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Traum-Zeit
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eBook428 Seiten5 Stunden

Traum-Zeit

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Über dieses E-Book

Ronja hat einen Helferkomplex. Sonst würde sie wohl kaum mit lauter Senioren in einem maroden Wohnblock leben. Auch in ihrer örtlichen Kirchengemeinde gerät sie ständig an unattraktive Jobs. Seit neuestem wird sie dazu noch von seltsamen Träumen heimgesucht, die etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun haben scheinen. Trägt daran Ronjas demente Oma die Schuld? Und was macht man, wenn man sich als Folge dessen in den eigenen Ur-Urgroßvater verliebt?
Unterstützung erhält sie von ihrer, nie um einen Ratschlag verlegenen, Freundin Mona. Die kann Ronja auch gut gebrauchen, als sie plötzlich ihrem Traum-Mann gegenübersteht.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Jan. 2022
ISBN9783754183755
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    Buchvorschau

    Traum-Zeit - Josie Hallbach

    Prolog

    Traum-Zeit

    Was macht frau, wenn sie plötzlich von seltsamen Träumen heimgesucht wird, die verwirrend real wirken? 

    Und das ist längst nicht das einzige Problem, mit dem ich mich in den letzten Monaten herumschlagen musste.

    Eine kleine, repräsentative Auswahl gefällig?

    Zu nennen wären:

    meine demente Oma samt ihrem virtuellen Anhang

    die örtliche Kirchengemeinde, in der ich gern mal an unattraktive Jobs gerate

    eine gescheiterte Beziehung

    und Mona, meine langjährige Freundin, die grundsätzlich alles besser weiß.

    Gleichzeitig ist mir natürlich klar, dass Schwierigkeiten jede Menge Chancen bieten: Zum Beispiel die eigene Vergangenheit zu verarbeiten, unbequeme Entscheidungen zu treffen oder mehr über sich und seine Grenzen zu entdecken.

    Allerdings hätte ich auf einen Großteil dessen gut verzichten können. Ich habe sowieso den Verdacht, dass derart abgeklärte Lebensweisheiten tendenziell von Menschen stammen, die gerade in keiner akuten Krise stecken.

    Doch das eigentlich Verrückte an meiner Geschichte ist, dass ich das letzte Jahr fast unbeschadet überstanden habe.

    Aber am besten fange ich von vorne an. Soweit das eben geht...

    Kapitel 1:

    Der neue Teil meiner Vergangenheit begann eines sonntagnachts…

    Ich ging am Abend zu Bett, las noch ein paar Seiten in dem christlichen „Apokalypsen"-Roman, den mir meine Tante zu Weihnachten geschenkt hatte, betete, um für alle Eventualitäten - wie zum Beispiel eine unverhoffte Entrückung - gerüstet zu sein und schlief für meine Verhältnisse erstaunlich rasch ein.

    Als ich ruckartig erwachte, befand ich mich in einem anderen Raum und einer anderen Zeit.

    Na gut, genaugenommen ist das falsch, denn ich wachte nicht auf. In Wirklichkeit träumte ich. Ich träumte, ich läge in einem Himmelbett, das seinem Namen allerdings in keiner Weise gerecht wurde.

    Die Umgebung erinnerte stark an das Freilandmuseum meiner Kindheit. Meine Mutter hat mich jahrelang dort hingeschleppt, weil ihr eine Mitgliedschaft im Förderverein aufgeschwatzt worden war. Der Beitrag beinhaltete den freien Eintritt. Deshalb darf man mich getrost als Profi für vorsintflutliche Einrichtungsstile betrachten. Die Auswahl, Anordnung und Machart des Mobiliars inklusive der Wandgestaltung sprach mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Beginn des 20. Jahrhunderts.

    Was mir weiterhin auffiel, waren Kälte und Geruch. Der Raum besaß weder eine Heizung, noch roch er angenehm. Dies unterstützte meine Theorie. Beheizbare Schlafzimmer wurden früher als Luxus erachtet. Meine Haut und Nase haben sich aber an klimatisierte Wohnungen und Weichspüler mit Aprilfrische gewöhnt. Ich fror auf jeden Fall erbärmlich, während mein Nachthemd durchaus geeignet wirkte, Motten und anderes Ungeziefer abzuschrecken.

    Elektrisches Licht konnte ich nirgendwo entdecken. Dafür flackerten auf dem Nachttisch neben mir Kerzen.

    Ich lag also in einem museumsreifen Zimmer, träumte, fühlte mich aber gleichzeitig hellwach und nahm jedes Detail meiner Umgebung bis hin zum Geruch wahr. Dieses Phänomen ist mir neu, obwohl ich sonst mit reichlich Erfahrung aufwarten kann. Vor allem Albträume zählen zu meinem Spezialgebiet. Ich bin schon vor Räubern geflohen, von Gespenstern heimgesucht worden und unvorbereitet in Prüfungen gegangen.

