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Sky-Troopers 5 - Die Wirbelwelt
Sky-Troopers 5 - Die Wirbelwelt
Sky-Troopers 5 - Die Wirbelwelt
eBook566 Seiten7 Stunden

Sky-Troopers 5 - Die Wirbelwelt

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Über dieses E-Book

Ein planetenumspannender Wirbelsturm lässt nur einen Weg zur Oberfläche zu – Das Auge des Sturms. Doch wertvolle Substanzen locken und so richtet die Nundagai Corporation mehrere Abbauanlagen ein. Als eine davon plötzlich schweigt und eine Rettungsmission als verschollen gilt, sollen Major Joana Redfeather und ihre Sky-Troopers Hilfe bringen. Aber Nundagai betreibt falsches Spiel und so geraten die Troopers zwischen die Fronten aggressiver Planetenbewohner und mörderischer Verschwörer.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum1. Aug. 2020
ISBN9783752910780
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    Buchvorschau

    Sky-Troopers 5 - Die Wirbelwelt - Michael Schenk

    Kapitel 1

    Sky-Troopers 5 ‒ Die Wirbelwelt

    Science Fiction Roman

    von

    Michael H. Schenk

    © M. Schenk 2016/2020

    Mono-Rail, Panzerzug 09, Richtung Nord, auf der Fahrt vom Auge zu den nördlichen Minen

    Die Fahrt war eintönig und das machte sie gefährlich. Wenn man Stunde um Stunde um sich herum nur Sand und Fels sah, über sich die blauvioletten Schlieren des nächtlichen Wirbelhimmels und vor sich das schier endlose grauweiße Band der Mono-Rail, dann hatte das eine einschläfernde Wirkung. Vor allem, wenn man voll konzentriert sein musste und den Blick kaum von der Strecke abwenden konnte, obwohl der Panzerzug im Grunde auch mit Automatik hätte fahren können. Aber bei einer Mono-Rail auf der Wirbel-Welt, die auf den Sternenkarten als Suffren-12 katalogisiert war, verließ man sich nicht auf Automatik. Man konnte sich ja nicht einmal auf Radar und Scanner verlassen, da diese vom elektromagnetischen Feld des Wirbels immer wieder gestört wurden.

    Heiser war ein guter Lokomotivführer und er versuchte, wach zu bleiben. Er traute den Muntermachern nicht, die mancher der Minenarbeiter schluckte, um seine Schicht zu bewältigen. Gelegentlich kniff Heiser sich in die Wange und vertraute auf den starken Kaffee, den er sich auf der kleinen Maschine im Führerstand brühte. Echter Kaffee aus echten Bohnen! Für diesen persönlichen Luxus opferte er einen nicht unerheblichen Teil seines Gehalts.

    Er saß in dem bequemen Polstersitz des engen Führerstandes, gute fünf Meter über dem Boden und seine Blicke galten vornehmlich dem Strang der Mono-Rail, aber auch allem anderen, was sich in seinem Sichtbereich befand. Der Wirbel war unberechenbar. Er raste mit Orkanstärke in ungefähr fünfzig Metern Höhe rund um den ganzen verdammten Planeten, mit Ausnahme jener Stelle, die man „das Auge" nannte. Dabei führte der merkwürdige Sturm Unmengen von Staub, Sand und Steinen mit sich, manchmal auch größere Brocken, und es kam vor, dass einer von ihnen aus dem Wirbel geschleudert wurde. Vor zwei Jahren hatte ein solcher Brocken einen der gepanzerten Versorgungszüge getroffen, diesen in Schrott und alle Personen an Bord in Leichen verwandelt. Heiser hatte vor, später seinen Ruhestand zu genießen, daher kämpfte er gegen die Müdigkeit an und achtete auf das, was um ihn herum geschah.

    Bei einem normalen nächtlichen Himmel hätte man die Sterne sehen können, doch nicht auf dieser eigenartigen Welt. Das von blauvioletten Schlieren herrührende nächtliche Dämmerlicht stammte von Entladungen, die überall im Wirbel stattfanden und gelegentlich den Boden erreichten. Am Tage war es nicht viel besser. Das Dämmerlicht war dann nur ein wenig heller, denn das Sonnenlicht durchdrang diesen ewigen Sturm, oder was auch immer es sein mochte, nicht.

    Im Grunde musste Heiser doppelt achtgeben, denn auf dieser Fahrt hatte er keinen Ingenieur an Bord, der normalerweise von der Maschine heraufkam, neben ihm im Notsitz Platz nahm und ihn mit einem Schwätzchen wachhalten konnte. Selbst den Bremser im letzten Wagen hatte man für diese Fahrt gestrichen. Das war höchst ungewöhnlich. Kein Lokomotivführer sollte alleine auf Fahrt gehen, und doch hatte das Management genau dies für diese Tour angeordnet. Stattdessen saßen fünfzig Mitglieder eines Rettungstrupps im ersten Wagen. Männer und Frauen, die auf Heiser einen unheimlichen Eindruck machten. Sicher, sie trugen auf den leichten Druckanzügen der Nundagai Corporation das blaue Dreieck auf orangefarbenem Feld, welches sie als Rettungs- und Katastrophenschutzeinheit kenntlich machte, aber Heiser hatte in seinem Leben schon einige Rettungsteams gefahren und die Leute im ersten Wagen erschienen ihm ungewöhnlich. Als er, vor Beginn der Fahrt, kurz mit ihrem Teamleiter gesprochen hatte, da waren alle Gespräche ringsum verstummt und die Blicke der Männer und Frauen hatten ihn auf beunruhigende Weise frösteln lassen. und dann die vielen Kisten! Sicher, Rettungsteams führten immer eine Menge Kisten mit sich, aber wo war die schwere Ausrüstung? Bei einem Minenunglück benötigte man schweres Bergungsgerät und nicht nur klassische Hacken und Schaufeln. Ein Rettungsteam mit Bergungsauftrag hoffte nie auf Werkzeug, welches es vor Ort vorfand, sondern brachte stets das eigene mit.

    Es hieß, es habe einen Unfall in Mining Facility 12 gegeben. Mehr hatte man Heiser nicht gesagt und wenn er den Lokalsender der Corporation einschaltete, dann kamen nur die üblichen Nachrichten oder Musik, aber kein Hinweis auf diesen ominösen Unfall. Nein, Heiser konnte nicht behaupten, dass ihm diese Fahrt gefiel. Sonst verbreiteten die planetaren Sender von Nundagai jeden trivialen Klatsch und ausgerechnet bei einem ernsten Zwischenfall sollten sie sich ausschweigen?

