Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Was tust du?: Satirische Geschichten über uns und unsere Mitmenschen
Was tust du?: Satirische Geschichten über uns und unsere Mitmenschen
Was tust du?: Satirische Geschichten über uns und unsere Mitmenschen
eBook241 Seiten3 Stunden

Was tust du?: Satirische Geschichten über uns und unsere Mitmenschen

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Vorsicht! Überlegen Sie sich sehr genau, ob Sie diese 18 humorvollen Kurzgeschichten lesen möchten. Sie machen nämlich süchtig nach mehr. Der Grund: Sie sind witzig und originell und trotz der satirischen Überspitzungen absolut glaubwürdig. Wer sich den rasanten gesellschaftlichen Veränderungen nicht blind ausliefern will, braucht dieses Buch ohnehin als topaktuellen Ratgeber. Oder wussten Sie schon, dass das Ministerium für soziale Harmonie und politische Geborgenheit (MfHaG) mit der Zwangspatenschaft für Rentner in Wirklichkeit einen ganz tückischen Generationenvertrag zwischen Jung und Alt ausgetüftelt hat? Und wenn Sie einen ehrlichen (!!!) Blick auf Ihre Zimmerpflanzen werfen, eine Pflanzen-Nanny hätte hier einen echten Knochen-Job! Aber es kommt noch schlimmer: Die Wortsteuer ist beschlossene Sache und bringt Frauen an den Rand Ihrer Existenzberechtigung. Doch alles kein Grund zur Resignation, denn in "WAS TUST DU?" zeigen die persönlichen Schicksale, wie man solche Problemfelder kreativ meistern kann. Und um einen voll Lesesüchtigen von "WAS TUST DU?" zu zitieren: "Seit ich das Buch gelesen habe, weiß ich erst, dass man lesen muss, um zu lesen, was andere Tolles schreiben." Danke!
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum20. Aug. 2013
ISBN9783847649984
Was tust du?: Satirische Geschichten über uns und unsere Mitmenschen

Ähnlich wie Was tust du?

Ähnliche E-Books

Humor & Satire für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Was tust du?

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Was tust du? - Jule Frisch

    Vorwort

    Was tun Sie gerade? Dumme Frage - lesen natürlich! Und wenn Sie glauben, mal gerade nichts zu tun, dann tun Sie natürlich trotzdem etwas - entspannen, dösen, faulenzen ... So lange wir sind, tun wir irgendetwas. Manchmal tun wir Dinge, die wir hätten tunlichst ver-meiden sollen. Hin und wieder tun wir nur so, als ob ... Und gut tut uns, wenn wir mit unserem Tun und Treiben anderen wohltun. Wie Biologe Sebastian Taft, der sich nicht nur leidenschaftlich für kleines Getier einsetzt, sondern ebenso engagiert für das Wohl seiner Frau. Auch die vierköpfige Familie Hassel kann sich glücklich schätzen. Ihr weibliches Oberhaupt verhindert den Untergang der Familie, die mit der neu eingeführten Wortsteuer an ihre Grenzen stößt.

    Und das junge Ehepaar Mausch-Krietowsky schließlich geht mutig den Weg in die Öffentlichkeit, als es einsehen muss, dass es in Sachen Erziehung in einer grünen Sackgasse steckt.

    Drei von 18 satirischen Geschichten, die erzählen, was Menschen so tun und warum sie es nicht lassen können. Spritzig, pointiert und ganz dicht dran an unserem Alltag - ein Buch, mit dem Sie Ihre Zeit ganz sicher sinnvoll vertun.

    Ihre Autorin

    Jule Frisch

    Ich bin süchtig nach Gesundheitstipps

    Das anonyme Bekenntnis einer Frau, die von der Psychosomatischen Naturhörigkeit (PsNa) befallen ist

    Bis vor wenigen Jahren war mein Leben sozusagen problemfrei - meine vierjährigen Zwillinge rauchten, tranken und kifften nicht, meine zwölfjährige Tochter war noch niemals schwanger und meine Schwiegermutter mischte sich auch nicht in unser Leben ein, da sie mit ihrem Wanderverein „Rentner mobil, Deutschland gehört uns!" ein recht eigenständiges Leben führte. Nur diese Migräneattacken jeden Monat zum 15. wurden immer lästiger, da halfen auch die auf der Stirn liegenden kalten Hände meines lieben Ehemannes nichts. Umsonst auch der von mir erzeugte Gegenschmerz – schwerster Kater nach Alkoholrausch vom 13. auf den 14. des Monats. Pünktlich zum 15. kam die gewohnte Attacke. Da beschloss ich von heute auf morgen, mich selbst naturheilkundlich zu informieren und zu behandeln.

