, um nicht aus Versehen einen der anderen Passagiere anzusehen. Nachdem sie eilig ihr Ticket bezahlt hat, setzt sie sich auf eine Bank an Deck, obwohl es immer noch stark regnet.

    Während der Fahrt schaut J.J. stur auf das Meer. Nur nach vorn und nicht mehr zurück. Ihre Zeit in Marton ist vorbei. Nun kehrt sie zu ihren Wurzeln zurück. Blut ist eben doch dicker als Wasser.

    Derweil sitzt auf der Südinsel ein ziemlich angespannter Diener in seinem Wagen und wartet auf die Ankunft der nächsten Fähre. Nachdem Zoé gestern Abend vollkommen aufgebracht ins Büro von Mrs. Rogan gestürmt ist und ihr den seltsamen Abschiedsbrief von J.J. zeigte, hat die Direktorin natürlich umgehend in Havelock angerufen. Sie war sich ganz sicher, dass J.J. auf das Anwesen ihrer Großmutter zurückkehren würde, obwohl sie weiß, dass Vettel nicht mehr dort lebt. Aber irgend jemanden musste sie ja informieren. Immerhin steht das Mädchen seit ihrem sechsten Lebensjahr unter ihrer Obhut. Damals musste sie Oma Vettel bei ihrem Leben schwören, dass sie gut auf deren Enkelin aufpassen würde. Und nun ist J.J. einfach verschwunden und deren Großmutter für sie unerreichbar.

    Seit ihrem Anruf ist Broaf außer sich vor Sorge, da er nicht weiß, aus welchem Grund das Mädchen aus dem Internat geflohen ist. Er hat sich sofort in seinen Wagen gesetzt und ist zur Fährstation gefahren. Was sollte der Diener sonst tun?

    Sein Bauchgefühl hat ihm gesagt, dass J.J. wieder nach Havelock zurückkommt. Also hat er direkt vor dem Anleger geparkt, damit sie ihn gleich sehen kann. Aber zwischen den Fahrgästen der letzten zwei Fähren hat er das Mädchen vergebens gesucht. Nun starrt er hoffnungsvoll auf die nächste, die gerade am Ufer andockt. Nervös steigt Broaf aus dem Wagen und hofft, J.J. endlich zu entdecken. Auch er versucht ganz normal zu wirken, als er sich zwischen die anderen Wartenden stellt. Aber der Kummer und die letzten Ereignisse haben auch bei ihm tiefe Spuren hinterlassen. Er sieht müde und ungewohnt ungepflegt aus. Sein sonst akkurat gekämmtes Haar weht störrisch im rauen Herbstwind und es scheint lange her, dass er seine Schuhe poliert hat. Für Broaf hat sich in den letzten Monaten auch sehr viel verändert. Vielleicht zu viel.

    Der Diener hat eine neue Aufgabe, die sein Leben bestimmt. Er muss sich nun allein um die Bewohner, das Haus und den verzauberten Garten kümmern. Das ist nicht unbedingt aufwendiger als zuvor, aber es kostet ihn viel mehr Kraft. Die Motivation, sich ein neues, eigenes Leben aufzubauen, schwindet täglich. Obwohl er sich wirklich große Mühe gibt, diese Situation zu akzeptieren, kommt er gegen seine Gefühle einfach nicht an. Es scheint, als sei mit Vettels Auszug auch seine gesamte Lebensfreude gegangen. Die einzigen Lichtblicke sind ein paar Worte wöchentlich, die er über den Monitor in seinem Zimmer empfängt. Ein letztes, verzweifeltes Festklammern an der Vergangenheit.

    Ja, Broaf ist einsam. Ein alter, einsamer Bär, der nun keine exzentrische, dunkle Hexe mehr beschützen muss. Aber er beklagt sich nicht, macht einfach weiter. An manchen Abenden schleicht er sich aus dem Haus und geht in den Garten. Dort setzt er sich auf die Blütenschaukel und denkt viele Stunden nach. Über die Vergangenheit mit Vettel und über seine einsame Gegenwart. Der Diener hat sich damit abgefunden, dass die aufregenden, abenteuerlichen Zeiten nun vorbei sind, was ja auch seine guten Seiten hat. Immerhin fallen somit die vielen schlaflosen Nächte weg, in denen er mit Vettel in der Küche sitzen und nach Lösungen für verzwickte Probleme suchen muss.

    »Wer weiß, wofür das alles wieder gut ist«, raunt er leise, als er J.J. endlich unter den Touristen entdeckt. Aufgeregt winkt er ihr zu und versucht dabei zu lächeln, damit sie seine Angst nicht gleich bemerkt.

    Das Mädchen ist nicht sonderlich überrascht, als sie Broaf sieht. Sie wusste, dass er da sein würde. Trotzdem muss sie sich zusammenreißen, als sie ihre Tasche mühsam durch die vielen glücklichen Menschen schleift. Als sie ihn endlich erreicht, löst sich ihr Gefühlschaos. Schluchzend fällt sie dem Diener um den Hals, der sie fest an sich drückt und ebenfalls weint.

    Das ist alles, was dieser Moment zulässt.

    Nach ein paar Minuten blicken sie sich traurig an.

    »Was ist passiert, kleine Prinzessin?«, fragt Broaf leise.

    Seine Stimme ist ungewohnt brüchig und J.J. bemerkt den leichten Geruch nach altem Whiskey, der sich durch den Pfefferminzgeruch seines Kaugummis drängt.

    Sie schluckt und bemüht sich, die richtigen Worte zu finden. Aber es ist alles viel zu schrecklich. Stumm holt sie den zerknüllten Brief des Hexenrates aus ihrer Hosentasche und reicht ihn Broaf. Als der Diener den Absender erkennt, beginnen seine Hände zu zittern. Nachdem er ihn mit weit aufgerissenen Augen gelesen hat, schlägt er erschrocken die Hand vor den Mund und nimmt das Mädchen schützend in den Arm.

