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Eiskalte Vergeltung: Rache für ein verlorenes Leben
Eiskalte Vergeltung: Rache für ein verlorenes Leben
Eiskalte Vergeltung: Rache für ein verlorenes Leben
eBook413 Seiten5 Stunden

Eiskalte Vergeltung: Rache für ein verlorenes Leben

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Über dieses E-Book

Marvin Edwards nimmt ausgeklügelte Rache an fünf ehemaligen Freunden, die ihn vor zwanzig Jahren in bestialischer Weise für den Rest
seines Lebens entstellt haben. Seine Methoden sind bizarr. Er lockt
seine Opfer in raffinierte Fallen und lässt jeden Einzelnen auf spezielle
Art schmerzvoll büßen für das begangene Verbrechen.
Die Detectives Paul Harris und Gunnar Olofson vom Polizeihauptquartier
San Diego suchen fieberhaft nach dem Täter. Das ungewöhnliche
Tempo der Gräueltaten erschwert die Ermittlungen von Tag zu Tag mehr.
Wird es ihnen gelingen, das Morden zu stoppen?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum11. Mai 2021
ISBN9783754118825
Eiskalte Vergeltung: Rache für ein verlorenes Leben
Autor

Ursula Dorn

Eine Lehrerin, die gern Geschichten schreibt

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    Buchvorschau

    Eiskalte Vergeltung - Ursula Dorn

    Kapitel 1

    Marvin 01.09.

    Marvin Edwards war soeben auf dem Airport von San Diego gelandet.

    Endlich! Wie lange hatte er auf diesen Tag gewartet! Endlich war die Zeit gekommen! Sein Kreuzzug begann!

    Er kam als Henker in eigener Mission. Als Rächer, der seine Opfer erbarmungslos jagt. Sie werden ahnungslos in seine raffinierten Fallen tappen, aus denen es kein Entrinnen gibt. Er wird seine fünf Peiniger bis auf den letzten Mann vernichten. Auf den Tag genau vor zwanzig Jahren haben sie ihm sein Leben gestohlen. Es ist an der Zeit, sie daran zu erinnern und mit jedem Einzelnen gnadenlos abzurechnen.

    Am Einreiseschalter für US-Bürger warteten nur ein paar Leute. Er reihte sich ein und nach wenigen Minuten stand er vor dem Beamten.

    Mit einem Lächeln reichte er ihm seine Papiere, die so echt waren, wie gefälschte Dokumente nur sein konnten.

    Der Beamte prüfte sorgfältig die Daten. Dann sah er hoch und fragte:

    „Mister Alec McKinner, ich sehe an Ihren Papieren, Sie haben Ihren Hauptwohnsitz in New York. Wo werden Sie sich in San Diego aufhalten?"

    „Ich habe schon seit Längerem eine Villa gemietet in den Del Mar Heights. Dort werde ich wohnen, während ich in San Diego bin."

    „Angenehmen Aufenthalt." Der Beamte reichte Marvin mit einem freundlichen Lächeln die Papiere.

    Hinter dem Schalter erwartete ihn der Chauffeur des Limousinen-Services, den er von Hawaii aus gebucht hatte. Marvin alias Alec McKinner übergab ihm die Tickets für die Koffer und schlenderte langsam dem Ausgang entgegen.

    Mit einem grimmigen Lächeln starrte er durch die Panoramascheiben auf die Stadt. Er ließ die Konterfeis seiner fünf falschen Freunde vor seinem inneren Auge Revue passieren. Er sieht sie vor sich, am Boden, um Gnade winselnd, doch er senkt gnadenlos den Daumen.

    Kapitel 2

    Die Ermittler 01.09.

    Detective Paul Harris war bestens gelaunt. Er saß in seinem Wagen, einem 2019er Chevy Tahoe tungsten metallic und fuhr auf der I-5 von La Jolla nach Down Town San Diego.

    Er war zufrieden wie lange nicht mehr. Heute, in dieser mondlosen Nacht des ersten Septembers, war ein übler Sexualstraftäter endlich in ihre Falle getappt. Fast ein Jahr lang war er ihnen immer wieder entwischt. Die Jagd war vorbei und ein Monster weniger unterwegs. Auch wenn er schon lange frustriert feststellen musste, dass für jeden verurteilten Straftäter ständig neue nachwachsen, heute ließ er sich seine gute Laune nicht verderben. Er gönnte sich den Elvis Song „Surrender", drehte die Lautstärke voll auf und sang lauthals mit. Nach fünfundzwanzig Minuten war er zu Hause angekommen, fuhr schwungvoll auf den Parkplatz und stellte den Motor ab. Er nahm seine Aktentasche und stieg aus. Vorsichtshalber beugte er sich noch einmal vor und prüfte, ob er auch alle seine Papiere hatte. Seitdem ihm vor einiger Zeit wichtige Fallunterlagen abhandengekommen waren, hatte er eine leichte Neurose entwickelt und sah lieber einmal zu oft hin als einmal zu wenig.