    Ach, hätte ich nur ahnen können, dass mich dieses Verlangen regelrecht verschlingen würde! Es begann mit dem harmlosen chinesischen Heilöl, mit dem ich der Migräne beim nächsten Aufflackern entgegensteuerte. Und schon der erste Versuch faszinierte mich. Die brennenden Augen ließen mich über lange Zeit den Migräneschmerz völlig vergessen. Ich war gefesselt und entdeckte das Internet als Schatzkästchen für Gesundheitstipps. Den Computer verließ ich von nun an nur noch für ganz dringende Toilettengänge. Beim Chatten schlürfte ich Vitamindrinks mit gemischten Gartenkräutern und selbstgezüchtetem Kefir, dabei knabberte ich fritierte Brennnesselblätter, Kekse mit Anissamen und Vogelmieretaler. Zu Ostern bat ich, ein Dutzend farbige Ordner zu verstecken - gelbe zur Ablage für akute Gesundheitsbeschwerden, rote zur Ablage für chronische Gesundheitsbeschwerden und schwarze zur Ablage von Listen mit Lebensmittelzusatzstoffen, geordnet nach dem Grad der Gefährlichkeit der E-Stoffe. Am Muttertag bekam ich mehrere Tintenpatronensets für meinen Drucker, am Valentinstag ein neues Bücherregal für die Ordner und auf meinem Geburtstagstisch lagen nun statt Parfüm und Geschirrtüchern Bücher wie „Du denkst, es ist Unkraut? und „Ich bin mein eigener Arzt - ohne lästige Quartalsabrechnung. Ich war wie ausgewechselt, als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte! Noch nie in meinem Leben empfand ich einen so hohen Grad der Entspannung wie beim Archivieren meiner Gesundheitsblätter.

    Mein Mann kam nun abends mit Unmengen von Illustrierten, die ich nach Gesundheitstipps abgraste, während er ungestört den Western sah. Mit meinem neuen Hobby gab es nie mehr Diskussionen um das Fernsehprogramm, da ich ja recherchierte, archivierte und sortierte. Meine Lieblingspflanze wurde die heimische Brennnessel (Urtica dioica). Mit ihr harmonisierte ich sogar eine leichte Sehschwäche, eine bisher nicht veröffentlichte Heilwirkung. Ich machte Brennnesselsüppchen, -röllchen, -spinat, -aufläufe, -grütze, -chips, -bier und -brühen. Meine Kinder verloren zu dieser Zeit ihren Babyspeck und aßen öfter außer Haus. Mein Mann machte alles mit und schlief viel. Dass etwas mit mir nicht mehr stimmte, fiel mir zum ersten Mal auf, als wir unsere Freunde Vivien und Swen besuchten. Wir kamen etwas früher und Swen machte sich auf seinem tollen Zierrasen gerade mit dem Spaten über ein paar arme Gänseblümchen her. Hysterisch rannte ich auf ihn zu, rüttelte am Spaten und schrie:

    „Swen, bitte, bitte tu’s nicht! Denk doch an die ätherischen Öle, Schleime und Bitterstoffe in den Rosettenblättern! Gib sie Vivien für den Wildkräutersalat!"

    Vivien strich mir liebevoll über den Arm und sah mich beunruhigt an:

    „Nun setz’ dich doch erst mal und komm’ zur Ruhe! Kaffee ist gleich fertig."

    Als wir auf der Terrasse saßen, glitt Swens Blick genervt über seine Obstbaumwiese.

    „Dieser Giersch jedes Jahr macht mich noch ganz fertig!", schimpfte er. Ich strahlte über das ganze Gesicht.

    „Mensch, Swen, da bist du ja mit deinen Hämorrhoiden fein raus. Ein paar Umschläge und Bäder damit …"

    Mein Mann sah mich verlegen an.

    „Nicht beim Kaffee, Schatz!"

    Ich verstand ihn nicht und protestierte:

    „Na, hör’ mal! Weißt du, wie teuer die Hämorrhoiden-Präparate in der Apotheke sind? Alle natürlich von der Bezahlliste gestrichen! Ach, Vivien, da fällt mir ein: Die böse Zehen-Gicht von deinem Vater - dafür ist doch das Doldengewächs auch bestens geeignet."

    Vivien stand auf und sagte hastig:

    „Ich hol’ dann mal die restliche Schlagsahne aus dem Eisschrank."

    Swen beugte sich über den Kaffeetisch und flüsterte uns zu:

    „Seid ihr schon lange in Hartz IV? Mensch, das hättet ihr doch sagen können, wozu sind Freunde denn da?"