    »Diese Bastarde! Keine Angst, wir finden eine Lösung! Das lasse ich nicht zu«, stammelt er zornig.

    Das Mädchen vergräbt ihr Gesicht tief in seiner Jacke und atmet den vertrauten Geruch seines Aftershaves ein. Das beruhigt sie.

    J.J. Smith ist vierzehn Jahre alt und musste schon einige Schicksalsschläge erdulden. Seitdem der Spiegel der Tore sie bei ihrer Geburt als schwarze Prinzessin ankündigte, wird das Mädchen vom Hexenrat gejagt, weil ihr Vater Timothey, ein Magieloser, der die Moral des dunklen Phads verabscheute, sie vor einem Leben als dunkle Hexe bewahren wollte. Als er und ihre Mutter Cassy, eine normale Frau von der Südinsel Neuseelands, bei dem Versuch in den weisen Phad zu fliehen, tödlich verunglückten, entschloss sie sich, niemals ein Leben mit Magie, als Hexe zu führen. Auch wenn das Mädchen damals erst ein Jahr alt war, hat sie dieses Erlebnis für immer geprägt.

    Sie war dabei. Saß im Auto, als die Skulks hinter ihnen herjagten, hörte die entsetzten Schreie ihrer Mutter und spürte den Schlag, als diese Monster sich auf dem Auto niederließen, das sich daraufhin überschlug.

    Als ihre Großmutter sie an ihrem sechsten Geburtstag dann mit einem Vergessenszauber belegte, der ihr nicht nur ihre Erinnerungen nehmen, sondern auch ihre Magie unterdrücken sollte, hofften sie, dass sie ein normales Leben führen könne. Frei von Magie, frei von einer Bestimmung, mit der selbst ihre Großmutter überfordert ist.

    Acht Jahre lang lebte sie in der Sicherheit, ein normales Mädchen zu sein. Es war eine glückliche Zeit, die sie in der Obhut der fröhlichen Hausdame Pippa in einem Internat in Marton verbrachte. Bis sich ihre magische Seite, hervorgerufen durch Gefühle, die sie nicht einordnen oder kontrollieren konnte, wieder nach vorn drängte. Der Vergessenszauber war nicht stark genug, um gegen J.J.s mächtige und dunkle Magie anzukommen. Deshalb beschloss ihre Großmutter, sie wieder zurückzuholen, um sie selbst entscheiden zu lassen, welches Leben sie führen und wo sie leben möchte. Oma Vettel hob den mächtigen Zauber nicht ganz uneigennützig wieder auf und gab dem Mädchen somit ihre Vergangenheit zurück.

    Das ist nun knapp drei Monate her.

    Seitdem ist alles anders. J.J. war dankbar und glücklich, als sie ihre Familie und die Halfies wieder um sich wusste. Das Mädchen ist nämlich sehr stolz auf ihre exzentrische Großmutter, die trotz der Tatsache, dass sie eine dunkle Hexe ist, im Geheimen soviel Gutes für andere Wesen tut. Aber sie hat auch die andere Seite ihrer besonderen »Herkunft« zu spüren bekommen.

    So war sie gerade einmal knapp vierzehn Jahre alt, als sie sich ohne jegliche Zauberkenntnisse den Gefahren des dunklen Phads aussetzte, um ihre Großmutter aus dem Verließ der heimtückischen Oberhexe Darania zu retten, die sich nicht damit abfinden will, dass dieses Mädchen mächtiger sein soll als sie.

    Was also wie ein wunderbares Märchen begann, entwickelte sich schnell zu einem furchtbaren Albtraum, aus dem es für J.J. anscheinend kein Entkommen gibt.

    Für das Mädchen hatte es sich seltsam angefühlt, als sie nach den ganzen Ereignissen während der Sommerferien in das Internat zurückgekehrt war. Aber sie hoffte, dass sie sich mit der Zeit von den Strapazen erholen und irgendwann ein ganz normales Leben führen könne.

    Diese Hoffnung wurde jedoch zerschmettert, als sie die offizielle Einberufung in das dunkle Zauberreich bekommen hat. Denn während J.J. dieses Reich abgrundtief hasst, verehren sie dessen Bewohner, da sie dort die langersehnte schwarze Prinzessin ist, die nun, mit vierzehn Jahren, ein Buch schreiben soll, welches über das Schicksal abertausender Zauberreichbewohner entscheidet. Und als wären dies nicht schon genug Probleme für einen Teenager, plagen sie tiefe Schuldgefühle, die sie nicht zur Ruhe kommen lassen. Linus, ihr Schützer, ist fort. Er ist fort, weil sie ihn nur ein paar Stunden, nachdem sie den Hexenbesen von Oma Vettel geerbt hat, mit dem Vergessenszauber belegte, damit er nicht stirbt. In dieser Sekunde dachte sie, dass es keinen anderen Ausweg gäbe, denn der Junge war vollkommen überraschend im Hause ihrer Großmutter auf sie losgegangen, um sie zu verfluchen. Und das kurz nachdem sie sich gemeinsam gegen den dunklen Phad gestellt und das erste Mal geküsst haben. Warum Linus sich mit einem Schlag so veränderte, weiß J.J. bis heute noch nicht.

    Nun soll also dieser erste große Zauber, den sie in einem Moment der größten Verzweiflung anwandte, endgültig über ihr Schicksal, ihre Zukunft entschieden haben?

    Das Mädchen fühlt sich dem Ganzen hilflos ausgeliefert und überfordert. Deshalb braucht sie jetzt die Sicherheit ihres Zuhauses, ihrer Familie. Und diese besteht in der realen Welt nur noch aus Broaf.

    J.J. atmet durch und schielt zum Wagen, von dem sie ein leises, ungeduldiges Wimmern vernehmen kann, das sie in den letzten Wochen so schmerzlich vermisst hat. Lincoln, der kleine Halbtagshund, lugt durch die Scheibe der Fahrertür und lächelt sie erwartungsvoll an. Freudestrahlend rennt das Mädchen hinüber und reißt die Autotür auf.

