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Dorian Hunter 48 – Die Blutkirche
Dorian Hunter 48 – Die Blutkirche
Dorian Hunter 48 – Die Blutkirche
eBook346 Seiten4 Stunden

Dorian Hunter 48 – Die Blutkirche

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Über dieses E-Book

In den Pyrenäen geht die Angst um unter den Menschen: Neugeborene verschwinden spurlos, und werdende Mütter kehren als Untote zurück. Dorian Hunter sucht das Zentrum des Schreckens auf und kommt einer ungeheuerlichen Verschwörung auf die Spur. Isbrant erschafft ein neues Asmoda - eine schwarze Stadt, in deren Kirche der Teufel selbst das Weihwasserbecken trägt. Was steckt hinter dem Kult der Blutkirche, die sich als Hort dieser schrecklichen Untaten entpuppt? Über den Häusern des kleinen Dorfes erheben sich die düsteren, verfallenen Mauern eines alten Chateaus. Von dort aus regiert fortan das Böse die Welt - und nur dort kann das Grauen sein Ende finden ...

Der 48. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter. - "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
205: "Die Farbe des Teufels"
206: "Der Fluch des Theriaks"
207: "Die Blutkirche"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Juli 2014
ISBN9783955720483
Dorian Hunter 48 – Die Blutkirche

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    Buchvorschau

    Dorian Hunter 48 – Die Blutkirche - Dario Vandis

    Die Blutkirche

    Band 48

    Die Blutkirche

    von Dario Vandis und Ralf Schuder

    © Zaubermond Verlag 2014

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor.

    Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit Asmodi, dem Oberhaupt der Schwarzen Familie, der ihm die Unsterblichkeit sicherte.

    Um seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen, auf die de Conde es abgesehen hatte, blieben ungeschoren. Vielmehr wurde bald er selbst als Ketzer angeklagt und hingerichtet. Der Pakt galt, und de Condes Seele wanderte in den nächsten Körper. In vielen Inkarnationen verfolgte er seitdem rachsüchtig die Mitglieder der Schwarzen Familie, bis es ihm in der Gegenwart als Dorian Hunter endlich gelang, Asmodi zu vernichten und auch dessen Nachfolgern wenig Glück beschieden war.

    Hunter, der sich selbst als Dämonenkiller bezeichnet, besitzt als Hauptstützpunkt seiner Aktivitäten die Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road. Dort lebt er zusammen mit der Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu ihm die Seiten wechselte, und weiteren Mitstreitern des Dämonenkiller-Teams. Da wären zunächst der Zyklopenjunge Tirso, der Hermaphrodit Phillip sowie Trevor Sullivan, der alternde Leiter der Mystery Press, der nach einer schlimmen Auseinandersetzung mit den Dämonen erst kürzlich wieder aus dem Koma erwacht ist. Bis vor Kurzem gehörte auch Martin Zamis, Dorians und Cocos Sohn, zu den Bewohnern der Jugendstilvilla. Aber Martin hat die Seiten gewechselt – auf eine Art, die den Dämonenkiller in die schlimmste Krise seines Lebens gestürzt hat. Von einem Dämon namens Isbrant entführt, stürzte Martin durch einen Zeitschacht in die Vergangenheit, wo er ohne seine Eltern aufwuchs und später die Identität seines Entführers annahm. Durch eine hinterhältige Intrige, bei der er Coco vorübergehend eine tödliche Krankheit anhexte, hat er bei der Wahl zum neuen Fürsten im Krakatau dafür gesorgt, dass sich die Zeitschleife schloss. Die Erschütterungen in der Zeit brachten den Vulkan Krakatau zum Ausbruch, und Dorian und Coco gelang es erst im letzten Augenblick, den Ort ihrer schlimmsten Niederlage zu verlassen – nicht ohne die schreckliche Gewissheit: Isbrant ist Martin, und Martin ist Isbrant. Der neue Fürst der Finsternis – ist das quasi über Nacht erwachsen gewordene Kind des Dämonenkillers!

