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Dorian Hunter 47 – Kiwibins Phantome
Dorian Hunter 47 – Kiwibins Phantome
Dorian Hunter 47 – Kiwibins Phantome
eBook355 Seiten4 Stunden

Dorian Hunter 47 – Kiwibins Phantome

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Über dieses E-Book

Der neue Fürst der Finsternis hat sein erstes Ziel erreicht: Dorian Hunter und Coco Zamis scheinen als Einzelkämpfer für die Schwarze Familie kaum noch eine Gefahr darzustellen. Gleichzeitig ist die Ursache der Tore, die an verschiedenen Teilen der Welt aufbrechen und wieder verschwinden, weiterhin ungeklärt. Auch in Polen macht sich ein solches Phänomen bemerkbar: Der russische Ex-Geheimagent Kiwibin, inzwischen im Auftrag eines privaten Forschungsinstitutes tätig, sucht eines der verlassenen Häuser auf, in denen neuerdings ein "Spuk" sein Unwesen treiben soll. Kiwibin ahnt nichts von den größeren Zusammenhängen und gerät in eine tödliche Falle ...

Der 47. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter. - "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
202: "Friedhof der einsamen Seelen"
203: "Tor zwischen den Welten"
204: "Kiwibins Phantome"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Juli 2014
ISBN9783955720476
Dorian Hunter 47 – Kiwibins Phantome

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    Buchvorschau

    Dorian Hunter 47 – Kiwibins Phantome - Ralf Schuder

    Kiwibins Phantome

    Band 47

    Kiwibins Phantome

    von Ralf Schuder

    © Zaubermond Verlag 2014

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor.

    Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit Asmodi, dem Oberhaupt der Schwarzen Familie, der ihm die Unsterblichkeit sicherte.

    Um seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen, auf die de Conde es abgesehen hatte, blieben ungeschoren. Vielmehr wurde bald er selbst als Ketzer angeklagt und hingerichtet. Der Pakt galt, und de Condes Seele wanderte in den nächsten Körper. In vielen Inkarnationen verfolgte er seitdem rachsüchtig die Mitglieder der Schwarzen Familie, bis es ihm in der Gegenwart als Dorian Hunter endlich gelang, Asmodi zu vernichten und auch dessen Nachfolgern wenig Glück beschieden war.

    Hunter, der sich selbst als Dämonenkiller bezeichnet, besitzt als Hauptstützpunkt seiner Aktivitäten die Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road. Dort lebt er zusammen mit der Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu ihm die Seiten wechselte, und weiteren Mitstreitern des Dämonenkiller-Teams. Da wären zunächst der Zyklopenjunge Tirso, der Hermaphrodit Phillip sowie Trevor Sullivan, der alternde Leiter der Mystery Press, der nach einer schlimmen Auseinandersetzung mit den Dämonen erst kürzlich wieder aus dem Koma erwacht ist. Bis vor Kurzem gehörte auch Martin Zamis, Dorians und Cocos Sohn, zu den Bewohnern der Jugendstilvilla. Aber Martin hat die Seiten gewechselt – auf eine Art, die den Dämonenkiller in die schlimmste Krise seines Lebens gestürzt hat. Von einem Dämon namens Isbrant entführt, stürzte Martin durch einen Zeitschacht in die Vergangenheit, wo er ohne seine Eltern aufwuchs und später die Identität seines Entführers annahm. Durch eine hinterhältige Intrige, bei der er Coco vorübergehend eine tödliche Krankheit anhexte, hat er bei der Wahl zum neuen Fürsten im Krakatau dafür gesorgt, dass sich die Zeitschleife schloss. Die Erschütterungen in der Zeit brachten den Vulkan Krakatau zum Ausbruch, und Dorian und Coco gelang es erst im letzten Augenblick, den Ort ihrer schlimmsten Niederlage zu verlassen – nicht ohne die schreckliche Gewissheit: Isbrant ist Martin, und Martin ist Isbrant. Der neue Fürst der Finsternis ist das quasi über Nacht erwachsen gewordene Kind des Dämonenkillers!

