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Schattenglanz: Jeder Anfang ist schwer
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eBook377 Seiten5 Stunden

Schattenglanz: Jeder Anfang ist schwer

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Über dieses E-Book

-Ich war zu wütend gewesen. Dass es auch immer so enden musste! Wir bekamen uns einfach ständig in die Haare und zurzeit war es besonders schlimm. Ich hatte ihr gesagt, dass sie sich besser von mir fernhalten sollte, aber ebenso dumm, wie die anderen davor, war sie geblieben. Und ich wusste, wie es enden würde. Kannte das Ende schon, bevor es überhaupt geschah.-



Larissa wird von ihren Eltern in den Sommerferien zu sechs Wochen Sommercamp verdonnert. Sie ist am Boden zerstört und wünscht sich nur, dass die Ferien so schnell wie möglich vorbei gehen. Da ändert auch die Tatsache nichts daran, dass sie bald neue Leute kennenlernt, die ganz nett zu sein scheinen. Doch dann trifft sie auf Laurin. Der so geheimnisvoll und anders ist, als alle anderen, sie aber irgendwie zu hassen scheint. Und alles verändert sich...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. März 2014
ISBN9783847654261
Schattenglanz: Jeder Anfang ist schwer

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    Buchvorschau

    Schattenglanz - Ina Maria Teutsch

    PROLOG

    Herbst 1548

    Ein kalter Windhauch fuhr durch die riesigen Eichen, die dicht gedrängt um mich herum standen und ließ sie flüstern. Sie erzählten Geschichten aus längst vergangenen Tagen, die keiner mehr zu hören schien und alle schon längst vergessen hatten. Doch ich verstand sie, hörte ihre anklagenden Worte. Es fröstelte mich und ich zog mir den Mantel enger um meinen schlotternden Oberkörper. Ich hätte mir etwas Wärmeres anziehen sollen und bereute es ihre gut gemeinten Anweisungen nicht befolgt zu haben. Aber ich war zu wütend gewesen. Dass es auch immer so enden musste! Wir bekamen uns einfach ständig in die Haare und zurzeit war es besonders schlimm. Ich hatte ihr gesagt, dass sie sich besser von mir fernhalten sollte, aber ebenso dumm wie die anderen davor, war sie geblieben. Und ich wusste, wie es enden würde. Kannte das Ende schon, bevor es überhaupt geschah. Es war jedes mal das Gleiche und deshalb trotzdem nicht weniger schmerzhaft. Im Gegenteil. Es schien fast so, als würde es von mal zu mal schlimmer werden. Mit einem erschöpften Stöhnen rieb ich mir über die müden Augen. Wie oft hatte ich das jetzt schon erlebt? Tausendmal? Hunderttausend mal? Ich hatte aufgehört zu zählen. Hatte aufgehört mir ihre Namen und ihre Gesichter zu merken. Denn das schmerzte nur noch mehr. Und genauso würde es auch mit ihr passieren. Sie würde ein weiterer Fehler in meinem verdammten, nichtsnutzigen Leben sein. All ihre Bemühungen nützten nichts. Sie konnte nichts dagegen tun, was mit ihr geschah. Sie würde ebenso in diese Schwärze hinabgezogen werden, die mir nachts oft bis in meine Träume folgte, wie alle anderen vor ihr auch. Und ich würde weiterhin durch die Welt streifen. Weiterhin dazu verdammt alles, was mir auch nur ein kleines bisschen etwas zu bedeuten schien, in die Schwärze hinab zureisen. Es hatte sich nur eines mit der Zeit verändert. Es tat mir nicht mehr leid. Am Anfang war ich von Schuldgefühlen geplagt gewesen, nun nahm ich es nur noch als gegeben hin. Es war meine Bürde immer wieder von neuem jemanden wie sie zu finden und ins Verderben zu stürzen. Daran konnte man nichts ändern, auch wenn ich es mir oft gewünscht hätte. An das erste Mal erinnerte ich mich aber noch viel zu genau. Es war, als wäre es erst gestern gewesen. Die Bäume um mich herum brausten und schwankten heftig im Wind. Ja, sie wussten es genau. Marianna hatte sie geheißen. Ein kleines, süßes, unschuldiges Ding, das sich wie alle anderen zu mir hingezogen fühlte. Es war wie immer so furchtbar einfach gewesen sie für mich zu gewinnen. Absolut keine Herausforderung. Wie sie sich ihrem Vater widersetzt hatte, nur um bei mir zu sein! Dabei hatte er sie vor mir gewarnt. Hätte sie damals nur auf ihn gehört. Aber sie war zu mir gekommen. Immer und immer wieder, schon bald abhängig von mir. Bis es dann eines Tages passiert war. Zuerst war da nur ein nebliger Rauch im Zimmer gewesen. Wir küssten uns leidenschaftlich und ich konnte noch genau ihr unbändiges Verlangen spüren, ihren Körper, der sich eng an meinen presste, als wäre es gerade eben erst geschehen. Wie ich es genossen hatte mit ihren so offensichtlichen Gefühlen zu spielen! Doch dann war der Nebel dichter geworden. Ich hatte mich verdutzt umgeblickt, aber sie schien es gar nicht bemerkt zu haben. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter, wenn ich mich an das Bild zurückerinnerte. Und da war zum ersten mal die Schwärze erschienen. Sie war nicht wie die Schwärze in einer mondfinsteren Nacht, sondern eine Schwärze, die alles zu verschlingen drohte, was sich ihr in den Weg stellte. Sie schien ein Eigenleben zu führen und hatte sich langsam um Mariannas Fuß geschlängelt. Ein heiserer Schrei war meinen Lippen entwichen und ich hatte sie heftig von mir gestoßen, was sie zurück taumeln ließ. Entsetzen hatte sich in ihrem wunderschönen Gesicht ausgebreitet und es zu einer hässlichen Fratze verwandelt, doch es war zu spät gewesen. Die Schwärze ergriff nun von ihrem ganzen Körper Besitz, als wäre es ihr Eigentum und schlich sich in ihre Augen. Diese Augen waren das Schrecklichste, was ich je zuvor gesehen hatte. Sie waren stumpf und grau und in ihnen herrschte eine Ausdruckslosigkeit, die jedes mal wieder in meinem Herzen brannte, wenn ich sie aufs Neue sah. Und dann hatte der Schatten sie mitgenommen. Weggebracht an einen Ort, wo es kein Leben gab. Doch mich hatte er zurückgelassen. Zurückgelassen mit der Bürde allein zu sein und für ihn immer wieder weitere wehrlose Opfer zu finden. Denn ich war gebrandmarkt. Es war vor langer Zeit mein eigener, unbedachter Fehler gewesen, der mich zu dem gemacht hatte, was ich nun war. Und so würde es ewig bleiben. Seufzend drehte ich mich um, machte mich auf den Weg zurück zu meinem Landhaus, ganz genau wissend, was nun folgen würde. Und das anklagende Rauschen der Bäume begleitete mich.

