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Hirschparade: Gerti und ihre Chefs Teil 1
Hirschparade: Gerti und ihre Chefs Teil 1
Hirschparade: Gerti und ihre Chefs Teil 1
eBook194 Seiten3 Stunden

Hirschparade: Gerti und ihre Chefs Teil 1

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Über dieses E-Book

Die Welt der Chefs, deren Ansprüche, Schrullen, Stärken und Schwächen präsentiert Gerti in dem Roman "Hirschparade"

Gerti Richter, eine Quereinsteigerin ins Berufsleben zeigt uns die verschiedenen Typen von Chefs, mit denen sie zu kämpfen bzw. zu
arbeiten hat.

Auf dem Weg vom ersten Job, einer Ein-Jahres-Stelle an einer Schule im sozialen Brennpunkt in Wanne-Eickel bis zur Managerin in einem multi-nationalen Großkonzern porträtiert sie sehr persönlich und komisch ihre jeweiligen Vorgesetzten und sich selber in den Härten des Berufslebens. Sie lässt uns an ihrem Leben als Angestellte teilhaben und gibt manche tiefe Einblicke in die eigenartige Welt der Firmen und Unternehmen.

Der Roman ist fiktiv, die beschriebenen Personen und Firmen existieren nur im Buch, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Firmen sind rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum1. März 2014
ISBN9783847677512
Hirschparade: Gerti und ihre Chefs Teil 1

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    Buchvorschau

    Hirschparade - Gerti Richter

    Kapitel 1

    Es röhrt der Hirsch mal laut, mal leise.

    (Alte Volksweisheit aus Bayern)

    Die Lehrer sind die besten Kunden

    Ein dickes, schönes, rosiges Stück Eisbein liegt auf meiner Gabel, umrahmt von Sauerkraut und einem Klecks Kartoffelbrei. Da klingelt das Telefon.

    Was mach ich nun? Einen Augenblick zögere ich, den leckeren Bissen wieder herunter auf den Teller zu legen, aber mit diesem fetten Stück im Mund kann ich unmöglich am Telefon sprechen. „Ich komme ja schon, ich komm ja schon", sage ich, während ich vom Tisch aufstehe, um das Gespräch anzunehmen. Mir ist schleierhaft, wie die Leute es immer rauskriegen, wann ich esse, und warum sie genau dann anrufen müssen.

    „Hallo, hier ist Gabriele. Wir haben mal zusammen einen Spanisch Kurs gemacht. Erinnerst du dich?" Nein, Ich erinnere mich nicht und schiele zu meinem Essen, das jetzt vermutlich kalt wird.

    „Von Karoline weiß ich, dass du Alphabetisierungskurse machst".

    Das ist wahr, aber worauf sie hinaus will, weiß ich noch immer nicht. „Ich habe gerade einen Anruf bekommen von der Rektorin der Hauptschule Hinterm Anger in Gelsenkirchen. Sie will mich für eine ABM einstellen. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Als ob ich das nicht wüsste. „Aber ich kann das nicht machen. Ich sitze gerade im Examen und habe keine Zeit dafür. Ich habe ihr vorgeschlagen, dass ich mich um einen Ersatz kümmere, und da habe ich an dich gedacht, weil du doch Alphabetisierung machst. Es geht um Flüchtlingskinder, Roma und andere, aus dem Libanon zum Beispiel. Ganz kapiert habe ich es auch nicht. Suchst du nicht einen Job?

    Soll ich daraus schlau werden? „Hör mal, Gabriele, sage ich. Ich weiß wirklich nicht, warum du anrufst, und mein sehr leckeres Essen wird gerade kalt. Kannst du nicht mal deutlicher werden?

    „Also, es geht um einen Job, eine ABM an einer Hauptschule. Sie suchen dringend jemanden, weil die Stelle schon bewilligt ist und die Zeit läuft, der ausgesuchte Kandidat ist wohl abgesprungen. Deshalb haben sie mich angerufen, aber ich kann auch nicht. Wenn du Interesse hast, gebe ich dir die Nummer von der Rektorin. Sie ist wirklich sehr nett. Ich würde es ja selber machen, aber wie gesagt, geht jetzt nicht. OK?"