    Dorian ertränkt seinen Kummer seitdem im Bourbon. Der einstige Dämonenkiller ist zu einem gebrochenen Mann geworden und kaum noch eine Gefahr für die Schwarze Familie. Sein Selbstmitleid stellt auch die Umgebung auf die Probe. Coco Zamis flieht schließlich nach Wien, um selbst zu vergessen – und gerät Hals über Kopf in ein neues Abenteuer, das sie um ein Haar das Leben kostet. Auch Dorian kann sich nicht länger verweigern. Offenbar zeigen die Ereignisse um den Krakatau immer noch Nachwirkungen – zunächst in Schottland, wo Dorian es mit dem Teufelsdiener Devron Zarges zu tun bekam und nun in Osteuropa, wo Kiwibin, ein alter Freund Hunters, in einem wahrhaft unheimlichen Fall ermittelt ...

    Erstes Buch: Friedhof der einsamen Seelen

    Friedhof der einsamen Seelen

    1. Kapitel

    Devron Zarges streckte sich ausgiebig, gähnte laut und sprang aus dem Bett. Seine nächtliche Gespielin schlief weiter; die Bettdecke war heruntergerutscht und gab den Blick auf ihre üppigen Brüste frei. Jetzt, im Licht des beginnenden Tages, wirkte die junge Frau nicht mehr besonders hübsch. Ihre Haare waren zerzaust, Lippenstift und Lidschatten waren verschmiert. Sie hatte achthundert Zloty für die ganze Nacht verlangt. Devron hatte keine Vorstellung davon, ob das viel oder wenig war. Für ihn spielte Geld nicht die allergeringste Rolle, er konnte so viel davon haben, wie er wollte. Dafür sorgte sein Auftraggeber, der mit Macht und Reichtum ausgestattet war wie kein anderer auf dieser Welt.

    Seine Kindheit und Jugend hatte Devron in völliger Abgeschiedenheit verbracht, auf Schloss Sinclair in Schottland. Und von dem, was seinerzeit in der Welt vor sich gegangen war, hatte er nicht viel mitbekommen. Er war im wahrsten Sinne des Wortes ein Hinterwäldler gewesen, aber nun bereiste er die ganze Welt, erlebte er die aufregendsten Abenteuer und genoss das volle Vertrauen Isbrants, seines neuen Herrn. Devron grinste zufrieden, zog sich an und ging ins Badezimmer hinüber. Er befand sich in einem Hotel der gehobenen Oberklasse. Das Bad war mit einer übergroßen Duschkabine und mit einem in den Boden eingelassenen Whirlpool ausgestattet. Das Waschbecken bestand aus rosafarbenem Marmor, die Armaturen waren vergoldet.

    Er hielt nichts von übertriebener Reinlichkeit, deshalb verzichtete er darauf, zu duschen. Am Waschbecken befeuchtete er Hände und Gesicht, und während er sich abtrocknete, besah er sich im Spiegel. Sein Kopf war lang und schmal, sein Teint war dunkel, seine Haare jedoch schlohweiß. Zwei gelbliche Schneidezähne ragten deutlich sichtbar über die Unterlippe, was ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Ratte verlieh.

    Auf die meisten Menschen wirkte Devron abstoßend, aber darüber zerbrach er sich nicht den Kopf – im Gegenteil: Auf perverse Weise ergötzte er sich daran, Abscheu hervorzurufen. Er schlüpfte in seine Kleider und zog bald darauf die Zimmertür leise hinter sich zu. An die schlafende junge Frau, die er am Vorabend in der Hotelbar kennengelernt hatte, verschwendete er keinen Gedanken mehr. Der lang gestreckte Hotelgang war fensterlos und dezent beleuchtet. Keine Menschenseele war zu sehen, doch aus einiger Entfernung hörte er, wie ein Servierwagen herangeschoben wurde, auf dem Tassen und Teller schepperten. Hinter der gegenüberliegenden Zimmertür war die Stimme eines polnischen Nachrichtensprechers zu hören, jemand hatte Fernseher oder Radiogerät überlaut eingestellt. Devron wandte sich nach rechts, in Richtung des Lifts. Er befand sich in der achten Etage des Hotels, das im Zentrum Warschaus lag. Ein modernes Gebäude, das zumeist von gut situierten Geschäftsleuten, Diplomaten und auch Prominenten genutzt wurde.

