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Normale Verrückte
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eBook377 Seiten4 Stunden

Normale Verrückte

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Über dieses E-Book

Hassan al Watidy, alternder hochrangiger Geheimdienstler in einem autokratisch regierten arabischen Land, befürchtet vom diktatorisch herrschenden Machthaber Präsident Marzuq al Omari aufs Abstellgleis geschoben zu werden und damit seine Macht einzubüßen.

Doch Watidy gedenkt nicht, dem einfach tatenlos zuzusehen.

Er beschließt, den Präsidenten abzusetzen.

Doch zur Umsetzung seines verwegenen Plans braucht er eine Atombombe.

Diese kann ihm Dimitri Vasilenko, ein Capo der Russenmafia, liefern.

Durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle fällt die Bombe jedoch auf ihrem Weg nach Dubai in die Hände eines vollkommen Unbeteiligten - und der hat seine ganz eigenen Pläne zum Einsatz der für die Verschwörer bestimmten Atomwaffe.

Eine atemlose Jagd nach der Bombe durch Mitteleuropa beginnt...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum11. März 2013
ISBN9783847631712
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    Buchvorschau

    Normale Verrückte - Markus H. Foedisch

    Kapitel 1

    Markus Foedisch

    Normale Verrückte

    Für Verena,

    meine große Liebe.

    © COPYRIGHT 2012 by Markus H. Foedisch

    Published 2012 by Corsario Levante S.L., Valencia, Spain

    Der Titel ist bei Lektoren.ch unter Hinweis auf § 5 Abs. 3 MarkenG in allen Schreibweisen und Darstellungsformen geschützt und im Online-Titelschutz-Anzeiger veröffentlicht worden.

    Das Buch, einschließlich all seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

    Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrovervielfältigungen und die Einspeicherung und/oder die Verarbeitung in elektronische Systeme.

    Copyright © 2012.

    Kapitel 1

    Claus Reitan

    Reitan hatte schlecht geschlafen - wie so oft in letzter Zeit.

    Die halbe Nacht hatte er sich schweißgebadet in seinem Bett hin und her gewälzt, geplagt von einem wüsten und wirren Traum, der ihn bereits um 5 Uhr 52 aus seinem unruhigen Schlaf hatte hochfahren lassen, wie er mit einem Blick auf die Leuchtziffern des Bose Sound Systems in der Dunkelheit feststellte.

    Er entschloss sich dazu, sofort aufzustehen. Gerade heute wollte er vor allen anderen im Unternehmen sein. Seitdem sie in einem eigenen Schlafzimmer schlief, brauchte er keine Rücksicht mehr auf seine Frau zu nehmen.

    Er wuchtete seinen immer noch gut trainierten Körper energisch aus dem Bett, schaltete das Licht ein und ging mit einigen entschlossenen Schritten in sein Bad.

    Sein Blick blieb im Spiegel an der Reflexion seiner Augen hängen.

    Müde sah er aus, dachte er bei sich.

    Wo war es nur geblieben, das Feuer, die Intensität in seinem Blick, die in jungen Jahren doch so etwas wie sein Markenzeichen, ein scheinbar unauslöschliches Charakteristikum und das bestimmende Element in seinem Antlitz gewesen war. Früher hatte er auf Fotos, auf denen er gemeinsam mit anderen zu sehen gewesen war, meist mit ernster Miene direkt in die Kamera blickend immer aus der Gruppe herausgestochen. Jedem Betrachter war sofort die Intensität des Blickes dieses ernsten jungen Mannes aufgefallen, die die ihm innewohnende Stärke erahnen ließ und ihn von den anderen immer abgehoben hatte.

    Die Kraft, sie hatte ihn verlassen, war Stück für Stück erstorben, abgetötet durch die zahlreichen Enttäuschungen, verlorenen Illusionen, gescheiterten Träume und ertragenen Verletzungen, sprichwörtlich auf der Strecke war sie geblieben.

