Der trügerische Verstand: Eine Erwiderung auf Markus Gabriels Buch "Warum es die Welt nicht gibt"
Von Anton Weiß
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Buchvorschau
Der trügerische Verstand - Anton Weiß
Vorwort
Ich möchte vorausschicken, dass ich Philosophie nicht studiert habe – außer einigen Semestern, die ich während meines Theologiestudiums belegt habe -, mich aber trotzdem für die Frage nach dem Sinn menschlichen Daseins interessiere und deshalb nach alter Auffassung als Philosoph zu gelten habe. Ich fühle mich als interessierter Laie, der sich seine Gedanken über das Leben macht und beim Lesen von philosophischer Lektüre diese mit seinen eigenen Einsichten vergleicht. Daraus ist dieses kleine Büchlein entstanden: in der Auseinandersetzung mit Markus Gabriels Buch: „Warum es die Welt nicht gibt."
Das Anliegen von Markus Gabriel, die Realität angesichts der Leugnung durch Konstruktivismus (Wirklichkeit als Projektion des Bewusstseins) oder östliche Religionen (Wirklichkeit als Illusion) retten zu wollen, ist durchaus anerkennenswert.
Dennoch stellt sich die Frage, ob die Realität objektiv, also so, wie sie an sich ist, vom menschlichen Bewusstsein erfasst werden kann. Ich versuche im Folgenden zu zeigen, dass dem nicht so ist und möchte darlegen, dass wir über eine vom Bewusstsein unabhängige Welt keine Aussage machen können, wie es Markus Gabriel vertritt.
Statt „Neuen Realismus würde ich die von Markus Gabriel begründete philosophische Richtung als „Naiven Realismus
bezeichnen.
Dies steht im Zentrum meiner Erwiderung auf Markus Gabriel.
Es gibt aber auch andere Punkte, die mir zu Einwendungen Anlass geben. Ein Punkt besteht darin, dass ich bei Markus Gabriel ein kritisches Hinterfragen des Verstandes vermisse.
1 Kritik von Verstand und Logik
Ich kenne niemanden, keinen Philosophen und keinen Naturwissenschaftler, der die Zuverlässigkeit des Verstandes angezweifelt hätte. Alle sind überzeugt, dass sie mit ihrem Verstand gültige Aussagen über die Welt machen können.
M. Gabriel sagt, dass er alles in Zweifel gezogen, alles hinterfragt hat – aber eines hat er nie in Zweifel gezogen und nie hinterfragt: die Zuverlässigkeit seines Verstandes.
Alle Denker sind überzeugt, dass ihr Verstand das geeignete und in der Regel einzige Instrument ist, Wirklichkeit zu erfassen. Man muss sich schon mit spiritueller Literatur befassen, um auf den Gedanken zu stoßen, dass der Verstand nicht ausreicht, um unser Dasein vollgültig zu erfassen. Aber auch in diesem Denken wird diese Aussage mit dem Verstand gemacht. Jeder sinnvolle Satz setzt die Funktionstüchtigkeit des Verstandes voraus.
Wir machen unseren Verstand zur Norm unseres Verstehens und setzen seine Gültigkeit fraglos voraus. Wenn wir aber unseren Verstand hinterfragen – was sowieso nur wenige tun -, dann würden wir das wiederum mit unserem Verstand tun. Der Verstand würde also über die Gültigkeit des Verstandes urteilen.
Um es an einem einfachen Beispiel zu verdeutlichen: Wenn ein Lehrer seinen eigenen Unterricht beurteilen würde, dann wäre jedem klar, dass das parteiisch sein würde. Genau so wäre es, wenn die Polizei Verfehlungen innerhalb der Polizei aufdecken sollte. Um ein zuverlässiges Urteil zu erhalten, muss immer ein Außenstehender eingeschaltet werden.
Wenn wir nun darüber urteilen, ob der Verstand wirklich alles beurteilen kann, dann müsste das von woanders her erfolgen als vom Verstand selbst. Wir bräuchten eine Ebene, die über Verstand und Wirklichkeit steht, eben einen Außenstehenden. Diese Metaebene aber haben wir nicht.
Dies zu erkennen bedeutet eine entscheidende Einschränkung der Gültigkeit des Verstandes.
Der Verstand wird immer Partei für sich ergreifen und sich als legitimen Beurteiler der Wirklichkeit ansehen. Das aber ist naiv und zeigt unsere Unfähigkeit anzuerkennen, wie begrenzt unser Verstand und damit unsere Erkenntnisfähigkeit in Bezug auf die Wirklichkeit ist.
Von daher leuchtet es auch ein, dass der Verstand alles leugnet, was von ihm nicht erfasst werden kann. Dies ist weitgehend in der traditionellen Wissenschaft der Fall, was Markus Gabriel durchaus sieht. Aber auch er setzt kritiklos den Verstand als die Größe an, mit der die Dinge erfasst werden können.
Ich behaupte, dass wir mit dem Verstand prinzipiell die Wirklichkeit nicht erfassen können. Wir erleben die Wirklichkeit vermittelt durch unseren Verstand und unterwerfen sie damit der Abstraktion. Nur mit Hilfe der Abstraktion ist der Verstand in der Lage, mit der Welt umzugehen. Damit haben wir aber nicht die Wirklichkeit als solche, sondern nur eine Abstraktion der Wirklichkeit; anders funktioniert der Verstand gar nicht. Welterfassen ist dem Menschen nur mit Hilfe von Verstand und Logik möglich, damit hat er aber nur ein dürres Skelett der Wirklichkeit. Die Einzelheiten des Konkreten kann er gar nicht erfassen. Wer erfasst denn die Wirklichkeit eines Baumes? Es gibt in der Wirklichkeit keinen Baum, weil „Baum ein Abstraktum ist, ein Begriff. Es gibt in der Wirklichkeit aber keine Begriffe, nichts Allgemeines, es gibt nur Konkretes. In der Wirklichkeit gibt es nur diesen einen, absolut einmaligen „Baum
(deshalb in Anführungszeichen, weil ich ja in