    »Lincoln, mein kleiner Freund. Mein kleiner, bester Freund. Ich bin so froh, dich wiederzusehen!«

    Vor lauter Aufregung springt der halbe Mops auf und ab. Der Halfie ist so angespannt, dass er nur bellen kann. J.J. nimmt ihn in den Arm und drückt ihn fest an sich. Broaf hat dem Halbtagshund heute die Kleidung angezogen, die Linus ihm bei Madame Shari in der linkischen Gasse gekauft hat. Der Anblick amüsiert das Mädchen und macht es gleichzeitig unendlich traurig. Sie drückt ihrem geliebten Halfie ein Küsschen auf die Stirn und wartet darauf, dass Broaf ebenfalls in den Wagen steigt.

    Der Diener hievt ihre Tasche in den Kofferraum und sieht sich verstohlen um. Dann eilt er zur Fahrertür und setzt sich seufzend hinter das Lenkrad. Wortlos drückt er J.J.s Hand und streicht ihr sanft über die Stirn. Dann startet er den Motor. Bevor er losfährt, reibt er sich die Hände und haucht hinein.

    »Es wird Herbst in Neuseeland«, sagt er leise und legt dem Mädchen eine Decke über die Beine, die er sorgfältig glatt streicht. Er hilft Lincoln auf den Rücksitz und dreht die Heizung hoch. Dann fahren sie los zum Anwesen ihrer Großmutter.

    Während der Fahrt redet niemand ein Wort. Die Stimmung im Wagen ist gedrückt, denn diese schlechten Neuigkeiten machen auch dem Diener zu schaffen.

    Ab und zu schielt J.J. besorgt zu ihm hinüber, da ihr nicht entgangen ist, dass Broaf eingefallen und traurig wirkt. Erst als sie die endlose Einfahrt ihres Anwesens hinauffahren, atmet das Mädchen erleichtert aus.

    »Endlich zu Hause!«

    Die Anspannung, unter der J.J. seit ihrer Rückkehr nach Marton litt, löst sich schlagartig auf. Und als der Wagen endlich vor der schneeweißen Veranda anhält, beginnt sie vor lauter Freude und Erleichterung zu weinen. Noch ehe der Motor verstummt steigt sie aus und lässt den kleinen Halfie laufen. Aber auch hier in Havelock hat sich einiges verändert.

    »Es fühlt sich anders an.«

    Auch wenn Igor versucht sie aufzumuntern, indem er und seine Familie sich zu einem großen Herz formieren. Sie nickt den Schmetterlingen dankbar zu und geht zurück zu Broaf, der vor der Haustür auf sie wartet. Sonst scheint auch nichts auf eine wilde Willkommensparty hinzuweisen. Keine blinkenden Girlanden auf der Veranda, kein singendes Empfangskomitee, kein Sahnetoffeeregen, keine Großmutter, die das Haus ausschimpft, kein verzücktes Werschwein mit einem Klecks Sahne auf der Nase.

    J.J. holt tief Luft und geht die knarrenden Stufen der Veranda hinauf. Sie zögert einen kurzen Moment, bevor sie unsicher den Hausflur betritt. Seit dem Tag ihrer Abreise hat sich das Haus anscheinend nicht mehr verändert. Es ist alles noch so, wie sie es verlassen hat. Der schwarz-weiße Gruselfilmeffekt verzerrt das Ambiente, während verwelkte Blätter, angetrieben durch eine kühle, pfeifende Brise, rastlos durch das Treppenhaus fliegen.

    Broaf huscht eilig an ihr vorbei. Er stellt ihren Koffer auf die Treppe und nimmt ihr die Jacke ab.

    »Es ist immer noch geschockt. Das Haus, meine ich. Diese vielen Veränderungen, weißt du. Erst verlieren wir Diggler und Flick, dann verlässt uns Vettel, um mit Konrad in Rosaryon zu leben und dann noch dieser furchtbare Moment, als du … Ich meine, als Linus …« Der Diener hält kurz inne und schluckt. »Egal, wir können diese Dinge nicht ungeschehen machen. Aber ich gebe täglich mein Bestes, um den Bewohnern ein gutes Heim zu bieten. Das braucht wohl alles noch seine Zeit«, beendet er schnell seine Rede.

    Er räuspert sich, während er sich verlegen umsieht. Ein paar lose Blätter wehen ihm dabei langsam vor die Füße, die er genervt packt und hektisch in seiner Jackentasche verstaut. J.J. bemerkt, dass dort schon einige drinstecken.

    »Anscheinend hat Broaf das Haus überhaupt nicht mehr im Griff.«

    J.J. nimmt ihn an die Hand und horcht in Richtung des Esssalons. Aber sie kann nichts hören. Keine Stimmen, kein Gebrabbel und auch kein Gezeter. Der Diener scheint ihre Gedanken zu erahnen.

    »Ich habe ihnen noch nichts gesagt. Mrs. Rogan rief gestern Abend hier an und wollte sofort mit Vettel sprechen. Ich sagte ihr, dass deine Großmutter für eine Weile verreist und ich währenddessen dein Vormund sei. Daraufhin erzählte sie mir ganz aufgeregt von dem Brief, den du Zoé hinterlassen hast, und dass du mit Sack und Pack fortgelaufen seist. Sie machen sich wirklich sehr große Sorgen. Deine Freunde und Pippa haben noch bis spät in die Nacht nach dir gesucht. Ganz schönes Chaos, was du da verbreitet hast, meine Liebe.