    Nun betrat ich eine neue Dimension: Das interaktive Träumen.

    Mit einer Mischung aus Faszination und Unbehagen versuchte ich meine Situation zu analysieren. Dabei machte ich eine ganz wesentliche Entdeckung: Auf einem Stuhl, etwas versteckt in der Ecke des Raumes, lag ein Brautkleid. Ein Irrtum war trotz des Dämmerlichts und der ungewöhnlich dunklen Farbwahl nahezu ausgeschlossen, weil über der Lehne der dazu passende, blumenbekränzte Schleier hing. Außerdem drückte an meiner rechten Hand ein verdächtiger Goldring.

    Meine Faszination begann schlagartig, Richtung Unbehagen zu kippen. Da sich sonst niemand im Raum befand, bot sich nur ein logischer Schluss an: Ich musste die Braut sein. Was hieß, dass demnächst ein Mann ins Spiel kommen dürfte, zumindest im Rahmen meines persönlichen Vorstellungshorizontes. 

    Mir fiel leider auf Anhieb kein männliches Wesen ein, welches ich gern geheiratet hätte. Nicht einmal Florian, obwohl er sich seit geraumer Zeit als mein Freund bezeichnet. Ich kenne ihn von der Bausparkasse. Meine beste Freundin und Kollegin Mona ist mit seinem Kumpel zusammen, deshalb gehen wir manchmal alle gemeinsam essen. Mona behauptete als Erste, er wäre mein Freund. Einfachheitshalber beließ ich es bei dieser Definition.

    Doch im Lauf der Monate begann mich einiges an ihm zu stören. Er trinkt zum Beispiel gern Alkohol und tut sich anschließend schwer, Grenzen zu akzeptieren. Unser letztes diesbezügliches „Missverständnis" war in eine Beziehungskrise übergegangen. Teile meines beruflichen Umfelds reden mir seither kontinuierlich ins Gewissen.

    Aus dem Grund reagiere ich, was Männer anbelangt, zurzeit etwas übersensibel. Jetzt gleich Florian in meinen Traum hereinspazieren zu sehen, würde mich definitiv überfordern. Vor allem, weil mein Standardargument zum Thema Sex mit diesem Brautkleid und Ring mehr oder weniger hinfällig wirken dürfte.

    Genau in dem Moment öffnete sich die Tür und ein mir völlig unbekannter Mensch betrat den Raum. Gut an ihm fand ich, dass er in keiner Weise an Florian erinnerte. Als schlecht erschien mir, dass dieser jemand wahrscheinlich mein Bräutigam war, denn er trug einen gediegen wirkenden Anzug, schaute mich prüfend an und sagte: „Wir hätten uns besser im Sommer vermählt, Marie. Ende Oktober ist dieses Gemach merklich zu klamm." Seine Stimme klang voll, dunkel und unmissverständlich, trotz der althergebrachten Wortwahl.

    Meine Bedenken verwandelten sich im Rekord-Tempo zur handfesten Besorgnis: Ich heiße nicht Marie, sondern Ronja und besitze davon abgesehen keinerlei Interesse, die Nacht mit einem Fremden zu verbringen, nicht mal im Schlaf. Dies wäre folglich ein guter Zeitpunkt, um aufzuwachen. Doch mein Steuermechanismus versagte, wie üblich. Ich habe es bisher noch nie geschafft, einen Traum eigenmächtig zu beenden. Vermutlich musste ich so lange durchhalten, bis die Synapsen in meinem Gehirn das erlösende Signal gaben oder die REM-Schlafphase endete.

    Eine zusätzliche Herausforderung war, dass ich gerade weder sprechen, noch mich bewegen konnte. So etwas passiert in Träumen ja öfter: Man versucht wegzurennen und kommt nicht von der Stelle. Dadurch wurde ich zur hilflosen Zuschauerin verdammt. Mein Zimmermitbewohner begann sich nämlich ungeniert auszuziehen und nahm mir damit meine letzten, ohnehin irrationalen Hoffnungen. Erst kam der Sakko dran, dann das Hemd. Nachdem er beides sorgsam und gekonnt knitterfrei über die Stuhllehne der zweiten Sitzgelegenheit gehängt hatte, trennte er sich von seinem Unterhemd.

    Jetzt stand er bereits mit nacktem Oberkörper da und mir blieb nichts übrig, als ihn die ganze Zeit anzustarren, wie ein Kaninchen die Schlange. Mein Körper verweigerte mir den Gehorsam.

    Was man bei trübem Kerzenschein erkennen konnte, besaß mein mir unbekannter Bräutigam ungewöhnlich bleiche Haut. Von diesem Makel abgesehen, machte er aber einen robusten, keineswegs unsportlichen Eindruck. Für Florians schmächtige Statur mochte meine Wehrhaftigkeit zwar reichen, diesem testosterongesättigten Hünen gegenüber befand ich mich jedoch eindeutig im Nachteil.

