Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Skandale
Skandale
Skandale
eBook231 Seiten3 Stunden

Skandale

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die Bundesrepublik war seit ihrer Gründung 1949 bis heute von Skandalen geprägt. Alte Nazis waren wieder in hohen Ämtern, Politiker und Wirtschaftsbosse verstricken sich im Rotlichtmilieu, Bänker fallen auf Tricks und Lügen herein, die andere Menschen durchschaut hätten, die Justiz fällt Urteile in Größenordnungen, unschuldige Menschen leiden heute noch darunter. Die Wirtschaftslobby nimmt immer mehr Einfluss auf politische Entscheidungen, unfähige Politiker gelangen an die Spitze und missbrauchen ihr "Ehrenwort". Wir könnten über 150 Fälle aufzählen. Das würde aber den Umfang des Buches sprengen. Deshalb haben wir uns entschieden, elf ausgesuchte Fälle hier vorzustellen. In der Wirtschaft Flick, Schneider, Schlecker; bei der Justiz Wörz und Kachelmann; in Steuersachen Peter Graf; Nitribitt im Rotlicht-Milieu; die Politiker Barschel und Wulff; der Spion im Kanzleramt und der Sport-Skandal um den Fußball.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum24. Sept. 2021
ISBN9783754169391
Skandale

Mehr von Walter Brendel lesen

Ähnlich wie Skandale

Ähnliche E-Books

Politische Literatur für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Skandale

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Skandale - Walter Brendel

    Vorwort

    Die Bundesrepublik war seit ihrer Gründung 1949 bis heute von Skandalen geprägt. Alte Nazis waren wieder in hohen Ämtern, Politiker und Wirtschaftsbosse verstricken sich im Rotlichtmilieu, Bänker fallen auf Tricks und Lügen herein, die andere Menschen durchschaut hätten, die Justiz fällt Urteile in Größenordnungen, unschuldige Menschen leiden heute noch darunter. Die Wirtschaftslobby nimmt immer mehr Einfluss auf politische Entscheidungen, unfähige Politiker gelangen an die Spitze und missbrauchen ihr „Ehrenwort". Wir könnten über 150 Fälle aufzählen. Das würde aber den Umfang des Buches sprengen. Deshalb haben wir uns entschieden, elf ausgesuchte Fälle hier vorzustellen. Lauter Skandale.

    In der Regel bedingt ein Skandal eine allgemeine gesellschaftliche Aufmerksamkeit, die heute überwiegend durch die Massenmedien erreicht wird. Bei der Aufdeckung von Skandalen und Vorgängen wie Korruption, Bestechung und persönlicher Vorteilsnahme von Amtsträgern in Politik und Wirtschaft spielen Medien und Journalismus, insbesondere als Investigativer Journalismus, eine bedeutende Rolle. Nicht zuletzt hieraus leitet sich die Rolle von Medien und Presse als Korrektiv und sogenannte „Vierte Gewalt ab. Da Medien und Presse auch an hohen Zuschauer-, Hörer- und Leserzahlen interessiert sind, kann es dazu kommen, dass einzelne Vorgänge über ihre Bedeutung hinaus „skandalisiert werden. Wo die Grenze zwischen „legitimer Empörung und „künstlicher Aufgeregtheit liegt, ist vom Betrachter und dessen sozialen, religiösen und politischen Hintergrund abhängig. Wir haben zehn Skandale in diesem Buch verarbeitet.

    Involviert waren Ex-Bundeskanzler wie Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl, Vorstände von Banken, des Deutschen Fußball Bundes und der FIFA, Ex-Bundespräsidenten wie Christian Wulff, Ex-Ministerpräsidenten wie Uwe Barschel, eine Edelhure namens Rosemarie Nitribitt, Unternehmer wie Anton Schlecker und Friedrich Karl Flick sowie Jürgen Schneider, der Wetterfrosch Jörg Kachelmann, das Justizopfer Harry Wörz, Spione wie Günther Guillaume und  Adolf Josef Kanter, ja selbst Markus Wolf vom DDR-Ministerium für Staatssicherheit, ehemalige Bundes- und Landesminister wie Hans Friderichs, Otto Graf Lambsdorff, Hans Matthöfer und  Horst Ludwig Riemer, Spitzenmanager wie Eberhard von Brauchitsch, Steuerfahnder  Klaus Förster und viele andere.