    Gut, er hatte alles und schloss den Wagen ab. Zärtlich strich er mit der flachen Hand über die Motorhaube. Er hatte den Chevy Tahoe schon ein paar Monate, erfreute sich jedoch jeden Tag erneut an diesen Mega-SUV. Eigentlich war er für ihn allein viel zu gewaltig. Aber, was soll‘s. Ein Auto ist nie zu groß und außerdem hat er ja oft sein Golfgepäck dabei. Das braucht eine Menge Platz. Noch ein letzter liebevoller Blick, dann drehte er sich um. Mit schnellen Schritten überquerte er den schmalen Weg bis zur Rezeption seiner Wohnanlage, entsperrte die Tür mit seiner Karte und trat ein.

    Hinter dem Tresen stand der Nachtportier und begrüßte ihn wie immer mit einem „Hallo, Herr Kommissar, hast du ihn denn heute erwischt?"

    Meistens winkte Harris nur ab, aber an diesem Abend blieb er stehen: „Ja, Harry, wir haben ihn heute erwischt! Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, erzähle ich dir mehr darüber. Einverstanden?"

    Der ehemalige Detective nickte erfreut: „Super! Ich habe auch einen extra feinen Whisky. Den hat mir mein Sohn zum Geburtstag geschenkt. Der wartet auf uns beide. Also der Whisky, nicht mein Sohn."

    „Klingt verlockend. Na dann, bis morgen." Harris nickte ihm noch einmal zu, eilte zum Aufzug und fuhr in den dritten Stock. Als der Fahrstuhl hielt, stieg er aus, wandte sich nach rechts und steuerte seine Wohnung an. Er öffnete die Tür mit seiner Karte, trat ein und schloss sie wieder mit einem Hüftschwung.

    Er ließ die Tasche auf die Erde plumpsen, hing seinen Mantel auf und eilte schnurstracks ins Bad. Erleichtert kam er zurück. Er hatte sich umgezogen, trug einen flauschigen Bademantel und bequeme Lederslipper. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich in seinen besten Sessel fallen, streckte die Beine weit von sich, lehnte den Kopf an und schloss für einen Moment die Augen.

    Sofort waren die Bilder des heutigen Einsatzes wieder da. Er wischte sie mit einer Handbewegung weg. Der Fall war abgeschlossen. Schade nur, dass es ihm nicht gelungen ist, das Monster lebend zu fangen. Um den Lockvogel zu schützen, war es unumgänglich, den Täter zu erschießen.

    Der Detective hätte es lieber gesehen, wenn dieses Scheusal für den Rest seines Daseins in einem Hochsicherheitsgefängnis jeden Morgen verfluchen würde, an dem es aufstand. Sein Leben würde aus einer unendlichen Kette qualvoller Tage bestehen. Nur Kinderficker hatten noch mehr zu leiden.

    Aber gut, man kann nicht alles haben. Heute hatte er sich eine Belohnung verdient. Er stand auf und schlappte zur Schrankbar. Er goss sich in ein fein geschliffenes Kristallglas drei Finger hoch von seinem Ardbeg ein, einem zehn Jahre alten Single Malt Scotch Whisky, den er wegen des torfigen und rauchigen Geschmacks liebte. Den ersten genussvollen Schluck nahm er mit geschlossenen Augen. Dann trug er das Glas ins Schlafzimmer und stellte es auf den Nachttisch. Er spürte eine bleierne Müdigkeit in allen Gliedern. Seinen Bademantel ließ er achtlos auf die Erde gleiten und sank mit einem wohligen Grunzen in die Kissen.

    Die Nacht würde ohnehin kurz werden. Er hoffte inständig, dass nicht irgendein Schweinehund ausgerechnet in seinem Zuständigkeitsbereich dafür sorgen würde, dass sie noch kürzer wird.

    Sein Wunsch ging in Erfüllung und er wachte am nächsten Morgen erfrischt auf.

    Kapitel 3

    Marvin 02.09.

    Marvin saß im Wintergarten seiner Villa und genoss den sonnigen Tag. Er hatte die Panoramafenster weit geöffnet und eine frische Brise vom nahe gelegenen Meer kräuselte die Oberfläche des Pools, in dem er eben seine täglichen zwanzig Minuten geschwommen war.

    Vor ihm stand ein Becher mit dampfendem, tiefschwarzem Kaffee, den er sorgfältig aus frisch gemahlenen Bohnen in seiner Bodum- Stempelkanne zubereitet hatte. Diese Kanne hatte er sich extra aus Europa mitgebracht. Seiner Ansicht nach gab es keine bessere Methode, einen edlen Kaffee so zuzubereiten, dass er am Ende dieser Prozedur sein volles Aroma behalten hatte.