    Obwohl ich mich nicht rühren konnte, schaffte ich es innerlich zu zittern.

    Als es ans Ausziehen der Hose ging, schlossen sich meine Augen endlich, wie auch immer das zugegangen sein mochte. Nun war ich schwerpunktmäßig auf mein Gehör angewiesen, was sich keineswegs beruhigend auf meinen Zustand auswirkte. Ich vernahm das Rascheln weiterer Kleidungsstücke, dann plätscherte Wasser. Das Geräusch kam aus der Nische neben dem Kleiderschrank. Dort befand sich, wie ich in meiner ersten Raumanalyse festgestellt hatte, eine altmodische Waschschüssel samt dem dazugehörigen Wasserkrug auf einer niederen Anrichte. Ich durfte somit annehmen, dass sich mein vermeintlicher Ehepartner gerade wusch. Immerhin schien er reinlich zu sein.

    Jetzt hörte ich ihn barfuß durchs Zimmer tappen.

    Ohne jegliche Vorwarnung zogen sich die Vorhänge des Betthimmels zu. Das unerwartete Geräusch ließ mich mit einem unterdrückten Aufschrei hochfahren, das Federbett wie ein Schutzschild an mich gepresst. Meine Nerven lagen inzwischen mehr oder weniger blank. Der unerwartete Adrenalinschub bewirkte zudem, dass sich meine Augen wieder öffneten und in der nächsten Sekunde vor Schreck weiteten, als sie eine mächtige Gestalt in weißem Gewand neben mir erblickten. Wie ein geisterhaftes Wesen aus einem unterbelichteten Schwarzweiß-Film. Ein erwachsener Mann, der ein bis knapp zu den Knien reichendes Hemd als Nachtwäsche trug, war absolutes Neuland für mich. Eigentlich fehlte bloß noch die passende Zipfelmütze. Mir ging allerdings der Humor ab, um diesen Anblick lustig finden zu können.

    „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Es dünkt mir nur sinnvoll, bei dieser Kälte wenigstens die Zugluft aus unserer Lagerstatt zu verbannen." Er nahm mit der einen Hand den Leuchter vom Nachttisch und schob mit der anderen die restlichen Stoffbahnen zusammen, so dass eine Art Zelt entstand, in dessen Innern ich mich befand, allein… momentan… noch.

    Der Gedanke an Flucht drängte sich mir regelrecht auf. Weil ich jedoch nicht wusste, ob ich auf eigene Initiative überhaupt einen Finger krümmen konnte, er mich mit Sicherheit bereits vor der Zimmertür eingeholt hätte und ich keine Ahnung besaß, was mich hinter diesem Raum erwartete und in Träumen so ziemlich alles möglich sein kann, verwarf ich die Idee rasch wieder. Ein weiteres, Flucht hemmendes, Argument war, dass ich nur dieses kratzige, völlig unzureichende Spitzenteil ohne jegliche Schutzunterwäsche trug. Das entspricht keinesfalls meinen sonstigen Gepflogenheiten. Ich bin eine konsequente Befürworterin von Schlafanzügen.

    Der Kerzenständer wurde nun auf dem Nachttisch der anderen Bettseite abgestellt. Dort blieb der weiße Riese stehen und musterte mich, als müsse er überlegen, was er als Nächstes tun solle. Da er unzweifelhaft männlich war, würde ihm die Idee sicher schnell kommen und ich ahnte, in welche Richtung sie gehen dürfte. Mona hat mich im vergangenen Jahr hinreichend darüber aufgeklärt. Männer können nicht anders. Sie brauchen das. Deswegen darf ich Florian auch nicht böse sein. Die Schuldige bin sowieso ich, weil ich ihm die elementarsten Bedürfnisse vorenthalte. Wenn jemandes Verhalten nicht normal ist, dann meins. Mit 24 Jahren sollte man keine Jungfrau mehr sein und schon gar nicht, wenn man einen gutsituierten Freund besitzt, der den Religionsspleen mit einem teilt.

    Enden Träume normalerweise nicht an der dramatischsten Stelle? Dann, wenn die tödliche Kugel auf einen zufliegt oder man mitten in ein Rudel blutgieriger Wölfe gerät oder ein Baum von einem Mann über dich herfällt und sich das nimmt, was er denkt, dass ihm als Bräutigam zusteht?

    „Ich will dir etwas kundtun, bevor ich mich zu dir lege, Marie. In der Kirche habe ich öffentlich versprochen, dich zu lieben und zu ehren, bis der Tod uns scheidet. Dem möchte ich mit Verlaub etwas hinzufügen, das nur für deine Ohren bestimmt ist. Ich will dir ein fürsorglicher Kamerad und bedachter Liebhaber werden. Christine, Sophie und unsere künftigen Nachkommen sollen in mir einen verständnisvollen Vater finden. Und deiner Seele möchte ich gern ein Bruder sein, damit wir gemeinsam unserem himmlischen Herrn dienen können." Am Ende dieses feierlichen Versprechens schenkte er mir ein fast schüchternes Lächeln, das sein Gesicht förmlich aufleuchten ließ und eine ganze Reihe gesunder Zähne zum Vorschein brachte.