    Er hörte ein Hüsteln hinter sich und blickte die kurze Treppe hinab, die zum Maschinenraum der Lok führte. Dort unten, im Mittelgang, stand Finnegan, der Leiter des Rettungsteams und sah lächelnd zu ihm herauf. „Ist es gestattet, Lokführer?"

    „Sicher. Etwas Gesellschaft kann man hier oben immer gebrauchen, stimmte Heiser zu. „Allerdings gibt es hier oben nur einen Notsitz als Mitfahrgelegenheit. Wenn Sie damit zufrieden sind?

    Finnegan kam die steile Leiter herauf. „Ist sicher auch nicht unbequemer, als auf einer Transportkiste zu sitzen, oder?"

    „Im Wagen Eins gibt es genügend bequeme Polstersitze, in denen man sogar prima schlafen kann. Habe das schon selber ausprobiert, meinte Heiser. „Jetzt behaupten Sie bloß nicht, Sie würden da hinten auf Kisten hocken.

    Der Teamleiter lachte ungezwungen. „Natürlich nicht. Aber bei Einsätzen sind wir es gewohnt, nicht verwöhnt zu werden. Finnegan klappte den Notsitz herunter und nahm Platz. Er hatte den Folienhelm des leichten Druckanzuges auf den Rücken geklappt und schnüffelte. „Hey, Mann, rieche ich hier etwa Kaffee?

    Das ließ sich schlecht leugnen und obwohl Heiser sein Gebräu nur ungern teilte, wollte er nicht unhöflich sein. „Da rechts ist die Maschine. Darunter, in der Schublade, finden Sie auch einen zweiten Becher. Benutzt sonst immer der Ingenieur."

    „Herzlichen Dank. Finnegan bediente sich und sah durch die schrägen Frontscheiben hinaus. „Ziemlich lebhaft da draußen, meinte er mit Blick in den Himmel. „Kann man sich an so einen Anblick gewöhnen?"

    „Wenn die Bezahlung stimmt … Nundagai stellt beachtliche Schecks aus, Mister Finnegan."

    „Ja, das stimmt wohl."

    „Bevor Sie mich jetzt fragen … Wenigstens noch sechs Stunden Fahrt, bis wir Mining Facility 12 erreichen, kam Heiser der Frage seines Besuchers zuvor. „Und auch nur, wenn uns keiner dieser verfluchten elektrischen Stürme dazwischenkommt. Nein, ich meine nicht den ewigen Sturm am Himmel, Mister. Ich meine lokale Entladungen, die es wirklich in sich haben.

    Finnegan stieß einen missmutigen Laut aus. „Sind wir auf Höchstfahrt?"

    Heiser schnaubte empört. „Dreihundertzwanzig Kilometer in der Stunde. Mehr ist nicht drin. Nicht bei der netten Gegend, durch die wir gerade fahren, Mister Finnegan."

    „Normalerweise fliegen wir zum Einsatzort. Finnegan legte den Kopf ein wenig schief, um näher an die Scheibe zu gelangen und in den Wirbel hinauf zu blicken. „Nette Gegend? Ist wohl ziemlich relativ, was?

    Das endlos erscheinende Band der Mono-Rail verlief nahezu schnurgerade nach Norden. Es gab nur dort leichte Kurven, wo man massiven Felsformationen ausweichen musste, deren Beseitigung Nundagai zu aufwendig erschienen war. Rechts und links der einspurigen Schiene aus grauweißem Plas-Beton erstreckte sich die eintönige Landschaft. Da der planetenumspannende blauviolette Wirbel nur wenig Sonnenlicht zur Oberfläche durchließ, wirkte alles dämmerig und verfremdet. Finnegan wusste aus der Einweisung, dass die hügelige Landschaft aus gewöhnlichem Sand und Fels bestand. Es gab nur wenig Vegetation und diese beschränkte sich auf Moose und Flechten. Einige der Felsen wirkten beeindruckend, da sie nahezu fünfzig Meter emporragten, doch es gab keine Erhebung, die höher war.

    „Merkwürdige Sache, dieser Wirbel, meinte Finnegan. „Als hätte man in fünfzig Metern Höhe eine Decke über den Planeten gespannt.

    Heiser nippte an seinem Becher. „Aber eine gefährliche Decke, Mister. Rund vierzig Meter über dem Boden geraten Sie schon in den Sog des Wirbels und in fünfzig Metern Höhe sind Sie tot. Der Wirbel reißt Sie mit sich. Falls Ihnen nicht gleich die Lungen platzen, dann wird Ihnen Ihr hübscher Anzug in kürzester Zeit vom Leib geschmirgelt. Der Wirbel führt jede Menge Sand mit sich. Das ist besser als jedes Schleifpapier, das können Sie mir glauben."

    Am Radarschirm blinkte plötzlich ein Licht auf. Heiser stieß einen Laut aus, der einem Grunzen ähnelte. „Und da kommt Ihre Antwort auf Ihre Bemerkung, dass Sie üblicherweise zum Ziel fliegen und keinen lahmen Zug benutzen müssen."

    „Wie meinen? Finnegan sah stirnrunzelnd auf den Radarschirm. „Was ist das?

    „Sehen Sie nach rechts aus dem Fenster, antwortete der Lokführer. „So schnell wir auch sind … Sie müssten es erkennen können. Liegt nur fünfzig Meter neben der Schiene.

    Finnegan starrte hinaus. Ein deformiertes Etwas geriet in sein Blickfeld. Nur für Augenblicke, dann war es wieder verschwunden. Doch das Objekt war fraglos aus Metall gewesen. „Was war das?"

    Heiser grinste breit. „Ein Fast Landing Vehicle, Mister. Als Nundagai hier mit dem Aufbau begann, da hat man doch tatsächlich versucht, die Ferntransporte mit niedrig fliegenden FLVs durchzuführen. Es gab eine ganze Reihe unschöner Abstürze und etliche Tote. Seitdem setzt das Management auf unsere guten und zuverlässigen Rails und die Panzerzüge."

    „Warum sind die Züge eigentlich so stark gepanzert? Führt dieser Wirbel Brocken mit sich, die einem Zug gefährlich werden können?"