    KAPITEL 1 - Der Eingang zur Hölle

    Teil 1 Larissas Sicht

    Der Wecker riss mich unsanft aus einem viel zu schönen Traum. Entnervt fuhr ich hoch und knallte mit meinem Kopf gegen die Dachschräge. Guten Morgen auch! Wütend drückte ich auf den Ausschalter und das nervtötende Piepen verstummte augenblicklich. Erleichtert ließ ich mich in die Kissen zurück sinken. Es war Montagmorgen sieben Uhr. Der erste Tag der Sommerferien und ich durfte trotzdem nicht ausschlafen. Super! Draußen vor dem Fenster strahlte die Sonne und ein paar Amseln zwitscherten munter eine lustige Melodie, doch meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt angelangt. Mit einem lauten Krachen flog da die Tür zu meinem Zimmer auf und meine Mutter platzte ohne anzuklopfen herein: Aufstehen Lissylein! Du weißt, dass wir früh fort müssen! Beeil dich also! Wie ich diesen Namen hasste! So nannte sie mich immer dann, wenn ihr etwas ganz und gar nicht passte. Und das war in letzter Zeit sehr häufig der Fall. Aber ob mir etwas nicht passte, interessierte sie einen Dreck. Mürrisch erwiderte ich ein zickiges: Lass mich in Frieden, ich komme ja gleich! Daraufhin drehte sich meine Mutter ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz um und verschwand nach unten. Von dort konnte ich das geschäftige Klappern von Geschirr hören. Mein Vater war wohl auch schon aufgestanden, um mich noch verabschieden zu können. Mein Blick fiel auf den Koffer in der Ecke, der traurig mit seiner neongrünen Farbe zu mir herüber leuchtete. Er würde das einzig Vertraute in den nächsten sechs Wochen sein. Denn meine Eltern hatten entschieden mich in ein Sommercamp zu stecken, irgendwo am letzten Arsch der Welt. Wo es keine Shoppingcenter, Schwimmbäder und Kinos in der unmittelbaren Nähe gab und was das aller Schlimmste war, nicht einmal Internet hatte. Wie sollte ich das nur überleben?! All meine Freundinnen flogen nach Mallorca oder in die Karibik, doch ich durfte in einem Sommercamp vor mich hin vegetieren. Das war tausendmal schlimmer, als im Gefängnis zu hocken! Meine Eltern hatten dazu nur achselzuckend gemeint, dass es mir ganz gut tun würde einmal aus der Stadt herauszukommen und Landluft zu schnuppern. Aber da war ich ganz anderer Meinung. Ich hatte sie angefleht mich nicht fortzuschicken, doch sie waren hart geblieben. Und seitdem hatte ich so gut wie kein Wort mehr mit ihnen gewechselt. Sie waren selbst schuld. Widerstrebend sprang ich auf, schnappte mir meine Klamotten und stapfte ins Bad davon. Mein Spiegelbild funkelte mir wütend entgegen. Meine blond-braunen, schulterlangen Haare standen mir dabei wirr in alle Richtungen vom Kopf ab, meine blau-grünen Augen wirkten müde und mein voller Mund war zu einem wütenden Strich verzogen. Na super! Wie sollte ich das nur einigermaßen hinbekommen? Wobei es die ganzen Langweiler im Camp wahrscheinlich eh nicht interessierte, wie ich aussah. Trotzdem stieg ich unter die Dusche und ließ das warme Wasser auf mich niederprasseln. Ich atmete dreimal tief durch und bemühte mich irgendetwas Positives an der ganzen Situation zu finden, was mir aber nicht so recht gelingen wollte. Was sollte man bitte schön sechs Wochen lang in einem Camp anfangen? Und auf die ganzen Gruppenspiele und Wanderungen hatte ich erst recht keine Lust. Was alles aber