    Dorian ertränkt seinen Kummer seitdem im Bourbon. Der einstige Dämonenkiller ist zu einem gebrochenen Mann geworden und kaum noch eine Gefahr für die Schwarze Familie. Sein Selbstmitleid stellt auch die Umgebung auf die Probe. Coco Zamis flieht schließlich nach Wien, um selbst zu vergessen – aber die Theriaksucht hält sie nach wie vor in ihren Klauen. Als in Amsterdam ein unbekanntes Bild aus dem Rijksmuseum gestohlen wird und gleichzeitig in Schottland unheimliche Ereignisse aus den letzten Monaten ihren Fortgang nehmen, scheint eines sicher: Isbrant hat mächtige Feinde unter den Dämonen, und es liegt an Coco und Dorian, die Schwäche ihres Sohnes für sich auszunutzen ...

    Erstes Buch: Die Farbe des Teufels

    Die Farbe des Teufels

    von Dario Vandis

    1. Kapitel

    Der Mann besaß eine lange, hagere Gestalt. Ein übergroßes, blasses Gesicht stand in krassem Gegensatz zu den spindeldürren Gliedmaßen. In den Augenhöhlen glühten die Pupillen wie schwarze Kohlen.

    Er stand auf dem Rasenplatz vor dem Rijksmuseum in Amsterdam und beobachtete, wie die Sonne hinter dem Gebäude verschwand. Die letzten Besucher strömten aus den großen Eingangstoren, und ein scharfer Wind wehte durch die Straßen.

    Der Mann zog sich in den Schatten einer Kastanie zurück, als ein grauer Mercedes auf der Straße auftauchte und in der Nähe des Tores hielt. Der Beobachter, der in eine altmodische, barocke Tracht gekleidet war, runzelte die Stirn über das seltsame Gefährt. Wo waren die Pferde, die es zogen?

    Er beobachtete, wie sich die Hecktür des Mercedes öffnete.

    Ein Mann stieg aus. Er war untersetzt und in einen dunklen Frack gekleidet. Sein schwammiges Gesicht war von einem grauen Haarkranz umrahmt. Das musste der Mann sein, der sich jetzt van Dyke nannte, der Direktor des Museums. Er musste über große magische Fähigkeiten verfügen, wenn er diese Kutsche ohne Pferde zu befehligen wusste.

    »Kümmert Euch nicht um die Kutsche. Sie ist überhaupt nicht wichtig«, erklang eine unangenehm hohe Stimme hinter ihm.

    Der Mann fuhr herum. Er hatte nicht gehört, wie sich der Fremde genähert hatte. Sofort bemerkte er die dämonische Ausstrahlung des anderen.

    »Ich musste sichergehen«, sagte der Neuankömmling, ein zwergenhafter Kerl von kaum mehr als einem Meter Größe. Er trug einen schwarzen Nadelstreifenanzug. Sein kahler Schädel wurde von einem übergroßen Bowler geschmückt. »Wie ist Euer Name?«

    »Ich heiße Vidal Campillo«, antwortete der Mann stolz und strich beiläufig die goldene Schärpe glatt, in die ein Degenschaft eingearbeitet war. Eine edle Waffe steckte darin, deren polierter Griff im Sternenlicht blitzte. In seinem Kostüm sah der Mann aus, als sei er in der Requisitenkammer eines Mantel- und Degenfilms ausstaffiert worden.