    Aber ich dachte mir gleich, dass du hierher kommst. Wo solltest du auch sonst hingehen? Ich denke, es war längst überfällig. Es geht dir überhaupt nicht gut, oder?«

    J.J. sieht betroffen zu Boden und schluckt kräftig. So wie sie es in den letzten Monaten immer getan hat, wenn sie jemand gefragt hat, wie es ihr gehe. In Marton konnte sie mit niemandem über die furchtbaren Geschehnisse reden. Zoé hat nicht einmal nachgefragt, was es mit dem Stein auf sich habe. So als hätte sie es einfach vergessen. Sie war vielmehr an J.J.s neuer Frisur interessiert als an ihren seltsamen Abenteuern.

    Hier in Havelock ist das allerdings anders. Hier kann sie darüber reden. Sie lehnt ihren Kopf an Broafs Arm und schüttelt langsam den Kopf. Der Diener streicht ihr sanft über das Haar.

    »Ich weiß, ich weiß. Mir geht es genauso. Eigentlich bin ich froh, dass du hier bist! Es war eine dumme Hoffnung, dass wir nach diesen fürchterlichen Ereignissen einfach weitermachen können, als wäre nichts passiert. Ich mache uns jetzt erst einmal etwas Richtiges zu Essen. Anschließend überlegen wir uns, wie es weitergeht.«

    J.J. zuckt leicht zusammen und stockt. Als sie das letzte Mal diese Küche betreten hat, wollte Linus sie verfluchen und dann ist es passiert. Diese Katastrophe, die sie seitdem verfolgt, ihr keine Ruhe gönnt und sie nicht mehr schlafen lässt. Ängstlich sieht sie den Diener an und schüttelt den Kopf. Aber Broaf lächelt sie verschmitzt an und zeigt zwinkernd zur Küche.

    Da sie weiß, er der rücksichtsvollste Mensch auf Gottes Erden ist, geht sie langsam hinter ihm her. Mit gesenktem Kopf betritt sie die Küche und rennt zur Eckbank, ohne sich umzusehen. Sie setzt sich auf ihren Lieblingsplatz und starrt aus dem Fenster. Broaf stellt sich vor die Eckbank und stemmt die Hände in die Hüfte.

    »Also, wirklich! Da haben wir uns solche Mühe gegeben und du siehst es dir nicht einmal an!«, spöttelt er und imitiert dabei gekonnt Oma Vettels Zeterton.

    J.J. dreht sich um und staunt.

    Broaf hat die Küche renoviert! Er hat sie sogar neu eingerichtet. Im Gegensatz zu den urigen Möbeln aus Oma Vettels Zeiten stehen nun sehr moderne, weinrote Möbel mit Hochglanzfronten an der Wand. Der dreiflügelige Kühlschrank wurde durch ein zweitüriges, schwarzes Modell ersetzt, was J.J. doch etwas schade findet.

    Broaf eilt hinüber und streicht sacht über die polierte Oberfläche.

    »Durch Vettels Auszug und deinen Internatsaufenthalt sind wir ein paar Bewohner weniger im Haus. Die Feste, die sonst monatlich stattfanden, gibt es seit eurem Auszug auch nicht mehr. Ich dachte deshalb, dass ein zweitüriges Modell für mich und die restlichen Bewohner ausreichen würde. Also, Jezabel, worauf hast du Appetit?«, fragt er grinsend.

    Das Mädchen geht hinüber und drückt auf das moderne Glasdisplay. Gespannt wartet sie, was passiert. Als die freundliche Stimme sich meldet, bestellt sie Hühnchenburger mit Pommes frites. Der Diener verdreht die Augen und schnalzt mit der Zunge. J.J. befürchtet nun, dass sie etwas verkehrt gemacht hat, und öffnet hastig die Tür.

    »Puh! Ist wohl ein neueres Modell? Dieses Mal hat er die richtige Anzahl serviert«, stellt sie erleichtert fest.

    »Ja, in der Tat! Das ist das allerneueste Modell! Den habe ich mir geleistet. Er hat einen hochempfindlichen Sensor, der die genaue Anzahl der sich im Raum befindlichen Wesen erfasst. Somit wird eine grobe Verschwendung von Nahrungsmittel vermieden«, erklärt der Diener mit stolz geschwellter Brust.

    J.J. nimmt sich schnell ihr Essen heraus und setzt sich auf die Eckbank. Lincoln und Broaf sitzen ihr gegenüber und starren sie erwartungsvoll an.

    »Was hast du jetzt eigentlich vor? Sollen wir vielleicht Oma Vettel kontaktieren?«, fragt der Halfie zögerlich.

    J.J. legt ihren Burger beiseite und schüttelt energisch den Kopf.

    »Nein! Ich möchte euch bitten, Großmutter erst einmal nicht zu sagen, dass ich hier bin! Ich weiß, was ich da von euch verlange, aber ich brauche ein paar Tage Ruhe. Broaf, vielleicht könntest du Mrs. Rogan sagen, dass wir einen Trauerfall in der Familie haben und ich deshalb eine Zeit lang zu Hause bleiben werde. Das müsste die Gemüter erst mal besänftigen. Ich werde mir etwas überlegen. Gebt mir bitte ein paar Tage dafür Zeit. Ich muss nachdenken.«

    Lincoln und Broaf sehen sich betrübt an und nicken ihr stumm zu.

    J.J. steht auf und geht zur Tür.

    »Die Küche sieht wirklich sehr schön aus! Danke, dass ihr das gemacht habt! Ich bin froh, dass ich wieder bei euch bin!«, sagt sie müde und geht hinauf in ihr Zimmer.

    Die Gemälde, die extra schief an der Wand neben der Treppe hängen, beachtet sie nicht und sie bleibt auch nicht vor dem Schlafzimmer ihrer Großmutter stehen. Als sie ihr Zimmer betritt, verschließt sie hektisch die Tür und schmeißt ihre Tasche in die Ecke. Fluchend wirft sie sich auf ihr Bett und weint.