    Ein Teller mit frischem Obst aus geschnittener Ananas, halbierten Feigen und geschälter Mango, der gestern Abend noch von einem Delikatessengeschäft gut gekühlt geliefert wurde, vervollständigte sein Frühstück. Später würde er ins Gaslamp Quarter fahren und sich ein paar von diesen fürchterlich ungesunden, aber umwerfend schmeckenden Schokoladen-Donuts mit einem riesigen Kaffee Latte gönnen.

    Als er mit Kaffee und Obst fertig war, lehnte er sich in die weichen Polster seines überdimensionalen Korbsessels entspannt zurück. Er schloss die Augen und überdachte ein weiteres Mal seine Pläne für die nächsten Tage. Leise Bedenken meldeten sich wie schon so oft. War es nötig, sie total zu vernichten? Würde es nicht ausreichen, sie hilflos seiner brutalen Gewalt auszusetzen und dann laufen zu lassen? Sie wären gezeichnet fürs Leben, könnte er damit nicht zufrieden sein?

    Ärgerlich auf sich selbst über diese erneut aufgetauchten Bedenken, sprang er auf. Er wischte sich mit beiden Händen über die Stirn und schüttelte sie mit gespreizten Fingern aus, als wollte er diese Gedanken buchstäblich in alle Winde zerstreuen. Nein, es würde keine Gnade geben. Ihm hatte damals auch niemand Gnade gewährt.

    Es wurde Zeit, sich auf seine erste Aktion vorzubereiten.

    Er begab sich ins Schlafzimmer und betrat den begehbaren Kleiderschrank. Sein Abbild erschien in einem mannshohen Spiegel. Er betrachtete sich kritisch. Alles in allem war er mit seinem Anblick recht zufrieden. Er brachte es zwar nur auf eins achtzig, aber jedes Gramm an seinem Körper waren durchtrainierte Muskeln. Die mehr als zehn Jahre Aikido haben sich ausgezahlt. Für einen Mittdreißiger hatte er sich sehr gut gehalten. Sein schmales Gesicht mit den strahlenden grünen Augen und seine dichten rotblonden Locken, für die Frauen morden würden, hatten schon so manche Lady schwach werden lassen. An Angeboten mangelte es ihm nicht und doch war er immer noch solo. Mit einem bitteren Lächeln wandte er sich vom Spiegel ab, denn das, was ihn erwartete, wenn er sein Handtuch von den Hüften nahm, wollte er heute nicht sehen.

    Er schlüpfte in legere Kleidung, eine lose geschnittene helle Baumwollhose und ein seidig schimmerndes hellblaues Hemd von Armani, dazu bequeme Nikes. So sah er aus wie viele Touristen, die die Sehenswürdigkeiten von San Diego besuchten.

    Es war noch eine Aufgabe zu erledigen, bevor er das Haus verlassen konnte.

    Er betrat das Arbeitszimmer, hob ein Bild von der Wand und öffnete den Tresor, der sich dahinter befand. Er nahm eine Notebooktasche heraus, die mit einem Nummernschloss gesichert war, dessen Kombination er lediglich seinem Gedächtnis anvertraut hatte. In der Tasche steckte ein Surface Book von Microsoft, allerdings von Marvin gehörig aufgepimpt. Er nahm es heraus, klappte den Deckel hoch und schaltete es ein. Sein selbst entwickeltes Sicherheitsprogramm prüfte sein Gesicht und gewährte ihm Zugang zu seinen Daten.

    Dieses Notebook nutzte er ausschließlich für John Carmel.

    Auch den anderen vier Zielen seiner Rache hatte er ein eigenes Gerät eingerichtet. Er hatte sich in die Netzwerke seiner Opfer eingehackt und beobachtete sie seit etwa zwei Jahren unbemerkt.

    Johns offizielles Leben war wenig ergiebig, sein heimliches allerdings pikant. John war inkognito als „Sklave Masototal in der Schwulenszene im Internet und auch in der Praxis in den Bars von San Diego unterwegs. Marvin beantragte unter dem Pseudonym „Master of Love die Aufnahme in das Forum, in dem John angemeldet war, und gab sich gleich selbst eine Empfehlung in dessen Namen. Nun war es ein Kinderspiel, John glauben zu machen, dass er einen Seelenverwandten gefunden hätte, schließlich kannte er dessen heimliche Wünsche nur allzu gut. Ihre Beziehung hatte sich zügig entwickelt und in den nächsten Tagen wollten sie sich erstmalig hier in San Diego persönlich treffen. John war schon ganz aufgeregt und fragte immer wieder, wann es endlich so weit sei.

    Marvin musste ihn noch ein bisschen hinhalten, denn bevor er sich mit John beschäftigen konnte, war Thomas Foulder fällig. Der gab übermorgen zum Ende seines Wahlkampfs einen Galaabend mit fünfhundert geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft. Eine perfekte Gelegenheit, um den größtmöglichen Schaden anzurichten.