    »Dann seid Ihr der Mann, den ich suche. Ihr habt eine Aufgabe zu erfüllen. Dort«, der Zwerg deutete auf den Eingang des Rijksmuseums, »liegt Euer Ziel.«

    Vidal Campillo blickte misstrauisch auf den Fremden herab. »Zunächst muss ich wissen, wer Ihr seid.«

    Der Zwerg, fast um die Hälfte kleiner als Campillo, blickte ihn vergnügt an. »Ihr könnt Euch nicht an mich erinnern? Das ist prächtig!«

    »Wir sind uns noch nie begegnet«, erklärte Campillo überzeugt. Er musterte den dicklichen Zwerg mit unverhohlener Verachtung. »Aber ich spüre, dass Ihr ebenfalls ein Mitglied der Schwarzen Familie seid.«

    »Darüber zerbrecht Euch nicht Euren werten Kopf. Es gibt wichtigere Dinge.«

    Campillo musste ihm recht geben. Er fragte sich, warum er sich überhaupt in eine Unterhaltung mit diesem Zwergdämon verwickeln ließ. Er versuchte sich zu entsinnen, weshalb er hierher gekommen war.

    Die Bilder, schoss es ihm durch den Kopf. Ja, das war es. Jetzt erinnerte er sich.

    »Ich habe keine Zeit für Euch!«, schimpfte er. »Geht mir aus dem Weg.«

    »Ganz wie Ihr wollt, Senor Campillo.«

    Der Zwerg trat zurück, und Campillo marschierte an ihm vorüber auf den Eingang des Museums zu.

    Der Zwergdämon blickte ihm nach und lüftete spöttisch seinen Bowler. »So ist es recht, Campillo. Kümmert Euch um die Bilder. Für Plaudereien bleibt keine Zeit. Ihr habt ohnehin nur noch viel zu wenig davon ...«

    Der Mann, der sich als Vidal Campillo vorgestellt hatte, näherte sich dem Eingang des Rijksmuseums. Der Mercedes war weitergefahren, nachdem Direktor van Dyke ausgestiegen und unter dem mittleren der Torbögen verschwunden war.

    Campillo stieg lautlos die Treppe hinauf und blieb vor der Eingangstür stehen. Ein Schließer hatte bereits den Schlüssel ins Schloss gesteckt. Er zuckte zusammen, als Campillo an die Scheibe der Glastür klopfte. Als er die komische Gestalt in ihrem altertümlichen Gewand erblickte, spiegelte sich zuerst Fassungslosigkeit, dann Erheiterung in seinem Blick.

    »Wir haben geschlossen. Kommen Sie morgen früh wieder, mijnheer

    »Mein Name ist Vidal Campillo«, erwiderte der Mann, als sei damit alles gesagt.

    Der Wächter wurde ungehalten. »Ist mir völlig egal, wie Sie heißen, Meister. Wir haben geschlossen.«

    Campillo geriet in Zorn über die Anrede. Was erlaubte sich dieser Hundsfott?

    »Es ist wichtig. Lasst. Mich. Ein!« Er betonte jedes seiner Worte und fixierte die Augen des Schließers.

    Der Mann ließ den Schlüssel sinken. Sein Blick war plötzlich stumpf geworden. Wie in Trance öffnete er die Tür. »Natürlich. Selbstverständlich lasse ich Sie herein.«

    Campillo wartete, bis die Tür wieder geschlossen war. Kopfschüttelnd ließ er seinen Blick über die Kleidung des Mannes schweifen. Was ist nur aus Amsterdam geworden. Die Leute haben einfach keinen Geschmack in diesen Breiten.

    »Wie viele Menschen befinden sich in diesem Gebäude?«

    »Drei Wächter«, sagte der Schließer. »Und ein Techniker in der Zentrale. Irgendetwas ist mit der Funküberwachung nicht in Ordnung.«

    Funküberwachung? Campillo verstand nicht, wovon der Mann schwätzte. Aber er fand, dass der Mann sich eindeutig respektlos verhalten hatte. Dafür verdiente er eine Strafe. »Kommt näher.«

    Der Schließer machte einen Schritt auf ihn zu.

    »Noch näher.«

    Campillo grinste und entblößte seine prächtigen Vampirzähne. Er hatte wirklich großen Durst.

