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Aevum
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eBook582 Seiten7 Stunden

Aevum

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Über dieses E-Book

Aevum …
Eingang zur Unsterblichkeit.
Die Ewigkeit beginnt dort,
wo das Licht niemals erlischt,
der Himmel in goldenem
Schein erstrahlt.
Aevum …
Die Zeit scheint stillzustehen,
zu warten auf ihr eigenes Ende.
Das Leben dort endet nie.
Findest du den Weg nach Aevum,
sei gewarnt:
Gehst du durch die Pforte,
gibt es kein Zurück mehr,
deine Tage sind lang und ungezählt.
Und bevor du durch die Pforte gehst,
frage dich:
Willst du so lange leben,
wie kein anderer zuvor?

Bérénice Savoy, Ex-Spacetrooperin und Agentin des Terranischen Geheimdienstes, muss wieder zu
Katana und Lasersichel greifen, um sich ihrer Feinde zu erwehren. Mit Hilfe ihres Kampfroboters
Freitag und ihrer Geliebten Naya versucht sie, den Krieg zwischen den Mazzar und den Menschen
endlich zu beenden. Denn es wird höchste Zeit, sich der Bedrohung aus der anderen Dimension zu stellen …
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum14. März 2019
ISBN9783748587880
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    Buchvorschau

    Aevum - Werner Karl

    Weitere Titel des Autors:

    Science-Fiction

    BLACK ICE (Quadrologie)

    Band 1 Odyssee

    Band 2 Aevum

    Band 3 Hydra

    Band 4 Nexus

    The Fantastic Zone (Story-Band)

    Fantasy

    SPIEGELKRIEGER (Trilogie)

    Band 1 Druide der Spiegelkrieger

    Band 2 Königin der Spiegelkrieger

    Band 3 Dämon der Spiegelkrieger

    (Prequel-Trilogie in Vorbereitung)

    Menosgada

    Driftworld

    Details zu den Titeln siehe Anhang

    AEVUM

    BLACK ICE II

    Science-Fiction-Roman

    von

    Werner Karl

    Klappentext

    Aevum …

    Eingang zur Unsterblichkeit.

    Die Ewigkeit beginnt dort,

    wo das Licht niemals erlischt,

    der Himmel in goldenem Schein erstrahlt.

    Aevum …

    Die Zeit scheint stillzustehen,

    zu warten auf ihr eigenes Ende.

    Das Leben dort endet nie.

    Findest du den Weg nach Aevum, sei gewarnt:

    Gehst du durch die Pforte,

    gibt es kein Zurück mehr,

    deine Tage sind lang und ungezählt.

    Und bevor du durch die Pforte gehst, frage dich:

    Willst du so lange leben, wie kein anderer zuvor?

    Bérénice Savoy, Ex-Spacetrooperin und Agentin des Terranischen Geheimdienstes, muss wieder zu Katana und Lasersichel greifen, um sich ihrer Feinde zu erwehren. Mit Hilfe ihres Kampfroboters Freitag und ihrer Geliebten Naya versucht sie, den Krieg zwischen den Mazzar und den Menschen endlich zu beenden. Denn es wird höchste Zeit, sich der Bedrohung aus der anderen Dimension zu stellen …

    Vorwort

    Als ich mit dem ersten Band zu Black Ice (Odyssee) fertig war, wollte ich eigentlich eine kleine Pause von der Trooperin machen und einen lange geplanten Fantasy-Roman – sozusagen als Erholung – einschieben. Aber dann ist mir etwas passiert, was mir noch nie passiert ist: Ich konnte mich von Bérénice Savoy, Naya und dem Roboter Freitag einfach nicht lösen. Trotzdem spukten neue Ideen zu dem Fantasy-Buch durch meinen Kopf … und hartnäckig weitere Einfälle zu dem Ihnen vorliegenden Band II (Aevum). Also schrieb ich eine Zeit lang abwechselnd an beiden Büchern. Es dauerte ein paar Monate, bis ich mich dem Drängen des Alls ergab und nur noch an Aevum arbeitete.

    Und noch etwas muss ich zugeben: Ich habe versagt. Meine ursprüngliche Absicht, dass Sie, liebe Leser, jeden Band von Black Ice auch ohne Kenntnis der Vorgänger separat lesen können sollten, muss ich leider zurücknehmen. Zu sehr ist die Geschichte verwoben, zu sehr bauen die Nachfolger auf den Vorgängern auf. Ich bitte Sie also, die Reihe ab Band I zu lesen und nicht durcheinander.

    Manchen Verlagen scheint mehr am Verkauf als an der Zufriedenheit der Leser zu liegen. Sie vermeiden oft den Hinweis auf dem Cover, dass es sich um Band soundso einer Reihe handelt. Sie tun dies in der Hoffnung, dass ein Leser einen Roman schon genießen werden wird und dann nach mehr – auch rückwärts lesend  giert. Mir scheint aber die Gefahr, dass ein Leser der Handlung nicht folgen kann, weil ihm eben Band I oder II unbekannt sind, und dass er dadurch Frust empfinden könnte, größer zu sein. Daher achte ich darauf, dass jeder meiner Romane klar und deutlich zeigt, welcher Teil er ist. Denn Ihr Lesevergnügen ist mir wichtiger, als ein paar Euro mehr oder weniger.

    Ganz aufmerksamen Lesern von Band I (Odyssee) wird vielleicht aufgefallen sein, dass das erste Textstück die Überschrift Epilog trägt. Natürlich ist ein Epilog ein Nachwort. Also was – zum (Schreib-)Teufel  hat es am Anfang zu suchen? Ohne zu viel verraten zu wollen, sei Ihnen versichert, dass dies kein Fehler meinerseits, des Korrektorats oder Lektorats war, sondern pure Absicht. Ich sage nur so viel: »Alles hat ein Ende, nur die Wurst … äh … die Science-Fiction kann zwei haben.« Noch Fragen? Gemein, wie ich manchmal sein kann – zumindest schriftstellerisch, nicht menschlich –, werden Sie diese Frage erst am Ende von Band IV beantwortet bekommen. Und es bereitet mir eine diebische Freude, Sie so lange zappeln zu lassen.