    „Es ist schon vorgekommen, gestand Heiser. „Manchmal zeigt das Radar solche Brocken im Wirbel an, aber leider funktioniert das nur eingeschränkt. Gilt für alle Scanner und Sensoren.

    „Ja, darüber wurden wir informiert. Es hängt wohl mit den elektromagnetischen Feldern zusammen, die sich überraschend in diesem Wirbel bilden können."

    „Der ganze verdammte Wirbel ist ein einziges elektromagnetisches Feld. Der Ausfall tetronischer Geräte findet aber vor allem dann statt, wenn es zu kleinen Entladungen kommt. Entladungen, die einen Menschen oder ein Bodenfahrzeug in Augenblicken verschmoren können. Nur ein Panzerzug ist groß genug, dem standzuhalten. Der Lokführer lachte gutmütig. „Vielleicht schmeißt der Wirbel deshalb bei seinen Entladungen gelegentlich mit Felsbrocken um sich. Weil er keine Züge mag, scherzte er. „Ich sage Ihnen, diese verdammte Welt ist das Tor zur Hölle und wenn Nundagai nicht so prächtig zahlen würde, dann wäre ich längst von hier verschwunden. Der einzige Ort, an dem es sich halbwegs leben lässt, ist das Auge. Heiser schenkte sich nach, ohne Finnegan ebenfalls anzubieten. „Sagen Sie mal, Mister, was ist da oben im Norden, in Mining Facility 12, eigentlich los? Sie leiten ein ziemlich starkes Rettungsteam, also muss es sich um etwas Ernsthaftes handeln. In den Nachrichten ist nichts zu hören oder zu lesen. Aber umsonst holt sich Nundagai doch sicher kein so starkes Rettungsteam nach Suffren-12.

    „Tja, wir wissen auch nichts Genaues, gestand Finnegan und ließ sich wieder in den Sitz sinken. „Aber wir sind Profis und auf alle Eventualitäten vorbereitet.

    „Na ja, genug Gepäck haben Sie ja dabei. Heiser zögerte kurz. „Ein paar der Kisten sehen mir ziemlich ungewöhnlich aus. Kodierte Verschlüsse kenne ich nur von Waffenbehältern oder Werttransporten.

    „Als Rettungseinheit führen wir keine Waffen, Mister. Dafür allerdings ein paar wertvolle Geräte. Selbst in Katastrophengebieten ist man vor Dieben nicht sicher. Finnegan zuckte mit den Achseln. „Es sind miese Zeiten, Heiser. Seitdem sich die Menschheit so über den Weltraum ausdehnt, geht der innere Zusammenhalt verloren.

    Heiser hatte ein merkwürdiges Gefühl, doch er begriff, dass es besser war, nicht weiter nachzufragen. Es ging ihn eigentlich auch nichts an. Er wurde als Zugführer bezahlt und was dieser Finnegan und seine Leute auch immer auf Mining Facility 12 treiben mochten, das war eine Sache des Managements. Heiser würde die Leute hinbringen, dann in die Wendeschleife einkurven und zum Auge zurückfahren. Damit war sein Job erledigt. Eigentlich merkwürdig … Warum sollte er sofort umkehren, statt abzuwarten, ob man Verletzte mit seinem Zug transportieren musste?

    Finnegan starrte erneut durch die schrägen Panzerscheiben hinaus. Auf der gesamten Oberfläche dieser Welt herrschte ewige Dämmerung. An der Lokomotive waren die starken Scheinwerfer eingeschaltet. Ihr Licht entsprach dem Spektrum der irdischen Sonne und so bot sich Finnegan ein faszinierendes Schauspiel, sobald die Landschaft diesem Licht ausgesetzt war. Denn nur dann wechselte sie die Farben zu jenen, mit denen man bei Fels und Sand rechnete.

    „Ist ziemlich einsam auf so einer Lok, nicht wahr?"

    Heiser runzelte die Stirn und nickte zögernd. „Normalerweise habe ich einen Ingenieur und einen Bremser an Bord. Beide hat man für diese Fahrt gestrichen."

    Er betonte das Wort „diese" und machte Finnegan somit deutlich, dass Heiser die Vermutung hatte, bei der gegenwärtigen Fahrt wäre so einiges ungewöhnlich.

    Finnegan lächelte sanft. „Nun ja, immerhin stimmt die Bezahlung, nicht wahr? Okay, ich denke, es ist an der Zeit, mich wieder um mein Team zu kümmern. Danke für den Kaffee."

    Heiser stieß ein leises Brummen aus und sah zu, wie der Besucher sich erhob und dann die Leiter hinunterstieg, um im Bauch der Lokomotive zu verschwinden. „Ich will verdammt sein, wenn du und deine Leute ein gewöhnliches Rettungsteam seid."

    Finnegan ging den schmalen Gang entlang, der längs durch die große Lokomotive führte. Rechts und links brummten die mächtigen Maschinen, die den Zug vorantrieben und seine Passagiere in den luftdicht abgeschirmten Wagen mit Atemluft und dem richtigen Luftdruck versorgten.

    Er erreichte die kleine Druckschleuse, welche die Lok vom ersten Wagon trennte. Er passierte sie, vergewisserte sich sorgfältig, dass sie korrekt geschlossen war, und betrat dann den Innenraum. Dieser war nicht in einzelne Abteile gegliedert, sondern von vorne bis hinten offen. Rechts und links, entlang der Wände, befanden sich die bequemen Sitze, die auch als Schlafliegen genutzt werden konnten. Der freie Raum dazwischen war zur Aufnahme von Transportgut bestimmt. Zahlreiche Haken und Ösen verrieten, wo Gurte und Leinen festgezurrt werden konnten. Etliche der Halterungen waren nun durch Kisten und Transportbehälter belegt, welche die Zusatzausrüstung von Finnegans Team enthielten.

    Heiser hatte absolut recht mit der Vermutung, dass Finnegan kein gewöhnliches Rettungsteam leitete. Die Männer und Frauen, die sich hier im ersten Wagen befanden, gehörten allesamt der geheimen paramilitärischen Organisation Black COBRA an. Finnegan konnte daher auf die Verwendung seiner speziellen Kontaktlinse verzichten, die ihm normalerweise geholfen hätte, die ansonsten unsichtbare Tätowierung einer COBRA sichtbar zu machen, die jedes aktive Mitglied an der Stirn trug.

    First-Sergeant Petrovich sah seinen Vorgesetzten fragend an. „Und?"