    Oft braucht es nur einen kleinen Auslöser für einen Skandal, dann wird nach und nach ein Abgrund sichtbar. Die Gesellschaft definiert sich in solchen Affären regelmäßig neu. Was ist moralisch vertretbar? Welche Rolle spielen Politik und Wirtschaft? Das sind unsere aufgeführten Skandale:

    1. Die Frankfurter Edel-Prostituierte Rosemarie Nitribitt wurde 1957 im Alter von 24 Jahren ermordet. Der Fall konnte nie aufgeklärt werden. Zu den vielen Spekulationen rund um den Fall trägt bei, dass Prominente aus Wirtschaft und Politik zu den Kunden von Nitribitt gezählt haben sollen. Ermittlungspannen der Kripo nährten den Verdacht einer planmäßigen Vertuschung. Der „Fall Nitribitt" dient als Ausgangspunkt, um die spießige deutsche Nachkriegsgesellschaft der 50er Jahre zu charakterisieren.

    2. Einer der engsten Mitarbeiter von Bundeskanzler Willy Brandt wird 1974 als DDR-Spion enttarnt. Im Auftrag der Stasi reiste Günter Guillaume schon 1956 in die Bundesrepublik ein. Die Guillaume-Affäre ist der politisch bedeutsamste Spionagefall der deutsch-deutschen Geschichte. Bundeskanzler Brandt tritt daraufhin zurück aber auch wegen interner Auseinandersetzungen in der SPD. Im Oktober 1972 wurde Guillaume persönlicher Referent des Bundeskanzlers in Parteiangelegenheiten. In dieser Funktion hatte er unter anderem die Parteitermine des Kanzlers zu organisieren sowie den Schriftverkehr mit Parteigliederungen und Mitgliedern zu führen. Guillaume gehörte damit zum engsten Mitarbeiterkreis Brandts und war einer der wenigen, die den Kanzler auch privat und im Urlaub begleiteten.

    3. Der Flick-Konzern versorgte über Jahre die Parteien des Bundestags mit verdeckten Spenden möglicherweise standen politische Entscheidungen mit den Zahlungen in Zusammenhang. Eines der Parade-Beispiele für eine politische Affäre vor allem, weil im Nachgang mit großer Unlust aufgeklärt wird und die politischen Parteien per Gesetz eine Amnestie durchsetzen wollen, die letztlich nur am öffentlichen Widerstand scheitert.

    4. Einen Tag vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 13.9.1987 wird einer der größten Politskandale der Bundesrepublik publik: SPD-Spitzenkandidat Björn Engholm wurde ausspioniert. CDU-Ministerpräsident Uwe Barschel tritt im Zuge der sogenannten Waterkantgate-Affäre am 2. Oktober zurück. Neun Tage später liegt er tot in einem Genfer Hotel in der Badewanne. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht vollständig geklärt. Sicher eine der spannendsten und geheimnisvollsten Affären der Bundesrepublik. Nirgendwo lassen sich Abgründe von Wahl- und Machtkampf besser studieren als hier. Gekämpft wird mit allen Mitteln solange sie nicht öffentlich werden.