    Ich kam mir vor wie unter Außerirdischen. Da saßen wir nun mitten in der Natur und ignorierten all ihre gesundheitsfördernden Schätze. Ich durfte doch meinen Wissensvorsprung nicht egoistisch für mich behalten, Freunden wünscht man schließlich nur das Beste! Wie gut, dass ich die beiden mit meinem schönen Geschenk nicht gleich überfallen hatte, so konnte ich es jetzt gut und stilvoll platzieren. Mit spannungsvoller Geste setzte ich ein Glas braunen Inhalts auf den Kaffeetisch.

    „Für eure tolle Gastfreundschaft, liebe Vivien, lieber Swen!", sagte ich genüsslich.

    Vivien nahm das Glas in die Hand.

    „Süß, der Streifenkarostoff hier oben und die niedliche Schleife! Ein selbst gemachter Kräuteressig? Ganz vielen Dank!"

    Vivien drückte mich inniglich.

    „Eigentlich ist das für eure Gemüsepflanzen, sie werden dadurch noch gehaltvoller und gesünder, korrigierte ich. „Eine hochkonzentrierte, ganz natürliche Pflanzenjauche, kann 1:10.000 verdünnt werden.

    Mein Mann erstarrte:

    „Schatz! Das ist doch viel zu stark, das ätzt einem ja alles weg!"

    Vivien zitterte und ließ das Glas schreiend fallen. Laut scheppernd zerbrach es auf dem steinigen Terrassenboden, auf dem sich eine trübe und stark übel riechende Flüssigkeit verteilte. Die rötlich-braunen Klinker änderten ihre Farbe augenblicklich in gelblich-weiß. Wo sich vorher noch kleine niedliche Grashalme aus den Fugen schoben, krümmten sich nun armselig verschrumpelte Stängel.

    „Oh, schade um die vielen schönen Wildkräuter, die auf eurer Terrasse wachsen wollten", hörte ich mich sagen. Dann spürte ich einen harten Griff am Arm und mein Mann rief:

    „Ach, wir hätten doch fast vergessen, dass die Zwillinge gleich vom Kindergeburtstag zurückkommen. Da muss ich ihnen ja fix noch einen Kamillensud kochen. Ihr wisst doch, der viele Süßkram zu solchen Geburtstagen, das gibt immer übelste Magen- und Darmbeschwerden."

    Vivien und Swen nickten heftig und begleiteten uns stumm zum Gartentor.

    „Das nächste Mal bei uns, ja? Ich hab’ da ein paar ganz neue Rezepte, alles urgesunde Sachen", sagte ich, während mich mein Mann nach draußen schubste.

    „Wir melden uns", erwiderte Swen.

    „Alles Gute für euch!", stammelte Vivien.

    Seitdem haben wir leider nie wieder etwas von unseren Freunden gehört, dafür aber den Tag genauestens ausgewertet. Ich musste schmerzlich erkennen, dass ich um eine Therapie wohl nicht mehr herumkommen würde, wollte ich mich wieder normal fühlen. Nach vielen Recherchen fand ich dann schließlich auch einen speziell ausgebildeten Therapeuten, der sich ausschließlich der Sucht nach Gesundheitstipps widmete. Endlich erfuhr ich, dass ich doch keine Außenseiterin war. Was für eine großartige Erleichterung! Sogar ein Fachname existierte für dieses Leiden schon – Psychosomatische Naturhörigkeit, kurz PsNa. Seitdem tauschen wir Betroffenen in den Therapiestunden unsere Rezepte und Tipps und lachen uns über die vielen dussligen E-Stoff-Fresser halb tot. Lachen ist bekanntlich die beste Medizin.

    Der Therapeut lässt sich auch nicht mit Bargeld oder Schecks abspeisen, sondern besteht auf unsere Tinkturen, Kekse und Jauchen. Leider zahlen die Krankenkassen die aufwändige Therapie noch nicht, dabei nimmt sie uns PsNa-Betroffenen doch jede Menge Druck. Und wir sind außerordentlich kreativ. Demnächst kommt unsere selbstproduzierte Doppel-CD „Bärenklau und Wiesenwinde, Hits ganz natürlich auf den Markt. Ein Hörbuch steht kurz vor der Fertigstellung und soll unter dem Titel: „Hopfensprossen und gekochte Kletten - die anderen Wiesengeschichten die Bestsellerliste erobern.