    „Er ist nicht eingeweiht, meinte Sub-Chief Finnegan. „Damit war auch nicht zu rechnen.

    „Schlecht für ihn, stellte COBRA Riley fest. „Sollen wir ihn neutralisieren, Chief?

    „Nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt, antwortete dieser und lächelte. „Ich möchte den Zug nicht unbedingt selbst zurückfahren.

    Vor etlichen Jahren hatte die Menschheit in einer unglaublichen Kraftanstrengung eine humanitäre Rettungsaktion für das intelligente Volk der Hanari in die Wege geleitet, dessen Sonne sich bald darauf in eine Supernova verwandelt hatte. Nicht alle waren damals mit der Rettung einverstanden gewesen und hatten Sabotageakte durchgeführt, um diese zu erschweren oder unmöglich zu machen. Als Konsequenz davon war eine Forschungsmission sabotiert worden, welche eine sprachliche Verständigung mit den Aliens ermöglichen sollte, . Da diese scheiterte und der Zeitpunkt der Sonnenexplosion näherrückte, blieb den Menschen des Direktorats nur eine Möglichkeit, die Rettungspläne doch noch in die Tat umzusetzen: mittels einer Invasion auf der Hanari-Welt, bei welcher die Aliens mit Spezialwaffen betäubt, eingesammelt und praktisch auf ihre neue Welt entführt wurden. Vieles war dabei schiefgegangen und hatte auf beiden Seiten zu tragischen Verlusten geführt. Inzwischen wussten die Hanari um die Vorgänge und ihre Dankbarkeit zeigte sich in vielerlei Hinsicht.

    Zur Bewältigung der Rettungsmission waren Bodentruppen erforderlich gewesen. Die Streitkräfte des Direktorats verfügten jedoch regulär nur über zehn Regimenter der Sky-Cavalry. Zwanzigtausend Raumkavalleristen waren nicht ausreichend, um die geplante Evakuierung in der Kürze der Zeit zu bewältigen. So stellte das Direktorat für den Zeitraum der Rettungsmission zusätzlich nahezu dreißig Freiwilligen-Regimenter auf, die nach erfolgreichem Ende des Einsatzes wieder aus dem Dienst entlassen wurden.

    Etliche dieser Veteranen gründeten daraufhin die „COBRA", einen Verband, der sie betreute und ihnen eine Plattform zur gegenseitigen Unterstützung bot. Bei der „Corporated Brotherhood of Retired Members of Arms erinnerte man sich an den geleisteten Dienst und half einander, ein ausreichendes Auskommen zu haben oder eine sinnvolle Beschäftigung zu finden. Gerade die neu besiedelten Welten boten hier viele Möglichkeiten. Einige COBRAs verdingten sich als angemietete Ordnungsmacht, bis die jeweilige Kolonie ihre eigene Polizei in Form der „Constables etablieren konnte. Andere schlossen sich zu Rettungsteams zusammen, die sich auf riskante Missionen auf fremden Welten oder im Weltraum spezialisierten. Ihre „Search and Rescue"-Teams genossen einen ausgezeichneten Ruf. COBRA war zunächst ein Veteranenverband, der sich dem Allgemeinwohl verschrieben hatte. Doch bald war einigen Mitgliedern bewusst geworden, dass sich ihre militärische Ausbildung auf besondere Weise auszahlen könnte.

    Große Konzerne, wie die Nundagai Corporation, United Mining Industries und andere, standen in hartem Konkurrenzkampf um lohnende Ressourcen. Obwohl es eine immense Anzahl von Asteroiden oder Planeten gab, auf denen sich der Abbau lohnte, und es eigentlich keinen Grund gab, um deren Ausbeutung zu kämpfen, blieben Fairness und auch das Gesetz im unbarmherzigen Konkurrenzkampf auf der Strecke. Oft wurde dieser mit illegalen Mitteln ausgetragen, bei denen die Gewalt dazu führte, dass man gelegentlich, hinter vorgehaltener Hand, von einem „Schattenkrieg" sprach. Ein Krieg, der im Geheimen geführt wurde und von dem die Öffentlichkeit oder offizielle Stellen nichts erfahren durften.

    Eine Reihe von COBRAs, die in der Anwendung von Gewalt jenen Adrenalinstoß fanden, den sie zuvor vermisst hatten, schlossen sich daher zu einer Geheimorganisation zusammen und bezeichneten sich als „Black COBRAs".

    Sie boten Personenschutz, sicherten Einrichtungen und Raumschiffe und vertraten die Interessen ihres jeweiligen Auftraggebers auf „robuste" Weise, bei der sie vor offener Gewalt und heimtückischem Mord nicht zurückschreckten. Black COBRA war das, was man ohne Zweifel als Söldnertruppe bezeichnen konnte. Innerhalb der Veteranenvereinigung COBRA existierte somit eine höchst illegale, aber auch äußerst effektive Organisation, die immer dann aktiv wurde, wenn es darum ging, Probleme unter größtem Stillschweigen zu lösen und dabei keine Spuren zu hinterlassen. Viele Konzerne und Privatleute hatten schon einmal auf die Hilfe der Black COBRAs zurückgegriffen, und die Effektivität dieser Gruppierung wurde allein daran ersichtlich, dass sie bislang den Sicherheitsorganen des Direktorats entgangen war.

    Dieses Mal hatte die Nundagai Corporation die Hilfe der Black COBRAs in Anspruch genommen. Der Einsatz war legal, doch das Ergebnis konnte alle Aktivitäten von Nundagai auf dem Helldoor genannten Planeten zu einer illegalen Aktion machen. Daher lief er unter höchster Geheimhaltung ab und die Einsatztruppe der Black COBRA war als reguläre Rettungsmission getarnt.

    Nun saß eine Halbkompanie im Panzerzug 09, der auf seiner Mono-Rail in Richtung Norden fuhr. Sub-Chief Finnegan befehligte die Abteilung und stützte sich dabei auf die Erfahrung von First-Sergeant Petrovich. Die Truppe saß im ersten Wagen des Zuges und Petrovich ließ zum wiederholten Male die Ausrüstung überprüfen. Nicht weil dies erforderlich gewesen wäre, sondern um der Truppe die Langeweile zu vertreiben.

    In gewisser Weise hatte Finnegan den Lokführer nicht belogen. Die COBRAs verfügten tatsächlich nur über Anhaltspunkte, was sich in Mining Facility 12 ereignet hatte.