    Der Autor

    Januar 2317

    Die schwarzhäutige Frau war sofort hellwach, als sie einen Laut hörte, der so gar nicht in das allgemeine nächtliche Tonkonzert des Gefängnisses passte. Als Spacetrooperin war sie an die verschiedenen Geräuschkulissen von Kampfschiffen, Raumstationen und planetaren Garnisonen gewöhnt. Doch dieses Geräusch schien ihr deplatziert zu sein, obwohl sie erst seit acht Tagen Gast dieser Einrichtung war und eventuell noch nicht alle Lautquellen erfahren hatte. Es hatte wie das Schnaufen einer Kreatur geklungen. Sicher war sie sich dessen aber nicht. Die Wände, Gänge und Gitter dieser Haftanstalt verfälschten alle möglichen Töne.

    Bérénice erhob sich lautlos von ihrem Lager, schlich wie auf Katzenpfoten an das solide Gitter ihrer Zelle und verharrte dort, die Finger leicht um die kalten Stäbe gelegt. Außer dem lächerlichen Schimmern der wenigen Nachtleuchten war der Block in rabenschwarze Dunkelheit gehüllt. Da sie  abgesehen von ihrer blauen Unterwäsche  nichts trug, wirkte Bérénice selbst wie ein Schatten. Nicht spontan, sondern kontrolliert schloss sie ihre Augen und konzentrierte sich ganz auf ihr Gehör. Doch selbst nach etwa einer Minute stillen Lauschens wiederholte sich das Geräusch nicht. Nur die leisen Atemzüge ihrer Zellnachbarinnen und ab und an ein verhaltenes textiles Rascheln waren zu hören. Alles schien zu schlafen, nur sie nicht. Sie öffnete ihre Augen und spähte in die Gänge hinaus. Nichts bewegte sich.

    Mehr einem Instinkt als einem Gedanken folgend, machte die Trooperin ein paar Schritte zur Mitte des Gitters hin und berührte leicht die schwere Zellentür. Zu ihrer Überraschung ließ sie sich öffnen. Für eine Sekunde spielte Bérénice mit dem Gedanken, ob es ihre Freundin Amélie Colbert möglicherweise für sinnvoll erachtet hatte, sie aus dem Gefängnis zu holen und an einem anderen Ort die Zeit bis zur Verhandlung verbringen zu lassen. Doch dann schüttelte sie ihren Kopf und verwarf diese Idee.

    Es würde wie ein Schuldeingeständnis wirken, dachte sie und schob die Tür vollständig auf. Das schwere Metall glitt zur Seite, ohne Lärm zu machen. Bérénice trat hinaus, blieb dann aber stehen. Sie warf einen Blick zurück in ihre Zelle und überlegte. Doch da war nichts, was sie als Waffe hätte benutzen können. Denn dass sie bald eine brauchen würde, war ihr klar.

    Da hat jemand etwas mit mir vor … und ich habe keine Ahnung was. Soll ich auf der Flucht erschossen werden? Soll ich fliehen und damit selbst mein Urteil fällen? Noch einmal warf sie einen Blick in die Zelle. Und wenn ich einfach hierbleibe? Irgendein Gefühl sagte ihr, dass die Zelle zu einer tödlichen Falle werden könnte. Also lieber dem Feind entgegentreten, als sich ihm in der engen Zelle stellen zu müssen, entschied sie, fasste an eine Stange der offenen Tür und drückte sie wieder behutsam ins Schloss. Ein leises Schnappen erklang. Wer auch immer meine Zelle geöffnet hat, hat dafür gesorgt, dass sie sich nicht noch einmal öffnen lässt.

    Bérénice kannte nicht alle Sicherungsmaßnahmen dieses Gebäudes und ließ ihre Blicke über das Fastschwarz der Decken und Wände schweifen. Natürlich musste es Kameras, Mikrofone, Bewegungsmelder, Bioscanner, Thermaldetektoren und ähnliche Sensoren an allen möglichen Stellen geben. Doch bis jetzt war nicht ein einziges Warnsignal ausgelöst worden. Sie dachte an stumme Alarme in fernen Wachstuben, aber selbst die hätten längst Wachpersonal heranführen müssen.

    Da hat sich jemand wirklich Mühe gegeben, resümierte sie und blieb vor der Zelle ihrer linken Nachbarin stehen. Die Frau schlief ruhig. Bérénice schlich weiter. Auch in den nächsten Zellen regte sich niemand.

    Die ehemalige Trooperin huschte auf nackten Sohlen durch den Flur und blieb an der nächsten Abzweigung stehen. Drei weitere Gänge führten in die anderen Flügel des Gebäudes, das wie ein Kreuz gebaut worden war. Einfache Treppen – keine Lifte – erlaubten den Zugang zu den Stockwerken unter und über der Etage, auf der sich Bérénice befand.

    Ich bin im sechsten Stock, überlegte sie. Noch vierzehn über mir … eine Flucht über das Dach erscheint mir unwahrscheinlich. Der oder die Befreier müssten dann einen Gleiter oder ein anderes Fluggerät einsetzen. Das würde ganz sicher jemandem auffallen. Und auf dem Boden …?

    Plötzlich hörte sie wieder den Laut. Dieses Mal deutlicher … und näher. Bérénice fällte eine Entscheidung. Nachdem ich selbst nicht fliegen kann und eine Flucht über das Dach meinen Gegnern eher die Chance bietet, mich abstürzen zu lassen, wähle ich den anderen Weg.

    Dachte es und flog förmlich die einzelnen Stufen der Treppe hinab. Ein Mensch aus prä-stellarer Zeit hätte in der schwarzen Frau vielleicht die Schwester Nosferatus gesehen, die in raschem Tempo bereits vier Etagen geschafft hatte, als das Geräusch erneut aufklang … über ihr. Und wieder ein wenig näher.

    Sie treiben mich vor sich her.

    Sie nahm die letzten beiden Treppen mit hastigen, aber beherrschbaren Sprüngen in Angriff, erreichte die Gebäudebasis und ließ den unangenehmen Gedanken in sich nachhallen, dass sie mehrere Verfolger vermutete, obwohl der Laut eher von einem einzelnen Lebewesen stammen musste.

    Ich laufe in eine Falle.

    Bérénice spähte in das Schwarzgrau der Gänge.

    Geradeaus geht es zum Ausgang in den Hof, erinnerte sie sich. Der Flur hinter mir führt zu den Duschen und Fitnessräumen. Links geht es in die Küche und die Speisehalle. Und rechts? Sie hatte diesen Gang noch nicht beschritten, eben weil sie dort nichts zu suchen hatte und die Wärter es gar nicht mochten, wenn eine Gefangene aus der Reihe tanzte. Der führt über einen weiteren Hof zum Trakt der Männer, fiel ihr der schematische Aufbau des Gefängnisses ein, den sie bei ihrer Ankunft auf einem Schild gesehen hatte.