    Marvin sah auf die Uhr. Es war gleich zehn und John hatte seine erste Pause. Es war Zeit, sich einzuloggen und mit seinem Opfer Süßholz zu raspeln. Schnell gab er die entsprechenden Tastaturbefehle ein und meldete sich im Chatroom an. Erwartungsgemäß stand John bereits in den Startlöchern und stülpte ihm einen ellenlangen Text über.

    „Wo warst du denn so lange ich warte schon auf dich ich hatte schon angst dass du gar nicht mehr kommst du weißt doch wie sehr ich dich liebe und auf dich warte und ich hoffe doch dass wir uns bald sehen werden es war wieder so ein furchtbarer tag heute …". An dieser Stelle hörte Marvin auf zu lesen. Er verabscheute Texte, die ohne Satzzeichen geschrieben wurden, und dachte gar nicht daran, sich die Mühe zu machen, diesen Kauderwelsch auseinanderzunehmen. Es interessierte ihn ohnehin nicht, was dieser Typ von sich gab.

    Nach einem Moment des Wartens schrieb er ihm eine liebevolle Epistel zurück: Wie sehr er ihn liebt und sich so wahnsinnig darauf freut, ihn endlich persönlich kennenzulernen, und ähnliches Geschwätz, das Verliebte wohl schreiben würden. Dann rückte er mit seiner Botschaft heraus, dass sie ihr Treffen um etwa eine Woche verschieben müssten, da ihm dringende Geschäfte in den nächsten Tagen keine einzige Minute für private Unternehmungen ließen.

    Es gab ein wenig Hin und Her. John war enttäuscht und bettelte ein paar Mal. Als sich Marvin nicht überreden ließ, gab er auf und wollte nur noch ein wenig Sex. Marvin ließ ihn gewähren, gab sich schwer erregt und schrieb etliche Plattheiten, wie „Ach und „Oh, ich bin so geil, „Gleich komme ich! „Oh, du bist sooo gut, ich kann nicht mehr! Bis es endlich überstanden war.

    Er gab John keine Chance mehr, weiteren Text abzusondern und tippte: „Es klingelt bei mir an der Tür. Tut mir leid, ich muss aufhören. Danke für die wundervollen Minuten, das war so geil. Du machst mich total fertig. Morgen wieder zur gleichen Zeit?" Ohne eine Antwort abzuwarten, schloss er den Chat. Erleichtert klappte er das Notebook zu.

    Er verstaute alles wieder sorgfältig im Tresor und verließ das Arbeitszimmer. Er schlenderte für einige Minuten auf die Terrasse, um ein wenig frische Luft zu tanken und den klebrigen Text aus seinem Gehirn auszumerzen. Er schüttelte sich und kehrte in das Haus zurück. Für den Rest des Tages nahm er sich frei.

    Er fuhr seinen Chrysler 300 in einem schlichten Dunkelgrau aus der Garage. Den Wagen hatte er über seinen schwedischen Anwalt schon vor mehr als zehn Monaten auf den Namen Alec McKinner kaufen lassen. Selbstverständlich hatte er auch einen so gut wie echten Führerschein auf diesen Namen. Nebenbei gesagt, kannte ihn auch sein Anwalt nur unter diesem Pseudonym. Wenn es wirklich mal hart auf hart käme, dann würde niemand auf Anhieb wissen, nach wem sie wirklich suchen müssen. Die gewonnene Zeit sollte reichen, um für immer von der Bildfläche zu verschwinden. Das war jedenfalls der Plan.

    Doch nun hatte er erst einmal Hunger. Er fuhr in das Gaslamp Quarter. Bei seinen früheren Besuchen hatte er sich gern dort aufgehalten. Ihm gefiel das quirlige Leben, die vielen Bars und Geschäfte. Die gesamte Atmosphäre in diesem Viertel hatte es ihm angetan.

    Auch jetzt, zu dieser frühen Stunde, es war nicht einmal zwölf Uhr mittags, waren die Straßen voller Leute. Einheimische und Touristen aus aller Welt nutzten das herrliche Wetter und genossen das Ambiente. Vor vielen Cafés standen Tische und Stühle unter riesigen Sonnenschirmen. Er fand einen freien Tisch und nahm Platz. Der Kellner erschien und er bestellte zwei Schokoladen-Donuts und einen großen Kaffee Latte. Er lehnte sich in seinem Korbsessel zurück und sah sich um. Sein Blick wanderte scheinbar ziellos über die vielen Plakate, die mit schreienden Farben und den unsinnigsten Versprechungen versuchten, Kundschaft anzuziehen.

    Ihn interessierte nur ein einziges Motiv: das, auf dem die Kandidaten für die Bürgermeisterwahl mit ihrem falschen Lächeln um Stimmen warben. In wenigen Wochen wurde gewählt. Es war in den vergangenen Monaten ein hartes Rennen, die Kandidaten hatten sich nichts geschenkt. Zwei hatten den Wettlauf bisher für sich entschieden und jetzt lief die letzte Schlacht um den Sieg auf Hochtouren.