    „Vielleicht ist das Ganze ja eine Luftnummer, meldete sich eine der Black COBRAs zu Wort. „Immerhin sind die Angaben von Nundagai reichlich vage. Zwei Bodenfahrzeuge vom Typ Sandkatze sind nebst Besatzungen spurlos verschwunden, dazu die Belegschaft eines Abbaustollens. Die Frau zuckte mit den Schultern. „Man hört doch immer wieder, dass es in Abbaustollen unter Tage zu Unfällen kommt."

    „Rede keinen Blödsinn, wies Petrovich sie zurecht. „Hier geht es nicht um einen Unfall, sondern um einen intakten Stollen, aus dem die komplette Schicht verschwunden ist. Zwölf Arbeiter … einfach weg. Stattdessen hat man diesen ominösen Tunnel entdeckt.

    Finnegan nickte. „Ihr habt alle die Einweisung erhalten und die Aufnahmen der Helmkameras des Such- und Rettungsteams von Nundagai gesehen. Ein Tunnel, der vom Abbaustollen in Mining Facility 12 ins Innere dieser netten Welt führt. Die Leute von der ‚Search and Rescue‘ sind einen Kilometer in den Tunnel vorgedrungen, dann hat man die Verbindung mit ihnen verloren. Danach ist keiner mehr in diesen Tunnel hineingegangen."

    Petrovich lächelte. „Kann ich nachvollziehen. Der Tunnel wurde höchstwahrscheinlich von einer nichtmenschlichen Lebensform angelegt und stammt sicher nicht von den Minenarbeitern. Irgendetwas lebt auf diesem Planeten, das was gegen die Leute von Nundagai hat, und wir haben den Job, es aufzuspüren."

    „Irgendetwas, wiederholte Riley nachdenklich. „Ja, dieser Tunnel muss nicht von intelligenten Wesen stammen. Es können irgendwelche Würmer oder Kriechtiere sein, welche die Minenarbeiter als kleine Appetithäppchen angesehen haben. Aber was, wenn es sich um eine intelligente Lebensform handelt? Die Direktiven des Direktorats sagen klar aus, dass keine Welt ausgebeutet oder besiedelt werden darf, die bereits von einer intelligenten Spezies bewohnt wird.

    „Wie dem auch sei … Nundagai hat uns engagiert, damit wir der Sache auf den Grund gehen und jede mögliche Gefahr beseitigen, stellte Finnegan fest. „Und ihr alle wisst, warum die Sache unter Verschluss gehalten werden muss. Stellt sich tatsächlich heraus, dass dieser Tunnel von intelligenten Lebewesen und nicht von instinktgesteuerten Kreaturen angelegt wurde oder gar natürlich entstanden ist, dann droht dem Konzern die Räumung. Für Nundagai ist das keine Option. Diese Welt wirft einen verdammt hohen Gewinn ab. Das General-Management des Konzerns hat sich diesbezüglich sehr klar ausgedrückt.

    „Ja, murmelte Riley, „alles, was den Gewinn gefährdet, ist zu beseitigen.

    Dass man hier eventuell vom Mord an intelligenten Wesen sprach, störte keinen der Black COBRAs. Wer zu ihrer Organisation stieß, empfand solche Skrupel nicht.

    „Notfalls wird Nundagai einiges unternehmen müssen, um den Deckel auf der Sache zu halten, stellte Petrovich fest. „Wenn wir es wirklich mit Intelligenz zu tun haben, dann darf das unter keinen Umständen nach außen dringen. Wenn das Direktorat davon erfährt, haben sowohl Nundagai als auch wir sonst jede Menge Ärger am Hals.

    „Es wird Sache des Nundagai-Managements sein, zu entscheiden, wie man Stillschweigen bewahrt und das gewährleistet."

    „Möglicherweise kommen da noch ein paar Nebenjobs heraus, meinte Riley. „Unliebsame Zeugen und so. Typen, die ihre Klappe nicht halten können.

    „Wir werden sehen. Auf jeden Fall treten wir in Mining Facility 12 als Rettungsteam der Corporation auf. Was wir entdecken, das melden wir über den geheimen Kanal an den Hoch-Manager im Auge des Wirbels. Der wird entscheiden, was zu tun ist und wie wir diesen Job letztlich erledigen."

    Die Angehörigen der Black COBRA sahen sich als Soldaten und Patrioten. Ihre Organisation folgte einem Plan, zu dessen Erfüllung sie eine Menge finanzieller Mittel, Ressourcen und Verbindungen benötigten. Die Aufträge von Privatleuten und Konzernen half ihnen, diese zu beschaffen. Die meisten ihrer Dienste waren legal, doch das meiste Geld brachten verdeckte Missionen, wie sie nun auf Suffren-12 durchgeführt wurden.

    „Es ist sinnlos, die Zeit mit fruchtlosen Spekulationen zu verbringen. Sub-Chief Finnegan deutete auf einen der bequemen Liegesitze. „Wir haben noch ein paar Stunden, bis wir unser Ziel erreichen. Wenn ihr eure Ausrüstung überprüft habt, dann solltet ihr noch eine Mütze voll Schlaf nehmen und …

    Ein spürbarer Ruck ging durch den Wagen. Etliche der COBRAs verloren den Halt und wurden in Richtung Lok geschleudert.

    „Was zur Hölle …?" Finnegan gelang es, sich an einer Armlehne festzuhalten.

    „Das ist eine Notbremsung!, brüllte First-Sergeant Petrovich. „Chief …!

    Der Unteroffizier wurde durch die hektische Stimme des Lokführers unterbrochen, die aus dem Lautsprecher ertönte. „Festhalten! Auf Aufprall vorbereiten! Da ist etwas auf …"

    Vor was Heiser auch immer warnen wollte, es kam zu spät.

    Ein erneuter Ruck ging durch den Wagen, der diesmal eher einem brutalen Hieb glich. Finnegan fühlte sich angehoben und mit unaufhaltsamer Gewalt durch die Luft gewirbelt. Dann prallte er mit großer Wucht gegen die Frontwand des Wagens und alles um ihn versank in Dunkelheit.