    Sie neigte dazu, den Weg zu den Fitnessräumen einzuschlagen, eben weil sie dort eine Chance sah, sich mit Hilfe der Sportgeräte besser wehren zu können. Die anderen Wege erschienen ihr als Sackgassen; überprüfen wollte sie sie trotzdem. Doch plötzlich erklang der Laut zum vierten Mal. Und wie sie jetzt deutlich vernehmen konnte, in beängstigend kurzer Distanz.

    Ich habe keine Zeit nachzuprüfen, welche Tür sie offengelassen haben, schoss es ihr durch den Kopf. Außerdem wird gerade dort die Falle sein.

    Mit einem Ruck riss sie sich herum und begann, in den dunklen Gang hinter ihr zu spurten. Sie verzichtete nun darauf, sich lautlos zu bewegen, sondern war bemüht, sich wieder einen kleinen Vorsprung zu verschaffen. Wenn sie nicht in die vorgesehene Falle tappte, würden ihre Verfolger sicher für einen Moment verwirrt sein. Die Tatsache, dass der Zugang zu den Duschen und benachbarten Räumen bisher nie verschlossen war, ließ sie hoffen, dass dies auch jetzt der Fall sein würde.

    Augenblicklich erklang nun das rasche Tapsen von weichen Pfoten und das hechelnde Atmen eines Tieres. Eines großen Tieres. Und dahinter …

    Die ein wenig entfernteren Stimmen von Männern.

    Das ist kein Befreiungsversuch. Die wollen mich tatsächlich umbringen. Aber wieso?

    Ihr blieb keine Zeit mehr, dieser Frage nachzugehen, denn sie hatte die Tür zum Sporttrakt erreicht und mit einem Stoß die beiden Flügel auseinanderschwingen lassen. Dahinter war es noch finsterer als im Flur davor, doch Bérénice wertete dies als kleinen Vorteil. Mit Bewegungen, die einem Hasen auf der Flucht glichen, huschte sie zwischen mehreren schweren Gerätschaften hindurch. Sie hatte gerade ein Regal mit Hanteln erreicht, als ihr tierischer Verfolger mit einem wütenden Knurren ebenfalls in die Halle eindrang.

    Bérénice konnte das Tier nicht genau sehen, doch eine Ahnung, was es sein könnte, schob sich mit grausamer Wahrscheinlichkeit an die Oberfläche ihrer rasenden Gedanken. Die meinen es wirklich todernst, fuhr es ihr wie eisige Splitter durch das Hirn.

    Als sich ihr animalischer Verfolger vorsichtig schnüffelnd ein paar Schritte in die Halle bewegte und der schwache Mondschein aus einem der Fenster seinen Kopf ein wenig beleuchtete, wurde ihre Ahnung zur Gewissheit.

    Ein Werwolf!

    Natürlich war dieses Tier kein Werwolf im literarischen Sinne. Aber die Aufzucht besonders großer und genmanipulierter Wölfe, in Kombination mit ins Gehirn implantierten, selbstredend verbotenen Steuergeräten, verwandelte diese eigentlich scheuen Jäger in blutrünstige Kreaturen. Die Befehle, die sie als pseudo-animalische Impulse erhielten, steigerten ihren natürlichen Jagdtrieb über jegliche Hemmschwelle hinaus. Das Ergebnis waren mordgierige Monster, deren eigener Überlebenswille ausgeschaltet worden war.

    Bérénice war sofort klar, dass dieses Tier momentan ihren gefährlichsten Widersacher darstellte und nicht seine Peiniger, die sich noch im Hintergrund hielten.

    Wenn ich euch in die Finger kriege, dachte sie zornig, lockerte ihre Muskeln und griff in das Regal. Bérénice biss die Zähne aufeinander und schleuderte dem Wolf eine Zwei-Kilo-Scheibe entgegen. Er hatte sie zwar gesehen, aber im Wirrwarr der Gerätschaften das Geschoss nicht wahrgenommen. Leider traf die Scheibe nicht den Schädel des Tieres, weil dieses ihn just in dem Moment witternd angehoben hatte. Aber das Metall schlug heftig an die Gurgel des Werwolfes und ließ ihn vorerst röchelnd zurückweichen. Bérénice konnte hören, wie die Kreatur mühsam schluckte und zu atmen versuchte, und nutzte die Zeit, um sich eine bessere Waffe zu schnappen. Sie hatte sich gerade für eine lange Hantelstange entschieden, die sie nun wie einen Kampfstab in ihren Händen ausbalancierte, als zwei Männer die Halle betraten. Auf den ersten Blick erkannte die Haitianerin, dass die beiden so gut wie unbewaffnet waren, sah man einmal von dem Steuergerät ab, das einer der beiden in den Händen hielt, und dem Messer in der Rechten seines Kumpels.

    Auftragsmörder aus dem Männertrakt, zuckte die Erkenntnis durch Bérénice. Dann konzentrierte sie sich wieder auf den Werwolf. Der hatte offensichtlich seine Kehle wieder unter Kontrolle bekommen. Vielleicht waren es aber auch die Befehle, die er erhielt. Denn der erste Mann grinste nun hämisch und fingerte an dem Gerät herum.

    Bérénice ging ein paar Schritte zur Seite und positionierte sich vor einem Ding, das entfernt an eine Eiserne Jungfrau erinnerte. Anstelle von tödlichen Dornen besaß es eine Vielzahl von fingerdicken Metallstäben mit abgerundeten und mäßig gepolsterten Enden, welche die Muskulatur eines Sportlers durch Knetbewegungen anregen sollten.

    Der Werwolf jedoch hatte nur Augen für sein Opfer … das nun in erreichbarer Nähe war.

    In Bérénice schien ein unsichtbarer Schalter umzuspringen. Alles um sie herum wirkte so, als wäre es plötzlich wie in Acryl gegossen und völlig bewegungslos. Von einem Augenblick zum anderen war sie die kalte Killerin. In ihrem Inneren jedoch sah es völlig anders aus. Sie nahm Bewegungen wahr und konnte jeder winzigsten problemlos folgen, als wäre die ganze Welt – und ganz besonders dieser Raum und ihre Gegner – zu Eis erstarrt, das sich nur langsam schmelzend fortbewegte. Die wallende Glut in ihr schien diese Starre zu bedrohen, erfüllte die schwarze Frau jedoch bis in die letzten Fasern ihres Körpers.

