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Die dunkle Seite der Seele
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Die dunkle Seite der Seele
eBook304 Seiten4 Stunden

Die dunkle Seite der Seele

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Über dieses E-Book

Der geschiedene Mann der Hauptdarstellerin glaubt, viele Jahre nach der Trennung, endlich eine Möglichkeit gefunden zu haben, sich an seiner Frau zu rächen. Wenn er sie nicht mehr haben kann soll sie auch kein anderer haben! Sein Plan ist perfide, den Tod seiner Frau würde er in Kauf nehmen, lieber aber will er sie in den Wahnsinn treiben. Wenn sie dann richtig am Ende ist kommt er als Retter in letzter Minute. Und er ist sich sicher dass sie dann reumütigst zu ihm zurück kehren wird. Er kann sich nicht vorstellen, dass ausgerechnet er, so viele Jahre nach der Scheidung, als Täter entlarvt werden könnte.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum29. März 2015
ISBN9783738021363
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    Buchvorschau

    Die dunkle Seite der Seele - Dorle Weichler

    Kapitel 1

    Mit einem diabolischen Grinsen im sonst immer finster blickenden Gesicht verließ ein großer, kräftig gebauter Mann das kleine muffige Büro des Hausmeisters eines großes Mietkomplexes. Ein paar lange Strähnen seiner schon sehr spärlichen dunklen Haare verteilten sich wie fest geklebt auf seiner Glatze, auf der sich jetzt auch immer mehr dicke Schweißtropfen bildeten, um anschließend in dünnen Rinnsalen über die Stirn, die Schläfen und in den Nacken zu fließen.

    Ja, er war sehr zufrieden mit dem, was er heute endlich erreicht hatte! Lange genug gedauert hatte es ja, diesen behäbigen Dummkopf von seiner Integrität zu überzeugen.

    „Auch nur dreckiges Gesocks, dieser Kerl", knurrte er vor sich hin. Aber Hauptsache war schließlich, dass er jetzt davon überzeugt war, dass dieser noble Herr Hansen aus Hamburg ein sehr ruhiger und bestimmt auch großzügiger neuer Mieter werden würde!

    „Ahnungsloser Idiot, der du bist! Wirst mich schon noch früh genug kennen lernen, haha!" Er musste sich besser in Acht nehmen, er fing wirklich so langsam an, Selbstgespräche zu führen! Nicht, dass ihm noch einer auf die Schliche kam bevor er seinen grandiosen Plan durchgeführt haben würde!

    Aber Hauptsache war, dass er den Hausmeister so eingelullt hatte, dass dieser ihm jetzt blind vertraute! Er hatte einen vereinsamten Mann, der von seiner geldgierigen Frau verlassen und ausgenommen worden war, doch sehr überzeugend gespielt! Ja, spielen konnte er gut, gegen ihn kam doch keiner an! Er war allen überlegen, und er würde es allen bald endlich beweisen können! Ihn spielte man nicht an die Wand! Ihn nicht! Und einen Mann wie ihn verließ man auch nicht einfach! Dieses Weib würde es noch bitterlich bereuen! Was war sie denn schon ohne ihn! Ein Nichts! Und bildete sich ein, ohne ihn leben zu können! Ha, da konnte sie noch so weit weg ziehen, er wusste schon wie er sie immer wieder aufspüren konnte!

    Es ging auf zwölf Uhr zu und die erbarmungslose Julisonne brannte auf seinem Gesicht. Er war so in seine eigene Gedankenwelt versunken gewesen, dass er fast über eine Hundeleine gestolpert wäre! Schon wollte er fluchen weil ihm dieser verdammte Köter zwischen die Beine gesprungen war, doch dann schoss ihm blitzartig eine glänzende Idee durch den Kopf! Diese hässliche dicke Frau hatte er schon ein paar Mal hier in der Nähe gesehen, die wohnte doch im selben Block wie seine Frau! Na ja, Ex-Frau! Aber er würde dafür sorgen, dass sie bald in einem Zustand sein würde, in dem sie ihn schon sehr flehentlich und immer wieder bitten würde, das er sie endlich zurück in seine Arme und sein Leben holen sollte! Und vielleicht konnte diese alte Schnepfe ihm ja noch einmal nützlich sein, wer weiß!