noch viel schlimmer machte, war, dass man von Montag bis Samstag morgens vier Stunden Unterricht hatte. Auch deshalb hatten meine Eltern beschlossen mich dorthin zu verfrachten. Meine letzten Noten waren nämlich leider nicht gerade sehr überragend ausgefallen, milde ausgedrückt. Aber das konnte doch jedem mal passieren! Das gab ihnen noch lange nicht das Recht mir meine Sommerferien zu stehlen. Resigniert stieg ich aus der dampfenden Dusche und seufzte. Ich gab einen erbärmlichen Anblick ab mit meinen triefend nassen Haaren und den hängenden Schultern. Schnell stellte ich mich aufrecht hin und schrie mich innerlich selbst an, jetzt nicht aufzugeben. Das würde ich meinen Eltern nicht gönnen. Ich würde ihnen nicht auch noch die Genugtuung geben mich am Boden zu sehen! So gut es ging machte ich mich also fertig und nachdem ich mich auch noch geschminkt hatte, sah ich zumindest wieder einigermaßen passabel aus. Langsam stapfte ich die Treppe hinunter in die Küche, wo meine Eltern bereits ungeduldig auf mich warteten. Beeil dich jetzt! Wir müssen schon in zehn Minuten fort!, schnauzte mich meine Mutter an. Ich muss gar nichts, entgegnete ich pampig, und wenn wir später kommen ist es mir auch egal. Meine Mutter funkelte mich wütend an, doch mein Vater legte ihr beschwichtigend seine Hand auf die Schulter: Lasst uns schnell etwas essen. Larissa was willst du? Pfannkuchen mit Nutella? Ich verdrehte nur genervt die Augen und setzte mich an den Küchentisch. Sie hatten mir also mein Lieblingsessen als Bestechung gemacht. Super! Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass sie mich für sechs Wochen abschoben. Nachdem ich fünf Pfannkuchen verdrückt hatte, verabschiedete ich mich kühl von meinem Vater und stieg hinten ins Auto ein, um nicht neben meiner Mutter sitzen zu müssen, die mich vollaberte, dass das Camp bestimmt super spaßig werden würde. Dass ich nicht lachte! Während der ganzen Fahrt starrte ich trübselig aus dem Fenster und beobachtete, wie die Besiedlung immer spärlicher wurde. Die vielen Hochhäuser und gut ausgebauten Straßen verschwanden und schon bald fuhren wir einen holprigen Feldweg entlang, der nicht mehr im geringsten an eine befahrbare Straße erinnerte. Ich drehte meine Musik auf volle Lautstärke, sodass meine Kopfhörer vibrierten und es mir in den Ohren schmerzte. Ich durfte einfach nicht an die nächste Zeit denken. Denn sonst hätte es durchaus passieren können, dass ich auf der Stelle die Beherrschung verlor. Langsam bog unser Wagen um eine Kurve und hielt vor einem schmiedeeisernen Tor, auf dem in rostroter Farbe, die mich an getrocknetes Blut erinnerte, Camp Sonnenschein geschrieben stand. Die Buchstaben schienen mich zu verhöhnen. Meine Mutter stieg aus und hiefte ächzend meinen Koffer aus dem Kofferraum. Ich war mittlerweile mit steifen Gliedern ausgestiegen und beäugte misstrauisch die Gegend. Weit und breit war nichts außer Wiesen und Bäume zu erkennen. Meine Mutter stieß einen missbilligenden Seufzer aus: Du bist schon viel zu spät dran. Ich erwiderte nichts darauf, sondern riss ihr den Koffer aus den Händen. Dann stapfte ich ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei, durch das Tor hindurch, das mir wie der Eingang zur Hölle erschien. Eine Hölle, die ich nun ganz allein sechs Wochen ertragen musste.