    Dann …

    … flog der Werwolf mit gewaltigen Sprüngen auf Bérénice zu, die mit ruhigem Blick den Tod auf sich zukommen sah. Das Tier riss seine Kiefer mit vermeintlichem Schneckentempo auseinander, bereit, sie in das Fleisch der wartenden Gefangenen zu schlagen. Bérénice ließ sich niederfallen, wirbelte herum und aktivierte den Verschlussmechanismus des Sportgerätes. Der Schwung des Werwolfes ließ ihn durch die offenen Türflügel der Maschine krachen und drinnen Bekanntschaft mit den sonst harmlosen Dornen machen. Er war nur schwach verletzt, eher überrascht und leidlich benommen. Hätte er seinen freien Willen gehabt, wäre er sicher misstrauischer gewesen und hätte seinen Angriff anders ausgeführt. Jetzt genügte Bérénice, beziehungsweise der Maschine, dieser Moment, um die Flügel zu schließen. Das allein wäre noch nicht tödlich gewesen, denn die Sicherheitsvorrichtung verhinderte bei Widerstand ein völliges Zuschnappen. Aber für die ehemalige Trooperin war es mehr als genug Zeit, dem Werwolf die eiserne Hantelstange mit aller Kraft ins Genick zu treiben. Wie in Zeitlupe sah sie das kühl im Mondlicht schimmernde Metall in seinen Schädel eindringen. Sie hörte seine Nackenwirbel mit einem grässlichen und lang gezogenen Knirschen bersten und sah dann, wie das arme Tier endlich zusammenbrach.

    Als wäre der Tod des Werwolfes ein Signal an den imaginären Schalter in ihrem Kopf gewesen, fanden ihr Geist und ihr Körper wieder in den normalen Zeitablauf zurück. Die Agentin wartete das letzte Zucken ihres Gegners nicht ab, sondern zog ihre Waffe sofort wieder heraus. Dann ging sie mit schnellen Schritten zu einer Stelle, die ihr mehr Bewegungsfreiheit ließ.

    Die beiden gedungenen Mörder hatten sich offenbar auf ihr animalisches Mordinstrument verlassen und bekamen nun die Rechnung für ihren Fehler präsentiert. Der Anblick der bluttriefenden Hantelstange in den Händen einer schwarzhäutigen Amazone, die gerade bewiesen hatte, wie man mit so einem Ding zweckentfremdet umgehen konnte, ließ sie für einen Moment regungslos auf die Frau starren. Ihr zweiter Fehler war, dass sie keine Anstalten machten, ihr Vorhaben in letzter Minute noch aufzugeben.

    »So, Jungs …«, knirschte Bérénice eiskalt zwischen ihren Zähnen hervor, als sie sah, dass die Kerle ihren Schock überwunden hatten und langsam auf sie zuschritten, »… jetzt zu euch beiden.«

    Januar 2317

    »Miss Savoy, Sie geben also zu, Agent White kaltblütig erschossen zu haben.« Der Satz hing so klar im Raum, dass niemand auf die Idee kam, ihn tatsächlich als Frage zu betrachten. Dazu kam, dass der Vertreter der Staatsanwaltschaft einen so unangenehm ätzenden Tonfall an sich hatte, der nicht nur Bérénice und ihrer Verteidigerin in den Ohren schmerzte, sondern auch etlichen der zahlreichen Beobachter. Selbst der Richter verzog leicht seinen Mund, äußerte sich aber nicht.

    »Einspruch, Euer Ehren«, rief Amélie Colbert. »Miss Savoy hat die Tat nie abgestritten. Im Gegenteil: Sie hat unmittelbar nach dem Schuss selbst den Notruf ausgelöst.«

    »Im klaren Bewusstsein dessen, dass ein Plasmastrom aus einem Nadler – abgeschossen aus weniger als zwei Metern Entfernung – jedes Herz zerplatzen lässt wie eine Seifenblase! Das nenne ich kaltblütig, Frau Verteidigerin!«

    Colbert schüttelte genervt den Kopf und ihre bis zu den Kieferknochen reichende Pagenfrisur verlor für einen Augenblick ihre akkurate Form. »Von kaltblütig kann keine Rede sein. Miss Savoy – übrigens Agentin Savoy, aber darauf komme ich später noch einmal zurück – hat ohne Zweifel in Notwehr gehandelt. Es ist nichts anderes als blanke Ignoranz, Herr Staatsanwalt, diese Tatsache immer und immer wieder auszuklammern.« Die bildhübsche Agentin – hier als Verteidigerin Savoys und Vertreterin des Terranischen Geheimdienstes in Personalunion – setzte ein stahlhartes Lächeln auf. »Und wenn Sie es noch tausendmal zu unterdrücken versuchen: Ich werde Sie, das hohe Gericht und alle anderen hier im Saal gerne daran erinnern.« Sie wandte sich halb von Staatsanwalt Ferguson ab und Richter Hassan Yildirim zu. »Möchten Sie die Aufnahme der Kabinen-Aufzeichnung noch einmal sehen, Euer Ehren?«

    Yildirim hob seine linke Hand  eher die Pranke eines Schwerstarbeiters als die eines Richters  und wedelte mit dem mächtigen Zeigefinger. »Nein, das ist wirklich nicht nötig. Wir haben den Clip mindestens ein Dutzend Mal gesehen … und auch seine Echtheit und Unversehrtheit ausreichend belegt bekommen.« Dann wandte er sich an Ferguson. »Wenn Sie sich also an die Fakten halten würden, Herr Staatsanwalt. Konzentrieren Sie sich eher auf das Motiv …«

    Ferguson sah wie ein Hai aus, dem man einen blutigen Brocken hingeworfen hatte. »Aber mit Vergnügen, Euer Ehren. Miss Savoy …«

    »Ich meinte nicht Agentin Savoy«, unterbrach ihn Yildirim. »Mich – uns – interessiert alle das Motiv des Agenten White! Warum wollte er seine Kollegin – und wie wir nun auch alle wissen: seine ehemalige Kommilitonin und Geliebte – töten? Sie hat den Auftrag, der ihr erteilt wurde …«

    »Unwissentlich!«, warf Colbert ein.