    Allmählich dämmert es mir. Hier ist ein Job in Aussicht! Ich bin manchmal einfach sehr schwer von Begriff. „Hast du was zu Schreiben? Gabriele lässt nicht locker. „Ich gebe dir mal die Nummer und den Namen der Frau, sie heißt Salberg, ruf sie an, ok? Ich tue wie geheißen, hole Stift und Papier und notiere alles brav. Inzwischen ist mein Gehirn auf Touren gekommen, Sauerkraut kann kalt werden, macht nix. Hier ist ein Job in Aussicht! Ein Einstieg in die Arbeitswelt, Menschenskinder, darauf habe ich doch schon so lange gewartet! „Gabriele, bringe ich heraus, „du bist wirklich nett, das ist toll, dass du an mich denkst, also, gib mal die Nummer! „Ruf sie gleich an, ich habe ja selber gerade erst mit ihr gesprochen, sie wird sich freuen!"

    Ich schreibe die Kontaktdaten auf und setze mich erst mal wieder an meinen Tisch. Gedankenverloren schiebe ich mir das nur noch mäßig warme Eisbein in den Mund und kaue, während ich nachdenke. Zu lange darf ich jetzt aber nicht warten, schmiede das Eisen, denke ich mir, wische entschlossen den Mund ab und mache mich innerlich bereit für den entscheidenden Anruf.

    Und dann geht alles ganz schnell. Frau Salberg redet und redet am Telefon. Von der Frau, die sie kurzfristig hat sitzen lassen, so dass die Stelle jetzt unbesetzt ist. Dass die Stelle zunächst für ein Jahr befristet ist, aber in der Regel und eigentlich immer für ein zweites Jahr bewilligt wird. Dass sie so froh ist, dass ich angerufen habe. Ich selber habe eigentlich nicht sehr viel zu diesem Gespräch beigesteuert, außer ein paar „ja, genau, ach wirklich, meine Güte und, „ich habe Sozialwissenschaften studiert und viel Erfahrung mit Alphabetisierung. Sie wollte mich sofort sehen, am besten noch am selben Tag, aber das ging leider nicht, weil sie Besuch aus dem Ministerium erwarte, also dann Morgen, ob es mir passt?

    Und wie es mir passt! Ich sage alles zu, stehe nun vor der Schule und suche den Eingang. Die Straße, an der die Schule liegt, ist nicht sehr vertrauenerweckend. Mülltonnen stehen durcheinander vor den Häusern, manche Fenster haben diese komisch wehenden, halb zerfetzt aussehenden Gardinen, es sieht ungepflegt aus. Grau, keine Bäume oder Sträucher an der Straße, und dann dieser Kasten aus den siebziger Jahren, das ist die Schule. Ein dreistöckiger Flachbau mit großen, quadratischen Fenstern, seitlich davor in zwei Reihen parken ein paar Autos. Das müssen die Lehrerparkplätze sein. Es ist schon nach zwei Uhr nachmittags, da wird wohl nicht mehr viel Unterricht gehalten, es ist ja keine Ganztagsschule.

    Rechts und links führen Einfahrten hinter die Schule, und ich bin unsicher, für welche Seite ich mich entscheiden soll. Als ob das nicht egal wäre! Aber ich bin aufgeregt und will unbedingt alles richtig machen und vor allem nicht auffallen.

    Ich entscheide mich für den vorderen Eingang links und gelange richtig auf den Schulhof, der von ein paar armseligen Büschen begrenzt wird, die vergeblich versuchen, einen Maschendrahtzaun zu verbergen. Eine breite Treppe aus drei Stufen führt zur Eingangstür, Glas und blau gestrichenes Metall. Ich trete ein. Drinnen ist es leer und ruhig. Der Boden aus gesprenkelten Granitplatten, an den Wänden Schaukästen, die Werke von Schülern ausstellen. Gefaltete bunte Etwas aus Papier, weiße Reliefs aus Pappe, Collagen. Ich höre meine eigenen Schritte quietschen, es sind die Schuhe mit den Gummisohlen, die ich trage. Wo ist bloß das Sekretariat? Immerhin werde ich erwartet, wir sind ja verabredet. Ich schlage den linken Gang ein und suche die Schilder an den Türen ab. Klassenräume sind es, dann, endlich, das Sekretariat.