    „Entschuldigen sie vielmals, Gnädigste, ich habe ihren hübschen kleinen Hund gar nicht gesehen, ich war etwas zu tief in Gedanken versunken, säuselte er. „Ich habe ihm doch hoffentlich nicht weh getan?

    „Nein, ist schon gut, Hund ist etwas verspielt, ist fast noch ein Baby", murmelte die Frau in etwas gebrochenem Deutsch nur und verschwand in den Hausflur.

    „Geh du nur, Alte, wirst dich schon noch früh genug an mich erinnern, ha!"

    Ja, diese Frau konnte ihm vielleicht eines Tages noch behilflich sein! Dumm genug sah sie ja aus! Er würde sie so lange anschleimen bis sie ihm aus der Hand fressen würde! Wie dieser blöde Hausmeister! Der hatte auch nicht gemerkt dass er ausgetrickst worden war! Das hatte er wirklich richtig schlau angestellt! In Gedanken sah er das ganze Geschehen der letzten Stunde wieder vor sich.

    Er hatte einen kleinen Schwächeanfall inszeniert, die Hitze mache ihm so zu schaffen! Und schon hatte der Dümmling ihn in sein Büro eingeladen, hatte ihm einen Stuhl zurecht geschoben, seinen dicken Schlüsselbund auf den Schreibtisch geworfen und dann gemurmelt, dass er geschwind einen Kaffee kochen wolle.

    Schnell hatte der dunkle Mann zwei kleine, dicke, und weiche Scheiben aus der Tasche gezogen, sich den Hauptschlüssel geschnappt und schnell von jeder Seite einen Abdruck gemacht. Er konnte sich sein teuflisches Grinsen nicht ganz verkneifen, genau so hatte er sich das vorgestellt! Ohne eine Kopie des Generalschlüssels konnte er seinen Plan nicht ausführen, aber diesen Punkt konnte er jetzt als erledigt abhaken, sehr schön!

    Er hörte den Hausmeister zurück kommen, schnell setzte er wieder ein leidendes Gesicht auf. War auch nicht gerade schwer in dieser muffigen Kellerbude! Hoffentlich war die Kaffeetasse sauber! Geputzt wurde hier unten, das kleine Büro des Hausmeisters befand sich im Keller, noch unter der Tiefgarage, hier konnte nicht einmal gelüftet werden.

    „Ach, Herr Brandtmann, wie soll ich mich für Ihre freundliche Hilfe nur je erdenklich erweisen können? Ein guter Kaffee ist jetzt genau das was ich wirklich brauche, mein Kreislauf ist einem solchen Wetter einfach nicht mehr gewachsen. Ja ja, ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste, seufzte er, „und wenn man dann noch so einsam und verlassen ist wie ich macht doch das ganze Leben keinen wirklichen Sinn mehr! Dabei verbarg er den Kopf zwischen den Händen und zuckte ein paar Mal mit den Schultern. Und bei dem Licht konnte man sicher nicht sehen dass das bitterliche Weinen so ganz ohne Tränen klappte!

    „Aber Herr Hansen, Sie sind doch ein gut situierter und stattlicher Mann! Sie werden bestimmt bald wieder eine gute Frau finden, die sich um Ihr Wohl sorgt, versuchte der einfache Mann zu trösten, „Und wenn Sie erst einmal hier in einem unserer Häuser wohnen werde ich auch immer ein Auge auf Sie werfen. Auf mich werden Sie sich jederzeit verlassen können!