    Einer davon war Thomas Foulder, dessen Konterfei man momentan nicht ausweichen konnte.

    Das war der Mann, der in Kürze im freien Fall in den Abgrund rauschen wird.

    Ein eisiges Lächeln umspielte Marvins Züge und er dachte: „Wir sehen uns! Genieße noch deine Zeit im Rampenlicht. Bald ist es vorbei."

    Genussvoll verspeiste er seine Donuts und trank den überraschend aromatischen Kaffee Latte langsam aus. Nachdem er gezahlt hatte, schlenderte er zum Parkplatz, setzte sich in sein Auto und fuhr auf direktem Wege zu seiner Villa.

    Dort angekommen, begann er mit den Vorbereitungen für den nächsten Tag. Er holte eine zweite Notebooktasche aus dem Tresor, genauso gesichert wie die von Carmel, stellte sie auf den Tisch und öffnete sie.

    In einer Lasche steckte ein USB-Stick. Er nahm ihn heraus. Äußerlich ein Allerweltsteil: harmlos, keinen zweiten Blick wert. In sich trug er jedoch den Todesstoß für den Bürgermeisterkandidaten Thomas Foulder.

    Um seine brisanten Daten zu schützen, hatte Marvin ihn mit einem kaum zu knackenden Passwort versehen: „Wenn ich mit Thomas fertig bin, nimmt kein Hund mehr von ihm ein Stück Brot". Er codierte die Anfangsbuchstaben über eine genormte Telefontastatur.

    Er schloss den Stick an das Notebook an und überprüfte akribisch, ob auch alle Dateien ihre Aufgaben erfüllten. Er war zufrieden mit dem Ergebnis. Mit einem bösen Lächeln packte er alles ein und verstaute das spezielle Thomas-Foulder-Notebook wieder im Tresor.

    Morgen brauchte er den Stick noch nicht. Nein, morgen musste er nur seine Rolle überzeugend spielen, dann hatte er übermorgen den guten Thomas an den Eiern.

    Wie ein Fallbeil werden diese Dateien auf Thomas Foulder niedersausen.

    Kapitel 4

    Marvin 03.09.

    Am nächsten Morgen verwendete er sehr viel Sorgfalt auf die Veränderung seines Aussehens. Er setzte braune Kontaktlinsen ein, klebte sich einen dieser merkwürdigen Hipsterbärte an und verbarg seine Locken unter einer Perücke. Er hatte sie aus europäischem Echthaar von einer führenden Perückenmacherin aus Berlin auf Maß anfertigen lassen. Sie täuschte perfekt die eigene Haarpracht vor. Er hatte eine ausgewählt mit kräftigem dunkelblondem Haar, das links gescheitelt und in einem kühnen Bogen über rechts zurückgeföhnt war.

    Er trug ein legeres Studentenoutfit, Jeans und Shirt, darüber ein Hemd von Levis. Einen billigen Rucksack hatte er mehrere Tage auf seinem Boot in der Sonne liegen lassen, ihn öfter zusammengequetscht, über den Boden geschleift und ein wenig mit Kaffee bekleckert. Jetzt sah er genau richtig abgegriffen aus. Er warf ihn mit Schwung über seine Schulter. Nun fehlte nur noch der Button des Kandidaten. Wohin damit? Ah ja, hier gehört er hin, hier, über dem Herzen. Wenn das nicht nach riesiger Sympathie aussah!

    Er betrachtete sich im Spiegel und war sehr zufrieden mit seinem Aussehen als fleißiger Wahlkampfhelfer für den Bürgermeisterkandidaten Thomas Foulder.

    Zeit zu gehen. Er fuhr mit dem Auto in Richtung Convention Center und parkte vorsichtshalber zwei Blocks davon entfernt auf einem öffentlichen Parkplatz.

    In der Abgeschiedenheit des Fahrzeugs verharrte er einen Moment. Ein letztes Zögern. Er war sich bewusst, dass er in diesem Augenblick an einem Scheideweg stand. Wenn er jetzt weitermachte, gab es kein Zurück mehr. Wollte er wirklich riskieren, den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen, nur um sich für etwas zu rächen, das viele Jahre zurücklag? Klar, seine Pläne für jeden Einzelnen schienen wasserdicht zu sein. Dass er erwischt wurde, war nicht vorgesehen. Aber war er sicher, dass er nichts übersehen hatte? Der Teufel steckt immer im Detail und er hatte nur einen einzigen Versuch. Die Kriminalen dagegen trainieren jeden Tag aufs Neue, auch die unscheinbarsten Hinweise zu finden und verborgene Spuren zu entdecken.

    Andererseits waren die Würfel doch schon längst gefallen. In den vergangenen zwanzig Jahren hatte er jede wichtige Weichenstellung in seinem Leben so weit wie möglich dem Ziel untergeordnet, seine Peiniger zu vernichten. Jetzt war es endlich so weit und er wird nicht zögern, seine Rache zu vollenden.