    In einem romantischen Film hätte ich mich garantiert für einen solchen Charakterdarsteller erwärmt. Auch hat noch nie jemand so nette, einfühlsame Worte für mich gefunden. Dennoch war ich hin- und hergerissen. Von dem abgesehen, dass ich nicht im Ansatz wusste, wer diese Christine und Sophie waren. Seine oder etwa meine Kinder? Außerdem macht es einen beträchtlichen Unterschied, schönen Worten zu lauschen oder sich gleich mit einem alles andere als gebrechlich wirkenden Körper konfrontiert zu sehen. Sein jugendliches Charisma sank auf jeden Fall beträchtlich, als er zu mir ins Bett schlüpfte. Sämtliche Alarmglocken begannen zu läuten, laut und eigentlich unüberhörbar.

    Vielleicht hörte er diese tatsächlich, denn vorerst wurde ich nicht berührt. Stattdessen setzte sich der frischgebackene Ehegatte brav mit etwas Abstand an meine Seite und blickte mich abwartend an.

    Ich wollte meinem Nebensitzer an dieser Stelle gern mitteilen, dass dies alles ein Versehen, bessergesagt nur ein Traum war, ich in echt Ronja heiße und darum unmöglich seine Frau sein konnte. Doch natürlich kam keine Silbe über meine Lippen. Ich saß bloß wie versteinert da und hielt meinen Teil der Bettdecke immer noch bis unters Kinn geklemmt.

    „Hat man dir schon jemals gesagt, dass du schön bist?", hörte ich ihn in die angespannte Stille hinein fragen.

    Das Unerwartete passierte. Meine Lippen öffneten sich: „Das bin ich nie und nimmer." Meine Stimme klang merkwürdig. Und sowieso hatte ich das überhaupt nicht gedacht. Warum sagte ich es also? Gut, ich finde zwar, dass es an meinem Körper Verbesserungspotential gibt, aber das diskutiere ich normalerweise nicht in der Öffentlichkeit und gleich gar nicht mit irgendwelchen Fremden, die glauben, mit mir verheiratet zu sein.

    Leider besaß ich wenig Macht über die Regie dieser Szene. Das Einzige, was ich aus freiem Willen tun konnte, war: denken, fühlen und riechen. Bei allem anderen wurde ich zur Statistin degradiert. Ob mich dies aber davor schützte, gleich dem körperlichen Vollzug einer Ehe beizuwohnen, war fraglich. Meine einzige Chance bestand darin, diese Marie, deren Rolle ich einnahm, irgendwie zu überzeugen, dass wir keinen Sex in der Hochzeitsnacht wollten.

    Der Traum begann, leicht schizophrene Züge zu entwickeln.

    Dermaßen in meine nervösen Überlegungen gefangen, hätte ich fast die Fortsetzung des Gesprächs verpasst.

    „Na so was? Dann sind wir in diesem Punkte wohl unterschiedlicher Ansicht, denn ich halte dich für durchaus begehrenswert. Aber du hast Recht, ich muss das natürlich erst nachprüfen." Er zwinkerte mir schalkhaft zu. Anschließend kam seine Hand wie in Zeitlupe zu mir herüber und strich vorsichtig eine meiner Locken aus der Stirn.

    Seine Berührung empfand ich wie einen elektrischen Schlag und meine letzten Hoffnungen schwanden dahin. Ich konnte ihn nicht nur spüren, meine Nervenenden befanden sich sogar auf der höchsten Sensibilitätsstufe. Falls ich nicht rechtzeitig aufwachte, würde dies eine erkenntnisreiche Nacht werden.

    „Mir gefällt dein Haar. Wenn man darüberstreicht, fühlt es sich wie kleine Sprungfedern an." Der Bräutigam zog neckend an einer Strähne, die sich aus meinem Zopf befreit hatte.

    Diese Definition ist neu. Man hat meine rebellische Naturmähne schon für eine missglückte Dauerwelle gehalten. Meist binde ich meine Haare darum zusammen. Aktuell trug ich sie zu einem Zopf geflochten.

    „Und deine dunkle Haut stört mich mitnichten", ergänzte er und fuhr mit seinem Zeigefinger über meine Stirn, die Schläfen entlang, rüber zur Nase und von dort bis zum Mund.