    5. Peter Graf der Tennisvater, der Strippenzieher hinter der Karriere von Superstar Steffi. Ein klassisches Lehrstück von Aufstieg und Fall. Begonnen als Selfmademan aus Mannheim, Gebrauchtwagenhändler, Trainer – geendet als Hauptfigur in gleich zwei Skandalen. Ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse ist zu Beginn der 90er-Jahre der Rotlichtskandal um Peter Graf. Boxpromoter Ebby Thust versucht, den Tenniskönig zu erpressen – das Kind seiner Freundin soll angeblich von Peter Graf sein. Ein Vaterschaftstest bringt Gewissheit: Graf ist nicht der Vater. Aber das Image bleibt angekratzt. Hinzu kommen gesundheitliche und familiäre Probleme. Steffi Graf macht derweil unbeeindruckt Karriere im Tennis-Zirkus. Ein Gewinn folgt auf den anderen, die Preisgelder steigen. Eine Menge Geld, für die eine Menge Steuern fällig gewesen wären. Aber Peter Graf erfindet ein Steuersparmodell mit einem Geflecht aus mehreren Stationen. So schleust er das Geld zu großen Teilen am deutschen Fiskus vorbei – und stolpert in die nächste Affäre. Im Sommer 1995 zieht sich die Schlinge zu. Steuerfahnder durchsuchen die Graf-Villa in Brühl. Peter Graf zeigt kein Einsehen, er ist nach wie vor der Meinung, der Wimbledon-Königin Steffi und ihrer Familie stünden Sonderrechte in Sachen Steuern zu. Der Steuersünder-Prozess gegen ihn ab September 1996 ist ein großes Medienspektakel. Steuerhinterziehung in Höhe von knapp 20 Millionen Mark lautet der Vorwurf. Das Urteil: drei Jahre und neun Monate Gefängnis. Graf bleibt nicht der einzige prominente Steuersünder aus der Sportszene – auch Pferdebaron Schockemöhle, Boris Becker und Uli Hoeneß müssen Steuern nachzahlen. Der Graf-Prozess schreibt Justiz-Geschichte – seitdem gab es spezielle Kammern bei Gericht und zahlreiche Verfahren, um die finanziellen Schattenwelten von Promis offenzulegen.

    6. Er sorgte für eine der größten Pleiten in der deutschen Geschichte: der Baulöwe und verurteilte Betrüger Jürgen Schneider. In wenigen Jahren schaffte er sich ein Immobilienimperium - von der Öffentlichkeit bestaunt, von Politik und Banken hofiert. In der Zeit des Baubooms der 1980er-Jahre wird für den hessischen Bauingenieur Schneider das Frankfurter Fürstenhof-Gebäude zur goldenen Eintrittskarte. Den ehemals glanzvollen Hotelpalast in der Bankenmeile kauft er für 40 Millionen Mark, lässt ihn für mehr als 200 Millionen Mark entkernen, aufwendig sanieren und verkauft das Gebäude schließlich für 350 Millionen Mark. Das ist für viele der endgültige Beweis, dass Schneiders Strategie aufgeht. Mit diesem Erfolg stehen ihm alle Türen offen. 1994 soll ihm sogar das Bundesverdienstkreuz verliehen werden. Schneider ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

    7. Von 1997 bis 2001 saß Harry Wörz im Gefängnis für den versuchten Totschlag an seiner Ex-Frau – eine Tat, die er nie begangen hat. Ein Justizirrtum. Der Prozess hatte ein großes mediales Echo. Am 29. April 1997 wurde die Ex-Frau von Harry Wörz – eine Polizistin – mitten in der Nacht aufgefunden: stranguliert mit einem Schal. Am selben Tag wurde Wörz verhaftet. Die Pforzheimer Polizei ermittelte anfangs gegen Wörz und den Geliebten des Opfers. Das Opfer überlebte die Tat schwer verletzt und ist seither ein Pflegefall, kann keine Angaben zum Täter machen. Vor Gericht gestellt wurde schließlich Harry Wörz. Das Landgericht Karlsruhe verurteilte ihn zu elf Jahren Gefängnis, er legte Revision ein. In den nächsten Jahren folgte ein nervenaufreibendes Hin und Her von Freispruch und Wiederaufnahme des Verfahrens. Seit 2010 gilt Harry Wörz rechtskräftig als freigesprochen. Bis Ende 2016 zogen sich noch mehrere Verfahren um Entschädigung für das Justizopfer hin. In den Medien erzeugte der Fall ein großes Echo. So bezeichnete die Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen das Verfahren als einen der „ungewöhnlichsten Prozesse der deutschen Rechtsgeschichte". Auch die öffentlich-rechtlichen Sender und zahlreiche Zeitungen berichteten über den Justiz-Skandal, der Harry Wörz Besitz und Familie kostete: Für die Prozesse hat er sich hoch verschuldet, der Kontakt zum Sohn brach ab. Wörz verlangt bis heute, dass die Ermittlungen fortgesetzt werden und der versuchte Totschlag an seiner Ex-Frau aufgeklärt wird. 2013 hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe alle Ermittlungen eingestellt. Für einen anderen Täter gebe es keinen Anfangsverdacht.