    Das Schicksal hatte ihn in seinem Leben nicht geschont, der frühe Tod seines Vaters - er war nur zweiundsechzig Jahre alt geworden - hatte ihm schon früh die Verantwortung für das Unternehmen aufgelastet, gerade einmal einunddreißig Jahre alt war er damals gewesen. Die große Verantwortung, der zermürbende Gleichlauf seines Alltags, die tiefempfundene Sinnlosigkeit all seiner Handlungen und nicht zuletzt die jahrelangen erbittert geführten Kämpfe mit seiner Ehefrau Gracia hatten ihn langsam aber sicher innerlich ausgehöhlt, bis Frustration die letzte Emotion gewesen war, die noch in ihm war.

    Er schüttelte die trüben Gedanken ab und begann sich zu rasieren.

    Heute war der Tag - heute würde sein Befreiungsschlag seine gesamten Probleme ein für alle Mal beenden.

    Er konnte sich bei dem Gedanken an das darauf folgende Entsetzen und die Fassungslosigkeit seiner Ehefrau, seiner Familie, seiner sogenannten Freunde und seiner Mitarbeiter ein beinahe hämisches Grinsen nicht verkneifen - fast hätte er sich in die Lippe geschnitten.

    Rache war schon auch dabei, das musste er sich eingestehen, doch es kümmerte ihn herzlich wenig, wie andere danach seine Motive beurteilen mochten.

    Nachdem er sich rasiert, geduscht, die Zähne geputzt und angezogen hatte, ging er mit lockeren, fast beschwingten Schritten die Treppe herab und durchquerte zügig die große Halle, um sich in die geräumige Küche zu begeben.

    Es war mittlerweile halb Sieben, in einer halben Stunde würde die Haushälterin ihren Dienst antreten, genug Zeit also für einen schnellen Kaffee bevor er das Haus verlassen würde, um ein Zusammentreffen mit sowohl der Haushälterin als auch mit seiner Frau zu vermeiden.

    Die Wahrscheinlichkeit für ein Zusammentreffen mit seiner Frau zu dieser Stunde war ohnehin denkbar gering, es sei denn, ein allfälliger hart erarbeiteter Kater und der damit einhergehende Durst würde ihrem Schönheitsschlaf ein frühzeitiges Ende bereiten.

    Nachdem er seinen Kaffee getrunken hatte, kehrte er raschen Schrittes in die Eingangshalle zurück, griff sich von der großen Teakholzkommode seine Wagenschlüssel und verließ das Haus.

    Schnell überquerte er den gekiesten Vorplatz seines Hauses, entriegelte die Türen bereits auf halbem Weg zum Wagen und setzte sich in seinen metallicgrünen Jaguar XJ.

    Es war exakt 6:47 Uhr, als er den Motor anließ.

    Kapitel 2

    Dimitri Vasilenko

    Vasilenko hatte hervorragend geschlafen.

    Dimitri hatte gestern zwei seiner verdientesten Jungs befördert. Die beiden hatten in letzter Zeit verdammt viel Geld reingebracht und durch die jüngsten Verhaftungen herrschte in Vasilenkos Organisation ein gewisser Bedarf an neuen Führungskräften, damit ein reibungsloser Ablauf der Geschäfte sichergestellt war. Die anschließende Feier in einem seiner Clubs war ausgiebig gewesen, der Wodka war in Strömen geflossen und dank des hervorragenden Kokains, das er seit geraumer Zeit von seinen kolumbianischen Freunden bezog, hatten alle bis zum Morgen durchgehalten und auch noch ausgiebigen Gebrauch von den Diensten der zahlreich anwesenden Schönheiten gemacht.

    Alles auf Vasilenkos Kosten, versteht sich.

    Divide et impera, Teile und herrsche - er hatte seinen Machiavelli gelesen und auch verstanden, davon war Dimitri felsenfest überzeugt.

    Er versuchte über den nackten Arsch des Mädchens, das mit den Füßen zum Kopfteil seines gigantischen Bettes schlief, hinweg einen Blick auf die antike massivgoldene russische Tischuhr aus dem Haus seines Vorgängers zu erhaschen, die er seinerzeit mitgenommen hatte - nachdem er seinen damaligen Boss ausgeschaltet hatte.

    Es gelang ihm nicht, die Uhr ins Blickfeld zu bekommen, ohne sich aufzurichten - selbst im Schlaf streckte Elena ihren zugegebenermaßen anbetungswürdigen Arsch noch derart heraus, dass er im Weg war.