    Die Tür ist verschlossen. Ich klopfe, trete ein, hier sitzt niemand. Eine weitere Tür innen ist nur angelehnt. Entschlossen gehe ich darauf zu und öffne sie, da sitzt eine ältere Dame hinter einem Schreibtisch und telefoniert. Als sie mich sieht, beginnt sie zu strahlen und winkt mich herein. Macht mit der Hand Zeichen, die mir bedeuten sollen, dass sie gleich fertig ist mit dem Telefonat und ich mich schon mal setzen soll. „Ja, sicher, wir sehen uns dann in vierzehn Tagen! Ich freue mich schon. Sie werden begeistert sein! Dann legt sie auf. Sie trägt ein graues Kostüm, ganz damenhaft, hat dunkle, glatte Haare im Bubikopfschnitt und eine Brille. Ihr Gesicht ist klein und freundlich. Sie erhebt sich gleich und gibt mir die Hand. „Ich freue mich so, dass Sie es einrichten können, beginnt sie das Gespräch. Wir sollten uns doch ein wenig kennenlernen. Ich bin begeistert, dass Sie die Erfahrungen im Bereich Alphabetisierung gemacht haben, obwohl es natürlich anders ist, wenn man Kinder vor sich hat. Sie arbeiten mit Erwachsenen, oder? „Ich gebe Kurse an der Volkshochschule, für Leute, die es verpasst haben Schreiben und Lesen zu lernen, manchmal auch nur eins von beiden. Meistens können sie ein wenig Lesen, aber mit dem Schreiben hapert es oft. „Ja, das passt doch ganz ausgezeichnet! Ich suche hier jemanden, der sich um die Roma Kinder kümmern kann. Stellen Sie sich vor, die sind anscheinend noch nie in eine Schule gegangen! Und Deutsch können sie ja auch nicht. Aber wir haben hier in Gelsenkirchen den Anspruch, dass wir die Schulpflicht auch für die Kinder aus den Flüchtlingsheimen anwenden, nur, in eine normale Klassen können wir sie ja nicht stecken, die mischen alles auf, und das ist auch verständlich. Sehen Sie, es sind Kinder aus dem Kosowo, Flüchtlinge aus Serbien und Kroatien, die Ärmsten der Armen. Wir haben hier eine Auffangklasse, die wird von Frau Schweizer geführt, aber selbst dafür sind diese Kinder noch nicht geeignet. Außerdem hätte ich es gern, wenn hier an dieser Schule Brötchen gebacken würden für ein gesundes Frühstück. Stellen Sie sich vor, viele von den Kindern haben noch nicht gegessen, wenn sie in die Schule kommen! Eine Gruppe der älteren Mädchen geht ins Altersheim und hilft dort freiwillig den alten Menschen, sie gehen mit ihnen spazieren oder kaufen ein, da können Sie auch segensreich mitwirken."

    Ich bin ein wenig verwirrt. Gerade noch bei den Flüchtlingen über Brötchen ins Altersheim...Das hört sich alles sehr interessant an winde ich mich heraus. „Ich würde wirklich sehr gern hier mitarbeiten, und traue es mir auch zu. Aber, bitte, was meinten Sie denn mit den Brötchen?" Das muss ich doch noch wissen. „Wir haben eine Geschwisterschule ein paar Straßen weiter, das ist die Grundschule, aus der wir dann die Kinder nach der vierten Klasse bekommen. Wir arbeiten im Verbund, auch, was die ABM Stellen angeht. Dort ist ein Kollege von Ihnen, der backt jeden Morgen Brötchen und bietet die dann in der Pause zum Frühstück an. Ich würde mich so freuen, wenn wir das hier an der Schule auch haben könnten! Nötig ist es auf jeden Fall.