    Eine der Türen wurde ruckartig aufgerissen, ein junger Mann trat heraus: glatzköpfig, eckiges Gesicht, bekleidet mit Turnschuhen, Jeans und dunklem T-Shirt. Dem athletischen Körperbau nach zu urteilen, handelte es sich um einen durchtrainierten Sportler. Er verschränkte die Arme ineinander und verstellte Devron den Weg.

    »Gdzie tak szybko, kolego?« Seine eisgrauen Augen blickten herausfordernd, auf seinen Lippen lag ein kaum wahrnehmbares Lächeln.

    Devron, der kein Wort verstanden hatte, blieb stehen. Natürlich spürte er die Überheblichkeit und die Feindseligkeit, die von dem Glatzkopf ausging. Er konnte sich jedoch nicht erklären, was dieser Mann von ihm wollte.

    »Niemiec? Anglik?«

    »Geh mir aus dem Weg!«, erwiderte Devron barsch.

    »Engländer, he? Ich höre es an deinem Akzent. Warum hast du das nicht gleich gesagt?« Der Mann sprach fließend Englisch.

    »Was willst du von mir?«, fragte Devron ungeduldig. Er war mittelgroß und nicht besonders kräftig gebaut – jetzt wurde er von dem Glatzkopf mit geringschätzigem Blick taxiert.

    »Was hat Judyta verlangt? Siebenhundert oder achthundert Zloty? Ich glaube nicht, dass das genug ist.«

    Devron hob die Augenbrauen, denn nun wurde ihm einiges klar. Er hatte den Zuhälter seiner nächtlichen Gespielin vor sich, und offensichtlich wollte der Bursche noch einige Nachforderungen stellen.

    »Du solltest mir besser aus dem Wege gehen«, sagte Devron knapp.

    Der Glatzkopf machte einen schnellen Schritt nach vorn.

    »Achthundert sind für einen stinkenden Abfalleimer wie dich eindeutig zu wenig. Du wirst weitere tausend herausrücken müssen, wenn du mit heiler Haut aus diesem Hotel herauskommen willst. Ich gebe dir nur diese eine Chance, mir das Geld freiwillig zu geben.«

    »Danke, mein Freund, ich weiß diese eine Chance durchaus zu schätzen«, sagte Devron, beließ seine Geldbörse aber in der Innentasche seines Mantels. Die geforderte Summe wäre für ihn kein Problem gewesen, doch er dachte nicht daran, klein beizugeben.

    Er stand einfach da, verzog den Mund zu einem breiten Grinsen, sodass die gelben Rattenzähne sein Gesicht beherrschten.

    Der Muskelprotz wurde tatsächlich unsicher.

    »Und? Wo ist das Geld?«, fragte er fahrig. »Es ist besser für dich, wenn du mir alles gibst, was du hast.«

    Aus den Augenwinkeln heraus nahm Devron wahr, wie sich einige Zimmertüren öffneten und sofort wieder schlossen. Offensichtlich waren die anderen Hotelgäste neugierig, wollten aber mit dem, was hier vor sich ging, nichts zu tun haben.

    »Das Geld bleibt bei mir«, erwiderte er. »Aber diese eine Chance, die gebe ich an dich zurück. Geh in dein Zimmer und verschließe die Tür – dann werde ich die ganze Sache vergessen!«

    »Du willst mir drohen?« Der Glatzköpfige verlor endgültig die Fassung. »Jetzt reicht es mir!«

    Blitzschnell erhob er die Rechte, um sie seinem Gegenüber ins Gesicht zu schlagen. Es klatschte, Devron stolperte nach hinten und prallte gegen die Wand. Keuchend stieß er sich wieder ab, Blut sprudelte aus der geplatzten Oberlippe.

    Der Glatzkopf stutzte, denn er sah, dass das Blut tiefschwarz war.

