Sommerland
Von John Boden
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Buchvorschau
Sommerland - John Boden
I.
„Summerland in my past,
Days were full and I knew it would last,
I never thought there was anything else but you."
(Sommerland in meiner Vergangenheit, die Tage
waren lang und ich wusste, es ist etwas, das bleibt. Ich
glaubte, es gebe nichts außer dir.)
– King‘s X
Heute:
Mir scheint, dass bei dieser Art von Büchern, diesen Coming-of-Age-Werken, der Protagonist normalerweise zu einem megaerfolgreichen Autor oder so avanciert, sich dann in einem ausgebufften Coup gegen seinen Verleger wendet, irgendwo in eine Hütte verkriecht und seine Memoiren schreibt. Getränkt mit Bourbon sowie mit genug Selbsthass und Schuldgefühlen, um einen Tiger zu erwürgen. Nur, um das Manuskript zu etwas einzureichen, das nicht nur die härtesten Kritiker überzeugen wird, sondern Rob Reiner höchstwahrscheinlich einen verdammten Oscar einbringen wird – mal wieder. Als ob der Regisseur von „This is Spinal Tap" eine weitere Skulptur bräuchte.
Das ist nicht so ein Scheiß. Ganz und gar nicht.
Ich bin kein erfolgreicher Autor. Ich habe eine Handvoll Kurzgeschichten, die ich verkauft habe, und einen Tagesjob als Bäcker in einem Lebensmittelladen. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich ein paar nette Dinge mitzuteilen habe, coole und uncoole gleichermaßen. Wir alle haben eine Stimme. Niemand ist wichtiger als andere. Wir alle haben Geschichten und eine Geschichte, geschrieben in Schmutz und Schweiß und Tränen und Staub. Kilometerlange Bibeln in unseren Adern.
Wir alle erstellen gerne eine Collage, in der wir die besten und schlechtesten Erinnerungen in logistisch sortierten Clustern anordnen. Wir wünschen uns auch, wir könnten die wirklich schlechten nehmen und sie zerknüllen, sie beiseite werfen wie den stinkenden Abfall, nach dem sie sich anfühlen. Aber das geht nicht. Wenn man seine Knöchel oder Kniescheiben wegwirft, kann man nicht mehr stehen, oder? Sicher, man könnte sich anpassen und lernen, aber es würde eine Weile dauern. Ich bin mir überhaupt nicht sicher, worauf ich mit dieser Metapher hinauswollte, also lasst mich so weitermachen: Wir alle sind lebende Collagen, Skulpturen im Entstehen. Wir bestehen aus dem, was wir durchgemacht haben und was vor uns liegt. Wie wir reagieren, reagiert haben und eines Tages reagieren werden. Wir gestalten jede Falte, jede Wölbung, jeden Knochen. Ein selbst geschaffener Prometheus. Wunderschön hässlich und entsetzlich herrlich. Götter, eigentlich. Weise und steinern. Oft dumm.
Wir sind Geschichte und wir sind Erinnerungen. Hier sind einige von meinen:
Die vorletzte Schulwoche
1.
Nachdem wir jahrelang keins hatten, hatten wir dieses Jahr endlich ein eigenes Haus. Ich meine eines, das uns wirklich selbst gehörte. Wir mussten keine Mietverträge abschließen oder uns mit Vermietern herumärgern. Bisher hatten wir immer nur in diesen typischen Wohnanhängern gewohnt oder in …
[Wir hatten mal einen Wohnwagen etwa eine Meile außerhalb der Stadt gemietet, weiter weg als der Wohnort unserer Oma. Es war ein trauriger Anblick; ein heruntergekommener Wohnwagen, den der Vermieter versucht hatte, aufzumöbeln, indem er einen größeren Raum an der Seite anbaute. Das hatte er bewerkstelligt, indem er buchstäblich ein riesiges Loch in die Seite des Wohnwagens sägte und dann eine große Kammer aus Holz anbrachte. Das funktionierte so irgendwie. Ich meine, es war zugig, wenn das Wetter umschlug, aber dafür hatten wir ein großes Wohnzimmer, in dem ich mich stundenlang auf dem Boden ausbreitete und die Fernsehübertragungen von „Der Exorzist und „Der Polyp – die Bestie mit den Todesarmen
aufsaugte. Es war das Jahr des Reaktorunfalls von Three Mile Island. Ein Vorfall, der meine Mutter zum Weinen brachte, mich aber nicht sonderlich rührte. Ich war 9, und solange es nicht die „Ein Duke kommt selten allein" weiterhin lief und auch sonst nichts dergleichen beeinträchtigt wurde, war ich zufrieden.
In diesem Winter wollten Roscoe und ich Star-Wars-Figuren – jeder wollte welche. Am Weihnachtsmorgen wachten wir auf und stellten fest, dass wir welche bekommen hatten. In unserer Aufregung und Ekstase über dieses Ereignis fingen wir an, unaufhörlich zu stampfen und zu springen. Es endete jäh, als wir ein lautes Knacken und Ächzen hörten und das Wohnzimmer vom Rest des Raumes quasi abbrach und einen Meter tiefer sank. Bis zum heutigen Tag verwende ich dieses Ereignis als Maßstab für das Aufwachsen in ärmlichen Verhältnissen. Jemand wird sagen: „Wir sind so arm aufgewachsen, bla, bla, bla; dann höre ich normalerweise zu, grinse und frage dann: „Ist euer Wohnzimmer am Weihnachtstag auch vom Wohnwagen gefallen?
Das erntet in der Regel nur einen unangenehmen Blick, den ich mit einem lockeren „ich gewinne" quittiere und mich dann wieder anderen Dingen zuwende.]
… baufälligen Häusern. Aber dieses hier gehörte uns beziehungsweise unserer Mutter. Es lag auf dem Hügel am Ende der Stadt und es gehörte uns. Ich musste mir zwar immer noch ein Zimmer mit meinem kleinen Bruder teilen, aber daran war ich gewöhnt. Ich kannte es nicht anders. Aber das Zimmer war größer als eine Besenkammer, was ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem war, was wir sonst immer bekamen. Unser Etagenbett war der zentrale Mittelpunkt des Zimmers und die Wände waren mit ein paar Bücherregalen, einer baufälligen Kommode und einem kleinen Schreibtisch gesäumt. Ein alter Couchtisch schmiegte sich hinter die Tür und beherbergte meine gebrauchte Stereoanlage. Die Wände waren mit Postern aus Musikzeitschriften und Horrorfilmen zugekleistert. Meinem kleinen Bruder gestattete ich ein paar Identitätsmerkmale im Zimmer: sein Poster vom Film „Das letzte Einhorn", seine zahlreichen Stofftiere und die verdammten Legos, auf die ich jede Nacht barfuß trat. Wir hatten ein Zuhause und ein richtiges Zimmer, es gehörte uns. Wir waren glücklich.
2.
Die Straßenlaterne vor unserem Fenster erschwerte das Schlafen. Sie gab immer ein dumpfes Brummen von sich, das vom Wind trotz Fenster in den Raum getragen wurde. Das Zimmer war nie wirklich dunkel. Einen kleinen Bruder in der Koje unter mir zu haben, war auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Ich bin froh, dass ich nie viel Schlaf gebraucht habe. Vielleicht habe ich hier die Fähigkeit entwickelt, mit wenig Schlaf auszukommen.
„Johnny", flüsterte seine dünne Stimme laut von unten. Ich ignorierte ihn und zog mir die Decke über den Kopf, um gegen das Licht anzukommen. Die winzigen Fasern des Acrylgarns kitzelten