    8. Manipulierte Spiele in der Bundesliga – man hat es fast vergessen, aber schon in der Saison 1970/71 kam es zum ersten Mal zu kriminellen Machenschaften bei Bundesliga-Spielen. Es ging um 1,1 Millionen D-Mark Schmiergeldzahlungen. 52 Spieler, zwei Trainer und sechs Funktionäre wurden bestraft. Ein Film über den zunehmenden Einfluss des Geldes im Fußball und Skandale, die so oder so ähnlich bis heute passieren.

    9. Es ging um einen fragwürdigen Kredit, ein Einfamilienhaus in Großwedel, Urlaubsreisen, Zoff mit der „Bild"-Zeitung – die Affäre um den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Im Februar 2012 trat Wulff medienwirksam zurück. Der Fall gipfelte im Vorwurf der Bestechlichkeit – und in einem Freispruch. Eine Affäre, die sich letztlich immer darum drehte, wie der Bundespräsident mit ihr umging. Und der beste Beweis dafür, dass nur allzu oft Leute abtreten müssen, weil ihr Krisenmanagement schlecht ist.

    10. Der gebürtige Schweizer Jörg Kachelmann war jahrelang Deutschlands bekanntester Wetterfrosch. Kachelmann gründete eine eigene Firma und belieferte das Fernsehen mit Vorhersagen und Beiträgen. Kachelmann selbst reüssierte nicht nur vor der Wetterkarte im Fernsehen moderierte er Talk-Sendungen und Quiz-Shows. Am 20. März 2010 wurde Kachelmann überraschend am Flughafen festgenommen. Wegen Fluchtgefahr kam er sofort in Untersuchungshaft. Er wurde beschuldigt, eine Frau sexuell missbraucht zu haben, mit der er eine Affäre hatte. Die Staatsanwaltschaft Mannheim erhob Anklage gegen Kachelmann wegen des Verdachts der besonders schweren Vergewaltigung mit gefährlicher Körperverletzung. Kachelmann bestritt diese Vorwürfe und wurde am 31. Mai 2011 vor dem Landgericht Mannheim freigesprochen: „Im Zweifel für den Angeklagten", hieß es da.

    11. Diese Folge dreht sich um einen Fall deutscher Wirtschaftsgeschichte, der das Land erschütterte: die Schlecker-Pleite im Jahr 2012. Eine Milliarde Euro Schulden, 25 000 Mitarbeiter, vor allem Frauen, auf der Straße. Höhepunkt der beispiellosen Pleite: 2017 der Prozess gegen Firmenpatriarch Anton Schlecker und seine beiden Kinder, der mit Verurteilungen der Angeklagten endet. Die Drogeriemarktkette ist berüchtigt für die Arbeitsbedingungen. Alles muss möglichst billig sein – es gibt kein Telefon in den Filialen, die „Schlecker-Frauen werden schlecht bezahlt, streng kontrolliert – und nach der überraschenden Insolvenz mitleidlos auf die Straße gesetzt. Anton Schlecker ist als eingetragener Kaufmann voll haftbar für sein Unternehmen. Noch 2011 schätzt das „Manager Magazin das Vermögen seiner Familie auf 1,9 Milliarden Euro. Doch bereits 2012 kommt die Pleite. Schlecker hat sich mit einem immer dichteren Filial-Netz überhoben. Es zeigt sich, dass die Familie Schlecker angesichts der drohenden Insolvenz Millionen beiseitegeschafft hat. Am Ende eines aufsehenerregenden Prozesses erhalten die Schlecker-Kinder eine Haftstrafe. Der Senior selbst kommt mit einer Bewährung davon. Schleckers Aufstieg und Fall ist deutsche Wirtschaftsgeschichte pur. 1944 in Ehingen geboren, stand Anton Schlecker schon als Kind im Geschäft seines Vaters Anton senior – einem Metzger. Anton junior schuf aus der baden-württembergischen Provinz heraus ein Handelsimperium. 1975 stieg er ins Drogeriegeschäft ein – die maximale Ausdehnung gelang 2007. Da beschäftigte Schlecker mehr als 50 000 Mitarbeiter.