    Dafür habe ich also studiert, denke ich, um hier morgens Brötchen zu backen? „Das ist sicher eine gute Idee, sage ich ohne allzu große Begeisterung. Ich könnte ja mal mit dem Kollegen sprechen. Backen kann ich, auch Brötchen, setze ich lahm dazu. Es kommt mir schon fast so vor, als ob ich die Stelle bereits hätte. Und so fährt Frau Salberg auch schon fort: „Morgen telefoniere ich sofort mit der Stadt und melde Sie an. Sie können dann dort alle Formalitäten erledigen und den Vertrag unterschreiben. Warten Sie mal, ich gebe ihnen die Nummer von Herrn Ischler. Der ist für die ABMs hier an der Schule zuständig. Und wenn Sie noch Fragen haben, können Sie mich jederzeit anrufen. Sie wissen ja, es sollte schnell gehen. Die Stelle ist bereits bewilligt und die Zeit läuft. Je eher Sie anfangen können, desto besser." Mit einem gewinnenden Lächeln streckt sie mir wieder ihre Hand entgegen, und ich bin anscheinend entlassen.

    Als ich mich dann am nächsten Tag in der Stadtverwaltung wiederfinde, erinnere ich mich wieder daran, wie ich nach dem Abi bei der Post gearbeitet habe. Da musste ich auch zwei Dutzend Papiere unterschreiben, wurde von Pontius zu Pilatus geschickt und am Schluss habe ich einen Eid auf die Verfassung abgelegt. So ging es damals für eine Aushilfstätigkeit bei der Post und heute für die ABM im öffentlichen Dienst an einer Schule ist es genau so. Ich unterschreibe überall und schwöre.

    Dann gebe ich meine Kontonummer an, das ist der wahrhaft erhebende Teil der Veranstaltung!

    Da diese Anmeldung mit Unterzeichnung den ganzen Vormittag dauert, brauche ich gar nicht mehr in die Schule zu gehen. Ich melde mich kurz telefonisch und berichte, dass ich ab morgen voll und ganz zur Verfügung stehe. Das freudige Gesicht von Frau Salberg strahlt förmlich durch den Telefonhörer.

    Und so beginne ich meinen Dienst in der Hauptschule Am Anger dann schon am nächsten Tag. Danke, Gabriele!

    Früh gleich schon vor acht bin ich da und gehe ins Lehrerzimmer. Frau Salberg ist stellt mich vor. Das Lehrerzimmer besteht aus U-förmig aufgestellten brauen Tischen, an denen die Lehrer sitzen, Kaffee trinken, in Unterlagen blättern, miteinander reden oder Brote essend Zeitung lesen. Ich mache einmal die Runde, ohne wirklich den Ehrgeiz zu haben, mir die ganzen Namen zu merken. Ich werde von allen freundlich aufgenommen, ganz besonders aber von Frau Schweizer, einer hochgewachsenen Dame mit schwarz-grauem Haarschopf. „Kommen Sie am besten sofort mit, dann übergebe ich Ihnen gleich die Kinder aus dem Libanon und die Roma Kinder. Das sind ja diejenigen, die noch nicht einmal schreiben können. Henriette, in welchen Klassenraum kann Frau Richter denn mit den Kindern heute gehen? „Die 12 im ersten Stock müsste frei sein, kommt prompt die Antwort.

    Oh, wie ich mich grusele! Gleich bin ich mit ein paar Kindern in einem Klassenraum eingesperrt und ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich mit denen anfangen soll. „Haben Sie vielleicht ein paar Materialien für mich? bin ich geistesgegenwärtig genug zu fragen. „Stifte, Papier oder Hefte? Oder bringen die Kinder etwas von zu Hause mit?

    „Gut, dass Sie das ansprechen, kommt von Frau Schweizer zurück. „Ich will mal rasch schauen, was ich Ihnen da mitgeben kann.

    Mit Heften, Blöcken und Stiften unterm Arm mache ich mich auf zu meiner ersten Stunde.