    Der Gast konnte sich kaum das triumphierende Grinsen verkneifen, er hatte ihn da wo er ihn haben wollte! Dann schlug er sich in gespieltem Entsetzen auf die Schenkel und rief:

    „Jetzt hätte ich fast den wirklich wichtigen Termin mit meinem Anwalt vergessen! Entschuldigen Sie bitte vielmals, ich muss mich leider sofort verabschieden!"

    Der Hausmeister sprang sofort auf und riss die Tür seines Büros auf. Doch ganz so schrecklich eilig schien es der Gast nun doch noch nicht zu haben! Jovial klopfte er dem einfachen Mann auf die Schulter.

    „Herr Brandtmann, Sie sind in meiner Situation ein echter Freund! Ich weiß, dass ich mich auf Sie verlassen kann, das können Sie mir glauben! Und nun wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Tag, ich hoffe doch, dass Sie bald Ihren verdienten Feierabend genießen können, oder müssen Sie noch lange arbeiten?"

    „Nein, nein, Herr Hansen, ich werde hier auch bald Schluss machen. Ihnen natürlich auch noch einen schönen Tag, und viel Erfolg noch für Ihren Termin!"

    Für einen kurzen Moment war der Besucher irritiert, ach ja, der Termin, den er sich eben erst ausgedacht hatte! Er musste sich einfach besser konzentrieren, solche Fehler durfte er sich einfach nicht erlauben!

    Er verließ das kleine, muffige Büro, überlegte kurz, schlenderte dann langsam und mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht in Richtung Schlosspark und setzte sich dort wenige Minuten später bereits auf eine Bank. In Gedanken malte er sich genüsslich weiter aus, wie sein grandioser Plan ablaufen würde.

    Vor ein paar Wochen erst hatte er im Fernsehen den Bericht über eine Frau gesehen, die durch eine schwere Magen- und Darminfektion fast den Verstand verloren hätte! Weil sie keine Flüssigkeit mehr zu sich hatte nehmen können waren ihre Elektrolyte aus dem Gleichgewicht geraten, und das hatte ganz üble Auswirkungen auf ihren Geisteszustand gehabt. Sie war nur mit knapper Not der Irrenanstalt entkommen.

    Außerdem hatte seine Frau ihm vor vielen Jahren eine Geschichte über eine Frau erzählt, die, genau wie sie, an der Dialyse gewesen war. Diese hatte Jahrzehnte lang jeden Tag und bei jeder Mahlzeit Angst gehabt, zu dick zu werden. Wo es ihr doch immer viel zu gut schmeckte und sie sich einfach nicht beherrschen konnte! Sie nahm im wahrsten Sinne des Wortes den Mund immer gern viel zu voll! Und darum machte sie auch jeden Tag immer wieder denselben, verheerenden Fehler, ohne sich auch nur im geringsten darüber im Klaren zu sein, dass diese Gedankenlosigkeit eines Tages ihr eigenes Todesurteil bedeutete würde!

    Na ja, sterben sollte seine eigene Frau natürlich nicht wirklich, aber sie sollte wenigstens richtig schön leiden und am Boden zerstört sein! Und richtig Angst würde er ihr machen! Dann würde er ja da sein und ihr Retter werden! Er war sich absolut sicher, alles ganz genau durchdacht zu haben! Ihm konnte gar kein Fehler unterlaufen! Niemals! Und seine Holde würde schon sehr bald kapieren, dass sie ohne ihn ganz einfach nicht mehr ewig existent sein konnte! Aber was er da mit ihr plante würde niemals irgend jemand auch nur ahnen können! Dieser Plan war einfach perfekt, perfekt und genial!

    Er saß noch eine ganze Weile auf der Bank in der Sonne, trocknete sich alle Augenblicke die triefende Glatze und begeisterte sich immer mehr für sein großartiges Vorhaben! Ein hämisches Grinsen zierte dabei sein feistes Gesicht!