    Ich habe auch einen ganz neuen Freundeskreis, die Kinder allerdings wollten nach unserer Scheidung zum Vater. Aber das alles habe ich mit meiner regelmäßigen Johanniskraut- und Baldriankur sehr gut im Griff.

    Ich bin wieder mitten im Leben!

    Ich arbeite in einem verspotteten Beruf

    Der trotzige Stolz eines höheren Bankangestellten, der sich seine Position hart ermobbt hat

    Ich bin ein Mann in den besten Jahren und habe mich hart und mühevoll auf den Posten des Regionalleiters in einer gutfrequentierten Bank hochgemobbt. Natürlich weiß ich, dass mein Banker-Beruf, vor allem in höherer Position, in den letzten Jahren ganz kräftig in die Schmuddelecke gerutscht ist. Aber das prallt vollkommen ab an mir, so wie belanglose Wassertropfen auf einer schmierigen Ölschicht, ein Bild, das mir übrigens außerordentlich gefällt.

    Als ich über ein paar Ecken von diesem Buchprojekt erfuhr, mir also zu Ohren kam, dass hier erzählt wird, was Menschen so tun und nicht lassen können, wollte ich um jeden Preis mit von der Partie sein. Vielleicht gelingt es mir, meine Branche über dieses Forum ein wenig rein zu waschen. Wenn nicht - ich habe es wenigstens versucht und werde dann auch nicht schlechter leben als vorher. Aber meine Entwicklung zeigt doch ganz deutlich, dass man mit glasklarem, pragmatischem Verstand, eisernem Willen und Zielstrebigkeit nahezu alles erreichen kann, was einem wichtig ist. Also, lesen Sie, wie ich das wurde, was ich heute bin …

    Schon als kleiner Junge wusste ich, dass ich einmal Banker werden möchte. Daher bin ich seit frühester Kindheit mit Spott und Häme eng vertraut. So musste ich mir ewig dumme Sprüche anhören wie:

    „Der Klaus, der Klaus, holt aus dir den letzten Pfennig raus oder „Hört alle her, der Klaus ist krank, will beruflich mal zur Bank.

    Das tat schon sehr weh! Aber ich war zum Glück von klein auf selbstbezogen, stur und rechthaberisch - Eigenschaften, ohne die ich in meinem Traumberuf natürlich nicht die geringste Chance gehabt hätte. Dass der Wunsch des Bankers so früh bei mir geprägt wurde, liegt vor allem an meiner Mutter. Während andere Babys putzige Spielklappern bekamen, nahm meine Mutter aus Sparsamkeitsgründen eine leere Tomatenheringsbüchse, füllte sie mit kleinen Geldstücken und verschloss sie wieder. Damit soll ich dann stundenlang geklappert haben, das Geräusch der klirrenden Münzen hat mich von Blähungen, Zahnweh und Dellwarzen abgelenkt. Bis weit in die Pubertät hinein konnte mich das Klirren einer mit Geld gefüllten Fischbüchse vor abartigen hormonellen Entgleisungen bewahren. Zu dieser Zeit hat sich wohl in meinem Charakter die tiefe Herzensbindung gegenüber Geld manifestiert.

    Erste praktische Erfahrungen im Geldscheffeln sammelte ich bei meinem älteren Bruder Ralf, der im Gegensatz zu mir ziemlich verfressen, faul und geistig träge war. Ein Kinderspiel für mich, ihm mit diesen Schwächen das Taschengeld und mehr abzuluchsen. Um seine Macht als älterer Bruder zu demonstrieren, rief er einmal:

    „Banker-Klaus, spann’ deine Wade, hol’ Bruder Ralf fix Schokolade!"

    Er gab mir ein paar Groschen und ich musste in den nächsten Laden flitzen. Unterwegs fand ich einen demolierten Füllfederhalter und steckte ihn ein. Vor Ralf trat ich dann völlig verrotzt und verzweifelt und hielt ihm den zerdepperten Füllfederhalter vor die Nase. Dabei rief ich schluchzend:

    „Bin im Laden auf den hier drauf gefallen! Wenn Mama erfährt, dass der kaputt ist … Ich muss doch sagen, dass das beim Schokoladeholen passiert ist."

    Das wollte Ralf natürlich nicht, er durfte doch die wenigen Groschen nicht verfressen. Ich machte einen auf verzweifelt und jammerte:

    „Aber ich darf doch die Mama nicht anlügen."

    Da trennte sich Ralf ganz schweren Herzens von der Hälfte seiner Schokolade. Aber ich spielte natürlich weiter Theater und flennte:

    „Lügen ist doch ganz böse!"