    Alles, was sie in den letzten Wochen unterdrücken musste, drängt sich jetzt mit aller Macht nach außen. Jedes unterdrückte Gefühl, jede untersagte Erklärung, jeder Gedanke, den sie mit einer dicken Mauer ferngehalten hat. Wütend schlägt sie in den Kissenberg. Die Trauer um Diggler und Flick, der Umzug ihrer Großmutter, der Hass auf Darania und die unaufhörliche Sehnsucht nach Linus zerreißen sie innerlich. Es scheint, als würde es nichts auf dieser Welt geben, was sie trösten könne.

    Erst als ihre Augen dick geschwollen und ihre Kehle trocken ist, schleppt sie sich in ihr Badezimmer und nimmt eine Dusche. Sie dreht das Wasser heiß auf und schrubbt ihren Körper, in der Hoffnung, dass dieses verfluchte schwarze Blut wieder verschwindet.

    »Ich will das nicht! Ich will dieses Schicksal nicht!«

    Außer sich vor Wut schmeißt sie die Bürste in die Ecke und schreit, bis sie erschöpft zusammensackt, weil ihr Kreislauf rebelliert. Als sie bemerkt, dass ihre Adern gefährlich anschwellen und dunkle Verse in ihrem Inneren hochkochen, dreht sie das Wasser eiskalt auf und setzt sich wimmernd unter den Strahl. Erst als ihre Lippen schon leicht bläulich sind, hat sie sich wieder etwas beruhigt.

    Sie geht ins Ankleidezimmer und läuft wie ferngesteuert durch die schier endlosen Kleiderreihen. Am Ende schnappt sie sich einen grauen Jogginganzug und lässt sich erschöpft in einen der Loungesessel fallen.

    »Ich wünschte, jemand würde mir wieder den Vergessenszauber auferlegen«, raunt sie in das leere Zimmer. Dann zieht sie ihre Beine ganz nah an sich heran und umklammert ihre Knie. Summend starrt sie in das dunkle Zimmer, bis sie einschläft.

    Erst die feuchte Zunge des Halbtagshundes weckt sie wieder auf. Angeekelt stupst sie Lincoln weg und sieht sich verwirrt um.

    »Lass das! Wie lange habe ich geschlafen? Du bist immer noch vorn sichtbar. Also höchstens ein oder zwei Stunden?«, fragt sie gähnend.

    Der Halbtagshund schüttelt den Kopf und verdreht die Augen.

    »Wieder sichtbar. Ich bin WIEDER vorn sichtbar! Es ist schon wieder ein ganzer Tag herum, J.J.

    Broaf hat die anderen Bewohner schon mit Frühstück versorgt. Er hat mich hinaufgeschickt, um dich zu holen. Du solltest besser im Bett schlafen als in diesem Sessel, in diesem dunklen Zimmer. Dein Körper muss sich erholen«, sagt Lincoln besorgt.

    J.J. beißt sich auf die Lippen.

    »Schon wieder ein Tag herum?«, raunt sie versonnen.

    Sie hüpft vom Sessel und geht mit dem Halfie hinab in die Küche. Dort sitzt Broaf am Küchentisch und liest sehr konzentriert die regionale Zeitung. Das Mädchen huscht auf ihren Lieblingsplatz und räuspert sich.

    »Das ist neu! Seit wann liest du die örtliche Zeitung?«, fragt sie amüsiert.

    Der Diener, der die Zeitung ausgebreitet vor sein Gesicht hält und aufmerksam einen Artikel über internationale Essgewohnheiten durchliest, zieht die Stirn kraus.

    »Nun ja. Seitdem mit Vettel ein großer Teil der Magie aus dem Haus verschwunden ist, und ich mich damit abfinden muss, den Rest meiner Tage allein in der realen Welt zu fristen, habe ich mir ein paar ganz normale Dinge zu eigen gemacht. Die allmorgendliche Zeitung gehört dazu. Der kleine Jenkins ist so nett und wirft sie mir jeden Morgen vor das Tor«, antwortet er, ohne aufzusehen.

    J.J. reißt die Augen auf und kichert. Lincoln setzt sich neben den Diener und grinst verschmitzt.

    »Der Junge hat zuerst versucht, sie bis zum Haus zu bringen. Aber das hat er wegen der endlosen Einfahrt natürlich nicht geschafft. Daraufhin hat er versucht, sie über das Tor zu werfen. Aber auch das hat nicht geklappt. Jetzt wirft er sie einfach vor das Tor und fährt ganz schnell wieder weg. Ich habe ihn ein paar Mal dabei beobachtet und mich köstlich amüsiert!«

    Der Halbtagshund kichert leise, wofür Broaf ihn missbilligend ansieht.

    J.J. beißt in ihren Toast und freut sich, dass sie diesen kurzen, normalen Moment genießen darf. Sie legt den Rest aber wieder auf den Teller zurück und steht auf. Broaf schmeißt entsetzt die Zeitung beiseite und sieht sie entrüstet an. Das Mädchen hat jedoch keine Lust auf eine weitere Moralpredigt und verlässt wortlos die Küche.

    Im Flur schnappt sie sich ihren dicken Parka und geht hinaus in den Garten, der wie immer in voller Blüte steht. Sie setzt sich auf die Blütenschaukel und vergräbt ihre Hände tief in den Taschen. Obwohl sie versucht es zu vermeiden, bleibt ihr Blick auf der Gedenksäule für Diggler und Flick hängen.

    »Sinnlos! Einfach sinnlos! Wieso passieren diese Dinge? Was soll ich denn jetzt nur tun? Ich kann mich nicht ewig in Havelock verstecken. Irgendwann wird Darania hier auftauchen, oder schlimmer noch, einer ihrer widerlichen Handlanger.

    Ich brauche einen Plan! Ich könnte mein Amt niederlegen und mich aus dem Register des dunklen Phads löschen lassen. Das hat Großmutter doch gesagt. Aber damit hätte ich auch jede Chance vertan, einen Gegenzauber für Linus zu finden. Außerdem bezweifle ich, dass ich das jetzt, unter diesen Umständen noch einfach so kann. Darania wird mich niemals in Ruhe lassen! Ich brauche einen guten Plan! Herrgott J.J., du musst nachdenken!«

    Das Mädchen seufzt und lässt den Kopf hängen. Da hört sie neben sich ein vertrautes Räuspern. Schmunzelnd dreht sie sich um.