    Keine zwei Wochen später bekam er den Anruf des Hausmeisters, auf den er schon so lange gewartet hatte!

    „Guten Morgen, Herr Hansen, hier ist Brandtmann, der Hausmeister. Ist es Ihnen eventuell möglich, nachher einmal hierher zu kommen? Wenn sie Ihnen zusagt hätte ich vielleicht schon eine schöne kleine Wohnung für Sie. Sind nur zwei Räume, Küche und Bad, aber alles sehr großzügig geschnitten, schön hell und komplett renoviert, ich glaube, die ist genau das was Sie suchen."

    „Hör auf zu sülzen, Blödmann, dachte der freundliche „Herr Hansen, gab sich aber sofort wieder ganz jovial!

    „Na, das nenne ich mal eine gute Nachricht, mein lieber Brandtmann, um welche Zeit wäre es Ihnen denn Recht?"

    „Wenn es Ihnen gegen drei passen würde?"

    „Aber selbstverständlich, guter Mann! Ich werde pünktlich sein."

    Der merkwürdige Mann kicherte hämisch vor dich hin, wie gut, dass der Hausmeister keine Ahnung davon hatte, das er hier im billigsten Garny-Hotel der Stadt hauste! Er hatte erklärt, dass er sehr viel unterwegs sei und daher zur Zeit nur über sein Handy erreichbar wäre, sonst käme der Idiot möglicherweise noch auf die Idee, ihn in seinem „Zuhause" zu besuchen!

    Am Nachmittag wurde ihm dann eine Wohnung präsentiert, die seinen Vorstellungen mehr als entgegenkam, sie lag fast genau gegenüber der Wohnung seiner Frau, nur eine Etage höher! Hervorragend! Mit etwas Glück würde er sehr bald das Leben seiner Ex studieren können! Die Wohnungen hatten nicht einmal Jalousien, alles würde er sehen können! Er hätte nie zu träumen gewagt dass sein Plan so gut umzusetzen sein würde! In zwei Wochen wäre sein Einzug möglich, meinte der Hausmeister noch. Sehr schön, die Zeit sollte mehr als reichen um alles vorzubereiten! Denn der neue Mieter dachte nicht im Traum daran, diese Wohnung wirklich zu beziehen! Das hätte er sich von seiner kleinen Rente gar nicht leisten können, aber das ging den Idioten ja zum Glück nichts an!

    Kapitel 2

    Sie rannte! Rannte um ihr Leben! Sie schnappte gierig nach Luft und begann schon zu keuchen, sie hatte einfach keine Kraft mehr. Kalter Schweiß lief über ihr Gesicht, sie bekam keine Luft mehr, ihre Lungen brannten wie Feuer! Und ihr Herzschlag dröhnte so schrecklich laut in ihren Ohren. Dazu kam immer heftiger werdendes Seitenstechen! Sie konnte einfach nicht mehr, so groß die Gefahr auch sein mochte, sie konnte das ganz einfach nicht mehr durchhalten! Ihre Kräfte verließen sie endgültig, sie zitterte am ganzen Körper und sie hatte Angst! Furchtbare Angst!

    Sie ließ sich da, wo sie gerade stand, einfach fallen und sah sich um. Der schmale Weg, auf dem sie sich befand und auf dem sie bis jetzt um ihr Leben gerannt war, kam ihr sehr merkwürdig vor! Überall hatten sich die dicken Wurzeln der Bäume verbreitet und alle paar Meter säumten riesige Findlinge den Weg! Sie wollte mehr sehen, stand wieder auf und sah sich den Weg genauer an. Diese Unebenheiten hatten sie immer wieder straucheln und stolpern lassen, ihr langer und sehr weiter blauer Rock hatte sie auch behindert, und er war so schrecklich schwer, war ihr auch beim laufen immer wieder schwer vor die Beine geschlagen. Was war das überhaupt für ein komischer Rock? Sie konnte sich nicht daran erinnern, ihn angezogen oder auch überhaupt je besessen zu haben!