    Da versprach mir Ralf (Versprechen gehalten!) einen nagelneuen Füllfederhalter. Wie er ihn besorgen würde, interessierte mich nicht die Bohne, ich wollte ihn nur haben. Und als ich spürte, dass ich bei meinem dussligen Bruder noch eins drauf setzen konnte, wisperte ich:

    „Ich muss da aber ganz viel üben mit dem Schwindeln, sonst merkt die Mama das."

    Ralf gab mir dafür noch einen Groschen extra. Das war das Schlüsselerlebnis für mich. Von nun an wusste ich, dass ich aus Menschen einfach alles an Geld herausholen konnte, koste es, was es wolle!

    Dass ich schon in ganz jungen Jahren in der Lage war, ein undurchsichtiges Netzwerk filigranster Geldbeschaffungsmaßnahmen zu spinnen, zeigt einer meiner größten Fischzüge, bei dem mir meine erste Freundin Beate nützte.

    Bea, damals 14 wie ich, war ein leidenschaftlicher Fan des Schnulzensängers Ronny Peck, der im Schützenhaus des Nachbarortes einen Auftritt hatte. Bea aber durfte nicht hin, es war zu teuer und sie zu jung. Ich spürte sofort, dass da was für mich zu holen ist. Ich nahm das Bastelzeug, einen Schlafsack und meine geliebte Waldmeisterlimonade und verschanzte mich einen ganzen Tag im Wald. Dort fertigte ich ein Herz an und klebte ein Bild von Ronny Peck darauf, das ich in einer billigen Illustrierten aus dem Müll gefischt hatte. Auf das Gebastelte schrieb ich:

    „Für die süße Bea von ihrem Ronny Peck. Ich singe auch weiter für dich!"

    Das hatte natürlich seinen Preis, denn in der Nacht war es sehr kalt im Wald und meine Eltern mussten den erfolglosen Polizeieinsatz auf der Suche nach mir selbst bezahlen. Dafür verpassten sie mir Stubenarrest. Dass ich mich verlaufen hatte, wollten sie und sollten sie mir auch nicht glauben. Bea erzählte ich, dass ich einen halben Tag unterwegs war bis in den Nachbarort, dort lange nach dem Autogramm angestanden hätte und den weiten Weg nach Hause wieder allein zu Fuß zurück gegangen sei. Meine letzten zehn Kröten wären für den Eintritt und ein bisschen Essen und Trinken im Schützenhaus drauf gegangen, aber das sei sie mir wert.

    Bea stibitzte ihrer Mutter sofort einen Zehner und gab ihn mir, voll unter Rührung stehend. Natürlich merkte ihre Mutter den Klau und Bea beichtete, was ich angeblich für sie getan hätte. Ich hatte sie vorher ermuntert, ihrer Mutter gegenüber unbedingt ehrlich zu sein, da man sich sonst ganz schnell in ein Netz von Lügen verstricken würde. Bea also hörte auf mich und als ihre Mutter alles erfuhr, erzählte sie es meiner Mutter. Mein Plan ging voll auf! Der Stubenarrest wurde sofort aufgehoben und meine ansonsten immer extrem sparsame Mutter gab mir auch einen Zehner. Sie war schwerstens beeindruckt, weil sie mich mit 14 das erste Mal selbstlos erlebte, wie sie naiver Weise glaubte.

    Das war der absolute Hammer! Ein paar billige Lügen, einen kalten Arsch in der Nacht und dafür 20 fette Mäuse! Die Lunte war gelegt, ab jetzt gab es kein Zurück mehr. Mein ganzes Tun und Denken war von nun an nur auf eins gerichtet: Wie hole ich mir so viel Geld wie möglich von den Leuten und gebe ihnen dabei noch das Gefühl, sie seien mir auf ewig etwas schuldig.

    Die Jahre bis zu meiner Bankerausbildung waren dann auch kontinuierlich beruflich orientiert. Meine Stationen im Schnelldurchlauf: Schul-Schatzmeister der 1a, b und c mit sehr hohen Zinsgewinnen (verspätete Einzahlungen in die Klassenkasse kosteten extra!), erster Sieger der kommunalen Monopolymeisterschaften als 9-Jähriger (ohne Altersbegrenzung, da spielten auch ganz besessene Senioren mit, die ich dann später, als sie hochbetagt waren, als zahlungskräftige Kunden für mich akquirierte), Gründung eines Tauschklubs im Altenpflegeheim „Feierabend mit 15, Besuch eines Zauberlehrgangs in der Sparte „Geld und Wertgegenstände einfach weg und ein Jahr später, 17-jährig, die Herausgabe meines ersten, in sicherer Versform

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1