    »Co to kurwa ma to znaczyc?«, rief er überrascht.

    Er blickte Devron an, dessen Augen jetzt wie unheilvolle Smaragde funkelten. Der Weißhaarige hatte den Kopf ein wenig zum Boden geneigt und wirkte wie ein Raubtier, das bis aufs Äußerste gereizt worden war.

    Unvermittelt krümmte sich der Glatzkopf zusammen, als habe eine unsichtbare Faust ihn in den Unterleib getroffen. Er ruderte mit den Armen in der Luft, und als er zu Boden fiel, wirkte er wie ein ungeschickter Vogel, der zur Landung ansetzt. Nahezu geräuschlos stürzte er auf den weichen Teppich und blieb keuchend liegen. Devron sprang nach vorn und trat ihm gegen Kopf und Oberkörper. Der Glatzkopf riss die Arme nach oben und versuchte sein Gesicht mit den Händen zu schützen.

    Jetzt packte Devron das linke Bein des Glatzkopfes, und es knirschte grässlich, als er ihm das Wadenbein brach. Das bestialische Gebrüll des Zuhälters musste überall auf der Etage zu hören sein, doch Devron ließ noch immer nicht von ihm ab. Er zog das andere Bein zu sich heran und zertrümmerte mit einem einzigen Faustschlag die Kniescheibe. Der Glatzkopf brüllte wie am Spieß, und er hörte erst damit auf, als ein Kinnhaken ihn ins Reich der Bewusstlosigkeit beförderte.

    Devron vernahm ein lautes, schepperndes Geräusch und fuhr herum. Zehn Meter entfernt verharrte ein unbemerkt näher gekommener Etagenkellner, dem vor Schreck das volle Tablett aus der Hand gefallen war. Glas und Porzellanscherben bedeckten den Boden, dampfender Kaffee sickerte in den Teppich. Der Hotelangestellte blickte schockiert auf den Glatzkopf, der mit verrenkten Gliedern auf dem Boden lag und nur noch schwach atmete.

    Irgendwo wurde eine Tür aufgerissen, und Devron hörte die aufgeregte Stimme einer Frau, dem Slang nach handelte es sich um eine Amerikanerin. Sie faselte von Mord und Totschlag und rief nach der Polizei. Es wurde höchste Zeit für Devron, von hier zu verschwinden. Er ging am Fahrstuhl vorbei, in Richtung der Feuertreppe, hastete die Stufen hinab und benötigte für die acht Etagen nicht einmal zwei Minuten. Im Parterre führte eine verglaste Tür zu einer Lieferantenauffahrt, aber sie war verschlossen. Devron schlug mit dem Ellenbogen die Scheibe ein, was ihm aber nichts nutzte. Das Fenster war zu schmal, als dass er hätte hindurchsteigen können.

    Seufzend suchte er nach einem anderen Weg. Er passierte einige Gänge und kam in einen riesigen Raum, in dem Dutzende von Hotelangestellten dabei waren, Frühstückstabletts vorzubereiten.

    Nach einigem Suchen erreichte er schließlich die Hotelhalle. Dort herrschte bereits reges Treiben, doch nichts deutete darauf hin, dass man schon etwas von den Vorfällen in der achten Etage bemerkt hätte. Ohne innezuhalten, ging Devron auf die gewaltige Drehtür zu, die ins Freie führte. Bevor er sie erreichte, trat ihm ein hünenhafter Farbiger in den Weg.

    »Mein Name ist Brian Frazier, ich bin der Hoteldetektiv.« Er hielt ein aufgeklapptes Lederetui in den Händen, darin war ein goldglänzender Metallstern zu erkennen, der an eine Polizeimarke erinnerte. »Sie sind Mr. Zarges? Ihr Zimmer liegt in der achten Etage?«

    Devron nickte verhalten.

    »Ich muss Sie bitten, mit ins Büro der Direktion zu kommen. Es sind einige Dinge zu klären.« Es klang höflich, aber auch sehr bestimmt.