    Seine Berührungen erschreckten mich und begannen mir gleichzeitig zu gefallen. Unabhängig davon irritierten mich seine Worte. Ich werde von Freundinnen regelmäßig für meinen südländischen Teint beneidet, den mir ein unbekannter Vorfahr vererbt hat. Vor hundert Jahren sah man dies aber offenbar anders. Mein hellhäutiger Ehemann galt vermutlich als Adonis, während ich ein hässliches Entlein war, denn zu meiner Dauerbräune und der wallenden Mähne besitze ich einen eher schlanken Körperbau mit BH-Körbchen-Größe B, optimistisch veranschlagt. Maries Selbsteinschätzung ergab daher Sinn. Rubens Madonna wird nie als meine Zwillingsschwester durchgehen.

    Durch meinen ästhetischen Gedanken-Ausflug hätte ich fast erneut den Anschluss verpasst. Vielleicht versuchte ich mich aber auch mit aller Gewalt abzulenken, denn der Finger strich mittlerweile sanft die Konturen meiner Lippen nach. Mein Puls schraubte sich dadurch steil nach oben und ich bekam trotz der kühlen Raumtemperaturen Hitzewallungen. 

    Jetzt näherte sich sein Mund. Das dazugehörige Gesicht geriet zur Nahaufnahme. Der Bräutigam wartete geduldig bis ich zu ihm hochschaute. Dann nickte er und murmelte: „Doch am schönsten sind deine Augen. Man glaubt, in ihnen zu ertrinken."

    Ab da war ich verloren. Wenn hier jemand ertrank, dann ich, und zwar in zwei tiefblauen Seen. Selbst für den Fall, dass ich mich hätte retten können, wäre kein Mucks an Gegenwehr mehr von mir gekommen. Weiche Lippen legten sich auf meine und große, warme Hände umfingen meinen Kopf. Man soll beim Küssen besser keine Vergleiche ziehen, aber es war schöner als alles, was ich je in dieser Hinsicht erlebt hatte. Ich schmolz förmlich dahin…

    … bis mir der Atem knappwurde, weil mein zweites Ego beschlossen hatte, keine Luft mehr zu holen. Dies bemerkte auch unser Bettgenosse und brach unvermittelt ab.

    Marie und ich kämpften anschließend um Sauerstoff. Sie schnappte nach Luft und ich empfand sehr eindrucksvoll die dazugehörige Atemnot.

    „Es lag nicht in meiner Gesinnung, dich mit dem ersten Kuss gleich zu meucheln. Wir müssen das unbedingt fortan üben, stellte unser Gatte vergnügt klar, während Marie und ich zu einem normalen Atemrhythmus zurückzufinden versuchten. „Was hältst du davon, wenn wir jetzt schlafen? Du wirkst erschöpft.

    Ich starrte ihn verblüfft an und Marie sprach ausnahmsweise die passenden Worte dazu, so in ungefähr zumindest: „Werden Sie…? Äh… Willst du nicht…? Ich meine…"

    „Wir haben genug Zeit, eine ganze Ehe lang. Leg dich nieder. Du fühlst dich eiskalt an."

    Marie rutschte zögernd nach unten, sorgsam darauf bedacht, dass ihr Nachthemd diese Reise mit antrat.

    Danach wurden die Kerzen ausgeblasen und das letzte Stück Vorhang zugezogen. Zum Schluss rückte unser Bettnachbar neben sie. So dicht, dass auch ich ihn spüren konnte. Eine Hand glitt in der Dunkelheit um unsere Taille und verblieb dort.

    Obwohl sonst tatsächlich nichts passierte, wirkte Marie wie erstarrt. Ihr Herz schlug schmerzhaft von innen gegen die Rippen. Sie misstraute ihrem Ehemann. Das war anhand ihrer Reaktion klar. Aber warum?

    „Keine Angst, dir wird nichts geschehen. Ich will dich bloß wärmen. Schlaf gut, Marie." Er drückte seine Lippen auf ihren Scheitel, umschlang sie noch etwas fester und schlief irgendwann ein, wie ich an seinen tiefer werdenden Atemzügen erkennen konnte.

    Positiv zu vermerken war, dass er im Gegensatz zu Florian nicht schnarchte. Ich weiß dies, seit ich ihn einmal nach einem feuchtfröhlichen Männerabend auf dem Sofa bei Monas Freund vorgefunden habe. Das sägende Geräusch hätte mich auch blind zu seiner Schlafstätte geführt.

    Marie und ich lagen in dieser Nacht noch lange wach. Mit einem Pulsschlag von über hundert, schafft man es schwer einzuschlafen. Dadurch bekam ich ausreichend Gelegenheit, über diese Situation nachzudenken.

    Das, was gerade passierte, war total verrückt. Wie konnte es sonst sein, dass man im Schlaf mitten in die Geschichte zweier Menschen geriet, ohne jegliche Distanz wahren zu können und sich gleichzeitig vom Verstand und seinen Sinnen hellwach fühlte? Inzwischen fand ich diesen Traum aber gar nicht mehr übel. Deshalb beschloss ich, jede weitere Sekunde auszukosten.