    Ein ohrenbetäubender Lärm dringt uns entgegen, als Frau Schweizer die Klassentür zur Auffangklasse öffnet. Was für ein Tumult! Und er ebbt kaum ab, als wir uns im Türrahmen zeigen! Größere Jungs werfen Papierkugeln durch den Raum, Mädchen kreischen, sie sitzen auf den Tischen oder rennen hysterisch im Raum herum, während sie irgendein Kleidungsstück wie eine Trophäe über dem Kopf schwenken. „Ruhe, ruft Frau Schweizer mit erstaunlich lauter Stimme, und der Lärmpegel sinkt schlagartig auf ein Gemurmel und Geschiebe von Stühlen und Tischen. „Fatma und Karim, ihr kommt mal her zu mir! Wo sind Kybrie, Hamdi und Tino? „Noch nicht da", kommt es im Chor zurück.

    Aber zwei Gestalten habe sich aus der Gruppe gelöst und stehen jetzt vor mir. Ein Mädchen und ein Junge, dunkelhäutig, zart und klein. Mit traurigen, schwarzen Augen blicken sie Frau Schweitzer an, mich streifen sie nur ganz kurz mit ihrem Blick.

    „Ah, da seid ihr ja wenigstens!" Frau Schweizer überantwortet mir die Kinder Fatma und Karim aus dem Libanon, und zu dritt suchen wir unseren neuen Klassenraum Nummer 12 auf.

    Es stellt sich heraus, dass die beiden Kinder Geschwister sind, das Mädchen ist die jüngere. Sie sprechen ein wenig Deutsch, genug, um mir meine Fragen beantworten zu können. Wo sie herkommen, wie lange sie schon in Deutschland sind, und ob sie zu Hause schon zur Schule gegangen sind?

    Ich erfahre, dass sie in Beirut gewohnt haben, der Hauptstadt des Libanon. Ihr Haus, die ganze Straße und das ganze Viertel, in dem sie lebten, sind in Schutt und Asche aufgegangen. Zunächst haben sie Zuflucht und Unterkunft bei Verwandten bekommen, aber auch deren Haus ist dann bombardiert und zerstört worden. Nach einer Odyssee innerhalb des Libanon sind sie dann nach Deutschland geflohen, wo sie sich seit einem Dreivierteljahr aufhalten.

    Sie sind auf gute Schulen gegangen, haben beide Französisch gelernt. Das hilft natürlich beim Deutsch lernen, denke ich, denn sie können unsere Schrift schreiben und lesen, was nicht selbstverständlich ist für arabische Kinder, die, wenn überhaupt, die arabische Schrift zu lesen und zu schreiben lernen.

    Diese beiden Kinder werde ich gut unterrichten können, stelle ich schon nach den ersten Stunden fest.Ich stecke mir das Ziel, sie innerhalb einiger Monate so fit zu machen, dass sie ohne weitere Nachhilfe in der Auffangklasse teilnehmen können. Frau Schweizer hat mir Unterrichtsmaterial zur Verfügung gestellt.

    Die beiden Kleinen sind diszipliniert, zurückhaltend und ein wenig traurig. Sie tun mir wirklich leid, und ich versuche, mein Bestes zu geben an Freundlichkeit und Hilfe.

    Als ich schon fast eine Woche an der Schule arbeite, stehen sie auf einmal vor mir, die drei Roma Kinder: Kybrie, das Mädchen, mit etwas vierzehn Jahren die älteste, hochgewachsen, beinahe so groß wie ich, Hamdi, der Kleinste, er muss ungefähr sieben oder acht sein, und Tino, altersmäßig irgendwo in der Mitte. Sie stehen nebeneinander, die Köpfe gesenkt, die Hände zusammengelegt vor dem Körper, die Blicke gehen in Richtung Fußboden, der wirklich interessant zu sein scheint. Hinter ihnen steht Frau Schweizer, die sie alle drei in meine Richtung schiebtund die Kinder in munterem Ton vorstellt.

    „Das ist Frau Richter, sie wird sich um euch kümmern und euch unterrichten, sagt sie. „Hallo Kybrie, begrüße ich das Mädchen zuerst und strecke ihr meine Hand entgegen. Sie hebt ein ganz klein wenig den Kopf und schielt mich von unten an. Zögernd streckt sie mir ihre Hand entgegen, eine braune, abgearbeitete kleine Hand mit Schwielen

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