    Devron verzog unwillig die Mundwinkel. Er war angewiesen worden, kein Aufsehen zu erregen, um seinen Auftrag nicht zu gefährden, doch nun schien sich massiver Ärger anzukündigen. Es wurde höchste Zeit, sich elegant aus der Affäre zu ziehen.

    Er fixierte sein Gegenüber und sah im gleichen Augenblick, wie sich die Pupillen des Hoteldetektivs zu winzigen Punkten verengten. Der Mann öffnete die Lippen, blickte dümmlich drein und stammelte etwas Unverständliches. Dann trat er beiseite, sodass Devron durch die Drehtür gehen konnte.

    Die Sonne schien, und die Luft war mild. Der Frühling kündigte sich an. Es herrschte reger Verkehr, unzählige Autos und Menschen waren unterwegs, in Devrons Nähe hielt laut quietschend eine mit Werbebildern verunzierte Straßenbahn.

    Rechts von ihm befand sich ein Taxistand. Devron winkte sich einen Wagen herbei, stieg ein und gab dem Fahrer die Anweisung, nach Piastow zu fahren, das am äußersten westlichen Stadtrand lag.

    »Und welche Straße?«, fragte der Fahrer.

    »Das sage ich Ihnen später«, erwiderte Devron. Er beobachtete, wie zwei Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht auf das Hotel zurasten, auch ein Krankenwagen näherte sich dem Gebäude.

    Der Taxifahrer schenkte dem Tumult keine besondere Aufmerksamkeit. Er startete sein Fahrzeug und fuhr los. Sie fuhren die Aleje Jerozolimske entlang, die durch das Stadtzentrum führte, und in der Nähe des Dom Kultury gerieten sie in einen Stau, der sich erst nach einer Viertelstunde wieder auflöste. Bald darauf wurde der Verkehr merklich ruhiger. Sie durchquerten eine Siedlung, die aus hässlichen Plattenbauten bestand, und erreichten eine halbe Stunde später einen Bezirk, der beinahe ländlich wirkte.

    »Wir sind da.« Der Taxifahrer fuhr im Schritttempo über eine Asphaltstraße, die nur aus Schlaglöchern zu bestehen schien. »Und nun?«

    Devron, der auf der Rückbank Platz genommen hatte, blickte aus dem Fenster. »Kennen Sie den Friedhof der einsamen Seelen

    »Liegt in der Ortschaft Jelinek«, nickte der Fahrer. Er sah Devron über den Rückspiegel an. »Ein hässliches Fleckchen Erde. Kein Platz, der für Touristen interessant ist.«

    »Ich bin kein Tourist. Fahren Sie mich hin!«

    Der Fahrer zuckte mit den Achseln und beschleunigte das Taxi. Die Straße wurde nicht besser ... im Gegenteil: Sie fuhren über einen schlammigen, mit Pfützen bedeckten Feldweg, geradewegs auf ein Waldstück zu.

    Der Taxifahrer schien sich keine Gedanken um sein Fahrzeug, einen Mercedes neueren Baujahrs, zu machen. Geschickt umfuhr er die Vertiefungen, und als es einmal so aussah, als würde das Fahrzeug im Morast stecken bleiben, rangierte er es gekonnt aus der misslichen Lage.

    Der Weg, der durch den Wald führte, war besser befahrbar. Sie bewältigten die im Halblicht liegende Strecke innerhalb weniger Minuten und kamen anschließend in eine Umgebung, die von Wiesen und brachliegenden Feldern geprägt wurde. Die asphaltierte Straße war hier recht gut in Schuss, offensichtlich deshalb, weil sie so selten genutzt wurde. Rechts und links des Weges standen nur vereinzelte Gehöfte, und außer einigen herumlungernden Hunden war kein Lebewesen zu sehen.