    Ich meinte sogar den Geruch unseres Bettgefährten wahrnehmen zu können. Natürlich benutzte er kein Deo oder Aftershave. Auch Dusch- und Körperlotionen dürften damals unbekannt gewesen sein. Dennoch roch er frisch und angenehm bodenständig. Ein wenig nach Wald. Wie eine Mischung aus Holz und Erde mit einem Hauch Zitrone. Auf jeden Fall anders als sämtliche Männer, die ich kannte.

    Das war das letzte, was sich mir einprägte, bevor ich eingeschlafen sein musste, denn als ich aufwachte, lag ich in meinem Bett, allein, in meiner mir vertrauten Welt und mein Wecker zeigte, dass es höchste Zeit war aufzustehen.

    Kapitel 2:

    Manchmal, wenn man etwas Schlimmes erlebt und endlich einschläft, ist man beim Aufwachen unsicher, ob man alles bloß geträumt hat. Beim Tod meines Vaters war es so gewesen. Ein Polizist stand eines Abends vor unserer Haustür und überbrachte die Nachricht, dass dieser mit dem Auto tödlich verunglückt sei. Man stünde vor einem Rätsel, denn die Straße verliefe an dieser Stelle schnurgerade und es wäre kein anderes Auto im Spiel gewesen.

    Als Achtjährige kapiert man manches nur bruchstückhaft. Aber ich wusste, dass meine Eltern häufig stritten, mein Papa seit über einem Jahr wo anders lebte und den Kontakt zu uns fast vollständig abgebrochen hatte. Es gab auch Probleme mit Alkohol. Vielleicht reagiere ich darum bei Florian so empfindlich darauf.

    Am Morgen nach dieser Schreckensbotschaft wachte ich auf und glaubte, es wäre ein Albtraum gewesen. Doch als ich Mutter mit rotverweinten Augen durch die Wohnung laufen sah, realisierte ich Stück für Stück, dass auch im Alltag grausame Dinge passieren können. Den praktischen Teil dieser Erkenntnis erhielt ich drei Tage später auf der Beerdigung.

    An diesem Montagmorgen ging es mir ähnlich, nur genau umgekehrt. Mein Traum war derart realistisch gewesen, dass ich kaum glauben konnte, alles habe sich lediglich in meinem Kopf abgespielt. Während ich Fertigmüsli in mich hineinlöffelte, meinte ich noch diese tiefe, warme Stimme im Ohr zu haben.

    Ernsthaft, sowas schaffe nur ich! Da verliebe ich mich zum ersten Mal Hals über Kopf und dann ist es gleich von vornherein komplett hoffnungslos, weil es erstens diesen Traummann gar nicht gibt, ich zweitens keine Möglichkeit habe, ihn wiederzusehen – wann träumt man schon Fortsetzungen? - und drittens und das ist der Gipfel alles Schlimmen, er eine gewisse Marie und nicht mich liebt und geheiratet hat. Das letzte, was ich gebrauchen kann, ist eine traumatische Dreiecksbeziehung.

    Auf dem Weg zu meinem Arbeitsplatz fühlte ich mich immer noch wie weggetreten. Trotzdem checkte ich heroisch meine aufgelaufenen Mails und sonstigen Nachrichten. Ich sollte besser rasch in meine Gegenwart zurückfinden und dazu gehört, dass man in meiner Generation über soziale Medien kommuniziert.

    Dummerweise bin ich keine typische Handynutzerin, was man mir in meinem Freundeskreis oft genug vorwirft. Weder bin ich dauerhaft online, noch trage ich es in Körpernähe. Meine Erreichbarkeit stellt sich von daher recht mäßig dar. Dies rächt sich, weil ich spontane Termine verpasse oder mich, wenn ich mein Handy einschalte, Unmengen von alten Nachrichten gegenübersehe.

    So wie jetzt. 24 WhatsApp-Botschaften, 11 E-Mails und 3 SMS überfluteten mich geradezu und ließen mein Handy brummen, pfeifen und klingeln, als wolle es samt Handtasche abheben.

    Die Busfahrt war zu kurz, um alle Defizite aufzuarbeiten, aber nachdem ich die unvermeidlichen Werbungen gelöscht hatte, sah ich, dass allein fünf Nachrichten von Florian stammten, inklusive zweier verpasster Anrufe. Drei gingen auf Monas Rechnung und ansonsten sollte ich mich dringend bei den Leuten von meinem Gesprächskreis melden. In der Gruppe wurde nach jemandem gesucht, der am Abend die Themeneinheit übernehmen konnte und bisher wussten alle nur, wer keine Zeit dazu besaß.

    Ich stellte im Nachhinein fest, dass es eine glückliche Fügung gewesen war, mein Handy gestern auf dem Küchentisch vergessen zu haben, als ich Oma im Altenheim besuchte.