    Sein Feldzug startet jetzt und hier.

    Er überprüfte noch einmal sein Aussehen, hängte die Lachklammern ein, nahm seinen Rucksack, verriegelte sein Auto und verließ den Parkplatz.

    In knapp zehn Minuten erreichte er den Eingang des Convention Centers. Hier findet morgen Abend in einem der sogenannten Ballsäle der krönende Abschluss des monatelangen Stimmenfangs statt. Die Gäste waren sorgfältig ausgewählt. Über ihre Einladung entschied allein ihre Nützlichkeit für Thomas. Die Eingeladenen kamen nur allzu gern, schließlich zahlte es sich für sie aus, zum engeren Kreis des zukünftigen Bürgermeisters zu gehören. Wer hier nicht dabei war, gehörte in San Diego nicht dazu.

    Die Vorbereitungen für diese glanzvolle Festlichkeit liefen schon seit Tagen auf Hochtouren.

    Das Wahlkampfteam hatte auf dem gleichen Flur seine Zentrale.

    Die steuerte er zügig an. Ohne einen Blick für die Schönheit seiner Umgebung, eilte er mit Riesenschritten darauf zu und öffnete mit klopfendem Herzen, aber schwungvoll die Tür.

    Unmittelbar neben dem Eingang stand rechts ein Tisch, an dem eine junge Frau jeden in Empfang nahm, der den Raum betreten wollte.

    „Hallo, ich bin Amelie und wer bist du?"

    „Ich bin Thomas Bolder und komme von der Uni. Hier ist mein Studentenausweis. Ich hatte mich vor einiger Zeit als Helfer registrieren lassen und jetzt hat mich jemand angerufen und mir gesagt, dass ich mich heute hier melden soll." Während er sprach, kramte er in seinem Rucksack und fischte eine laminierte Karte heraus. Das war sein gefälschter Studentenausweis. Aus dem Computer der Studentenverwaltung hatte er die Vorlage heruntergeladen und sich einen gebastelt. Er hielt jeder normalen Überprüfung stand.

    Genau wie sein Name in der Liste mit den eingetragenen und überprüften Wahlkampfhelfern, die Amelie jetzt öffnete. Sie scrollte durch, fand ihn erwartungsgemäß und setzte einen Haken in das Kästchen vor seinem Namen. Auf den Ausweis, den er ihr hinhielt, warf sie nur einen flüchtigen Blick. Dann sah sie hoch und lächelte ihn an.

    „Super, dass du da bist, Thomas! Du siehst ja selbst, was hier los ist. Melde dich hinten in der letzten rechten Koje. Da sitzt der Boss. Da erfährst du, was du zu tun hast. Bis später."

    Er nickte und trollte sich. Suchend schaute er sich um. Der Raum war riesig, gute siebzehn Meter lang und etwa neun Meter breit. Auf jeder Seite hatte man mit Stellwänden fünf Kabinen abgetrennt, um etwas Struktur hineinzubringen und die Übersicht zu behalten. Viel wurde allerdings damit nicht erreicht. Überall herrschte ein scheinbar unkontrolliertes Durcheinander. Telefone klingelten unentwegt, Drucker spuckten lange Papierkolonnen aus, ständig liefen Mitarbeiter mit Papieren in der Hand umher und standen sich dabei selbst im Weg.

    Das gefiel ihm. In diesem Gewimmel war er einer von vielen und wurde Teil des gesichtslosen Ameisenhaufens, der sich Wahlkampfteam von Thomas Foulder nannte.

    Auftragsgemäß meldete er sich in der letzten Koje. „Hi, ich bin Thomas. Was soll ich heute machen?"

    Hinter dem Schreibtisch saß eine Frau in den besten Jahren. Unverkennbar der Boss. Etwa in seinem Alter, gut aussehend, dezentes Make-up. Sie trug ein perlgraues Kostüm mit einer fliederfarbenen Seidenbluse. Beides stand ihr ausgezeichnet.

    Sie sah hoch und lächelte. Prüfend glitt ihr Blick über ihn hinweg.

    „Kannst du E-Mails beantworten? Damit meine ich, bist du firm in Rechtschreibung und Grammatik und kannst du dich vernünftig und klar ausdrücken?"

    „Ja, Ma’am, ich denke schon. Meine Tutoren sind jedenfalls immer zufrieden mit mir. Was soll ich denn machen?"

    „Ma’am? Ich bin Lisa. Du meldest dich im Medienraum. Der ist gleich hier nebenan. Geh wieder auf den Flur und nimm die erste Tür auf der rechten Seite. Melde dich dort bei Sven. Warte, ich gebe dir einen Zettel mit. Sie griff nach einem kleinen Notizblock, kritzelte etwas darauf, riss das Blatt ab und gab es Thomas. „Hier, damit lassen sie dich rein.