    KAPITEL 2 - Die Ankunft

    Das Erste, was ich in diesem stickigen Camp zu Gesicht bekam, war der Rücken eines Campleiters. Doch kurz darauf nahm ich meine erste Vermutung wieder zurück. Es war durchaus möglich, dass es sich hierbei um eine Leiterin handelte. Irgendwie schien das Wesen vor mir wohl eine Mischung aus beidem zu sein. Es hatte kurze, fettige Haare und einen Bierbauch. Gelbe Zähne blitzten mir gefährlich entgegen, als das Wesen sich zu mir umdrehte und mit maßlos übertrieben fröhlicher Stimme: Willkommen im Camp Sonnenschein, hier werden wir alle gemeinsam fröhlich sein! flötete. Seine viel zu engen Kleider spannten sich bei einem kratzenden Lachanfall so stark, dass ich schon Angst hatte, sie würden gleich platzen und mir mit einem lauten Knall um die Ohren fliegen. Angeekelt wich ich einen Schritt zurück und rümpfte unwillkürlich die Nase. Wenn das so weiter ging, würde ich nach schon einer Stunde schreiend das Weite suchen. Ich bin Frau Barsch und die Leiterin des Camps seit fünfzehn Jahren, riss mich da die Stimme der seltsamen Erscheinung vor mir aus meinen verzweifelten Gedanken. Oh mein Gott! Das Rätsel war also gelöst! Es war eine Frau! Und wahrscheinlich schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr hier herausgekommen, so wie sie aussah. Ich zeige dir kurz dein Zimmer und in einer halben Stunde treffen wir uns zu einer Vollversammlung in der Aula, wo wir uns alle besser kennenlernen können, flötete diese gute Laune in Person nun weiter und reichte mir einen Zimmerschlüssel und einen Plan, auf dem fünf Gebäude zu erkennen waren. Achselzuckend folgte ich ihr zu dem ganz linken Gebäude. Das hier ist das Sonnenblumenhaus für die Mädchen. Die Jungs sind dort drüben im Magnolienhaus untergebracht. Nach zehn Uhr dürft ihr nicht mehr bei den anderen im Haus sein. Verstoßt ihr dagegen, werdet ihr zu einem Tag Stallarbeit verdonnert. Die anderen Regeln stehen in der Hausordnung, die auf dem Tisch in deinem Zimmer liegt. Wenn du noch Fragen hast, wende dich bitte an Marie. Sie ist deine Gruppenleiterin, erklärte Frau Superfröhlich, wie ich sie insgeheim getauft hatte. Sie führte mich in das Gebäude für die Mädchen hinein, das noch aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen schien. Der Boden der großen Eingangshalle war aus dunklem Eichenholz, das bei jedem Schritt bedrohlich knarrte. Die Wand und die Decke bestanden dagegen aus weißem Gips, der aber schon etwas braun geworden war und bröckelte. Na toll! Was wenn hier gleich das ganze Haus in sich zusammenbrach? Von der Decke hingen nackte Glühbirnen und an den Wänden Bilder von irgendwelchen nichtssagenden Farbklecksen, wie ich sie schon immer gehasst hatte. Es wurde eindeutig immer besser! Wir stiegen eine schmale Treppe hinauf, was sich mit meinem Koffer in der Hand zu einem echten Problem entwickelte. Warum gab es hier auch keine Aufzüge? Oben angekommen gingen wir ganz ans andere Ende des Ganges. Die Ausstattung glich exakt die der Eingangshalle. Natürlich hatte ich ausgerechnet das letzte Zimmer am hintersten Ende des Hauses erhalten müssen. War ja mal wieder typisch. Ich öffnete mit meinem Schlüssel die Tür und Frau Superfröhlich wuselte zu meiner großen Freude sofort weiter zu irgendeinem anderen bemitleidenswerten Opfer, das sie zu begrüßen hatte. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett plumpsen und schaute mich in meinem Zimmer genauer um, das nun für sechs Wochen mein Zuhause sein sollte. Mein Zufluchtsort. Wenigstens hatte ich ein Einzelzimmer, was mich zumindest ein kleines bisschen beruhigte. Denn mit einem dieser Langweilermädchen in einem Zimmer zu schlafen, die freiwillig hier ihre Ferien verbrachten, wäre der sichere Untergang für mich gewesen. Das Zimmer erstrahlte in demselben braun-weiß, wie der Rest des Gebäudes und was mich an verfaulte Essensreste erinnerte. Es befanden sich ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, die aber recht instabil wirkten, ein winziger Schrank, bei dem ich mir jedoch nicht einmal sicher war, ob all meine Klamotten da überhaupt hineinpassten und das Bett auf dem ich gerade saß in meinem winzigen Zimmer. Nicht einmal ein eigenes Bad gab es hier, wie ich stöhnend feststellen musste. Na prima! Jetzt durfte ich auch noch das mit den anderen Langweilermädchen teilen. Wut packte mich und ich sprang wieder vom Bett auf. Was fiel meinen Eltern eigentlich ein mich hier in diesem Loch versauern zu lassen?! Am liebsten hätte ich auf irgendetwas eingeschlagen, aber es gab nichts außer meinem Koffer, dem ich aber niemals wehgetan hätte. Er hatte mich ja schließlich nicht hierher geschleppt. Unschlüssig ging ich auf das einzige Fenster im Raum zu, durch das die warmen Strahlen der Mittagssonne fielen. Ich hatte einen guten Blick auf den Hof vor dem Gebäude. Eichen schmückten die Hügel, die sich rings um das Camp ausbreiteten. Ich hatte alte Eichen schon immer gemocht. Sie hatten für mich etwas Magisches an sich, das mir gefiel und bei dem ich immer an Feen und Engel denken musste. Ich ließ meinen Blick weiter über den Hof schweifen. Ein Traktor fuhr gerade mit lautem Getöse die Einfahrt hinauf und mich wunderte es, dass er nicht gleich mit einem lauten Knall in all seine Einzelteile zerfiel. Er sah nämlich eher aus wie ein Schrotthaufen auf vier Rädern. Da erregte auf einmal eine kleine Bewegung auf der anderen Seite des Hofes meine Aufmerksamkeit. Eine Gruppe von drei Jungen und zwei Mädchen schlenderte lachend den Weg entlang, auf das Gebäude mit den zwei Türmen zu, die seltsam schief wirkten. Ich konnte ihre Gesichter nicht richtig erkennen, doch sie schienen sich schon zu kennen und mächtig zu amüsieren. Noch besser! Sie kannten sich hier also auch schon alle! Meine Stimmung sank noch weiter unter den Gefrierpunkt, wenn das überhaupt möglich war. In diesem Moment drehte sich auf einmal der Größte der drei Jungen zu mir um und es war, als würde er direkt zu mir nach oben blicken. Er hatte schwarzes, seidig glattes Haar, das ihm wie ein Vorhang vor die Augen fiel, sodass ich diese nicht genau erkennen konnte. Sein braungebranntes Gesicht war makellos und seine Lippen voll und leicht geschwungen. Wie gebannt blieb ich stehen und beobachtete fasziniert, wie sich sein Mund zu einem kleinen Lächeln verzog, das mein Herz einen Schlag aussetzen ließ. Aber vielleicht war das auch nur eine Täuschung des Lichts gewesen. Denn im nächsten Augenblick wandte er sich auch schon wieder ab und ich erwachte aus meiner Starre. Schnell sprang ich vom Fenster zurück, als hätte ich mich gerade verbrannt. Was war nur in mich gefahren? Ein seltsames Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus und verursachte mir Bauchschmerzen. Mir war leicht schwindelig und ich schwankte. Wurde ich krank? Bitte nicht auch noch das! Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich nun schnellstens auf den Weg in diese Aula machen sollte, wenn ich nicht schon bei unserem ersten Treffen zu spät kommen wollte. So packte ich den Plan, den ich auf den Tisch gelegt hatte, wie einen Rettungsanker und eilte immer noch leicht schwankend nach draußen.