    Von einem entspannten Treffen hatte dennoch keine Rede sein können. Meine Großmutter hatte mich nicht mal ansatzweise erkannt, obwohl ich sie möglichst häufig zu sehen versuche. Sie befindet sich seit etwas über einem Jahr auf einer Pflegestation für Demenzkranke und lebt phasenweise in einer abstrus eigenen Welt. Sämtliche Besucher werden in die aus ihrer Sicht passenden Rollen gepresst. Dieses Mal sprach sie mich zum Beispiel konsequent mit Marie an, wer auch immer das sein mochte. Optische Kriterien und zwingende Logik gibt es für Demenzkranke nun mal nicht.

    Wahrscheinlich hieß meine Braut heute Nacht deswegen so. Doch eigentlich kam ich damit noch ganz gut weg. Ein halber Tag auf einer Demenzstation hätte auch genug Stoff für einen Horrortrip geboten: Während ich meiner Oma die Abendmahlzeit in mundgerechte Happen schnitt, war neben mir ein distinguiert aussehender, grauhaariger Herr singend hin- und hergeschwankt. Ein paar Leute hatten sich um eine zerfledderte Babypuppe gestritten. Der verhältnismäßig junge, korpulente Mann vom Tisch gegenüber probierte unser Essen zu klauen, was hieß, dass ich Omas Brot hart verteidigen musste. Und im Hintergrund hatte eine verschrumpelte Greisin bei jedem lauten Geräusch verschreckt aufgeschrien und gegen unsichtbare Mächte zu kämpfen versucht. Die harmlosesten unter den Patienten sind eindeutig diejenigen, die still in ihren Rollstühlen vor sich hinvegetieren.

    Während ich im Großraumbüro einlief, das mir seit knapp zwei Jahren ein sympathisch stabiles Einkommen und einen geregelten Tagesablauf beschert, versuchte ich meine jüngsten Erinnerungen abzuschütteln. Es misslang. Meine Gedanken schweiften kontinuierlich ab, wie eine Herde störrischer Schafe.

    Ich merkte es jedoch erst, als Mona mir auf die Schulter tippte und meinte: „Na, hast du dich endlich mit Florian versöhnt?" Sie musste sich heimtückisch von hinten an mich herangeschlichen haben.

    Vorsichtshalber fragte ich: „Wie kommst du denn auf die Idee?"

    „Du grinst ständig vor dich hin. Hach, es wurde auch Zeit. Der arme Kerl hat ja so gelitten." Meine Freundin seufzte theatralisch und zauberte ein schwülstig-wissendes Lächeln auf ihre roten Lippen.

    Ich konnte Mona schwerlich erklären, dass ich gerade eine spritzige Diskussion mit meinem Schein-Ehemann geführt hatte, bei der ich endlich mein sprachliches Potential hatte entfalten können und nicht gezwungen war, die ganze Zeit vor mich hinzustarren und zu schweigen.

    Peinlicher Weise wechselte der Monitor just in diesem Moment in den Bildschirmschoner, ein farbenfrohes Logo unserer Bausparkasse. Er ist auf fünf Minuten eingestellt. Hektisch klickte ich die vernachlässigte Eingabemaske für Kundendaten zurück, tat professionell beschäftigt und murmelte: „Du irrst dich. Die Beziehung liegt weiterhin auf Eis."

    Meine Freundin zog als Konsequenz vieldeutig eine Augenbraue hoch. Durch diese akrobatische Muskelleistung bekommt ihre Mimik immer so eine hellseherische Komponente. Unbedarfte Gesprächspartner verunsichert sie damit regelmäßig.

    Mir vermochte Mona an diesem Morgen aber kein Geständnis zu entlocken. Ich bemühte mich stattdessen, dermaßen bedeutungsleicht dreinzuschauen, dass meine Pupillen bereits zu schielen anfingen.

    Ganz überzeugen konnte ich sie freilich nicht.

    „Schade, ich hätte gewettet, dass eine rauschende Versöhnungsorgie hinter euch liegt." Sichtlich widerwillig begab sie sich an ihren Schreibtisch zurück.

    Den restlichen Vormittag wurde ich von lauernden Blicken bombardiert. Meine Konzentration ging dadurch vollends vor die Hunde. Doch ich versuchte mich wenigstens rein äußerlich zusammenzureißen, um dem Bildschirmschoner keine Chance mehr zu geben.

    Sämtliche schauspielerischen Bemühungen scheiterten allerdings, als Florian das Büro betrat und wie zufällig vor meinem Arbeitsplatz stehenblieb.

    Er sah heute nicht besonders frisch aus und sein aschblondes Haar ließ das übliche Styling vermissen. „Warum reagierst du eigentlich nicht auf meine Nachrichten?", erkundigte er sich und hielt mir, um Eindeutigkeit bemüht, sein nagelneues Smartphone unter die Nase.