    »Hallo Florence! Schön dich zu sehen«, sagt sie leise.

    Das Sonnentrichterorakel grinst verzückt und verbeugt sich leicht. Verlegen sieht es das Mädchen an.

    »Dürfte ich dir vielleicht einen Rat geben?«, fragt Florence vorsichtig.

    J.J. presst die Lippen zusammen. Sie ist sich nicht sicher, ob sie jetzt einen Rat vom Sonnentrichterorakel hören möchte. Aber sie möchte Florence auch nicht beleidigen, also nickt sie zögerlich.

    »Worin liegt deine größte Verzweiflung, Jezabel? Ist es der Brief vom Hexenrat? Ist es die Einberufung nach Xestha, welche dir, entschuldige bitte meine Offenheit, ein Leben mit schier grenzenlosen Möglichkeiten bieten würde?

    Wenn du hier in der realen Welt bleiben würdest, was wolltest du dann tun? Das Geschehene ist geschehen. Du kannst es nicht mehr ändern. Verharre nicht in der Vergangenheit! Versuche deine Zukunft zu lenken und das geht nur, wenn du dich der Gegenwart stellst! Wenn du den Rat deiner Großmutter scheust, handle nach deinem Herzen! Das ist immer der einzig wahre Weg. Entscheide dich und dann geh los! Hadere nicht, wenn sich deine Entscheidung als falsch herausstellt. Darauf kommt es nicht an. Hör auf dein Herz und tue es!«

    J.J. senkt den Blick und schnaubt.

    »Für mich gibt es keine Herzensentscheidungen mehr! Ich finde keine Lösung. Es ist alles viel zu kompliziert!«, zischt sie genervt.

    Das Sonnentrichterorakel nickt verständnisvoll.

    »Aber nicht alle komplizierten Aufgaben erfordern komplizierte Lösungen, meine Liebe. Manchmal können wir sie nur nicht sehen, obwohl sie direkt vor unseren Augen sind. Es wird alles wieder gut werden, Jezabel! Du musst GLAUBEN und aus deiner Lethargie erwachen! Wach auf, schwarze Prinzessin!«

    Eigentlich wissen alle Bewohner, dass es ihr nicht gefällt, wenn man sie mit diesem Titel anspricht. Deshalb ist J.J. auch sehr verwundert, dass Florence ihn jetzt so betont. Aber sie kann das Orakel nicht mehr danach fragen. Die Trichterblüten verschließen sich langsam und verdecken bereits das Gesicht von Florence.

    J.J. denkt noch einige Minuten über diese Worte nach und geht hinauf in ihr Zimmer. Sie setzt sich an ihren Schreibtisch und grübelt. Eigentlich möchte sie den Monitor hochfahren, um sich etwas abzulenken, aber sie traut sich nicht. Sie weiß, dass sie damit einfach alles in Erfahrung bringen kann. Aber das will sie nicht. Noch nicht.

    Sie will auch nicht die alten Nachrichten lesen, deren Absender sie nicht mehr antworten kann. Aber irgendetwas muss sie tun.

    »Ich brauche dringend eine Lösung!«

    Das Mädchen kneift die Augen zusammen und schnippt schnell mit den Fingern. Nachdem sie den dunklen Monitor eine Zeit lang angestarrt hat, tippt sie doch auf die alten E-Mails. Den Boten ignoriert sie, da sie die neuen Nachrichten nicht lesen möchte.

    J.J. schließt die Augen und atmet tief durch. Wie hypnotisiert gleitet ihr Finger auf die Nachricht von Linus. Sanft streicht sie über seine Worte. Als ihr Blick jedoch Avas Nachrichten streift, drückt sie wütend auf die Löschtaste.

    »Ich hasse dich! Wie konntest du nur so etwas tun? Er hat gewusst, dass du uns verrätst, und ich habe ihm nicht geglaubt! Das werde ich dir irgendwann heimzahlen!«, schreit sie, während sie wie besessen auf der Löschtaste herumhämmert.

    »Wie konntest du das nur tun? Ich hasse dich!«, schluchzt sie immer und immer wieder.

    Dann starrt sie eine Weile stumm auf den Monitor. Sie weiß nicht warum, aber sie geht zurück auf Linus’ Nachricht und tippt auf »Antworten«. Unbewusst berührt sie dabei die Feder, die er ihr geschenkt hat und die sie seitdem nicht mehr abgenommen hat.

    Linus.

    Ich weiß, dass du diese Nachricht niemals bekommen wirst. Aber wenn ich schon nicht mehr mit dir sprechen kann, muss ich dir wenigstens schreiben.

    Meine Großmutter hat mir einmal gesagt, dass die Theorie, dass die Zeit alle Wunden heilen würde, in der Praxis nicht funktioniert. Sie glaubt, dass lediglich die Erinnerungen verblassen, der Schmerz aber bleiben würde.

    Nun, ich kann behaupten, dass sie ebenfalls unrecht hatte. Meine Erinnerungen verblassen nämlich nicht und der Schmerz bleibt nicht nur, er wird täglich größer!

    Es gibt so viele Fragen, die ich dir stellen wollte und so viele Dinge, die ich dir sagen muss. Aber das kann ich nicht mehr. Das ist grausam und ich halte dieses Gefühl kaum aus. Es gab eine Zeit, da bist du mir wenigstens noch in meinen Träumen erschienen. Selbst das geschieht nicht mehr.

    Ich bin einsam, Linus. Auch wenn du mir gesagt hast, dass dies nur ein Wort der Menschen sei. In diesem Moment bin ich einer. Ein Mensch mit rabenschwarzem Blut, in einem verwunschenen Haus.

    Aber ich bin keine dunkle Hexe! Ich wollte das nicht.