    Kapitel 2

    Konzernzentrale Nundagai-Corporation, Mars

    Vor über zweihundertfünfzig Jahren hatte das Terraforming des Mars begonnen. Auf dem einst lebensfeindlichen Planeten gab es noch immer die ursprünglichen Hügel, Berge und tiefen Schluchten. Auch die Wüsten mit dem rötlichen Sand waren nicht vollständig verschwunden, große Teile der vorherigen Öde waren aber nun grün. Einige Gräser und Blumen von der Erde hatten den harten Bedingungen getrotzt, sich angepasst und trugen zur Bildung einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre bei. Es gab inzwischen ganze Wälder der widerstandsfähigen Mars-Kiefern und kleinere Herden von Rindern, die mit dem harten und scharfblättrigen Gras zurechtkamen.

    Noch immer arbeiteten die mächtigen Terraform-Konverter, denn der früher gefährlich niedrige Luftdruck bereitete gelegentlich noch Probleme. Während der Sturmperioden, bei denen es zu Unterdruckzonen kam, konnte sich keiner der Marsbewohner ohne Verdichtermaske außerhalb eines Gebäudes aufhalten. Der Mensch passte sich nicht so leicht an wie jene Pflanzen und Tiere, die er als invasive Lebensformen importiert hatte.

    Über zweihundertfünfzig Jahre waren vergangen, seitdem die Menschen ihre angestammte Heimat verlassen mussten. Umweltzerstörung, fehlende Ressourcen und Wassermangel machten die Ursprungswelt zunehmend unbewohnbar. Der Weltraum bot den einzigen Ausweg, um Milliarden von Menschenleben zu retten. Kurz zuvor war der Cherkov-Überlichtantrieb erfunden worden und nun suchte man fieberhaft nach neuem Lebensraum. Man fand ihn auf einigen fernen Welten und man erschuf ihn sich auf dem Mars.

    Die Erde hatte sich währeddessenunerwartet schnell von der Plage Mensch erholt. Der Hohe Rat des Direktorats, der Senat der vereinten Menschheit, gestattete inzwischen wieder einige bescheidene Siedlungen auf ihr. Kleinen ethnischen Gruppen sollte damit die Möglichkeit geboten werden, ihre angestammten Traditionen zu bewahren. Eine generelle Rückbesiedlung der Erde wurde jedoch ausgeschlossen. Die wenigsten hätten dies gewollt. Die neuen Welten und der Mars waren nun Heimat und Zukunft der Menschheit.

    Der Mars bewies zwei wesentliche Fakten: Zum einen war der Mensch in der Lage, eine fremde Welt nach seinen Wünschen zu formen, und zum anderen schien er aus der Ausbeutung der Erde nicht viel gelernt zu haben. Die Hauptstadt des Mars war hierfür ein deutliches Beispiel. Mars-Central galt als das unangefochtene Zentrum der vereinten Menschheit, denn hier war der Sitz des Hohen Rates, jenes Gremiums aus Vertretern aller von Menschen besiedelten Welten, die demokratisch über die Geschicke ihrer Bewohner entschieden. Zu Beginn hatte die Stadt aus bescheidenen Bauten bestanden, die innerhalb der durchsichtigen Schutzkuppeln errichtet worden waren. Die Grenzen dieser Kuppeln waren nun schon lange überschritten. Gewaltige Bauten aus Bauschaum und Klarstahl erhoben sich in den Himmel, mit grazil wirkenden Tunnelbrücken verbunden. Die geringe Schwerkraft erlaubte Konstruktionen, die in atemberaubend Höhen wuchsen. Parks und Wasserflächen boten Entspannung und Erholung für die zwei Milliarden Menschen, die hier lebten und arbeiteten. Die Marsianer bevorzugten es bunt und verspielt. Ihre Wohnbauten zeigten sich in verschiedensten Farbkombinationen. Man liebte dekorative Elemente oder das, was die jeweiligen Bewohner darunter verstanden. Es gab Balkone, Erker, Säulen und Figuren, die es leicht machten, die Gebäude zu unterscheiden. Allerdings führte diese Vielfalt gelegentlich auch zu Verwirrung, vor allem bei jenen Menschen, die nicht ständig in der Stadt lebten. Das tetronische Leitsystem der Stadtverwaltung ermöglichte jedoch eine schnelle Orientierung.

    Mars-Central war auch das Zentrum der Implant-Technologie. Das Implant bestand im Wesentlichen aus einer daumennagelgroßen Tetronik und wurde dicht hinter dem Ohr eingepflanzt. Es ersetzte, gemeinsam mit den Transmittern des öffentlichen Netzes, die einstigen Kommunikationsmittel. Da der Frequenzbereich und die Reichweite des Gerätes auf einige Dutzend Meter begrenzt waren, wurde eine weitreichende Verbindung nur über die Vermittlung des öffentlichen Netzes möglich. Implants waren auf dem Mars außerordentlich beliebt, bei den Streitkräften des Direktorats Pflicht, auf den neuen Welten jedoch nur selten zu finden.

    Auch wenn die Herstellung und Verwendung der Implants durch den Hohen Rat und per Gesetz geregelt waren, besaß Nundagai die Patent- und Herstellungsrechte. Jeder Bewohner von Mars-Central kannte den Hauptsitz der Nundagai Corporation, selbst wenn er eigentlich nichts mit ihr zu tun hatte, denn das Firmengebäude war ein ebenso ungewöhnlicher, wie beeindruckender Bau.

    Das auffällige Gebäude war in grellem Rot gehalten und in seiner Formgebung dem Firmenlogo nachempfunden. Eine Kugel, welche die aufgehende Sonne symbolisierte sowie ein mächtiger Vorbau, der wie der Helm eines alten Samuraikriegers gestaltet war. Selbst die maskenhaften Gesichtszüge waren architektonisch herausgearbeitet worden. Auf manchen Betrachter wirkte das Gebäude beunruhigend, und wäre es wohl noch weit mehr gewesen, hätte die Allgemeinheit eine Vorstellung dessen gehabt, was in seinem Inneren beschlossen wurde.

    Im oberen Hornfortsatz des „Samuraihelms", dem höchsten Punkt des Gebäudes, lag die Kommunikationszentrale des Konzerns. Hier befand sich sogar einer der kostspieligen Hiromata-Krachfunk-Sender, mit dessen Hilfe die Kommunikation zwischen den fernsten Welten im Morse-Code ohne Zeitverlust möglich war. Militärische Dienststellen und zivile Einrichtungen wussten gleichermaßen, wie entscheidend es sein konnte, Informationen in Echtzeit zu übermitteln. Nundagai hatte beträchtliche Summen aufgewandt und seine exzellenten Verbindungen zum Hohen Rat spielen lassen, um alle wichtigen Niederlassungen mit einem Hiromata-Funkgerät auszustatten.