    KAPITEL 3 - Die Versammlung

    Draußen auf dem Hof empfing mich die Schwüle der Mittagshitze. Die Sonne brannte vom Himmel herab und es hatte schon lange keinen Tropfen Wasser mehr geregnet. Die Erde zeigte an vielen Stellen bereits Risse und mir taten die Pflanzen leid, die neben unserem Haus in Blumenkästen standen. Traurig ließen sie ihre Köpfe hängen und sahen damit genau so aus, wie ich mich fühlte. Ich studierte den Plan in meiner Hand genauer und fand die Aula schließlich in dem Gebäude mit den zwei schiefen Türmen, in dem auch die Gruppe mit den zwei Mädchen und den drei Jungen verschwunden war. Das Haus machte auf mich von außen nicht gerade einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck. Die Türme schienen jeden Moment unter ihrem Gewicht einknicken zu können und erinnerten mich an den schiefen Turm von Pisa, nur im Doppelpack. Es war das mit Abstand größte Gebäude von allen und als einziges nicht weiß, sondern in einem seltsamen rosa gestrichen, das mich an zu lange gekauten Kaugummi erinnerte. Die Fenster waren mit gelben Rollläden versehen, was so gar nicht zu dem Kaugummirosa passte. Wer auch immer diese Häuser entworfen hatte, musste entweder farbenblind oder völlig geschmacksverirrt gewesen sein. Plötzlich tippte mir von hinten jemand auf die Schulter und ließ mich erschrocken herumfahren. Ein großes Mädchen mit Wasserstoffblonden Haaren und einer Zahnspange grinste mir freundlich entgegen. Sie trug Hotpants und ein T-Shirt, das ihren Bauchnabelpiercing zeigte. Ihre braunen Augen strahlten mich dabei neugierig an. Sie hatte eine wirkliche Traumfigur und so wie sie aussah, bekam sie jeden Jungen, den sie nur haben wollte. Da änderte auch die Zahnspange nichts an dem fantastischen Gesamtbild. Es war eines dieser Mädchen, die ich in unserer Schule normalerweise nicht einmal angesprochen hätte. Sie war mindestens 1, 80 m groß und überragte mich um einen halben Kopf. Hallo! Du musst neu hier sein. Ich habe dich noch nie bei uns gesehen. Ich bin Franziska. Wenn du willst zeige ich dir nachher alles, was du wissen musst. Es kommt nicht sehr oft vor, dass sich neue Leute in dieses Camp hier verirren. Die Meisten kennt man schon, alte Bekannte, lachte sie. Ja das hatte ich schon bemerkt. Misstrauisch musterte ich Franziska genauer. Auf den ersten Blick schien sie ja ganz nett zu sein, aber man wusste nie. Wer freiwillig in dieses Camp ging und das jedes Jahr aufs Neue, musste schon einen kleinen Schaden haben. Aber da ich hier noch niemand anderen kannte und damit die Außenseiterin zu sein schien, würde ich mich nun erst einmal an sie halten. Hi! Ich bin Larissa. Schön dich kennenzulernen. Ja klar gerne. Würde mich freuen, wenn du mir alles zeigst, was ich hier zum Überleben brauche, stellte ich mich schnell vor. Franziska brach in schallendes Gelächter aus und strich ihre langen Haare zurück: Da scheint mir aber jemand keine allzu große Lust auf das Camp Sonnenschein zu haben. Sieht so aus, als hätten dich deine Eltern wohl ohne Mitspracherecht hierher verfrachtet, was? Ich nickte bestätigend, was Franziska mit einem bedauernden Gesichtsausdruck kommentierte: Du wirst sehen, dass es hier nur halb so schlimm ist, wie du es dir vorstellst. Keine Angst wir beißen nicht. Die Meisten sind richtig nett und wenn du dich an die Regeln hältst, wird es dir auch bald gefallen.. Apropos Regeln. Wir sollten uns schnell in die Aula begeben, wenn du nicht gleich an deinem ersten Tag Stalldienst haben willst. Ich zweifelte ihre Worte, dass es mir hier irgendwann sogar gefallen würde, zwar an, folgte ihr aber kommentarlos in das Schiefe-Turm-von-Pisa-Haus hinein. Drinnen umfing uns eine dunkle Kälte, die mich frösteln ließ. Nach der Hitze von draußen, war es hier drinnen wie in einem Gefrierschrank. Skeptisch blickte ich mich in der Eingangshalle um, die im Vergleich zum Rest des Hauses noch ziemlich neu zu sein schien. Hier gab es sogar richtige Lampen und Landschaftsbilder, wie ich sie liebte. Wir bogen gleich rechts in eine Flügeltür ein, auf der in orangenen Buchstaben, mit der Schrift eines Drittklässlers, Aula Anemonenhaus geschrieben stand. Der Raum dahinter war bis an den Rand mit Stühlen vollgestopft und von Stimmengewirr erfüllt. Mindestens achtzig Jugendliche mussten sich hier drinnen befinden. Sie standen in Gruppen beisammen und unterhielten sich munter. Jetzt war ich doch ziemlich froh Franziska bei mir zu haben, weil ich ohne sie nicht gewusst hätte, wo ich mich überhaupt hinstellen sollte. So folgte ich ihr ans andere Ende der Aula, wo sich zwei Mädchen und zwei Jungen gerade über etwas sehr zu amüsieren schienen. Als Franziska bei ihnen angelangt war, entbrannte sofort ein großes Hallo und alle umarmten sie freudig. Ich blieb etwas abseits stehen, unschlüssig was ich jetzt tun