    Widerwillig setzte er sich auf.

    Verdammte Scheiße, es war schon fast drei.

    Höchste Zeit, dass er seinen Arsch aus dem Bett bekäme, bald würde sich sein neuer Kunde melden und der war wichtig und vor allem zahlungskräftig genug, um das seltene Privileg zu haben, mit dem Boss persönlich zu sprechen.

    Zu diesem Kunden war Dimitri durch die Vermittlung eines südafrikanischen Waffenhändlers gekommen, den er schon lange kannte und der erst vor kurzem neben einer großen Anzahl AK 47 und mehreren AK 100 Sturmgewehren auch einige Igla Lenkwaffensysteme von Vasilenko gekauft hatte.

    Dimitri war sehr stolz, die 9K38 Igla in seinem Sortiment zu haben - schultergestützte Flugabwehr-Lenkwaffen waren äußerst schwer zu beschaffen und erzielten somit hervorragende Preise auf dem inoffiziellen Markt. Diese Flugabwehrraketen waren wohl für somalische Piraten bestimmt gewesen, die die Waffen zur Verteidigung gegen Angriffe durch NATO-Kampfhubschrauber benötigten. Piraterie war ein weltweiter Wachstumsmarkt und so kamen russische Qualitätswaffen doch noch mal zum Einsatz gegen den alten Gegner, die NATO.

    Der neue Kunde sollte, wenn alles glatt ging, Vasilenkos Pensionsvorsorge werden. Die Geschäfte waren gut gelaufen in den letzten Jahren, doch er hatte auch viel Glück gehabt und machte sich keine Illusionen darüber, dass ein Boss früher oder später nur auf zwei Arten enden konnte: entweder tot, erschossen von den eigenen Leuten, der Konkurrenz oder der Polizei, oder aber für sehr lange Zeit im Gefängnis - was im Endeffekt das Gleiche war wie tot.

    Er gedachte, diese scheinbare Gesetzmäßigkeit der organisierten Kriminalität zu brechen und würde sich nach der Abwicklung dieses allerletzten großen Geschäfts aus der Organisation zurückziehen, um noch rechtzeitig den Absprung zu schaffen.

    Er würde sich mit ein paar jungen Frauen als Gesellschaft und einigen für seine Sicherheit verantwortlichen Bodyguards in einem hübschen kleinen Drittweltweltstaat niederlassen, würde seine Zeit im Bett, auf dem Golfplatz, am Strand und auf seinem Boot verbringen. Jeden Tag würde er dem süßen Müßiggang frönen und nur noch das tun, was ihm Freunde machte. Dimitri würde irgendwo unter südlicher Sonne in Luxus steinalt werden, so war sein Plan.

    Doch jetzt zuerst einmal: Frühstück.

    Dimitri langte nach dem kleinen goldenen Spiegel auf dem Nachttisch neben ihm, legte sich eine ordentliche Line Kokain auf und zog diese geräuschvoll durch einen gerollten 500 Euro Schein - er war kein Freund dieser goldenen Metallröhrchen, die manche benutzten, er liebte Geld, es war der Dreh- und Angelpunkt seines Lebens, also durch was konnte man Koks stilvoller ziehen als durch einen druckfrischen großen Schein? Hauptsache das Geld war von der EZB oder der Federal Reserve Bank produziert worden - mit Rubel würde er sich noch nicht mal seinen haarigen Hintern wischen.

    Das Mädchen wurde durch die unerwartete Aktivität neben ihr wach, hob ihren Kopf, blinzelte Dimitri aus unterlaufenen Augen an und fragte:

    „Dimitri, bist Du schon wach?"

    So reizvoll ihr Körper auch war, sie war doch ein verdammt einfach gestricktes Mädchen - diese Gesellschaft konnte er jetzt gar nicht gebrauchen.

    „Scharfsinnig wie immer, Elena. Beweg Deinen Arsch hier raus und such Sergej. Er muss irgendwo unten sein. Ich will ihn sprechen - JETZT."