    Campillo ließ den Schließer zu Boden sinken. Eine dünne Blutspur kroch über den Kragen des Mannes und tränkte seine Uniform.

    Der Durst war fürs Erste gestillt.

    Er kannte den Weg, den er zu gehen hatte. Er führte durch Korridore und Säle in den hinteren Teil des Gebäudes. An den Wänden waren merkwürdige Geräte mit einer Glaslinse an der Vorderseite befestigt. Campillo wusste nicht, was sie zu bedeuten hatten, aber von ihnen schien keine Gefahr auszugehen.

    Dann hatte er sein Ziel erreicht.

    Das Gemälde befand sich an einer unbeleuchteten Stelle der Wand; es war nicht besonders eindrucksvoll und verschwand fast zwischen seinen großformatigen Nachbarn.

    Campillo trat an das Bild heran und las den Titel. Gespräch unter Brüdern. Es zeigte zwei Männer, deren Gesichter sonderbar unscharf wiedergegeben waren, an einem Fenster vor der untergehenden Sonne. Die Linienführung erinnerte Campillo an Rembrandt. Ein verarmter Versager, dem er vor seiner letzten Abreise aus Amsterdam einige Aufträge erteilt hatte. Rembrandt war als Habenichts gestorben. Campillo vermutete, dass sein Name in einigen Jahren vergessen sein würde. Außerdem war er ein Stümper. Dieser Maler hier war besser.

    Die Finger des Vampirs strichen andächtig über die Leinwand. Eine ganz besondere Macht wohnte diesem Werk inne. Eine Macht, die ihn heute, nach so langer Zeit, wieder nach Amsterdam geführt hatte.

    Campillo fasste das Gemälde am Rahmen und hob es herunter. Er kümmerte sich nicht um das Alarmsystem in der Wand. Die Funktion der Sensoren war ihm vollständig unbekannt.

    Mit dem Gemälde in der Hand suchte er den zweiten Stock auf. Im Verwaltungstrakt brannte immer noch Licht. Die Büros waren leer, und ein Wächter saß in einem Kabuff vor dem Korridor, der zum Büro des Direktors führte. Er starrte mit aufgerissenen Augen auf den Eindringling, der sich von der Treppe aus näherte.

    »Wer sind Sie? Was zum Teufel ...«

    Campillo war mit seiner Geduld am Ende. Er biss den Mann ohne Vorwarnung in den Hals. Das Blut schmeckte grässlich, und Campillo ließ schnell wieder von ihm ab. Sein Ziel war die abgedunkelte Holztür am Ende des Ganges, durch deren Sichtscheibe er in das Büro des Direktors schauen konnte.

    Van Dyke saß hinter seinem Schreibtisch, den Oberkörper über ein paar Dokumente gebeugt.

    Campillo überlegte, ob er eintreten und ihn begrüßen sollte. Aber dann entschied er sich anders. Wo bliebe denn da der Spaß?

    Er schlich dann auf leisen Sohlen davon.

    Im Büro hob Direktor van Dyke den Kopf und runzelte die Stirn. Ihm war, als hätte ihn etwas gestreift. Ein Hauch. Eine Aura.

    Er fröstelte und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

    Dorian Hunter erwachte. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages blendeten ihn, obgleich seine Lider geschlossen waren. Aus alter Gewohnheit streckte er den Arm nach Coco Zamis, seiner Gefährtin, aus, doch der Platz neben ihm war leer.

    Coco war noch immer nicht nach London zurückgekehrt. Sie hatte ihn verlassen – nicht für immer, wie er hoffte.

    Ein Blick auf den Wecker zeigte ihm, dass es noch nicht einmal fünf Uhr war.

    Er ahnte, dass er keinen Schlaf mehr finden würde.

    Nachdem er sich im Badezimmer frisch gemacht und angekleidet hatte, ging er in das große Wohnzimmer, das sich im Erdgeschoss der Jugendstilvilla befand.