    Nachdem sich in den ganzen Wochen davor alles um diesen verdammten Vergessenszauber gedreht hat, war es für mich eine logische Schlussfolgerung, dass ich ihn in diesem Moment bei dir anwende.

    Ich wollte mein Leben retten und dich davor schützen, dass du zu Stein wirst. Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass du kein Lythargium hast, das ich dir bringen kann.

    Ich sehe keinen Ausweg. Aber ich suche nach einer Lösung. Ich werde dich von diesem Fluch befreien! Koste es, was es wolle!

    Ich wünsche mir so sehr, dass ich noch einmal mit dir reden könnte!

    Jezabel

    PS: Du hast mir versprochen, dass du immer auf mich aufpassen wirst! Du hast es versprochen!!! Aber du hast mich auch allein gelassen! Und wer passt jetzt auf mich auf? Du hast mich auch belogen!!! Ich hasse dich!,

    tippt sie wütend hinterher.

    Sie schluchzt und löscht den letzten Satz, bevor sie auf die Sendetaste drückt. Trotz des Wissens, das er ihr nicht antworten kann, wartet sie auf den Boten mit den geflügelten Schuhen. Dieser kommt auch prompt durch den Monitor geflogen, hält aber nur lächelnd die Eingangsbestätigung in die Höhe.

    Nach einer Stunde findet sie sich damit ab, dass sie keine Antwort bekommen wird, und lässt den Monitor in der Tischplatte versinken.

    Dann geht sie in ihr Ankleidezimmer und setzt sich wieder in den Sessel. Stundenlang denkt sie krampfhaft über die Gespräche mit ihrer Großmutter nach. Aber egal wie oft sie das tut, sie findet keinen Hinweis, wie man einen Vergessenszauber bei einem Wesen rückgängig machen kann, das keinen Gedankenstein besitzt. Sie hat es auch schon mit Visualisierung versucht. Aber das Bild von Linus, der mit hassverzerrter Fratze fluchend auf sie zukommt, unterbricht jedes Mal ihre Konzentration. Ihre Adern schwellen an und der Druck im Bauch wächst. Noch unterdrückt sie diesen Impuls, aber das kostet Kraft. Viel zu viel Energie, die sie im Moment nicht hat. J.J. weiß nicht, wie lange sie das noch schafft.

    Sie legt ihren Kopf auf die Knie und weint.

    Wie lange soll das noch so gehen? Irgendwann muss sie etwas unternehmen.

    »Aber nicht jetzt. Ich bin so müde«, raunt sie erschöpft, während sie in die Dunkelheit starrt und ihre Gedanken umzulenken versucht.

    Es gelingt ihr nicht. Aber es verbraucht so viel Kraft, dass sie irgendwann vor Erschöpfung einschläft. Das ist ihr Ziel und mittlerweile ein allabendliches Ritual.

    Wie viele Abende sie das inzwischen schon getan hat, weiß sie nicht. Zeit hat für das Mädchen keine Bedeutung mehr. J.J. gleitet von einem Dämmerzustand in den nächsten und mittlerweile ist sie viel zu schwach, um nach Lösungen zu suchen. Nur noch der erzwungene Schlaf rettet sie aus dieser furchtbaren Realität.

    Manchmal hat sie sogar schöne Träume. Dann ist sie in Marton bei Pippa und Zoé. Die meisten sind aber einfach nur schrecklich. Da ist sie wieder auf der Deponie oder in der Arena. Und dann gibt es noch die ganz Grausamen, in denen sie in der Küche hinter der Kochinsel kauert, Rosinante ruft, diese in ein Zepter verwandelt und den Vergessenszauber NICHT ausspricht. Linus hört auf zu fluchen und kommt ihr lächelnd entgegen. Alles ist gut.

    Dann wacht sie auf und schreit. So wie jetzt auch.

    Broaf packt J.J. am Arm und schüttelt sie kräftig.

    »Jezabel, wach auf! Du hast schlecht geträumt! Außerdem musst du endlich etwas essen! Du kannst nicht nur in diesem Bett liegen und Trübsal blasen!«

    Der Diener ist äußerst aufgebracht und reißt ihr grob die Bettdecke weg.

    J.J. öffnet langsam die Augen. Als sie jedoch realisiert, dass sie noch in Havelock ist und immer noch keine Lösung gefunden hat, schmeißt sie sich das Kopfkissen wieder über das Gesicht. Das macht den Diener richtig wütend. Fluchend zerrt er es zur Seite und schnaubt.

    »Ich denke, es reicht jetzt! Das geht nun seit fünf Wochen so. Ich habe dir also sehr lange Zeit gelassen, um zu dir zu kommen. Die ich übrigens nicht hatte, sondern damit verbracht habe, Ausreden über deinen Verbleib zu erfinden. Aber jetzt reicht es mir! Jezabel, du musst dich fangen! Ich bin es wirklich leid, mir täglich neue Lügen für Mrs. Rogan, Pippa, Vettel und den Hexenrat ausdenken zu müssen. Entweder du stellst mir jetzt sofort deinen Plan vor, oder ich werde handeln! So geht es auf jeden Fall nicht weiter!!!«

    Broaf redet sich entschlossen in Rage und starrt zornig auf das Kissen, das sich J.J. mittlerweile auf die Ohren drückt.

    Das bringt den Diener vollends aus der Fassung. Er packt das Kissen und schmeißt es fluchend in die Ecke. Dann stellt er sich mit verschränkten Armen vor das Mädchen und schnaubt, da er eine ungewohnt negative Energie in sich aufsteigen bemerkt. Aber J.J. bleibt provokant. Sie nimmt nun ihre Bettdecke und zieht sich diese bis über die Haarspitzen.

    »Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?«, schreit sie ihn wütend an.

    Da verliert der Diener zum allerersten Mal seine Haltung. Er stemmt kampfbereit die Hände in die Hüfte und stampft wütend mit den Füßen auf, sodass für einen kurzen Moment der Boden vibriert.