    Er bedankte sich, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum.

    Im Flur lehnte er sich an die Wand und atmete tief durch. Das lief ja wie geschmiert! Warum auch nicht. Schließlich hatte er seinen Auftritt akribisch vorbereitet. Er stieß sich von der Wand ab, wandte sich nach rechts und klopfte kräftig an die Tür. Es dauerte einen Moment, bis sie geöffnet wurde. Ein junger Mann stand vor ihm.

    „Wer bist du?"

    „Ich bin Thomas. Bist du Sven? Ich soll mich hier melden und E-Mails bearbeiten. Hier ist eine Nachricht von Lisa für dich." Er übergab ihm den Zettel.

    Sven warf einen kurzen Blick darauf, dann trat er von der Tür zurück und ließ ihn eintreten.

    „Super, wir können jede Hand brauchen. Du siehst ja selbst, was hier los ist."

    Thomas nickte und sah sich um. Der Raum war etwa gleich groß wie der nebenan. Im Gegensatz zu dem Gewusel dort, herrschte hier eine geradezu himmlische Ruhe. Man hörte lediglich das typische Geräusch der Tastatur, wenn geübte Hände darauf im Stakkato tippten. Auch dieser Raum war in Kabinen abgeteilt. Die hinteren beiden auf jeder Seite waren mit einer Tür verschlossen, die ersten drei nach vorn offen. Hier waren die Tische mit den Laptops untergebracht, an denen die Wahlkampfhelfer eifrig E-Mails beantworteten. Offenbar riss der Strom der Nachrichten gar nicht ab, denn sie tippten, ohne hochzusehen.

    Sven nahm ihn mit in die erste Kabine auf der rechten Seite, fuhr das Notebook hoch und wies ihn in seine Aufgabe ein.

    „Für alle Mails, die in irgendeiner Form Glückwünsche, Zustimmung, Begeisterung oder Ähnliches ausdrücken, haben wir Standard-Antworten, die findest du hier. Wenn etwas Außergewöhnliches kommt oder jemand eine Spende machen will, dann leitest du die Mail an mich weiter. Ich übernehme dann. Hier sind die E-Mails, die wir selber an unsere Unterstützer täglich und manchmal stündlich herausschicken. Die werden ständig aktualisiert und ich bringe dir die neuen Texte, die du einarbeiten musst. Damit fängst du an."

    Er zeigte ihm, um welche Nachrichten es sich handelte und gab Thomas den passenden Text in die Hand. „Noch Fragen?"

    „Nein, erst mal nicht. Höchstens nur noch eine. Ich will ja nicht neugierig sein, aber warum sind die Türen dahinten verschlossen?"

    „Dort wird mit unseren Unterstützern telefoniert. Du kannst dir denken, dass hier kein Mensch bei offenen Türen arbeiten könnte. Und übrigens, an der Stirnseite findest du eine Kaffeemaschine, Teebeutel, kalte Getränke und etwas zu essen. Bediene dich selbst. Wir machen keine Pausen, jeder nimmt sich etwas, wenn er Hunger hat, und geht an seinem Platz zurück. Alles andere würde nur den Arbeitsfluss stören."

    „Ach so. Alles klar. Dann will ich mal anfangen. Drück mir die Daumen, dass alles gut geht." Er setzte sich das Headset auf und klickte seine erste Mail an.

    Er hatte alle Hände voll zu tun. Es war später Abend, als er in seine Villa zurückkehrte.

    Was für ein Tag! Das Leben als Wahlkampfhelfer war wahrlich kein Zuckerschlecken. Wie gut, dass er das Vergnügen nur für diese beiden Tage hatte.

    Als er endlich geduscht hatte und mit einer kalten Cola in einem bequemen Sessel saß, wollte er sich eine halbe Stunde Pause mit seinem Lieblingsspiel auf dem Laptop gönnen. Aber die richtige Konzentration stellte sich nicht ein und er gab genervt auf. Die Situation war nicht dazu angetan, irgendwelchen Spielchen zu frönen. Es war vielmehr Zeit, sich auf morgen vorzubereiten.

    Marvin holte sein Thomas-Foulder-Notebook aus dem Tresor, klappte es auf und fuhr es hoch. Er gab einige Tastaturbefehle ein und im aufgehenden Fenster wurde ihm mitgeteilt, dass er sich jetzt auf dem persönlichen Server von Thomas Foulder befindet. Er hatte sich schon vor Monaten in das System eingehackt. Das war wesentlich einfacher, als er es sich vorgestellt hatte. Als IT-Spezialisten irritierte es ihn immer wieder, dass die Sicherheitsvorkehrungen für sensible Netzwerke derartig leicht zu knacken waren. Na gut, nicht sein Problem.