    Direkt unterhalb der Kommunikationszentrale, in der hundertfünfzig Angestellte beschäftigt waren, befand sich die Etage mit den Büros und Privaträumen des General-Managers und der Hoch-Manager von Nundagai. Vor wenigen Minuten war eine kodierte Nachricht von der fernen Welt Suffren-12 eingetroffen. Eine Nachricht, die den Hoch-Manager der Kommunikationszentrale veranlasst hatte, sofort die Einberufung einer Versammlung des Hoch-Managements zu beantragen.

    Sensei Hiro Yagatana, General-Manager von Nundagai, hatte dem sofort zugestimmt und so trafen sich nun die neun maßgeblichen Entscheidungsträger in einem Raum, der mit modernster Technik ausgestattet war, um ein Abhören der Gespräche zu verhindern.

    Der Konferenzraum zeigte deutlich die japanischen Wurzeln des Unternehmens. Hinter dem bequemen Polstersessel des General-Managers stand sogar eine beleuchtete Vitrine, in der sich die vollständige Rüstung und Bewaffnung eines alten Samurai befand. Yagatana legte Wert darauf, zu betonen, dass sie aus Familienbesitz stammte und an die Werte des Bushido erinnerte, die der Sensei auch der Firma zugrunde legte. Immerhin entsprachen sich seiner Meinung nach wirtschaftlicher Wettbewerb und offener Krieg in vielerlei Hinsicht.

    Sensei Yagatana nahm die schriftliche Notiz der Meldung entgegen, las sie aufmerksam und rieb sie dann zwischen Daumen und Zeigefinger, wobei das präparierte Material zu Staub zerfiel. Sein Gesicht war ernst, als er sich Sensei Wilbur Lloyd zuwandte, dem Hoch-Manager für den Sicherheitsbereich des Konzerns.

    „Wir haben Nachricht von Kazumi-Null. Der Kontakt zu der Sondereinheit ist abgerissen. Sie ist nicht in Kazumi-12 eingetroffen."

    Sie waren es gewohnt für ihre wichtigen Liegenschaften Codebegriffe zu nutzen. So konnten sie bei Anwesenheit einer dritten Person die Identität des Objekts verschleiern.

    Wilbur Lloyd, dessen Vorfahren von der britischen Insel stammten und der die Leidenschaft für Tee mit Yagatana teilte, hob eine Augenbraue. „Hat man nachgeforscht?"

    „Nachdem zuvor bereits das reguläre Rettungsteam mit seinen Fahrzeugen spurlos verschwunden ist, hat man darauf verzichtet", antwortete der General-Manager. Er wandte sich halb im Sessel und gab einer zierlichen Japanerin einen dezenten Wink. Die junge Frau mit dem hüftlangen seidigen schwarzen Haar war nicht nur eine vorzügliche Leibwächterin und absolut verschwiegen, sondern verstand sich auch auf die zeremonielle Zubereitung des Tees.

    „Eine vernünftige Entscheidung, meinte einer der anderen Anwesenden. „Wenn die Sondereinheit in Schwierigkeiten gerät, sind die Angehörigen unserer eigenen Security, so gut sie auch sind, kaum in der Lage, ihnen da herauszuhelfen. Und es gibt keinerlei Meldung über ihren Verbleib?

    Yagatana würdigte den Fragesteller keiner Antwort. Er hatte den vollständigen Inhalt der Nachricht wiedergegeben und die Frage war somit überflüssig. Die junge Frau trat zu ihm und er nahm ein Seidentuch und die Schale mit Tee entgegen. Ein kurzes Nicken beschied ihr, sich wieder in den Hintergrund zurückzuziehen.

    „Eine verschwundene Schicht, ein verschwundenes Rettungsteam mitsamt seiner Sandkatzen, ein weiteres vermisstes Team, welches in den geheimnisvollen Stollen eingedrungen war, und nun eine volle Interventionsgruppe der Black COBRAs, von der jegliche Nachricht fehlt, zählte Lloyd auf. „Das kann kein Zufall sein, sondern ist definitiv eine aggressive Handlung gegen die Interessen von Nundagai. Wobei wir allerdings nicht wissen, wer der Urheber ist.

    Einer der anderen Hoch-Manager deutete gegenüber Yagatana eine Verbeugung an. „Wir müssen uns mit der Möglichkeit auseinandersetzen, dass es sich um eine eingeborene Lebensform handeln könnte, die gegen uns aktiv geworden ist, auch wenn unsere Forscher bisher keinerlei Anzeichen für intelligentes Leben entdeckt haben. Natürlich kann es sich um instinktgesteuerte Tiere handeln, doch das Wenige, das wir wissen, könnte ebenso auf intelligenzgesteuerte Aktivitäten hinweisen."

    Der General-Manager schlürfte seinen Tee und nickte dann wohlwollend.

    Eine junge Frau wandte sich dem Sensei zu. „Ich gebe zu bedenken, dass es sich vielleicht auch gar nicht um eine heimische Lebensform handelt. Es könnte die getarnte Operation eines Konkurrenzunternehmens sein, welches uns von Kazumi vertreiben will. Möglicherweise ist durchgesickert, was wir dort gefunden haben. Jeder kann sich ausrechnen, was für Gewinne zu erzielen sind."

    Wilbur Lloyd stieß ein leises Zischen aus. „Dem würde ich zustimmen, wenn Kazumi nicht eine ganz bestimmte Besonderheit aufweisen würde. Er wird nicht umsonst als Wirbel-Welt bezeichnet. Der Planet wird von einem umfassenden Wirbelsturm umgeben. Es gibt nur eine einzige ruhige Stelle, das sogenannte Auge. Nur dort ist eine Landung möglich und genau dort befindet sich unsere Hauptbasis. Jedes Eindringen hätte man dort festgestellt und entsprechend darauf reagiert."

    Die junge Frau errötete und nickte. „Ich verstehe."

    Bei aller Sympathie, welche der alte Yagatana gegenüber der jungen Hoch-Managerin empfand, würde er nun sicher darüber nachdenken, ob sie tatsächlich für diese hohe Position geeignet war. Bislang hatte sie sich als fähig erwiesen, doch diese Frage war nicht durchdacht gewesen, denn die Bedingungen auf Kazumi waren allen Anwesenden bekannt.