    Vielleicht ist es diese ungewohnte Situation, vielleicht eine lustige Erinnerung. Ohne es zu wollen, muss J.J. nun kichern. Denn Broaf hat sich eigentlich immer im Griff und sie kann sich nicht daran erinnern, dass er auch nur ein einziges Mal ausfällig oder richtig wütend geworden wäre. Die Art, wie er jetzt mit ihr redet und wie er sich verhält, erinnert sie einfach zu sehr an ihre Großmutter.

    Den Diener scheint das allerdings nicht zu amüsieren. Er dreht sich wütend weg und geht entschlossen zur Tür.

    »Zehn Minuten! Ich gebe dir exakt zehn Minuten! Wenn du dann nicht unten in der Küche bist, werde ich handeln!«

    Kapitel 2

    Ein Notruf nach Rosaryon

    J.J. starrt an die Decke und denkt nach. Als sie im Flur erneut das verzweifelte Fluchen des wütenden Dieners hört, schiebt sie ihre Bettdecke zur Seite und setzt sich langsam auf.

    Ihr ganzer Körper schmerzt, da sie sich in den letzten vier Wochen kaum bewegt hat. Aber immer wenn sie loslaufen wollte, stockte ihr Körper und verkrampfte sich. So als wüsste er nicht, wohin er gehen soll. Dieses Haus ist vollgepackt mit erdrückenden Erinnerungen, denen das Mädchen aus dem Weg gehen wollte. Also hat sie sich in ihrem Bett verkrochen und ist irgendwann einfach liegen geblieben.

    J.J. sieht an sich herab und schüttelt den Kopf. Was sie sieht, gefällt ihr ganz und gar nicht. Ihr Körper ist ausgezehrt und ungepflegt. Der graue Jogginganzug, den sie seit Wochen trägt, klebt regelrecht an ihrer Haut.

    Langsam steht sie auf und schlurft ins Badezimmer. Vor dem Spiegel bleibt sie stehen und betrachtet sich argwöhnisch.

    »Wie siehst du nur aus? Linus hätte sich bestimmt nicht so gehen lassen«, raunt sie sich ermahnend zu und schnappt gereizt nach ihrer Zahnbürste.

    Es kostet sie viel Überwindung, sich diesen normalen, alltäglichen Dingen hinzugeben. Sie wäscht sich mehrmals die Hände und betrachtet sie abfällig. Aber die Schuldgefühle wollen einfach nicht vergehen.

    Anschließend nimmt sie eine ausgiebige Dusche und versucht sich einigermaßen ansehnlich herzurichten. Aber auch das will ihr nicht gelingen. Ihre Haare sind inzwischen viel zu lang und hängen ungepflegt herab.

    Genervt schlurft sie in ihr Ankleidezimmer. Nach langer Suche entscheidet sie sich für eine schwarze Jeans und einen grauen Rollkragenpullover. Mehr Farbe gibt die Situation nicht her.

    »Grau ist gut.«

    Auf Zehenspitzen schleicht sie auf den Flur und horcht. Im Haus ist es ungewohnt ruhig.

    J.J. starrt eine Zeit lang auf die Schlafzimmertür ihrer Großmutter und geht langsam darauf zu. Nur zögerlich betritt sie das verwaiste Zimmer. Das Mädchen vermisst ihre Großmutter so sehr, dass es ihr einen Moment lang die Kehle zuschnürt. Darunter mischt sich ein Hauch von Wut und Unverständnis.

    Auch wenn es zeitlebens der größte Wunsch ihrer Großmutter war, gemeinsam mit ihrer großen Liebe in Rosaryon zu leben, kann das Mädchen deren endgültigen Entschluss, einfach alles zurückzulassen, nicht verstehen.

    »Großmutter gehört nicht nach Rosaryon. Sie gehört hierher! Hier in dieses Haus!«, schnaubt sie gereizt.

    Das Zimmer sieht aus, als würde Oma Vettel jeden Moment hereingeschneit kommen und herumzetern. J.J. schließt die Augen und versucht ihren Duft zu erhaschen. Sie setzt sich auf das große Bett und vergräbt ihr Gesicht in den Händen.

    »Broaf hat recht! Ich brauche dich. Aber wenn ich dich jetzt anrufe, kommst du Hals über Kopf hierhergestürmt und machst irgendwelchen Unsinn. Du hast nur noch ein paar Monate Probezeit im weisen Phad. Das darf ich nicht kaputt machen!«, flüstert sie dem leicht überdimensionierten Porträt zu, das auf dem Nachtschränkchen steht. Sie streicht sanft über das Foto und geht hinüber zur Frisierkommode. Erleichtert stellt sie fest, dass die silberne Haarbürste noch da ist. Ganz vorsichtig nimmt sie diese in die Hand und streicht versonnen über den kostbaren Stiel.

    »J.J.-Cut. Ich möchte den J.J.-Cut haben«, sagt sie laut und fährt sich fest durchs Haar.

    Es dauert vielleicht drei Minuten, bis sie die Haarbürste zufrieden zur Seite legt und die breite Strähne sorgfältig über das rechte Auge zieht.

    »Es stimmt also, was Großmutter sagte. Sobald ich eine von ihnen bin, hält der Zauber auch bei mir. Die Frisur sitzt perfekt«, spricht sie verächtlich und schiebt sich samt Hocker von der Kommode weg. Dann verlässt sie eilig das Zimmer. Dicht ans Geländer gedrängt, pirscht sie die Treppen hinunter. Außer dem unheimlichen Windgejammer, das das Haus permanent von sich gibt, kann sie nichts hören.

    »Das ist gespenstisch.«

    Broaf steht in der Küche und füttert Afrim mit Holz. Der Feuerdämon windet sich schmatzend über die großen Holzscheite und stöhnt zufrieden.

    Auch das hat sich verändert. Als J.J. ihn das erste Mal

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