    »… zunächst unwissentlich erteilt wurde«, fuhr Yildirim fort, »erfolgreich ausgeführt … mehr oder weniger.«

    Ferguson warf einen übertrieben bedeutungsschweren Blick ins Publikum. Vielleicht eine Geste, die er sich für Verhandlungen vor Zivil- und Strafgerichten angewöhnt hatte, die hier aber fruchtlos blieb, da alle Anwesenden entweder dem Militär, dem Geheimdienst oder der Regierung der Terranischen Föderation angehörten. Die Öffentlichkeit war selbstverständlich ausgeschlossen worden. Richter Yildirim sah den Blick natürlich ebenfalls und machte sich eine Notiz. Amélie Colbert hatte den Eindruck, dass Fergusons Minuskonto gerade um einen Punkt gewachsen war. Auch er schien nun zu bemerken, dass er auf dünnem Eis ging.

    »Na schön, dann eben ohne weitere Hintergrundermittlung«, murmelte er. Dann hob er seinen Kopf und versuchte es mit Zustimmung. »Ja, Agent White hatte eine Waffe bei sich, als er die Kabine der Angeklagten betrat. Und das völlig legitim, wie ich betonen darf. Agent White musste sich vergewissern, ob Miss Savoy noch vertrauenswürdig war oder nicht. Der Auftrag wurde ausgeführt …«

    »Erfolgreich ausgeführt«, warf Amélie Colbert ein und erntete dafür einen strafenden Blick Yildirims. Mit einem charmanten Lächeln nickte sie ihm entschuldigend zu.

    Ferguson fuhr ungerührt fort: »… doch eben nicht in der Weise, wie es ihre Anweisungen verlangten.«

    »Einspruch, Euer Ehren. Agentin Savoy war vollgepumpt mit Stimulanzien, Codewörtern und Implantaten. Die Liste dieser Eingriffe haben wir schon gründlich durchdiskutiert. Sie ist übrigens auch jetzt noch nicht wieder alleinige Herrin über ihren Körper und Geist.«

    »Einspruch gew…«, begann Richter Yildirim, wurde aber von Ferguson unterbrochen.

    »Sie wollen uns doch wohl jetzt nicht mit eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit kommen, Frau Verteidigerin?« Ferguson hatte eine lauernde Miene aufgesetzt.

    »Nein, ganz sicher nicht. Im Moment des Schusses war meine Mandantin klar bei Sinnen und verfügte über die ihr in vielen Monaten von Militär und Geheimdienst antrainierten Reflexe. Allein diese retteten ihr das Leben. Agent White galt auch unter Kollegen als blitzschneller und treffsicherer Schütze.«

    »Er hatte aber sein Urteil über Miss Savoy noch nicht gefällt, liebe Frau Verteidigerin«, sprudelte es aus Ferguson heraus. Im gleichen Moment, als er den Satz beendet hatte, erkannte er seinen Fehler und schob hastig nach: »Wir alle wissen, dass es manchen Mitgliedern des Terranischen Geheimdienstes gestattet ist, in außergewöhnlichen Fällen ein eigenes Urteil und die entsprechenden Maßnahmen …«

    »Mord!«, donnerte Amélie Colbert dazwischen und hatte in dieser Sekunde nichts an sich, was sonst die Männer sich nach ihr umdrehen ließ.

    Fergusons von einem Augenblick zum anderen erstarrtes Gesicht ließ es nicht zu, dass er seinen Satz beenden konnte. Dagegen kam Amélie Colbert jetzt erst richtig in Schwung.

    »Und wieder ist Ihre Ignoranz nicht zu überbieten, Herr Staatsanwalt. Agent White hätte seine Bewertung Savoys – nicht sein Urteil  einem ordentlich bestellten Gremium vortragen können. Agent White hätte dazu alle Zeit der Welt gehabt.« Die hübsche Französin beugte sich ein wenig nach vorn und drosch ihre flache Hand auf den Tisch, dass es krachte. »Aber nein, er zog es vor, selbst Richter und Henker in Doppelfunktion zu spielen. Die Aufnahmen zeigen glasklar, dass er nach seiner Waffe griff. Agentin Savoy hatte weder eine Wahl noch eine einzige Sekunde Zeit. Sie handelte in Notwehr. Agent White hingegen handelte ohne Zwang oder Not!«

    Ferguson schnappte für eine Entgegnung nach Luft, aber die Verhandlung war nun an dem Punkt angekommen, auf den Amélie Colbert die ganze Zeit gewartet hatte.

    »Ich darf hier noch einmal auf die Nacht des 21. Januar 2317 zurückkommen: Zwei gedungene Mörder aus dem Männertrakt des New-Alcatraz-Gefängnisses auf Terra – samt einem Werwolf – hatten versucht, meine Mandantin zu ermorden. Beide Versuche sind für mich glasklarer Beweis dafür, dass jemand, wahrscheinlicher aber eine Gruppe, meine Mandantin tot sehen will. Selbst diese Verschwörer sind somit der Ansicht, dass Bérénice Savoy in Notwehr gehandelt hat, also unschuldig ist und somit als freie Bürgerin Terras aus der Haft entlassen werden muss. Wäre sie schuldig, könnten die Verschwörer sich bequem zurücklehnen und die Hinrichtung Savoys abwarten.« Colbert richtete sich auf und blickte jedes einzelne Mitglied der Geschworenengruppe so intensiv an, dass dieses das Gefühl bekommen musste, nur es sei angesprochen. »Die Frage ist nur: Welche brisanten Informationen sind in den Tiefen des Gehirns meiner Mandantin verschüttet, dass man immer wieder versucht, sie zu töten?«

    Sie machte eine Pause, doch weder Ferguson, noch der Richter erwiderten etwas darauf. Amélie Colbert glaubte für einen Moment, Richter Hassan Yildirim zustimmend nicken zu sehen. Aber die Bewegung war so minimal, dass sie offensichtlich niemand anderer gesehen hatte.

    »Ich darf ebenfalls in Erinnerung rufen, dass meine Abteilung und ich Agentin Savoy seit dieser Nacht bis zum heutigen Tag in einer Einrichtung des Geheimdienstes in Schutzhaft genommen haben, um weitere Mordversuche zu verhindern.« Sie straffte sich und blickte zunächst Yildirim und danach jeden seiner Beisitzer in die Augen. »Ich beantrage also hiermit die sofortige Rehabilitation und Freilassung meiner Mandantin.«

    Der Rest der Verhandlung verlief ohne weitere Aufregung. Nur kurz versuchte Ferguson in seinem Plädoyer, White als Opfer darzustellen, schien aber selbst zu merken, dass es nur ein Rückzugsgefecht war. Nach einer Beratung, die keine halbe Stunde gedauert hatte, betrat Richter Hassan Yildirim mit seinen sechs Beisitzern, zwei vom Militär, zwei vom Geheimdienst und zwei nicht stimmberechtigten Vertretern der Regierung, wieder den Sitzungssaal. Automatisch erhoben sich alle Anwesenden. Nachdem Yildirim und seine Beisitzer Platz genommen hatten, setzten sich auch die Vertreter der Anklage und das zahlreiche Publikum. Nur Bérénice Savoy und Amélie Colbert blieben stehen. Als wenige Augenblicke später Ruhe herrschte, blickte Yildirim die Angeklagte direkt an, die ihm dunkel und gefasst entgegensah.