    Irgendwann passierten sie das Ortsschild mit der Aufschrift Jelinek. Ein Nest, das vielleicht fünfhundert Einwohner zählen mochte und das trotz des sonnigen Wetters nicht besonders einladend wirkte. Eine holprige, breite Straße führte durch das Dorf, und bevor man sich versah, hatte man den Ortsrand erreicht. Eine schmale Brücke folgte, dann ein Haus, das nicht so recht in diese Umgebung passen wollte. Es handelte sich um ein zweigeschossiges, wuchtiges Gebäude, das wie eine Mietskaserne wirkte und besser in das Zentrum Warschaus gepasst hätte. Es schien seit langer Zeit leer zu stehen; der Putz bröckelte von den Fassaden, und einige der Scheiben waren eingeschlagen.

    »Was ist das für ein Haus?«, wollte Devron wissen.

    »Ein abbruchreifer alter Kasten, nur ein alter Mann wohnt noch darin. Ein komischer Kauz, den ich mal zum Bahnhof gefahren habe. Er redete ununterbrochen, aber seltsamerweise nicht mit mir. Der Kerl murmelte sich irgendetwas in den Bart, sprach von Tod und Rache.«

    Devron zog eine Augenbraue nach oben. »Können Sie sich noch daran erinnern, was er genau gesagt hat?«

    Der Fahrer schüttelte den Kopf. »Ich kutschiere jeden Tag einen Haufen Leute durch die Gegend, da sind die seltsamsten Vögel dabei. Manch einer ist auch betrunken und erzählt mir seine Lebensgeschichte von A bis Z. Mir ist das alles egal. Hauptsache, ich bekomme am Ende der Fahrt mein Geld.« Er warf einen unauffälligen Blick zum Taxameter. »Wir sind übrigens da.«

    Der Wagen hielt vor einer mindestens drei Meter hohen Mauer, die mit wild wachsendem Efeu überwuchert war und aussah, als könnte sie jeden Moment einstürzen. Es gab ein rostiges Eisentor, einer der Flügel hing halb aus den Angeln.

    Devron fühlte sich unwohl ... irgendetwas stimmte nicht. Eine seltsame Ausstrahlung kroch von der Friedhofsmauer zu ihm herüber und legte sich um seinen Körper wie ein feuchtes Leichentuch. Es gab nichts, was er dagegen hätte tun können. Ein dünner Schweißfilm trat auf seine Stirn, seine Hände begannen leicht zu zittern.

    Der Fahrer nannte eine Summe in Zloty. Devron hörte nicht hin, er kramte in seinem Portemonnaie und zog einen Fünfzig-Pfund-Sterling-Schein hervor.

    »Reicht das?«, fragte er gedankenverloren und drückte dem Polen die Banknote in die Hand.

    »Ja, natürlich ... Ehrlich gesagt, ist es viel zu viel. Aber ich kann kein englisches Geld wechseln.«

    »Das ist auch nicht nötig. Ich möchte jedoch, dass Sie mich in zwei Stunden wieder abholen. Geht das?«

    »Selbstverständlich! Ich kann aber auch hier warten.«

    »Nein! Kommen Sie in zwei Stunden zurück!«

    »Sie können sich auf mich verlassen!«

    Devron nickte, stieg aus und schlug die Wagentür zu. Er wartete, bis das Taxi außer Sichtweite war, und trat dann an das Friedhofstor.

    Natürlich war ihm die Art der Ausstrahlung bekannt. Er hatte dieselbe Aura schon einmal wahrgenommen in Schottland, in den Lammermuir Hills. Isbrant hatte ihn dorthin geschickt, um Nachforschungen anzustellen. Devron war im Innern eines Berges auf eine seltsame Kreatur gestoßen, die in einem Dimensionstor gefangen gewesen war, das unsere Realität mit einer fremdartigen, unbekannten Welt verband. Eine Handvoll Besessener hatte unschuldige Opfer für diese Kreatur herangeschafft. Offenbar wollte sie mit der Lebensenergie der Menschen ein für alle Mal Fuß auf der Erde fassen.

    Devron hatte mit dieser Kreatur gekämpft, und er hatte sie besiegt. Doch er wusste noch immer nicht, um welche Art von Lebewesen es sich gehandelt hatte, und er wusste auch nicht, aus welcher Welt es gekommen war. Er fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihn hier, in unmittelbarer Nähe der polnischen Hauptstadt, etwas Ähnliches erwarten könnte.