    Wilbur Lloyd erhob sich und verbeugte sich vor dem General-Manager. „Mit der Zustimmung unseres verehrten Sensei Yagatana werde ich die Ereignisse nochmals zusammenfassen, eine vorläufige Analyse vornehmen und einen Lösungsvorschlag unterbreiten. Yagatana nickte lächelnd und so fuhr der Hoch-Manager der Sicherheit fort. „Die Vorgänge konzentrieren sich auf Kazumi-12 und dessen unmittelbare Umgebung. Zuerst wurden zwei Geologen auf Außeneinsatz vermisst, welche eine Probebohrung vornehmen sollten. Der Manager von Kazumi-12 schickte ein achtköpfiges S.A.R.-Team mit zwei Sandkatzen auf die Suche nach ihnen. Das Team verschwand ebenso spurlos, wie die beiden Geologen zuvor. Drei Tage später waren es zwölf Arbeiter einer Schicht aus dem untersten Abbaustollen der Anlage. Während der Suche nach ihnen stieß man auf einen kleinen Gang. Zwei unserer Sicherheitsleute gingen hinein und kehrten nicht zurück. Die unterste Ebene wurde auf Weisung des Minenmanagers versiegelt. Wir setzten uns daraufhin mit den Black COBRAs in Verbindung und zahlten für eine Spezialeinheit, die nach den Ursachen dieser außeroedentlichen Vorkommnisse forschen sollte. Eben diese Einheit ist nun ebenfalls zwischen Kazumi-Null und Kazumi-12 verschwunden. Soweit die Tatsachen und nun zu den Spekulationen. Lloyd sah die Anwesenden der Reihe nach an. „Es kann sein, dass unsere Untertageaktivitäten irgendeine im Untergrund lebende Tierart aufgeschreckt haben. In diesem Fall muss es sich um eine sehr wehrhafte Art handeln, da sie scheinbar die Spezialeinheit überwältigen konnte. Ja, bitte?"

    Lloyd hatte die Handbewegung eines älteren Hoch-Managers bemerkt, der sich nun zu Wort meldete. „Kann es bei der Fahrt der Spezialeinheit zu einem Unfall gekommen sein?"

    „Das ist im Prinzip möglich. Doch an Bord des Zuges befanden sich gleich mehrere Funkgeräte. Es ist unwahrscheinlich, dass es bei einem Unfall keinerlei Überlebende gab, die zumindest ein Notsignal hätten aktivieren können."

    Der Ältere nickte. „In diesem Fall erscheint es mir unwahrscheinlich, dass Tiere in der Lage sein sollten, einen Panzerzug aufzuhalten und alle Insassen zu töten, bevor ein Notruf abgesetzt werden kann."

    Der Mann gab Lloyd zu verstehen, dass er fortfahren konnte. Dieser straffte seine Schultern. „Genau dies ist auch meine Befürchtung und damit kommen wir zur zweiten Möglichkeit: einer intelligenten Lebensform, die bislang unerkannt auf Kazumi gelebt hat und nun aktiv geworden ist."

    „Was uns zur Aufgabe von Kazumi zwingen würde, sagte der alte Yagatana mit sanftem Lächeln. „Was für uns keine Option sein kann. Das Metall, welches wir dort abbauen, weist wertvollste Eigenschaften auf. Unsere Forscher sind der Auffassung, dass es, zumindest in begrenztem Umfang, eine ähnliche Wirkung wie die Hiromata-Kristalle besitzt. Jeder im Direktorat weiß, welche Bedeutung diesen seltenen Kristallen zukommt. Ohne sie ist bislang jegliche Nullzeit-Technik unmöglich. Das auf Kazumi abgebaute Metall verstärkt die Wirkung der Hiromata-Kristalle. Mit seiner Hilfe würde man weitaus geringere Mengen des Kristalls für den Bau von Antrieben, Scannern oder Kommunikationsmittel mit Hiromata-Technologie benötigen. Die Gewinne für Nundagai wären astronomisch. Ich wiederhole also, dass eine Aufgabe der Wirbel-Welt keine Option ist.

    Damit hatte Sensei Hiro Yagatana festgelegt, dass der Konzern notfalls gegen eine eingeborene intelligente Lebensform vorgehen und damit gegen die Gesetze des Direktorats verstoßen würde.

    Wilbur Lloyd nippte an seiner Schale Tee und lächelte sanft. „Womit wir zu meinem Vorschlag einer Lösung kommen. Wir sollten das Direktorat einschalten."

    Ringsum zeigte sich Erstaunen in den Gesichtern. Die Hand von Yagatana, die gerade die Schale zum Mund führte, verharrte. „Sensei Lloyd möge uns dies erläutern."

    „Wie wir alle wissen, besteht die Aufgabe der Sky-Navy des Direktorats nicht alleine darin, das Hoheitsgebiet der Menschheit zu verteidigen. Mit Entdeckung des Hiromata-Nullzeitantriebs wurde es möglich, in Not befindlichen Welten oder Raumschiffen in kürzester Zeit Beistand zu leisten. Die Navy hat seitdem als zweite Aufgabe die interstellare Rettung und Katastrophenhilfe. Da wir gute Verbindungen zum Hohen Rat und damit der Navy unterhalten, sollte es uns möglich sein, eine Rettungsmission der Navy für Kazumi-12 zu initiieren."

    „Wahrscheinlich, stimmte einer der anderen zu. „Womit wir ein wirkliches Problem bekommen würden, denn besteht die Gefahr auf der Wirbel-Welt tatsächlich aus einer intelligenten Lebensform, dann würden die Streitkräfte des Direktorats augenblicklich dafür sorgen, dass wir diese Welt verlieren.

    Zustimmendes Gemurmel war zu hören und selbst der alte Yagatana nickte.

    Lloyd hob beschwichtigend die Hand. „So gut die Ausrüstung und die Angehörigen der Black COBRA auch sind, die der Sky-Cavalry des Direktorats ist unbestritten besser. Die Raumkavallerie verfügt über die neueste militärische Hardware, um mit jeder Bedrohung fertig zu werden. Ehrenwerter Sensei Yagatana, ehrenwerte Anwesende … Es ist keineswegs sicher, dass die Troopers der Sky-Cav tatsächlich feststellen, dass die Bedrohung auf eine intelligente Lebensform zurückzuführen ist. Handelt es sich um eine tierische Lebensform, wie auch immer sie geartet sein mag, so werden die Sky-Troopers mit ihr aufräumen. Stellen sie hingegen fest, dass wir es mit einer Intelligenz zu tun haben,

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