    Sie verzog ihr Gesicht kurz zu einer beleidigten Schnute, schwang jedoch keine zwei Sekunden später ihre langen perfekt enthaarten Beine aus dem Bett, langte nach ihrem am Boden liegenden roten Minikleid und verließ eiligen Schrittes das Schlafzimmer - sie kannte ihren Platz auf dieser Welt.

    Vasilenko zog noch eine weitere Line, langte nach seiner Schachtel und zündete sich die erste Zigarette des neuen Tages an. Während er rauchte, strich er sich versonnen über die Narbe, die sich von seiner rechten Schläfe bis zu seinem Kinn zog - ein Andenken an einen Aufenthalt im Moskauer Untersuchungsgefängnis Butyrka vor Jahren. Das selbstgefertigte Messer des Mitgefangenen hatte seinerzeit in dem Duschraum Dimitris Auge nur um Haaresbreite verfehlt - der Besitzer des Messers hatte seine Haftentlassung damals keine 24 Stunden überlebt.

    Es klopfte.

    „Komm rein."

    „Morgen Dimitri, hattest Du eine angenehme Nacht?"

    „Danke - ich kann nicht klagen. Du schon lange auf den Beinen?"

    „Seit Zehn. Du weißt ja, vier Stunden reichen mir. Seit Afghanistan."

    Wie viele Menschen Vasilenkos rechte Hand Sergej Lasko im Laufe seines Lebens getötet hatte, wusste er wohl selbst nicht. Zuerst hatte er als junger Soldat Ende der 1980er Jahre in Afghanistan im Aufrag der UdSSR zahllose Mudschaheddin getötet, dann als freiberuflicher Problemlöser in den Wirren der Wendejahre jeden, für dessen Tod jemand bezahlte und schließlich hatte er sich in Diensten der Bratwa, der Bruderschaft einen ausgezeichneten Ruf als eiskalter Killer erworben.

    Sergej war Vasilenkos einziger wahrer Freund, sie hatten sich gemeinsam durch die Hierarchie nach oben gearbeitet und gemordet, bis sie an der Spitze angelangt waren - Dimitri der Boss, Sergej seine rechte Hand, in der italienischen Cosa Nostra würde man ihn wohl einen Consigliere nennen.

    Durch ihre gemeinsame Vergangenheit in der Armee verfügten sie noch immer über hervorragende Kontakte zu hohen Offizieren in Armee und Geheimdienst - ein unschätzbares Kapital für die Beschaffung von Waffen und eine notwendige Lebensversicherung in Wladimir Putins Russland - niemand von ihnen wollte Michail Chodorkowski im Straflager Gesellschaft leisten oder mit einer Kugel im Kopf enden.

    Viele der dienstbaren Geister in den Reihen der Armee und anderer Sicherheitsbehörden, die im Stillen auch für Vasilenkos Organisation arbeiteten, hatten von Dimitri über die Jahre mehr Geld erhalten, als sie sich in ihren wüstesten Fantasien erträumt hatten. Ihre Gegenleistung waren Hilfestellungen aller Art, die Weitergabe von vertraulichen Informationen und die diskrete Lieferung des begehrtesten Handelsgutes dieses Planeten gewesen: Waffen.

    Waffen waren der Schlüssel zu allem - nicht nur in Russland, sondern weltweit.

    Die russische Waffenindustrie mischte über Zwischenhändler verschiedenster Art wieder kräftig auf dem Weltmarkt mit - auf dem offiziellen wie auf dem inoffiziellen.

    Der sogenannte arabische Frühling hatte einen gigantischen Nachfrageschub bei Waffenhändlern ausgelöst. Zahlreiche Machthaber in der arabischen Welt versuchten trotz diverser Sanktionen des Westens aufzurüsten, um sich ein Schicksal wie das des Muammar al Gaddafi zu ersparen, gleichzeitig versuchten Rebellengruppen aller Art sich ebenfalls große Mengen an Kriegsgerät zu beschaffen, um an die Macht zu gelangen. Von Islamisten diversester Prägung über Al Kaida bis hin zu somalischen Piraten und waffengeilen lokalen Scheichs ganz zu schweigen.

    Die üblichen Verdächtigen, wie die kolumbianischen und mexikanischen Drogenkartelle, die Cosa Nostra, Camorra, N’drangheta und ähnliche Organisationen waren ohnehin feste Größen auf dem inoffiziellen Waffenmarkt.