    Isbrant, sein Herr, hatte viele Helfer und Getreue in allen Ländern, und einer von ihnen war Kara. Er war es gewesen, der den Hinweis auf den Friedhof der einsamen Seelen gegeben hatte.

    Devron warf einen Blick auf seine Armbanduhr und trat durch das Tor. Es war kurz nach zehn – wenn sich Kara an die Vereinbarung hielt, müsste er jetzt irgendwo auf dem Gelände warten. Es war in der Tat ein abscheulicher Ort, vergessen und verfallen. Der Boden war vom Laub vieler Herbste bedeckt, und die wuchtigen Gedenksteine waren von Unkraut umwuchert. Devron konnte kein einziges Grab entdecken, auf dem sich Blumen befanden oder das auf eine andere Weise gepflegt wirkte. Christliche Symbole schien es hier nicht zu geben. Die Wege waren von unförmig gewachsenen Hecken gesäumt, die dem Friedhof einen labyrinthartigen Charakter gaben. Mächtige, in die Breite gewachsene Trauerweiden und knorrige Kastanienbäume ragten wie unheimliche Riesen in die Höhe. Schon vor Jahrzehnten hatte man die hier Bestatteten vergessen, kein Mensch interessierte sich noch für diesen Ort.

    Aber nun war der Friedhof ins Visier der Schwarzen Familie geraten, einem mächtigen Pakt, zu dem sich die Nachtgestalten dieser Erde zusammengeschlossen hatten: Vampire, Nachtmahre, Gestaltwandler, Werwölfe und andere Dämonen, die unerkannt unter den Menschen lebten und unbehelligt ihr Unwesen trieben. Sie alle dienten einem Herrn – Isbrant, dem Fürsten der Finsternis.

    Devron Zarges selbst hatte eine steile Karriere hinter sich. Er war innerhalb weniger Wochen aus der völligen Bedeutungslosigkeit heraus zur linken Hand Isbrants avanciert. Er genoss das uneingeschränkte Vertrauen des Fürsten und war mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet, um die ihn selbst gestandene Dämonen wie Zakum beneideten. Devron Zarges war der Teufelsdiener.

    Niemand war zu sehen, und er betrat den Hauptweg, der an opulenten Gedenksteinen vorbeiführte. Der Wind nahm zu und wurde kühler, er riss an Devrons langen, weißen Haaren. Sich forschend umblickend ging der Dämon immer weiter in den Friedhof hinein.

    Er kam an eine Wegkreuzung, die sich nahezu im Mittelpunkt des Totenackers befinden musste. Nicht weit von ihm entfernt erhob sich ein Mausoleum, über dessen torlosem Eingang ein bogenförmiger, von steinernen Lorbeerkränzen eingerahmter Schriftzug prangte. Jahrelanger Wind und Regen hatten die Buchstaben unleserlich gemacht. Lianengewächse, die vom Kuppeldach aus zum Boden hin wuchsen, hingen wie ein Vorhang vor dem Eingang. Devron blieb dicht vor der pompösen Ruhestätte stehen und blickte zwischen den Pflanzensträngen hindurch in die Halle. Sie war von einem fahlen Dämmerlicht erfüllt, dennoch erkannte er die Umrisse einer lebensgroßen Skulptur, die einen Mann in altertümlicher Kleidung darstellte. Unmittelbar neben der Statue führte eine breite Treppe in die Tiefe – der Zugang zur eigentlichen Gruft.

    Devron wollte sich eben abwenden, als ein scheußliches Geräusch in seine Ohren drang ... es klang, als würde jemand langsam und kraftvoll mit den Fingernägeln über eine Schultafel kratzen. Die Wände des Mausoleums dehnten das Geräusch und verstärkten es zu einer mehrstimmigen Kakofonie. Obwohl er die Quelle des Lärms nicht eindeutig lokalisieren konnte, vermutete Devron, dass er aus den Tiefen der Grabkammer kam. Das Geräusch nahm an Intensität zu, wurde immer schriller und drang ihm in Mark und Bein.