    »Ich erspare uns die Auflistung aller Zeugen, Techniker, Ausbilder und Vorgesetzten der Angeklagten. Es gibt keinen einzigen darunter, der die technische oder telepathische Überprüfung nicht bestanden hätte. Ich darf diesem Personenkreis für die Aufklärung des Falles ausdrücklich Dank aussprechen.«

    Er blickte auf seine Notizen und machte ein Gesicht, das auf Verteidigerin Amélie Colbert wie eine Mischung aus Respekt und Erleichterung wirkte. Erleichterung in dem Sinne, dass er nicht zu den Feinden der Angeklagten zählte.

    »Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass die beiden männlichen Gefangenen, welche Agentin Savoy angegriffen haben, überleben werden. Die Mediziner versichern, dass die Wunden, welche die Angeklagte ihren Gegnern zugefügt hat, einzig und allein darauf abzielten, diese kampfunfähig zu machen.« Wieder blickte er auf seine Aufzeichnungen. »Sie werden allerdings erst in einigen Monaten die Gefängnisklinik verlassen und den Rest ihrer Strafe nur mit Hilfe von … äh … mehreren Prothesen absitzen können.«

    Er nahm einen Schluck Wasser, erhob sich und wandte sich dann wieder an die beiden immer noch stehenden Frauen.

    »Nach Abwägung aller Fakten und … anderer Beweggründe, kommen wir ohne einzige Gegenstimme zu folgendem Urteil: Agentin Bérénice Savoy hat in Notwehr gehandelt. Der Vorwurf des Mordes wird daher abgewiesen. Wir können aber nicht völlig ausschließen, dass es ihr möglich gewesen wäre, Agent White nur kampfunfähig zu schießen. Auch Agentin Savoy ist eine hervorragende Schützin. Doch hier vor Gericht zählen nur Fakten und keine Möglichkeiten. Daher sprechen wir die Agentin Bérénice Savoy in allen Punkten der Anklage frei!«

    Yildirim setzte sich wieder und nickte Savoy und Colbert zu, sich ebenfalls niederzulassen. Bérénice rührte sich zunächst nicht, doch Amélie Colbert fühlte mehr, als dass sie es sah, wie ihre Freundin sich entspannte. Schon wollte sie sich ihr zuwenden und sie in die Arme nehmen, als noch einmal die Stimme Yildirims erklang.

    »Wir ordnen allerdings mit sofortiger Wirkung an, dass Agentin Savoy für unbestimmte Zeit – aber bei vollen Bezügen – vom aktiven Dienst suspendiert wird. Dies soll auch ihrem Schutz dienen. Erst nach einer gründlichen medizinischen Überprüfung kann ihr ein Ärzteteam die Wiederaufnahme ihres Dienstes gestatten. Sofern Agentin Savoy dies wünscht.« Er sah, dass beide Frauen immer noch standen, und lächelte leicht. »Bitte setzen Sie sich doch.«

    Endlich folgten die Freigesprochene und ihre Anwältin der Aufforderung.

    Richter Yildirim seufzte beinahe unmerklich und hatte dabei einen Gesichtsausdruck angenommen, der wie eine Liaison zwischen einer Zitrone und einer Orange wirkte. »Nachdem die Prägung des Kampfroboters, einem Modell der BEHEMOTH-Klasse III …«, er stoppte kurz und warf einen Blick auf seine Notizen, »… mit der Serien-Nummer 5776893B1122-Alpha, nicht rückgängig gemacht werden kann, steht es Agentin Savoy frei, den Roboter mit dem Individualnamen Freitag als ihr Eigentum anzunehmen … oder seiner sofortigen Verschrottung zuzustimmen.«

    Bérénice sah überrascht zu Amélie hinüber, dann wieder zu Richter Yildirim. Der zeigte erneut den Hauch eines Lächelns und fast noch weniger wahrnehmbar die Andeutung eines Nickens. »Das letzte Wort hat die Beklagte … Entschuldigung: Agentin Savoy.«

    »Ich nehme das Urteil … und die Suspendierung an. Sie sagten, Euer Ehren, ein Ärzteteam kann mich eventuell reaktivieren. Das hört sich so an, als könnte ich diese Untersuchung auch ablehnen.«

    »Können Sie, Agentin Savoy. Wir sind keine Barbaren. Zwang gegenüber verdienten Agenten gehört nicht zu unserer Auffassung von Gerechtigkeit. Sie haben den Krieg mit den Mazzar beendet … zumindest in diesem Raumsektor.«

    »Und Freitag gehört wirklich mir?«

    »Wenn Sie ihn nicht nehmen, wird er eingeschmolzen. Die Prägung auf Sie ist irreparabel.«

    Bérénice schüttelte mit dem Kopf, sodass ihre schwarzen Locken tanzten.

    »Das hätte er nicht verdient. Ich nehme ihn!«

    Januar 2317

    Die 3. Heimatflotte unter dem Kommando von Admiralin Diana Carpenter war immer noch im Laurin-System stationiert. Bérénice und Naya befanden sich in der Kabine der schwarzhäutigen Trooperin an Bord des Flaggschiffes TSS LEONIDAS und hielten jeweils ein Glas rigelianischen Rotweins in der Hand. Beide hatten nur wenig davon getrunken und schienen auf unterschiedliche Weise davon abgehalten, ihn wirklich genießen zu können. Die Verhandlung und der Freispruch lagen erst wenige Tage zurück. Trotzdem herrschte eine undefinierte Spannung zwischen ihnen, die sie ihre alte Unbeschwertheit nicht wiederfinden und die neu gewonnene Freiheit vorerst ungenutzt bleiben ließ.

    »Scanne mich!«, stieß Bérénice unvermittelt hervor und stellte abrupt ihr Glas ab. Der schwere Wein schwappte ein wenig über den Rand und rann in einer dunklen Spur auf den Tisch.