    Alle diese autokratischen Regime, subversiv operierenden Organisationen und Gruppen wollten in den Besitz von Kriegswaffen gelangen und Vasilenkos Organisation belieferte sie fast alle, nur von Putins Freund Assad, der derzeit auch versuchte, aus allen möglichen Quellen Nachschub für seine in einen Bürgerkrieg verstrickte Armee anzukaufen, mussten sie leider die Finger lassen, wie ihnen von der russischen Regierung über diskrete Kanäle mitgeteilt worden war.

    Es waren wahrhaft goldene Zeiten für Dimitri und seine Männer.

    Ihre Gewinne waren gigantisch, sie hatten einen guten Ruf in den entsprechenden Kreisen, galten als äußerst verlässlich und man erzählte sich, dass man über sie auch ansonsten schwer verfügbare Waffensysteme beschaffen konnte - die finanziellen Mittel vorausgesetzt, versteht sich.

    „Hast Du alles für den Video-Anruf vorbereitet?", fragte Dimitri, während er sich eine neue Zigarette anzündete und sein Bett verließ.

    „Selbstverständlich. Fabrikneuer Laptop, vor einer Stunde ausgepackt, neuer mobiler Internetzugang, vor fünf Minuten das erste Mal online gegangen, brandneuer Skype-Account, gerade eingerichtet. Ich habe gerade Artjom losgeschickt, damit er unseren Freunden den entsprechenden skype-Namen faxt. Ich habe ihm eingeschärft, dass er das Fax von einem Hotel schicken soll, das nichts mit uns zu tun hat. Die Kommunikation sollte somit sicher sein. So schnell ist noch nicht mal die verdammte NSA, als dass sie davon Wind bekommen könnte. In etwa zehn Minuten sollten wir also bereit sein. Wo willst Du mit ihnen reden? Hier?"

    „Ja, auf jeden Fall. Hier haben wir unsere Ruhe. Es gibt ja eigentlich ohnehin nicht wirklich etwas zu besprechen, aber unsere arabischen Freunde sind ein wenig nervös, wie mir scheint. Sie stellen immer viele Fragen. Diese Muslims sollten einfach mehr saufen, dann würden sie ruhiger werden."

    Dimitri und Sergej lachten.

    „Ist die nächste Teilzahlung vereinbarungsgemäß auf den Caymans eingetroffen?", wollte Vasilenko wissen.

    „Heute früh. Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk. Bis jetzt halten die Araber Wort."

    „Weißt Du, Sergej, ich glaube, heute wird ein guter Tag. Darauf sollten wir trinken."

    Dimitri öffnete breit grinsend eine Flasche Wodka Kristall 100 und goss zwei Gläser ein.

    Kapitel 3

    Hassan al Watidy

    Einige Wochen zuvor.

    Man konnte al Watidy mit Fug und Recht als einen eitlen Mann bezeichnen.

    Der Name Hassan bedeutet schön - ein absolut passendender Name für Watidy, wie er selbst meinte. Schon jenseits der Sechzig, aber immer noch schlank, trug der alternde Geheimdienstler ausschließlich Maßanzüge, die er sich aus London einfliegen ließ.

    Immer noch hielt er sich für einen unwiderstehlichen Womanizer und dank der enormen Mengen Viagra, die er verbrauchte, stellte er seine Manneskraft annähernd jede Nacht aufs Neue unter Beweis, vorzugsweise mit Mädchen, die ihren sechzehnten Geburtstag noch nicht erreicht hatten und unberührt waren. Er beschäftigte in aller Stille eigens zwei Männer, deren ausschließliche Aufgabe es war, den beständigen Nachschub an neuen Mädchen sicher zu stellen.

    Für seine Jungfrauen, wie er zu sagen pflegte, hatte er über die Jahre ein nicht mehr kleines Vermögen ausgegeben, doch schließlich lebte man nur einmal, er hatte keine Kinder oder sonstige Familie, also was sollte er schon sonst anfangen mit seinem Geld?