    Trevor und Don Chapman schliefen noch. Auch die Tür zu Kiwibins Zimmer war geschlossen. Der Russe, der erst kürzlich wieder zum Dämonenkiller-Team gestoßen war, hatte sich bereits in der Jugendstilvilla eingerichtet.

    Das Telefon auf dem Beistelltisch starrte Dorian an. Er hob den Hörer ab und wählte Cocos Handynummer. Das Freizeichen wiederholte sich, bis die Mailbox das Gespräch annahm. Dorian legte auf.

    Er hätte das Telefon am liebsten aus dem Fenster geworfen. Manchmal fragte er sich, ob es nicht besser war, wenn Coco fortblieb.

    Nachdem ihr gemeinsamer Sohn Martin verschwunden war, hatten sie sich ohnehin nur noch angegiftet. Sie warf ihm vor, dass er zum Trunkenbold verkommen war. Er gab ihr recht, und das machte sie noch verrückter. Er war der Überzeugung, dass sie sich etwas vormachte, wenn sie darauf hoffte, Martin werde eines Tages zurückkehren.

    Martin Zamis existierte nicht mehr. Der Dämon Isbrant hatte ihn entführt und durch einen Zeitschacht in die Vergangenheit befördert. Dort war Martin von der Schwarzen Familie zum Dämon erzogen worden, bis er Jahrhunderte später – unter dem Namen Isbrant, als sein eigener Entführer – in die Jugendstilvilla zurückgekehrt war. Der Zeitring hatte sich geschlossen, und es gab nichts, was man dagegen tun konnte. Selbst eine Reise in die Vergangenheit, von der Dorian nicht einmal wusste, wie sie sie hätte bewerkstelligen sollen, konnte Martin Zamis nicht mehr retten.

    Isbrant hatte sich zum Oberhaupt der Schwarzen Familie küren lassen. Es war der endgültige Triumph der Dämonen über ihren Erzfeind, den Dämonenkiller Dorian Hunter.

    Dorian ging in die Küche und goss sich einen Bourbon ein. Ein Geräusch vor dem Haus ließ ihn aufhorchen. War Trevor etwa doch schon auf den Beinen?

    Er blickte aus dem Fenster, konnte aber nichts erkennen. Dichter Nebel lag über der Baring Road. Die hohe Steinmauer, die das Grundstück umgab, war nur schattenhaft zu erkennen.

    Er schwenkte das Glas in der Hand und dachte daran, wie Coco und er sich zum ersten Mal begegnet waren. Sie hatte noch bei ihrer Dämonensippe in Wien gelebt. Sie war eine Hexe gewesen, mit dem Auftrag, Dorian zu bezirzen und ihn nach einer gemeinsamen Nacht zu töten.

    Aber dann hatte sie sich in ihn verliebt. Ihre Sippe hatte sie verstoßen, und sie war zusammen mit Dorian nach London gegangen. Es schien eine Ewigkeit her zu sein.

    Dorian trank das Glas in einem Zug leer und schmetterte es gegen die Wand. Sollten Trevor und Kiwibin ruhig wach werden, es war ihm egal.

    Als er sich ein neues Glas aus dem Schrank holte, vernahm er abermals das Geräusch. Es klang wie ein Raunen und Wispern, und es kam ganz sicher aus dem Garten. Dämonen konnten dafür nicht verantwortlich sein, denn sie vermochten die magische Absperrung der Jugendstilvilla nicht zu durchdringen.

    Er riss das Fenster auf. Die kalte Luft verursachte ihm eine Gänsehaut. Im Garten herrschte Totenstille. Nur aus der Ferne drangen Motorengeräusche an sein Ohr. Die Baring Road lag in einer exklusiven Villengegend.

    »Ist da jemand?«

    Er kam sich wie ein Dummkopf vor. Wütend schlug er das Fenster zu. Vielleicht hatte Coco recht, und er soff sich langsam, aber sicher um den Verstand.