    Vor ihren Augen fing plötzlich alles an sich zu drehen, ein Schwindel erfasste sie und ihr wurde so schrecklich übel! Von jetzt auf sofort gaben ihre Beine nach, sie strauchelte und fiel zu Boden. Aber dennoch zwang sie sich mit allerletzter Kraft an den Rand des Weges, der mit Grashalmen und Blüten überall zwischen den Steinen übersät waren, zu kriechen. Es ging nicht anders, sie musste sich jetzt einfach einen ganz kleinen Moment auf diesem weichen Grün ausruhen und einen Augenblick verschnaufen. Sie legte den Kopf auf einen der kleineren Steine und schloss vollkommen erschöpft die Augen.

    Wo war sie hier überhaupt? Was war passiert? Sie konnte sich an nichts erinnern! An überhaupt nichts! Und das machte ihr noch mehr Angst als sie ohnehin schon hatte!

    Mühsam öffnete sie die Augen und sah sich wieder um. Warum war sie denn ausgerechnet hier gelandet und warum war ihr alles so absolut fremd? Nicht das geringste kam ihr auch nur bekannt vor, und weit und breit war nicht eine einzige Menschenseele zu sehen. Auch keine Häuser oder wenigstens ein paar Tiere auf einer Weide oder vielleicht Ställe oder Scheunen.... nichts! Kein Anzeichen von Leben weit und breit!

    Das alles konnte doch eigentlich nur ein böser Traum sein, bestimmt würde sie gleich aufwachen und friedlich in ihrem Bett liegen. Aber nein, alles schien doch real zu sein, oder? Verzweifeltes, hemmungsloses Schluchzen überkam sie, sie war so schrecklich müde und vollkommen allein!

    Dann schrak sie zusammen! Ganz plötzlich war ein stürmischer Wind aufgekommen, gleichzeitig setzte heftiger Regen ein und ein ohrenbetäubender Donner krachte, es blitzte unmittelbar danach und sie hätte am liebsten laut geschrien! Gott im Himmel! Ein so starkes Unwetter hatte sie noch nie erlebt.

    Mit ihren allerletzten Reserven raffte sie sich auf und schaffte es jetzt bis zum nächsten Findling, der am Wegesrand unter einem riesigen Baum lag und ließ sich einfach darauf nieder. Soweit sie es durch den heftigen Regen überhaupt noch sehen konnte war sie fast am Ende dieses Weges angelangt, und jetzt sah sie sich noch einmal ganz genau um, aber es gab nicht das Geringste, an dem sie sich hätte orientieren können. Alles kam ihr so sinnlos vor, aber es half alles nichts, sie musste weiter, bevor die Verfolger sie einholen konnten. Sie stand auf, strich sich ihren patschnassen Rock glatt und sah in die Richtung, aus der sie gekommen war.

    Nichts war zu hören oder zu sehen bis auf den Regenschleier und sie sah so etwas wie eine Staubwolke, die sich aber in noch sehr weiter Ferne befinden musste, oder war das eine Halluzination? Könnte man im strömenden Regen Staubwolken sehen? Allerdings schien diese Wolke näher zu kommen. Wieder überkam sie ein heftiges Zittern, sie musste weiter, ganz schnell weiter, bevor die Meute sie sehen und überwältigen konnte.

    Sie quälte sich wieder auf die Füße und wollte einfach ziellos drauf los laufen, als sich plötzlich alles änderte! Schlagartig hatte das Unwetter aufgehört und wie aus dem Nichts tauchte etwas ganz merkwürdiges auf! Was sie sah war nur ein kleines Stück des Weges weiter vorn, vielleicht hundert Meter oder weniger, etwas, das sie sich gar nicht erklären konnte! Was sie dort, auf der rechten Seite des Weges, erblickte war wie ein gewaltiges Gebäude! Sie konnte sich nicht erinnern, so etwas schon einmal gesehen zu haben. Gemauert aus riesigen Felsbrocken, ungefähr so wie eine Burg oder ein Schloss, nur insgesamt kleiner und irgendwie gedrungener, aber mit so etwas ähnlichem wie einer breiten Einfahrt oder Auffahrt, dort, gleich an der rechten Seite!