    Sein markantes Gesicht mit der Raubvogelnase war im gesamten Land bekannt, gefürchtet und verhasst - und dies, obwohl kaum Fotos von ihm existierten.

    Watidy hatte seinem Geheimdienst seit der Beendigung seines Armeedienstes in verschiedensten Funktionen gedient, war in nachrichtendienstlichen Kreisen als verlässlicher Partner bekannt und genoss hohes Ansehen - auch bei westlichen Nachrichtendiensten.

    Der Krieg gegen den Terror war ein wahrer Segen für seine internationale Reputation gewesen, die CIA hatte sich sehr dankbar dafür gezeigt, dass sie diverse Terrorverdächtige an Watidys Geheimdienst zur Befragung übergeben konnte, er hatte die diesbezüglich in ihn gesetzten Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern stets übertroffen.

    Damit hatte er seinem Land einen großen Dienst erwiesen, schließlich waren sie jahrelang so etwas wie Parias der Weltgemeinschaft gewesen. Ebenso durch die jahrelange Unterdrückung jedweder Opposition im Lande hatte er Präsident Marzuq Amir al Omari immer treu und aufopferungsvoll gedient.

    Doch nun zeigte sich, dass sich die diesbezügliche Dankbarkeit des Präsidenten wohl in engen Grenzen hielt.

    Watidy war zwar mittlerweile Staatssicherheitsdirektor und der Minister für Staatssicherheit würde bald zu alt für die Erfüllung seiner Pflichten sein, jedoch wurde ihm vor kurzem aus dem Umfeld des Präsidenten in aller Vertraulichkeit mitgeteilt, dass der Staatschef wohl einen anderen, jüngeren Offizier als Nachfolger des Ministers vorziehen würde.

    Diese Kränkung würde Watidy nicht so ohne weiteres akzeptieren - er hatte nicht sein ganzes Leben dem Dienst an Präsident, Partei und Land verschrieben, um nun tatenlos zuzusehen, wie irgendein wesentlich unerfahrenerer Offizier als er selbst es war die zukünftige Entwicklung des Geheimdienstes nach seinen Vorstellungen gestalten konnte und er dessen Anweisungen umsetzten sollte.

    Der Präsident hatte mit dieser Entscheidung einen folgenschweren Fehler begangen - niemand sollte Hassan al Watidy unterschätzen.

    Der Geheimdienstler hatte sich aufgrund der beunruhigenden Neuigkeiten aus dem Präsidentenpalast auf ein gefährliches Spiel eingelassen, wobei er mehr von seiner Eitelkeit und seinem Ehrgeiz getrieben wurde, als von der Sorge um den Geheimdienst.

    Es war ein offenes Geheimnis im Land, dass Abdullah Mohammad al Omari, der jüngere Bruder des Präsidenten, mit dessen Amtsführung und dessen Visionen für die Zukunft des Landes nicht einverstanden war.

    Abdullah Mohammad war das, was man als religiösen Eiferer bezeichnet.

    Der Bruder des Präsidenten besuchte mit an Manie grenzender Häufigkeit die Moschee, traf sich regelmäßig zum Gedankenaustausch mit bedeutenden Schriftgelehrten, las täglich im Koran, konnte zahlreiche Suren aus dem Gedächtnis rezitieren, kleidete sich traditionell und lehnte alles, was an westlichen Einflüssen im Land bemerkbar war, kategorisch ab.

    Marzuq Amir al Omari, der Präsident, hatte in Oxford studiert, war nicht sonderlich religiös, schätzte französische Rotweine, schaute die Nachrichten auf GNN, las die International Herald Tribune, weilte oft und gerne in New York und kleidete sich nach der westlichen Mode, Ausrichtung konservativer Staatsmann. Er hätte seiner Optik nach genauso gut der Premier eines südeuropäischen Staates sein können, von seinen politischen Überzeugungen her jedoch weniger, da er die Demokratie für eine absolut untaugliche Staatsform hielt und das Land seit dem Tod seines Vaters als dessen Nachfolger mit eiserner Hand regierte.

    Watidy hatte sich kurz nachdem ihm klar geworden war, dass er nicht Minister werden würde, subversiv mit Abdullah al Omari in einem verschwiegenen Raum einer großen Moschee in der Hauptstadt getroffen, um mit aller Vorsicht Abdullahs Bereitschaft zu einer Teilnahme an einem Komplott gegen seinen präsidentiellen Bruder abzuklären.