    Skandal um eine ermordete Edelhure (1957)

    Sie war sehr aktiv im Stadtgeschehen und hat die Männer aus dem Auto heraus angesprochen und abgeschleppt, was für die damalige Zeit etwas Unerhörtes war. Eine sogernannte Edelhure, war die schöne Rosemarie Nitribitt. Ihre Freier waren Bänker, Manager und Wirtschaftsbosse. Sie war für ihre Zeit im Wirtschaftswunderland Bundesrepublik Deutschland ein Statussymbol. 1957 wird die 24jährige in ihrer Wohnung erwürgt aufgefunden. 

    „Es sind mehrere Minuten des Würgens erforderlich, sagt der ehemalige Mordermittler Axel Petermann, „die dem Täter endlos vorkommen müssen und man fast verzweifelt, weil das Opfer nicht stirbt.

    ***

    Mordsache Nr. 68331/57 war nicht der „ganz normale Prostituiertenmord", als den ihn die Polizei verzeichnete. Die Fallakte Nitribitt legte Seite für Seite, Aussage für Aussage den ersten handfesten gesellschaftspolitischen Skandal der Nachkriegszeit frei. Es ging um Sex, Macht, Geld. Der Wirbel zog weite Kreise, Nitribitts Kundenkartei sich hoch bis in die höchsten Kreise der neu- und noch immer reichen Frankfurter Wirtschaftsbosse und sonstigen sogenannten besseren Gesellschaft hinein.

    Ein mutmaßlicher Täter wird festgenommen und angeklagt. Was war geschehen?

    Der 1. November 1957, am späten Nachmittag. Die Stiftstraße ist in den 50igern eine der teuersten Adressen Frankfurts (Main). Polizeibeamte lassen die Wohnungstür von Rosemarie Nitribitt in der Stiftstraße 36 öffnen. Die Putzfrau hatte einige Tage nichts von ihr gehört, hat die Wohnung dann aufgesucht du hat bemerkt, dass Brötchentüten vor der Wohnungstür standen. Sie wurde argwöhnisch. Die Putzfrau Erna Krüger zählt später selbst zum Kreis der Verdächtigen. Noch am Tattag hatte sie einen heftigen Streit mit Rosemarie Nitribitt.

    Doch nun macht sie sich Sorgen, ruft die Polizei und bittet die Beamten, in der Wohnung nachzuschauen. Die Tür war nicht abgeschlossen, sondern nur zugezogen wurden. In der Küche finden die Polizisten einen Topf mit den Resten von Reisbrei. Der Pudel „Joey" ist im Schlafzimmer eingesperrt. Die Tür zum Bad steht offen, an der Wand lehnt ein Rohrstock.

    Im Wohnzimmer stoßen die Beamten auf Rosemarie. Sie liegt tot auf dem Boden, ein Bein auf dem Sofa, dass andere darunter. Neben dem Kopf ein blutiges Frottiertuch. Das Blut rührte von einer Platzwunde am Kopf her. Das Telefon ist von der Kommode gefallen, der Hörer blutverschmiert, daneben ein zerbrochener Aschenbecher.

    Die Todesursache war erwürgen. Sie hat sich furchtbar gewehrt, es hat ein erbitterter Kampf stattgefunden, den sie letztlich verloren hat. Der Mörder wurde nie gefunden.