    »Bist du sicher?«

    »Ich vertraue dir mehr als mir selbst.«

    Die Rigelianerin nickte unmerklich und dachte darüber nach, wem ihre finstere Freundin wohl überhaupt vertrauen konnte.

    Kann ich ihr denn vertrauen? Sie trägt immer noch eine ganze Reihe terranischer und mazzarischer Implantate in sich. Dazu Depots geheimnisvoller Chemikalien, die sonst etwas in ihr auslösen können. Einzig den Sender hat sie sich entfernen lassen. Die Code- und Schlüsselwörter, versteckt in Myriaden von Synapsen und Gehirnwindungen, schlummern aber immer noch in ihr. Kann ich sie entdecken? Und wenn ja: Was soll ich dann tun? Ich bin weder Psychotherapeutin noch Neurologin … nur eine Empathin und Telepathin. Und wenn es kompetente Fachleute dafür gäbe … was würden sie mit ihr anstellen? Würde sie es überhaupt zulassen? Ich fürchte, sie hegt gegen die gesamte terranische Ärzteschaft eher Rache- und Todesgelüste. Rikard … Mister White war nur der Erste.

    Naya strich eine widerspenstige rote Locke aus ihrem Gesicht und stellte ebenfalls ihr Glas ab. Ich muss wenigstens versuchen, ihr zu helfen. Dann senkte sie ihre Lider halb herab und sandte ihren Geist zu ihrem Gegenüber. Bérénice saß ruhig in ihrem Sessel und machte ein Gesicht, dem man ansehen konnte, wie gering sie die Chancen einstufte, von der Rigelianerin erhellende Erkenntnisse über ihren Geisteszustand zu erhalten. Und tatsächlich öffnete Naya nach nur einer Minute ihre Augen wieder vollständig und schüttelte bedauernd ihren Kopf.

    »Es tut mir leid, Nice. Es geht nicht. Da ist eine Barriere, die ich nicht durchdringen kann. Aus Erfahrung weiß ich, dass solchermaßen konditionierte Gehirne nicht allein auf para-sensitive Weise durchleuchtet werden können.«

    »Aber auf chemische Weise.«

    Naya erschrak. »Das wirst du doch wohl nicht ernsthaft in Erwägung ziehen? Die Erfolgsaussichten sind mehr als fraglich. Die dabei entstehenden Schäden dagegen treten umso zuverlässiger ein. Ich habe Probanden erlebt, die nach einer solchen Prozedur nicht mehr waren, als stupide vor sich hin glotzende Pflanzen.« Sie schüttelte angewidert ihren Kopf. »Du wirst damit leben müssen.«

    »Und mich immer wieder fragen, ob meine Handlungen aus mir selbst entstehen … oder das Reagieren auf irgendein Schlüsselwort sind?« Bérénices Wangenknochen mahlten und ein gehetztes Flackern durchzuckte ihre Augen.

    »Ja, so wird dein Leben von jetzt an sein.« Naya beugte sich nach vorne und legte ihre Rechte auf eine Hand der ehemaligen Trooperin. »Auch wenn meine Fähigkeiten bei dir nutzlos sind: Ich werde auf dich aufpassen … wenn du das willst.«

    »Was ist mit deiner Dienstverpflichtung?«, fragte Bérénice. »Ich bin ja vorerst davon entbunden.«

    Naya lächelte schwach. »Sie haben mir freigestellt, ob ich zu meiner Einheit zurückgehe oder bei dir bleibe.«

    »Und?«

    »Ich lasse dich nicht allein.«

    Das Gesicht ihrer Freundin entspannte sich. Nur um unmittelbar danach die Härte anzunehmen, die eine unausgesprochene Warnung an alle war, die in dieser Frau Black Ice sahen. »Das freut mich … mehr als du glauben dürftest.« Dann nahm Bérénice ihre zweite Hand und legte sie auf die Nayas und ihre eigene. »Ich werde nicht still auf dem Sofa sitzen, meine Liebe. Ich nehme dich und Freitag … und fliege zurück nach Samboll.«

    Die Rigelianerin riss die Augen auf. »Was willst du dort? Die Gefangenen werden sicher durch ein Trooperkontingent befreit werden. Die Terranische Föderation wird wahrscheinlich den ganzen Planeten nach Lagern und Überlebenden absuchen. Und wenn die Mazzar Wort halten, werden sie auch ihre Verbündeten dazu bringen, Frieden zu schließen.«

    »Ich glaube nicht, dass ich so lange warten kann, Liebes. Siyoss und Bozadd haben schon zugestimmt, als ich sie fragte.« Dann grinste sie und Naya sah förmlich all die kommenden Gefahren darin aufblitzen. »Selbst das Spionageschiff der Mazzar-Agenten darf ich behalten.«

    »Is´ nicht dein Ernst!«

    »Oh doch. Der Grund dafür ist einfach: Es gibt keinen Menschen außer mir, der es bedienen kann.«

    Ihr säuerlicher Tonfall erinnerte Naya daran, dass ihre Freundin nur einen Teil der Mazzar-Einrichtungen bewusst bedienen konnte. Der andere, bislang unbewusste Teil, machte beiden Frauen immer noch Sorgen. Gelinde ausgedrückt.

    Bérénice lächelte zaghaft. »Freitag wird aber sozusagen als kleine Nebenaufgabe all meine Schaltvorgänge und sämtliche Daten des Schiffes unter Einsatzbedingungen erfassen und bei jeder sich bietenden Möglichkeit unserem Geheimdienst und dem Militär gleichzeitig übermitteln.«

    »An Amélie Colbert und Admiralin Carpenter, nehme ich an.«

    »Richtig. AC/DC werden dafür sorgen, dass relevante Erkenntnisse sofort nutzbringend umgesetzt werden.«

    »Den beiden scheinst du auch zu vertrauen. Bei der Admiralin stimme ich dir ja zu. Sie war in den Plan nicht eingeweiht gewesen. Colbert dagegen schon …«

    »AC war es, die verhindert hat, dass Rikard und seine Kollegen mich fallen ließen wie eine heiße Kartoffel.«

    »Nichtsdestotrotz hat sie dem Wahnsinn zugestimmt … den Implantaten … den Stimulanzien.«

    Bérénice schüttelte den Kopf. »Ein Teil des Wirrwarrs in meinem Kopf dürfte auf Wechselwirkungen zwischen den terranischen mit den mazzarischen Substanzen zurückzuführen sein. Zumindest behaupten das die Ärzte. Das konnte niemand vorhersehen.«

    »Und Freitag? Auch er hat dich hintergangen.« Naya war verblüfft, wie sorglos ihrer Meinung nach Bérénice mit der Angelegenheit umging.