    Abdullah war als ewige Nummer Zwei seiner Familie sofort von der Aussicht begeistert gewesen, seinen Bruder im Amt des Präsidenten beerben zu können und hatte sich sogleich in enthusiasmierten Monologen über die Einführung der Scharia, den Siegeszug des Islam und der Größe eines Landes, das buchstabengetreu nach den Worten des Koran ausgerichtet war, ergangen.

    Watidy war nicht gerade sonderlich gläubig, geschweige denn war er ein glühender Verfechter des Islam.

    Er brauchte al Omari jedoch, da er - wie ihm sehr bewusst war - im Volk nicht gerade beliebt war und auch in den Reihen der Minister des Landes zahlreiche Gegner hatte.

    Das Volk brauchte eine Identifikationsfigur und al Omari stand für eine gewisse Kontinuität in der Herrschaftsfolge und war durch seine zahlreichen wohltätigen Werke ein Mann von hohem Ansehen im Volk.

    Sollte Abdullah seine Scharia doch haben, die Gesetze dieses Landes hatten noch nie Gültigkeit für Watidy besessen - und das sollte auch so bleiben.

    Al Omari sollte für das Volk und für das Ausland scheinbar die Macht inne haben, die Fäden ziehen würden jedoch andere: Watidy selbst und General Azzam bin Bandar, der derzeitige stellvertretende Oberkommandierende der Vereinigten Streitkräfte, der ein ähnliches Problem wie Watidy hatte und ebenso fürchtete, trotz seiner Verdienste um das Land auf das Abstellgleis geschoben zu werden.

    General bin Bandar - der Schlächter, wie ihn die ausländische Presse wenig schmeichelhaft titulierte - konnte als hochdekorierter Kriegsheld mit hohem Ansehen in der Truppe die bedingungslose Gefolgschaft weiter Teile der Armee garantieren, was entscheidend war, da sich Watidy zwar auf seinen Geheimdienst stützen konnte, bei einem offenen Konflikt mit der Armee jedoch würde der Dienst alleine aufgrund der Mannstärke und der Bewaffnung mit schweren Waffen auf Seiten der Armee hoffnungslos unterlegen sein.

    Die Polizeikräfte des Landes stellten jedoch keine ernstzunehmende Bedrohung für Watidys Pläne dar, was gut war, da der Innenminister seinem Präsidenten geradezu hündisch ergeben war.

    Seit Monaten arbeiteten sie nun schon im Verborgenen am Umsturz des Mannes, dem sie jahrelang gedient hatten und hatten in zahlreichen vertraulichen Gesprächen viele Mitverschwörer von einer Teilnahme an ihrem Umsturzversuch überzeugen können.

    Nachdem von ihnen an allen Schaltstellen der entscheidenden staatlichen Institutionen Mitverschwörer gewonnen worden waren, hatten sie im Rahmen der immer konkreter werdenden Planungen zur Beseitigung des amtierenden Präsidenten die Frage beantworten müssen, wie man den Amtsinhaber möglichst problemlos loswerden sollte.

    Der General hatte eine seiner üblichen Vorgehensweise entsprechende Lösung vorgeschlagen: Man sollte Präsident al Omari auf dem Weg vom Präsidialpalast zum Senat, in dem er wie jedes Jahr anlässlich des Todestages seines Vaters eine Rede halten würde, mittels einer durch einen an der Fahrtroute positionierten Attentäter abgefeuerten Panzerfaust mitsamt seiner gepanzerten Limousine einfach in die Luft jagen.

    Anschließend könne man den Anschlag irgendeiner islamistischen Organisation in die Schuhe schieben, nach Ausrufung des Notstands würde die Armee interimistisch die Macht im Staate übernehmen, um die nationale Einheit zu gewährleisten und die Ordnung wiederherzustellen. Die Streitkräfte würden die Grenzen schließen. Letztendlich würde man Abdullah al Omari als Präsident installieren.

    Mission erfolgreich abgeschlossen - Problem gelöst.