sollte. Ich hatte es schon immer gehasst die Neue zu sein, was öfters vorgekommen war, da mein Vater wegen seiner Arbeit oft hatte umziehen müssen. Doch da packte mich Franziska plötzlich bei der Hand und zog mich zu den anderen hinüber: Das ist Larissa. Sie ist neu hier und nicht gerade sehr begeistert im Camp Sonnenschein zu sein. Aber das werden wir ändern Leute, nicht wahr? Ein zustimmendes Gemurmel war zu hören, Larissa, das dort hinten ist Martin. Ein etwas molliger Junge mit braunen Locken und einem breiten Grinsen streckte mir seine Hand entgegen. Ich ergriff sie zögerlich und er zerdrückte mir beinahe meine Finger, sodass ich innerlich leise aufstöhnte. Ich war froh, als er sie wieder losließ. Das hier ist Leonie. Ein zierliches Mädchen mit schwarzen, raspelkurzen Haaren und einer Brille winkte mir lächelnd zu, was ich schon etwas angenehmer fand. Das hier ist Mona. Ein Mädchen mit feuerroten Haaren, die sie zu einem Zopf geflochten hatte, schenkte mir ein schneeweißes Zahnpastalächeln. Und das hier ist Timo, stellte sie den Letzten vor. Es war ein großer, schlaksiger Typ, der wunderschöne grüne Augen hatte und eine Zahnlücke, die bei ihm einfach nur super süß wirkte. Sein T-Shirt spannte sich über einem muskulösen Oberkörper und seine Augen funkelten selbstsicher in die Runde. Er zwinkerte mir kurz zu, was mich leicht erröten ließ. Aber im großen und ganzen schienen sie wirklich alle sehr nett zu sein, soweit ich das bis jetzt beurteilen konnte. Ein Gong ertönte und ließ alle Gespräche verstummen. Wir suchten uns einen Platz am hinteren Ende der Aula und ließen uns auf knarrenden Stühlen nieder. Frau Superfröhlich erschien auf der Bühne und griff ächzend nach einem Mikrofon. Ihre Wurstfinger klammerten sich an das arme Gerät, als würde sie es zerquetschen wollen: Hallo und herzlich Willkommen im Camp Sonnenschein, hier werden wir alle gemeinsam fröhlich sein! Heute ist euer erster Tag hier und ich werde euch einiges erklären müssen. Dann lese ich nacheinander eure Namen vor und in welchen Kursen ihr wann seid. Morgen früh findet ihr euch um sieben Uhr mit euren ersten Kursen zusammen. ... Ich schaltete ab. Mir reichte es jetzt schon, was ich gehört hatte. Das sollte irgendwie Spaß machen?! Ich bezweifelte es gewaltig. Die hatten doch alle eine Vollmeise hier! Langsam ließ ich meinen Blick durch die Aula wandern. Timo lächelte mir kurz zu, was mich schnell in die andere Richtung blicken ließ. Er war schon richtig süß, das musste man zugeben. Für so etwas hätte meine beste Freundin Lara sogar getötet. Ich musste grinsen, als ich an ihr sehnsüchtiges Gesicht dachte, wenn ich ihr nach den Ferien alles haargenau berichten würde. Aber bis dahin war es zu meinem großen Bedauern noch eine lange Zeit. Ich ließ meinen Blick weiter über die anderen Schüler schweifen, die ebenso wie ich ziemlich gelangweilt schienen. Wahrscheinlich hörten sie jedes Jahr die gleiche Leier. Da blieb mein Blick ganz plötzlich an etwas hängen, das mir für einen Moment den Atem stocken ließ. Der Junge von eben, den ich auf dem Hof gesehen hatte, saß drei Reihen vor mir und hatte sich lässig zurück gelehnt. Seine Haltung strahlte dabei etwas Abschätziges, Abweisendes aus, das mir eiskalt entgegenschlug. Beinahe so, als würde eine Welle mit Meerwasser mir entgegen schwappen und mich voll und ganz einhüllen. Seine schwarzen Haare glänzten im fahlen Licht der Deckenbeleuchtung und seine Hand trommelte spielerisch einen Takt auf dem Stuhl. Er wirkte hier irgendwie fehl am Platz, als würde er nicht in unsere Zeit hineinpassen. Das Gefühl von eben schlich sich in meine Knochen zurück und mir wurde richtig schlecht. Was war nur mit mir los?! Ich wünschte mir, dass der Junge sich umdrehen würde und ich seine Augen erkennen konnte. Was er wohl für eine Augenfarbe hatte? Jemand stieß mich heftig in die Seite und deutete nach vorne. Verwirrt blickte ich auf und merkte, dass mich alle anderen anstarrten. Du bist aufgerufen worden, zischte da Franziska und stieß mich nach vorne. Mit hochrotem Kopf eilte ich auf Frau Superfröhlich zu. Alle Augen folgten mir und schienen mich verschlingen zu wollen. Schön dich hier begrüßen zu dürfen, Larissa. Du bist eine von den Wenigen, die das erste mal hier sind. Bitte melde dich nachher bei Marie, die dir alles weitere erklären wird, mit diesen Worten reichte sie mir einen Stundenplan und ein T-Shirt mit dem Spruch des Camps und einer großen, hässlichen Sonne darauf, die mich hämisch angrinste. Na super! Nach und nach wurden alle in die einzelnen Kurse verteilt und die Aula leerte sich. Wer bei mir im Kurs war, bekam ich gar nicht mehr mit. Ich war zu sehr damit beschäftigt meinen eigenen, trübseligen Gedanken nachzuhängen. Wie sollte das nur alles enden? Wie sollte ich diese Zeit nur jemals überstehen?