    Er schob die Ranken beiseite und trat ins Innere des Mausoleums. Ein Mensch hätte nur wenig erkennen können, doch seinen dämonischen Augen blieb nichts verborgen. Er erblickte das Skelett eines kleinen Tieres, vielleicht einer Katze. Im Schädel befand sich ein großes Loch, vermutlich war die Kreatur erschlagen worden.

    Das Kratzgeräusch schien seinen Höhepunkt erreicht zu haben, und Devrons Trommelfelle begannen zu schmerzen. Es war kein natürliches Geräusch, dessen war er sich gewiss. Der Schall schien sein Innerstes zu durchdringen, brachte alles in ihm zum Vibrieren. Er hob die Hände, um sich die Ohren zuzuhalten, doch in diesem Moment verstummte der Lärm. Ohne zu zögern, stieg Devron die Treppe hinab. Bald war völlige Finsternis um ihn herum, und selbst er mit seinen magischen Fähigkeiten konnte nichts erkennen.

    Es war still geworden. Er hörte nur noch seinen eigenen Atem und das Aufschlagen von Wassertropfen, die von der Decke auf den Boden platschten.

    »Ist hier jemand?«

    Seine Stimme verhallte unheimlich, der Raum musste riesig sein. Für einen Augenblick wurde selbst dem jungen Dämon die Ruhe unheimlich, dann hörte er ein leises Kichern wie aus weiter Ferne.

    »Was soll das? Wer ist hier?« Er sprach mit fester Stimme. Wer sich auch immer hier unten herumtrieb, er sollte nicht glauben, es mit einem Feigling zu tun zu haben. Plötzlich ertönte ein lang gezogenes, zischendes Geräusch, ein grellweißes Licht flammte auf, das ihn blendete. Jemand hatte eine Fackel entzündet, doch er konnte nicht erkennen, mit wem er es zu tun hatte. Lediglich die Umrisse einer gedrungenen, nicht besonders großen Gestalt konnte er ausmachen. Er wollte gerade wütend nach vorn springen, als er eine hohe Fistelstimme hörte.

    »Immer mit der Ruhe, junger Freund! Du bist zu Gast in meinen Hallen, und du solltest dich entsprechend benehmen!«

    Devron hielt inne und blinzelte mit den Augen.

    »Du bist ... Kara?«

    Wieder war das höhnische Kichern zu hören. »Richtig geraten, junger Freund. Komm mit mir, dies hier ist kein guter Ort für ein Gespräch.«

    Ein tiefes, volltönendes Rumpeln war zu hören, und Devron vermutete, dass sich nicht weit von ihnen entfernt eine Mauer verschoben hatte. Er folgte Kara, den er noch immer nicht richtig erkennen konnte. Zweifellos steckte irgendeine schwarzmagische Teufelei dahinter.

    Kara, der offenbar nicht viel größer als einen Meter fünfzig war, bewegte sich schlenkernd, so als sei er betrunken. Seine Schritte verursachten abscheuliche schmatzende Geräusche, obgleich der Boden nicht sonderlich feucht war. Bald jedoch bestanden die Wände und der Untergrund nicht mehr aus festem Gestein, sondern aus Sand und Erde. Devron fühlte sich immer unwohler. Seit seinem Abenteuer in Schottland hatte er eine gewisse Abneigung gegen unterirdische Labyrinthe entwickelt.

    »Was soll diese Geheimnistuerei? Wohin bringst du mich überhaupt?«, wollte er wissen.

    Kara antwortete nicht, er ging unbeirrt weiter. Obwohl Devron die Sache nicht gefiel, folgte er ihm. Bald bemerkte er ein fahles, grünliches Licht, keine zehn Meter von ihm entfernt. Sie gingen darauf zu und kamen in eine Höhle, die eine Grundfläche von vielleicht dreißig Quadratmetern hatte. Es stank bestialisch, doch daran störte sich Devron nicht. Das grünliche Licht wurde von einer phosphoreszierenden Masse ausgestrahlt, die überall an den Wänden und am Boden klebte. Jetzt

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