    Watidy, mehr Anhänger von wohldurchdachten nachrichtendienstlichen Intrigen denn von frontalen Panzerangriffen, hatte bin Bandars Vorschlag rundweg abgelehnt.

    Was, wenn der Präsident den Anschlag überlebte, wenn das Attentat fehlschlug?

    Dann würde ein Sturm losbrechen, es würde eine Hexenjagd einsetzen, wie sie das Land noch nie gesehen hatte.

    Sie sprachen hier schließlich von Hochverrat und Hassan hatte nicht vor, mit einer Kugel im Kopf oder, was wahrscheinlicher wäre als ein ehrenhaftes Erschießungskommando, am Strang zu enden.

    Und selbst wenn der Anschlag gelänge, was wäre dadurch gewonnen?

    Sie hätten einen Märtyrer am Hals und manche Mitglieder der Regierung oder der Sicherheitskräfte würden misstrauisch werden und beginnen, unangenehme Fragen zu stellen, vielleicht würde gar eine Untersuchung zu möglichen Verwicklungen von Funktionsträgern gefordert werden.

    Wie sollten sie sämtliche Spuren zwischen ihnen und dem Attentäter verwischen? Wenn nur der Hauch eines Hinweises in ihre Richtung weisen würde, wären sie geliefert, da die große Unbekannte in ihrer Gleichung das Volk war. Vor allem die Beduinenstämme waren schwer bewaffnet und dem Präsidenten dank großzügiger finanzieller Zuwendungen treu ergeben.

    Niemand liebte schließlich Verräter und ein Bürgerkrieg war das Letzte, was sie brauchen konnten.

    Nein, es musste eine andere Lösung her.

    Bandar und Watidy hatten die Entscheidung vertagt, um über bessere Möglichkeiten nachzudenken.

    Im Verlauf des Nachdenkprozesses war nach und nach ein kühner Plan in Watidy gereift.

    An dem heutigen schwül heißen Sommernachmittag eröffnete er schließlich seinem wichtigsten Mitverschwörer unter vier Augen seinen genialen, wenn auch ziemlich verwegenen Plan in seinem abhörsicheren Büro im neunzehnten Stock des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Sie tranken heißen Minztee, der bullige bin Bandar - wie stets in mit zahlreichen Orden dekorierter Generalsuniform - rauchte versonnen eine Cohiba.

    Wir müssen ihn dazu bringen, abzudanken. Er tritt offiziell aus gesundheitlichen Gründen zurück, als letzte Amtshandlung erklärt er seinen Bruder zu seinem legitimen Nachfolger. Nach erfolgter Amtseinführung ernennt Abdullah al Omari Sie zum Oberbefehlshaber der Vereinigten Streitkräfte und mich zum Minister für Staatssicherheit. Damit liegt die faktische Macht im Staate in unseren Händen. Ende der Geschichte Marzuq al Omari.", begann Watidy seine Ausführungen.

    Wie wollen Sie ihn denn zum Rücktritt bewegen? Selbst wenn er bei lebendigem Leib verfaulen würde, niemals würde er die Macht abgeben bevor er seinen letzten Atemzug getan hat. Genau wie damals sein Vater. Und selbst wenn er aus welchen Gründen auch immer abdanken würde, würde er seinen Sohn Alim zu seinem Nachfolger bestimmen. Haben Sie jetzt komplett den Verstand verloren?"

    Aus dem Gesicht des Generals sprach Empörung - fast gewaltsam zog er an seiner Zigarre und starrte Watidy verständnislos an.

    Wir erpressen ihn. Wir zwingen ihn zum Rücktritt. Und dazu, Abdullah zu seinem Nachfolger zu ernennen.", entgegnete Watidy kühl und lehnte sich in seinem Ledersessel zurück.

    „Sie wollen ihn erpressen? Womit? Was könnte ihn schon derart unter Druck setzen? Das ist lächerlich!"

    Nun, wir brauchen eine Geisel."

    „Eine Geisel? Wen? Seinen Sohn? Sie könnten seinen Sohn bei vollem Bewusstsein in kleine Stücke schneiden und ihm die Stücke anschließend schicken; sie könnten ein Video davon machen, wie sich die Frucht seiner

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