    »Und wenn schon«, knurrte er. Nachdem Martin fort war, spielte es ohnehin keine Rolle mehr.

    Aber als er sich das zweite Glas einschenkte, war das Geräusch wieder da. Und es kam aus dem Garten. Ein Seufzen und Stöhnen, wie von einer gequälten Seele. Dorian stellte das Glas zur Seite und lief zur Haustür.

    Die Morgenluft krallte sich wie mit hundert Klauen in seine Haut.

    Er schritt über den Kiesweg zum Tor. Nebelschwaden wallten um ihn herum. Das Klagen war wieder verstummt.

    Er fasste nach der Gemme in seiner Hosentasche. Sie hatte sich nicht erwärmt.

    Am Tor angekommen, warf er einen Blick auf die Straße. Sie war menschenleer. Er wollte sich schon wieder umwenden, als er den Briefkasten erblickte. Ein dicker gepolsterter Umschlag steckte darin. Das war merkwürdig, denn normalerweise kam die Post niemals so früh.

    Er zog den Umschlag heraus. Sein Herz stockte, als er den Absendernamen las.

    Coco Zamis.

    Er steckte den Umschlag ein und kehrte ins Haus zurück. Sein Herz klopfte. Eine Nachricht von Coco? Er konnte es nicht glauben. Warum sollte sie ihm schreiben? Schließlich konnte sie ihn jederzeit telefonisch erreichen. Außerdem hätte er ihre Handschrift unter Tausenden erkannt. Die Zeilen auf dem Umschlag stammten nicht von ihr.

    Im Wohnzimmer angekommen, ließ er sich auf einen Sessel fallen. Der Bourbon war vergessen. Er betrachtete den Briefumschlag, der eine bauchige Ausformung besaß, als ob er einen festen Gegenstand beinhaltete. Mit einem Brieföffner schlitzte Dorian den Verschluss auf.

    Er zog ein weißes, unbeschriftetes Papier heraus, in das ein schwarzes Fläschchen eingewickelt war, das einen kunstvoll verzierten Metallverschluss aufwies. Ein Wunder, dass es beim Transport nicht zerbrochen war.

    Er riss den Umschlag vollständig auf, aber es befand sich keine Nachricht darin.

    Verwirrt betrachtete er das Fläschchen. Es trug keine Aufschrift. Sollte er es öffnen?

    Die Gemme hatte sich immer noch nicht erwärmt. Ein schwarzmagischer Zauber, der mit dem Inhalt der Flasche verbunden war, wäre ohnehin durch die Abschirmung unwirksam geworden.

    Langsam öffnete er den Drehverschluss.

    Ein eigenartiger und doch allzu bekannter Geruch quoll ihm entgegen. Er wusste sofort, worum es sich handelte.

    Theriak.

    Auf dem Tisch stand eine Schachtel mit magischer Kreide, sieben Kerzen, das Theriakfläschchen sowie zwei goldfarbene Talismane. Dorian hatte die Kellerfenster und die Tür zum Erdgeschoss der Jugendstilvilla verschlossen. Er wollte bei diesem Experiment nicht gestört werden.

    In einer schmalen Glasröhre befanden sich abgeschnittene Haare und Fingernägel von Coco Zamis. Er hätte gern darauf verzichtet, sie zu verwenden, da diese Prozedur für Coco äußerst schmerzhaft sein würde, aber nach der Sendung des Theriaks hatte er keine Wahl mehr.

    Coco war theriaksüchtig gewesen, als sie Martin verloren hatte. Isbrant alias Martin hatte sie mit einem magischen Keim infiziert, der sich nur mit Theriak hatte besiegen lassen. Dorian war überzeugt gewesen, dass sie die Sucht besiegt hatte, aber das Fläschchen belehrte ihn eines Besseren. Es handelte sich um eine Drohung der Schwarzen Familie. Coco musste sich in ihren Klauen befinden, und das Theriak hatte erneut Gewalt über sie.