    Es sah fast so aus als ob es zu einer Art Parkdeck führen könnte! Doch was ihr auch immer durch den Kopf ging, wichtig war nur, dass sie versuchte, auch diese letzten Meter noch zu schaffen! Dieses Gemäuer, was es auch immer es war, musste ihr doch Schutz und Sicherheit bieten können! Auch wenn es einen ausgesprochen düsteren und abweisenden Eindruck machte.

    Sie richtete sich auf und atmete erst einmal ganz tief durch! Auch wenn sie keine Kraft mehr hatte... sie musste jetzt sofort weiter und sich dort ein sicheres Versteck suchen!

    Reiß dich zusammen, Lena! Du musst da hoch! Und du wirst es schaffen", flüsterte sie sich selbst Mut zu! Der Aufgang bestand aus groben, unbehandelten Steinen, und ihre eh schon schmerzenden nackten Füße wollten ihr den Dienst versagen! Sie brannten als würde sie über glühende Kohlen laufen. Und dann, mit allerletzter Kraft, erreichte sie endlich wirklich das Dach, oder wie auch immer man diese kahle Fläche nennen sollte!

    Zumindest war es von einer kleinen, ungefähr einen halben Meter hohen, aber sehr dicken Mauer umsäumt, hinter der sie sich wenigstens würde verstecken könnte.

    Kaum war sie oben angelangt ließ sie sich einfach auf die kalten, harten Steine fallen! Ihr war schon wieder so schrecklich übel, aber sie versuchte dennoch verzweifelt, sich endlich zu beruhigen und wieder zu Atem zu kommen.

    Tief ein und ausatmen, Lena! Alles wird gut! Du musst nur wieder richtig zu Atem kommen", versuchte sie sich wieder selbst zu beruhigen!

    Doch zuerst musste sie es jetzt einmal schaffen, etwas mehr Ordnung in ihre Gedanken zu bringen! Denn eines war ihr immer noch nicht klar geworden; wovor hatte sie überhaupt diese schreckliche Angst? Oder vor wem? Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wer oder was sie so grausam jagte als wäre sie ein wildes Tier, das erlegt werden sollte!

    Plötzlich konnte sie sie wieder hören! Ihr Herz begann erneut wie verrückt zu rasen, und die Angst übermannte sie schlimmer noch als je zuvor! Ihre Jäger konnten nicht mehr weit entfernt sein. Vorsichtig erhob sie sich vom Boden und lugte über den Rand der kleinen Mauer. Doch viel mehr als die noch immer größer werdende, gewaltige Staubwolke konnte sie jedoch immer noch nicht ausmachen, aber sie hörte schon diese schreckliche Stimme, die immer lauter wurde!

    Schneller, ihr verdammten Viecher! Schneller!" Und dazu war deutlich das scharfe Knallen einer Peitsche zu hören! Wieder und immer wieder! Die Tiere schienen regelrecht zu schreien vor Schmerzen!