    »Ich sehe das nüchterner. Er ist eine Maschine. Er wurde so programmiert.« Dann wurde ihre Miene um eine Nuance finsterer. »Nach Rikards … Tod und der Verhandlung habe ich Freitags Speicher checken lassen. Außer dem Befehl, sich mir erst ab dem Eintritt ins Laurin-System zu offenbaren, hat er keinerlei ähnliche Befehle erhalten. Seine Prägung auf mich hätte auch nichts anderes zugelassen. Die Robo-Techniker haben eine fast schon sprichwörtliche Höllenangst vor Befehlskonflikten … und damit vor amoklaufenden Robotern. Erst recht, wenn es sich um ein Modell der Baureihe BEHEMOTH handelt. Nein, nein: Freitag ist kein Verräter.«

    Naya nickte, nur zögerlich zustimmend, löste sich von Bérénice und ließ sich in ihren Sessel zurücksinken. »Also willst du nicht nur wegen deiner Trooperkollegen zurück nach Samboll.«

    »Es gibt noch zwei weitere Gründe«, bestätigte Bérénice. »Besser: Lebewesen, die mich dorthin ziehen.«

    Die Rigelianerin hob fragend die Augenbrauen. Auch ohne Telepathie wusste sie die Antworten beziehungsweise die Namen. »Doktor Muramasa … und diese Pazifistin. Wie hieß sie noch mal?«

    »Kefann.«

    »Richtig, Kefann. Siyoss und Bozadd erwähnten in einer ihrer Aussagen, dass sie auf Samboll die einzige Pazifistin sei. Sie waren ziemlich stolz darauf, sie in die geheime Station eingeschleust zu haben. Es war also mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sie, die dir die Mazzar-Implantate verpasst hat.« Naya blickte Bérénice ruhig an. »Wirst du sie töten … so wie Rikard?«

    »Nein. Denn ein Gefühl sagt mir, dass ich es vielleicht auch ihr zu verdanken habe, dass ich noch lebe. Laut Siyoss´ und Bozadds Beteuerungen würde eine Pazifistin niemals einem Befehl der Nestführung nachkommen, ohne sicherzustellen, dass sie damit nicht sich selbst und ihre eigenen Interessen verrät.«

    »Selbst einem Feind, einem Menschen gegenüber?«

    »Ja.« Bérénice lächelte zaghaft. »Wir verstehen noch längst nicht die Psychologie der Mazzar, geschweige denn die ihrer Pazifisten.«

    »Deswegen nimmst du die beiden Pazifisten mit.«

    »Nicht nur wegen Kefann. Ich will mit ihnen auch zurück nach Eternity.«

    Naya wurde blass. »Das ist nicht dein Ernst, Nice!«

    »Oh doch, ich meine das todernst.«

    Januar 2317

    Die männliche Wache vor dem breiten Schott reagierte nur mit einem Nicken, als die schlanke Frau an ihn herantrat und auf das Öffnen des Zuganges wartete. Der Mann schien sie allein am Gesicht identifiziert zu haben und überließ seinem Partner die Arbeit. Der zweite Wächter – ein BEHEMOTH der Klasse II – rührte sich zunächst gar nicht. Sein elektronisches Auge fiel auf die ID-Karte an der Brust der Agentin außer Dienst und nur eine Sekunde später öffnete sich das schwere Schott.

    Bérénice betrat die Wartungshalle 4 auf Deck C an Bord der TSS LEONIDAS und musterte die lange Reihe Roboter verschiedenster Typen und Bauart. Die meisten Kampfroboter der BEHEMOTH-Klasse standen dort in Reih und Glied. Die Trooperin sah Modelle aller in Dienst gestellten Baureihen. Fast ein Dutzend von ihnen jedoch saß auf massiven Stühlen, lag auf Montagetischen oder stand in der Mitte des Saales und hatte Teile seines Chassis geöffnet. Techniker wuselten zwischen ihnen umher und arbeiteten an Aufgaben, die sich der Frau nicht sofort erschlossen. Sie nahm aber an, dass Verschleißteile ausgetauscht und Munitionsdepots aufgefüllt wurden. Business as usual. Dass dies nicht durch andere Roboter erledigt wurde, zeigte ihr wieder einmal, dass sensible Aufgaben immer noch von Menschen erledigt werden mussten.

    Als sie näher an die Reihe der Alkoven herantrat, in denen die Roboter an allerlei Verbindungsleitungen angekoppelt waren, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass Freitag kein individuelles äußeres Merkmal trug. Er hatte bei ihrem ersten Zusammentreffen zwar seine Seriennummer genannt, doch die war ihr längst entfallen. Also trat sie an einen der Techniker heran.

    »Guten Morgen, Sir. Ich bin … Bérénice Savoy. Ich suche meinen Roboter. Leider kann ich Ihnen seine Bezeichnung nicht nennen, Sir.«

    Der Mann und sicher auch seine Kolleginnen und Kollegen hatten sie schon bei ihrem Eintreten bemerkt, ihre Arbeit aber vorerst nicht unterbrochen. Jetzt richteten sich alle Augen auf die schwarzhäutige Frau.

    »Ich – wir alle – wissen Bescheid, Miss Savoy. Admiralin Carpenter hat uns schon darauf hingewiesen, dass Sie irgendwann nach ihm sehen würden.« Er setzte dabei ein Gesicht auf, das der suspendierten Agentin verriet, dass er sie bewunderte. Offensichtlich war bislang noch keinem der Robo-Techniker des Flaggschiffes der 3. Heimatflotte ein Mensch begegnet, auf den ein BEHEMOTH uneingeschränkt geprägt worden war.

    Bérénice nickte und blickte zu den Exemplaren, an denen die Technikergruppe gerade arbeitete. Freitag schien nicht darunter zu sein. Irgendein Gefühl sagte ihr, dass dem so war.

    »Wo finde ich ihn?« Und noch bevor der Mann ihr eine Antwort geben konnte, fügte sie hinzu: »Wie könnte man ihn … äh, markieren? Er hat sich etwas mit seinem Chassis.«

    Plötzlich grinste der Techniker. »Ja, das haben wir ziemlich gut hinbekommen, nicht wahr? Es ist sehr schwer, eigentlich fast unmöglich, dort einen Kratzer oder etwas Ähnliches anzubringen. Uns sind aber an ihrem Roboter tatsächlich einige schwache Schrammen aufgefallen. Sie würden

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