    Er nahm ein Stück Kreide und zeichnete einen mannsgroßen Abraxas auf den Boden. Die Talismane legte er links und rechts daneben. Die Kerzen stellte er in einer bestimmten Reihenfolge auf und entzündete sie. Cocos Haare und Fingernägel wiederum legte er auf das Abraxas-Symbol und träufelte ein paar Tropfen der Droge darauf. Augenblicklich erfüllte typischer Theriakgeruch den Raum.

    Um das Ritual zu vollenden, begann er die Formeln zu sprechen, die er sich zuvor aus einem der schweren Folianten der Bibliothek notiert hatte. Seine Stimme klang jetzt rau und fremdartig.

    Plötzlich jagte ein kräftiger Luftzug durchs Zimmer und die Kerzen erloschen. Von irgendwoher erklang ein geisterhaftes Lachen, das immer leiser wurde, bis es schließlich ganz verhallte.

    Dorian blickte sich irritiert um. Dies gehörte nicht zum Ritual. Offenbar versuchte jemand den Erfolg der Beschwörung zu verhindern. Aber das war eigentlich unmöglich. Der Schutzschirm um die Villa hätte jeglichen schwarzmagischen Einfluss abhalten müssen.

    Der Dämonenkiller fingerte fluchend eine Schachtel Streichhölzer aus der Tasche und entzündete die Kerzen erneut.

    Doch wieder geschah etwas Unvorhergesehenes: Unsichtbare Hände begannen die Kreidezeichnung zu seinen Füßen zu verwischen. Die Talismane rutschten über den Boden und prallten scheppernd gegen die Wand. Einer von ihnen zersprang.

    Dorian stieß eine Verwünschung aus. Er holte einen dritten Talisman aus seinem Archiv, aber sobald er ihn auf den Boden gelegt hatte, rutschte auch er davon und zersplitterte an der Wand.

    »Das gibt es doch nicht!«, murmelte Dorian.

    Da öffnete sich die Tür. Ein hagerer Mann erschien im Rahmen. Seine rechte Gesichtshälfte war heller als die linke.

    »Trevor!«, sagte Dorian erleichtert. »Du musst mir helfen. Die Beschwörung will nicht gelingen.«

    Doch Trevor Sullivan, der Leiter der Mystery Press, lachte nur. Spitz zugefeilte Zähne glitzerten zwischen seinen Lippen.

    Der Dämonenkiller wich zurück und tastete nach der Gemme in seiner Hosentasche. Sie war verschwunden.

    Trevor Sullivan kam mit hämischer Grimasse auf ihn zu und malte einige magische Zeichen in die Luft. Sein Gesicht schien zu verschwimmen und sich in eine monsterähnliche Fratze zu verwandeln.

    »Du wirst sterben, Dorian! So, wie Coco gestorben ist!«

    Dorian stolperte über die Kerzen und fiel zu Boden. Seine Kleidung begann zu brennen.

    Er sah, wie der Abraxas auf dem Boden seine Form änderte. Ein tiefes, schwarzes Loch entstand, und ein plötzlich aufkommender Sog trieb Dorian unaufhaltsam darauf zu.

    »Trevor, hilf mir!«

    Aber Trevor lachte nur.

    Dorian blickte in die Tiefe. Unter sich glaubte er eine Gestalt zu erkennen. Sie kam rasend schnell näher.

    Es war Coco, die auf eine steinerne Liege gespannt war. Ein Mann stand neben ihr und flößte ihr Theriak ein. Als er den Kopf hob und Dorian anblickte, sah der Dämonenkiller in sein eigenes Gesicht.

    Der falsche Dorian verzog die Lippen zu einem Grinsen. Seine Zähne waren ebenso spitz zugefeilt wie die von Trevor.