    „Dann wollen wir doch mal sehen, auf welchem Notebook du deine Rede und die Präsentation untergebracht hast." In aller Ruhe durchstöberte er die im Netzwerk angemeldeten Laptops. Er fand das Gesuchte auf dem Dienstlichen von Sven, dem Chef der Medienabteilung. Das hatte er schon fast vermutet. Schließlich hatte Marvin die Entstehungsgeschichte des Manuskripts wochenlang miterlebt. Morgen, wenn Foulder auf der Bühne seine Rede vom Blatt las, musste jemand dafür sorgen, dass die Bilder der Präsentation zum richtigen Zeitpunkt auf dem riesigen Bildschirm hinter ihm erscheinen. Diese verantwortungsvolle Aufgabe würde Sven freiwillig keinem anderen überlassen.

    Eine Entscheidung ist zu treffen. Wollte er von hier, von seinem sicheren Standort, seinen kleinen Einspieler starten oder wollte er dabei sein, wenn das Drama begann? Diese Frage war allerdings rhetorisch. Natürlich wollte er dabei sein und das ganze Desaster live erleben. Wozu hätte er sich sonst in das Wahlkampfteam eingeschlichen. Niemand würde merken, dass er mit seinem harmlosen Surface kurzzeitig die Kontrolle über Svens Notebook übernommen und ihm die entzückenden Aufnahmen untergejubelt hatte.

    Sorgfältig überprüfte er den Ordner mit den Bildern. Alles war an Ort und Stelle. Er verstaute den Laptop in seinem Rucksack. Zur Sicherheit legte er den USB Stick dazu. Er wusste, dass er den Stick nicht brauchen würde, aber er fühlte sich einfach besser, wenn er im entscheidenden Moment doppelt gerüstet war. Man stelle sich nur mal vor, dass nach den jahrelangen Planungen plötzlich irgendetwas nicht funktioniert. Ein Albtraum!

    Mit einem kritischen Blick musterte er noch einmal seine Vorbereitungen für morgen. Alles war an seinem Platz, alles war, wie es sein sollte. Er nickte zufrieden, begab ins Schlafzimmer und legte sich hin. In wenigen Minuten war er eingeschlafen.

    Kapitel 5

    Marvin und Thomas Foulder 04.09.

    Früh um sechs Uhr morgens schreckte Marvin plötzlich hoch. Er blickte wild um sich. Als er sah, dass er in seinem Bett saß, seufzte er erleichtert auf und fiel in die Kissen zurück. Glücklicherweise nur ein Albtraum. Alles war schiefgelaufen, was schiefgehen konnte und zum Schluss hatten sie ihn verhaftet. Was für ein Unsinn! Aber, sagte er sich, betrachte es als Warnung. Prüfe doppelt und dreifach, dann passiert dir nichts.

    Er sprang aus dem Bett und lief über die Terrasse zum Pool. Es wurde gerade hell genug für seine morgendlichen Dehn- und Streckübungen. Er ließ seinen Oberkörper kreisen, fiel in den Spagat, stemmte sich daraus in den Handstand und balancierte ihn auf einer Hand aus, sprang mit einem Salto in den Stand und simulierte Angriffe aus seinem Repertoire der Aikido-Techniken. Anschließend schwamm er seine zwanzig Minuten und stieg erfrischt aus dem Pool.

    Er wickelte sich ein weiches Badehandtuch um die Hüften, ging in die Küche und kochte sich seinen Kaffee. Während er darauf wartete, dass die vier Minuten vorbei waren, die das Gebräu brauchte, um perfekt zu sein, ließ er seinen Blick durch die Küche schweifen. Eine unglaubliche Vielzahl von Schränken und Elektrogeräten, gediegen in gebeiztem Holz und gebürstetem Edelstahl ausgeführt, hätte jede Köchin entzückt. Allerdings sah es nicht so aus, als würde das alles häufig genutzt. Auch er bediente lediglich den Wasserkocher für die Zubereitung seines Kaffees. Na gut, wer hunderttausend Euro im Jahr für die Miete dieser Villa berappen konnte, der kochte wohl auch nicht selbst.

    Sein Kaffee war fertig. Er goss ihn in eine große Tasse aus feinem Porzellan, schnappte sich den Teller mit dem übriggebliebenen Obst von gestern und ging auf die Terrasse zurück. Die Sonne war jetzt endgültig aufgegangen. Es war angenehm warm. Marvin schlürfte seinen Kaffee, naschte von den Früchten und war rundherum zufrieden. Abschließend schmiegte er sich in die weichen Polster, schloss die Augen und versank für zehn Minuten in seiner Lieblingsmeditation. Langsam kehrte er in die Wirklichkeit zurück und gönnte sich weitere fünf Minuten in völliger Bewegungslosigkeit.

    Dann stand er übergangslos auf, griff nach Tasse und Teller und brachte sie in die Küche. Er spülte beides ab und stellte das Geschirr auf das Abtropfbrett. Er sah sich um, prüfte, ob der Wasserkocher ausgeschaltet war, verließ die Küche und marschierte ins Schlafzimmer, um

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