    Sie kamen näher! Immer näher! Doch jetzt, mit angehaltenem Atem, erkannte sie, was da immer schneller auf sie zu kam! Es waren Elefanten, riesige Elefanten mit gewaltigen Stoßzähnen! Drei mal zwei Tiere jeweils hintereinander und nebeneinander gekettet mit riesigem, schwerem Geschirr aus purem Gold! Und sie zogen einen goldenen Streitwagen, der so groß war, dass er hinter den Elefanten noch zu sehen war! Und die Peitsche schwang eine Frau, die von einer außergewöhnlichen, blendenden Schönheit war! Goldblonde Locken flogen um ihr wunderschönes Gesicht, das jetzt aber zu einer grausamen Fratze verzehrt war! Ihre blauen Augen, blauer noch als das edle Gewand das sie trug, blitzten, zornig und hasserfüllt! „Wo bist du, verdammtes Weib? Glaub ja nicht, dass du dich vor mir verstecken kannst! Ich finde dich! Egal, wo du auch glaubst, dich verkriechen zu können! Ich will dich, und ich werde nicht eher ruhen als bis ich deinen blutigen Kopf in meinen Händen halte!"

    Und plötzlich war Lena sich sicher, dass diese grausame Gestalt nur der Teufel selbst in der Verkleidung einer schönen Frau sein konnte! Ob sie wollte oder nicht, sie fing wieder hemmungslos an zu weinen! Sie war allein, allein mit ihrer Angst vor dem, was noch passieren könnte! Und der Angst, nichts mehr zu wissen! Nicht einmal ihr eigener Name fiel ihr ein. Sie war allein und verloren inmitten eines grauenvollen Geschehens! Und kein Mensch weit und breit der ihr vielleicht hätte helfen können!

    *****

    Doch mit einem Mal war alles vorbei! Sie keuchte immer noch und ihr Herz raste! Tränen liefen ihr auch noch immer übers Gesicht und die Angst schnürte ihr fast die Kehle zu. Aber es war plötzlich sehr ruhig! Regelrecht unheimlich ruhig! Fast wie in einer Grabkammer! Hatten sie sie gefasst und umgebracht? Was war denn jetzt wieder passiert?

    Sie versuchte mühsam, sich zu beruhigen! War sie vielleicht tot? Das Grauen packte sie von neuem und und ließ sie am ganzen Körper furchtbar zittern! Aber konnte man tot sein wenn man seinen eigenen Herzschlag noch hören und fühlen konnte? Das konnte doch wohl ganz bestimmt nicht möglich sein.

    Sie versuchte, den Atem anzuhalten und lauschte. Bis auf diese seltsamen Geräusche war alles ruhig. Vorsichtig öffnete sie die Augen, aber außer einem regelmäßigen leisen Piepen, das von hinten zu kommen schien, war nichts anderes mehr zu sehen oder zu hören.

    Sie war allein und lag in einem fast dunklen Raum, woher kam nur dieses merkwürdige Licht hinter ihr? Sie versuchte angestrengt, sich umzudrehen, aber es gelang ihr kaum! War sie gefesselt? Hatte die Wanderhure sie doch erwischt? Die Wanderhure? Wie um alles in der Welt kam sie jetzt ausgerechnet auf die? Hatte sie nur geschlafen und vielleicht nur etwas aus dem Roman, den sie vor einiger Zeit gelesen hatte, geträumt? Plötzlich fühlte sie wieder, wie diese grausame Angst langsam mehr und mehr in ihr aufstieg! Was passierte denn nur mit ihr? Wo war sie? Und vor allem, wer war sie? Wie kann man denn vergessen wer man ist? Lena! Ja, ihr Name war Lena, und weiter? Verdammt! Sie musste doch ein Leben geführt haben, oder etwa nicht?

    Warum konnte sie sich denn nicht richtig bewegen? War sie gefesselt? Endlich schaffte sie es, wenigstens den Kopf ein wenig nach hinten zu drehen. Sie lag definitiv in einem Bett, und hinter dem Bett befanden sich Monitore mit gelben, grünen und roten Linien und Zacken und großen roten und grünen Zahlen. Die Zahlen wurden plötzlich größer und fingen an zu pulsieren, das Piepen wurde immer lauter und schneller.

    Eine Tür ging auf und ein Mann in weißer Kleidung trat ein. „Was, zum Teufel,treiben Sie denn da? Sie müssen ruhig liegen, Frau Kirchner! Sonst werde ich

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