    Nun will Axel Petermann den Fall noch einmal aufrollen. Er hat über 30 Jahre bei der Mordkommission in Bremen gearbeitet und in über 1000 Fällen ermittelt. Gleich zu Anfang besuch er die Stiftstraße in Frankfurt. Hier hat Rosemarie kann zwei Jahre bis zu ihrem Tod gelebt. Damals ein nobles Haus für wohlhabende Mieter, heute lässt sich das nur noch erahnen. Auch wenn der Mord nun 60 Jahre zurückliegt, will sich Axel Petermann selbst ein Bild machen.

    „Für mich ist es immer wichtig, am Tatort gewesen zu sein, wenn ich ein Verbrechen analysieren soll. Ich will wissen, wie hat Rosemarie gelebt und gewohnt, wie kann ich mir die Situation vorstellen, wenn ich durch das Treppenhaus gehe oder dem Fahrstuhl benutze?", so Petermann.

    Soviel Jahrzehnte nach der Tat ist Axel Petermann vor allem auf die Ermittlungsakten angewiesen. Im Staatsarchiv Wiesbaden lagern rund 70 Ordner zu diesem Fall. Petermann steigt in die Recherche ein. Wer war diese Rosemarie Nitribitt eigentlich und wie wurde sie zur Edelhure?

    Am 1. Februar 1933, kurz nach Hitlers Machtergreifung, kommt Rosemarie Nitribitt in Düsseldorf zur Welt. Ihre Mutter ist erst 18 Jahre alt und als Putzfrau tätig. Die Behörden des Dritten Reichs stuften Maria als „schwachsinnig ein. Ihren Vater, einen Arbeiter aus Düsseldorf, der später Unterhaltszahlungen ablehnte, lernte Rosemarie vermutlich nie kennen. Rosemaries jüngere Halbschwestern Irmgard und Lieselotte hatten jeweils einen anderen Vater; vernachlässigt wurden alle drei gleichermaßen. So war es gut und richtig, dass das Jugendheim die fünfjährige Rosemarie 1937 „wegen Verwahrlosung ins Heim steckte. Im Nachhinein war es ein Glück: Im Frühjahr 1939 kam das Kind zu Pflegeeltern nach Niedermending in der Eifel. Bei dem 69-jährigen Pflegevater Nikolaus Elsen und seiner zwanzig Jahre jüngeren Frau Anna Maria erlebte Rosemarie zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben Liebe und Geborgenheit. Während 1942 die leibliche Mutter mal wieder eine Haftstrafe verbüßte, feierte Rosemarie ihre Erstkommunion.

    Zeugen dieser kurzen Zeit sagen, Rosemarie sei fröhlich, aufgeweckt und lebhaft gewesen. 1944 vergewaltige ein 18-jähriger Nachbarsjunge die elfjährige Rosemarie. Der Vorfall blieb nicht unbemerkt, aber in dem kleinen Eifeldorf, auch bei den Elsens, schwieg man das Verbrechen tot. Der Junge ging zur Wehrmacht. Rosemarie blieb zwei Wochen der Schule fern und geriet dann auf die schiefe Bahn. Die Vergewaltigung bleibt ungesühnt. Das hat sich ein Trauma bei dem Kind ausgelöst, irgendetwas war zerbrochen. Es lässt sich auch in den Jugendamtsunterlagen, die lückenlos erhalten sind, nachlesen, dass mit dieser Vergewaltigung der große Bruch mit und in ihrem Leben zustande kam. Danach gab es keine Kontakte oder enge Beziehung mehr zu ihrer Umwelt. Nichts prägt uns mehr als unsere Kindheit, die Zeit, in der wir arglos und verletzlich sind. Vier behütete Jahre vermochten nicht den Schmerz einer jungen Seele zu heilen, die immer wieder im Stich gelassen wurde. Je härter es das Leben mit Rosemarie meinte, desto härter wurde sie selbst. Sie wurde zur Einzelkämpferin und ab ihrem 12. Lebensjahr verhaltensauffällig.

    Kurz nach Kriegsende befreundete Nitribitt sich mit zwei Prostituierten. Mit knapp 13 Jahren bot sie sich zum ersten Mal französischen Besatzungssoldaten an. Mit 14 Jahren hatte sie eine Abtreibung, die fast tödlich endete.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1