    Mich umgab sogleich ein edler Hauch von Hugo Boss, kleidungs- wie parfümtechnisch. Mein Freund bedient ungern das Image des kernigen Naturburschen und wirkt in der Regel wie aus dem Ei gepellt, auch in seiner Freizeit. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er überhaupt eine Jogginghose besitzt.

    Heute bot er jedoch ein Bild des Jammers, was mich sofort in die Defensive drängte. „Sorry. Ich habe gestern mein Handy zuhause liegen lassen, entschuldigte ich mich fast automatisch. Eigentlich sollte er dieses Argument kennen, denn es führt meine Hitliste an. Gefolgt von „Mein Akku war leer.

    „Und wo warst du den ganzen Tag?"

    Prinzipiell ging ihn das zwar nichts an, aber da ich ein wohlerzogenes Mädchen bin und anderen Menschen ungern Kummer bereite, antworte ich auf mir gestellte Fragen. „Bei meiner Oma."

    Zu Beginn unserer Freundschaft war Florian einmal mit ins Pflegeheim gegangen. Doch der Besuch hatte in einem Fiasko geendet, weil meine Großmutter Angst vor ihm bekam. Und das, obwohl er sie mit ausgesuchter Freundlichkeit behandelt hatte und sich sogar breitschlagen ließ, am Klavier alte Kirchenlieder zum Besten zu geben. Anschließend war eine ganze Traube andächtiger Damen und Herren um ihn herumgestanden und die Pflegerinnen hatten gefragt, ob er in Zukunft öfter kommen wolle. Dennoch war Oma die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen, mich von ihm abzudrängen. Wie eine Vogelmutter, die den Feind vom Nest ihres Nachwuchses wegzulenken versucht.

    „Machen wir nachher zusammen Mittagspause? Ich muss mit dir reden."

    Das klang nur begrenzt nach einer offenen Frage, der man mit einem klaren „Nein" begegnen konnte. Außerdem tue ich mich mit Absagen grundsätzlich schwer. Dies kombiniert mit einem unterschwelligen Helferkomplex hat mir bereits ehrenamtliche Aufgaben in der Kirchengemeinde, bei der Flüchtlingsarbeit und am Arbeitsplatz verschafft. Wahrscheinlich beruht sogar meine lausige Beziehung zu Florian auf diesem Problem.

    Mit einem „Es wird nichts ändern, versuchte ich wenigstens etwas Standfestigkeit zu beweisen, die bei seinem nächsten Satz aber sogleich ins Wanken geriet. „Ich kann seit Wochen nicht mehr richtig schlafen.

    „Na gut, um zwölf."

    Seine Gesichtszüge belebten sich sichtlich und verloren ihren trauerummantelten Flor. Dass er nicht pfeifend den Raum verließ, war alles.

    „Und wieder einmal hast du einen Menschen glücklich gemacht", kommentierte Mona, die uns von ihrer Fernwarte, zwei Arbeitsplätze weiter, beobachtet hatte.

    Es fehlte nicht viel und ich hätte meine kümmerliche Grünlilie, die auf meinem Schreibtisch für Wohlfühlatmosphäre sorgen soll, nach ihr geworfen.

    Eine Stunde später saß ich an einem elitären Tisch in der oberen Etage unserer Cafeteria meinem Freund gegenüber. Die Ausstattung dort ist ganz in Marmor, Chrom und Glas gehaltenen und soll die Finanzkraft unseres Arbeitgebers untermauern und zugleich die Transparenz des Unternehmens demonstrieren. Florian passt haargenau hierher, vom schicken Anzug angefangen, über sein normalerweise gestyltes Äußeres, bis hin zur Designer-Armbanduhr. Darum hat er es auch innerhalb kürzester Zeit zum Teamleiter gebracht. Mir dagegen flößt dieses noble Umfeld latentes Unbehagen ein und degradiert mich zur linkischen Außenseiterin. Zumindest schaffe ich es seit fünf Jahren nicht, mich in dieser Hochglanzwelt heimisch zu fühlen.

    Von dem abgesehen bereute ich gerade bitter meine Inkonsequenz, obwohl zwei Tabletts mit leckerem Kantinenessen zwischen uns standen.

    Florian gelobte Besserung. Gleichzeitig versuchte er nach meiner Hand zu greifen, als sichtbares Zeichen, dass nun alles wieder gut sei und wir zusammengehörten. Weil der Versuch scheiterte, fragte er ersatzweise, ob er heute Abend mit in den Gesprächskreis könne. Die letzten Male hatte er zu meiner Erleichterung gefehlt.

    Eigentlich finde ich es wenig bis überhaupt nicht sinnvoll, eine Gruppe durch ein sich in der Krise befindliches Paar zu belasten. Alternativ selbst wegzubleiben, wäre jedoch noch unfairer gewesen, weil ich vor einer Stunde versprochen hatte, die Leitung des Thementeils zu übernehmen.

    „Das ist deine Entscheidung, Flo. Privat

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