    »Jetzt werden wir Coco fressen!«, rief er.

    »Dorian! Wach auf!«

    Er öffnete die Augen und erblickte Kiwibins schwarzen Vollbart direkt vor seinem Gesicht. Der Russe trug ein T-Shirt und eine Unterhose. Offenbar hatte Dorian ihn aus dem Schlaf gerissen.

    »Alles in Ordnung?«, fragte Kiwibin.

    Dorian schloss die Augen und stöhnte. »Ich habe von Coco geträumt.«

    »Was ist passiert?«

    Er antwortete nicht. Langsam richtete er sich auf und blickte sich um. Er hatte geglaubt, sich in seinem Bett zu befinden, aber er lag auf dem Boden des Wohnzimmers.

    »Verdammt, wie komme ich hierher?«

    Kiwibin zuckte die Schultern. »Du hast irgendwas gerufen. Da bin ich runtergelaufen.«

    Dorian wischte sich über die Stirn. Sie war schweißnass. »Ich habe geträumt, dass Coco mir einen Brief geschickt hat ... Zumindest stand ihr Name drauf. In dem Brief befand sich eine Flasche, angefüllt mit Theriak. Verrückt, nicht wahr?«

    Kiwibin griff nach einem kleinen, schwarzen Fläschchen, das auf dem Stubentisch stand. »Und was ist das?«

    Die Zigarre kreiste über dem Aschenbecher. Langsam, wie in Zeitlupe, löste sich die Asche von der Spitze. Gerald Wolfe nahm einen tiefen Zug und blickte auf die Uhr.

    »Freut mich aufrichtig, dass Sie es so zeitig hierher geschafft haben, Trevor. Wie geht es Ihnen?«

    Der hagere Mann, dessen rechte Gesichtshälfte durch einen magischen Unfall heller war als die linke, deutete ein Lächeln an.

    Er sprach nicht gern über sich und schon gar nicht über die vergangenen Monate, die für ihn einen Kampf auf der Grenze zwischen Wachen und Schlafen, zwischen Leben und Tod bedeutet hatten.

    »Es ist einige Jahre her, dass Sie uns verlassen haben. Haben Sie den Secret Service nie vermisst?«

    Trevor Sullivan zuckte die Achseln. »Wenn ich mich nicht täusche, waren Sie es, der um dieses Gespräch ersucht hat, Sir.«

    Wolfe öffnete eine Schublade seines Schreibtisches und zog eine Aktenmappe hervor. »Sie haben recht, Trevor. Das ist der Bericht, den unsere Mitarbeiterin Elaine Lowell über die Vorkommnisse in Schottland verfasst hat.«

    Trevor erwiderte nichts. Er ging in Gedanken durch, was Dorian Hunter ihm darüber berichtet hatte. Menschen waren gestorben, und Devron Zarges, der Handlanger Isbrants, hatte Hunter vor dem Tod gerettet. Elaine Lowell hatte in dem Fall ermittelt, und Trevor konnte sich vorstellen, dass beim Secret Service alle Alarmglocken geläutet hatten, als man nach so langer Zeit wieder etwas von Dorian Hunter gehört hatte.

    »Sie haben stets gute Arbeit geleistet, Trevor. Ihr Name ist in Teilen der Organisation Legende.«

    »Haben Sie deshalb die Inquisitionsabteilung aufgelöst?«

    Wolfe verschränkte die Arme auf dem Tisch. »Sie überschätzen meine Kompetenzen. Nehmen Sie es nicht persönlich. Man hat sich einen Überblick über die Fakten verschafft und eine Entscheidung gefällt. Alles geschah genau nach Vorschrift.«

    »Steht in den Vorschriften auch etwas über dieses Treffen?«

    »Sarkasmus passt nicht zu Ihnen, Trevor. Sie sind ein guter Mann. Elaine Lowell hat mir von Ihrer Agentur erzählt. Der Mystery Press. Keine

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