    KAPITEL 4 - Die Angeberclique

    Ich stolperte verwirrt nach draußen ins Sonnenlicht und blickte mich suchend um. Wo waren bloß Franziska und die anderen? Ich war noch eine ganze Weile stocksteif im trüben Licht der Aula gestanden, bis Frau Superfröhlich mich freundlich gefragt hatte, ob sie mir irgendwie helfen könnte. Da hatte ich schnellstens das Weite gesucht. Auf eine Führung mit dieser Frau hatte ich absolut keine Lust gehabt. Aber jetzt hatte ich keine Ahnung mehr, was ich tun oder wo ich hin sollte. Eigentlich musste ich ja zu Marie, meiner Gruppenleiterin, wer auch immer das sein mochte. Doch ich wusste nicht wo und wie sie zu finden war. So stand ich nun hilflos mitten auf dem Hof und schaute den anderen hinterher, die sich langsam verzogen. Ich kam mir richtig blöd vor. Warum musste gerade ich wieder diejenige sein, die neu und fremd hier war? Da entdeckte ich zu meiner großen Erleichterung Franziska, die mir wild zuwinkte. Ihre blonden Haare wippten dabei lustig vor und zurück und ihre Wangen waren leicht getötet. Schnell eilte ich auf sie zu und gesellte mich zu den anderen. Und wie hat dir unsere kleine, alljährliche Willkommensrede so gefallen?, fragte Timo lachend. Sein Gesicht verzog sich dabei zu einem hinreißenden Lächeln. War äußerst spannend und aufschlussreich, erwiderte ich sarkastisch und musste angesteckt durch sein Lächeln ebenfalls grinsen. Vielleicht würde es hier ja auch gar nicht so schlimm werden? Timo war schon richtig süß. Leonie kam zu mir herüber und legte mir freundschaftlich ihren Arm um die Schulter: Heute Abend veranstalten wir Mädels wie jedes Jahr zu Beginn der Ferien eine kleine Willkommensparty. Und inoffiziell natürlich auch mit den Jungs zusammen. Du bist herzlich eingeladen, Larissa, meinte sie augenzwinkernd. Ich war

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