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Hilfe, ich arbeite beim Helpdesk
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eBook174 Seiten2 Stunden

Hilfe, ich arbeite beim Helpdesk

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Über dieses E-Book

Alfons und Anna sind von München nach Aylesbury in England umgezogen. Die Suche nach geeigneten Jobs gestaltet sich jedoch schwieriger als gedacht, insbesondere für Alfons, den erklärten Telefonhasser und Endkundenvermeider. Der grantige Bayer landet schließlich bei einem Helpdesk, denn die deutsche Sprache ist gefragt in diesem Metier. Dies ist der Bericht aus dieser Zeit. Er ist voller witziger Anekdoten aus dem britischen Leben – und weniger witzigen.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Nov. 2017
ISBN9783745045505
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    Buchvorschau

    Hilfe, ich arbeite beim Helpdesk - H.G. Kaleu

    H.G. Kaleu

    Hilfe, ich arbeite beim Helpdesk

     epubli_Logo_LesezeichenSW.png

    Impressum

    Texte: © Copyright by H.G. Kaleu

    Umschlag: © Copyright by K. B.

    Verlag: H.G. Kaleu

    United Kingdom

    kaleu@gmx.co.uk

    Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

    Berlin

    Alle erwähnten Personen und Firmen sind rein fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit bestehenden Personen und Firmen ist rein zufällig.

    Kühlraum-Sessions

    „Winning Service - A Workshop for Quantus" steht auf dem Trainingshandbuch. Heute soll der erste Schulungstag für die zwei Neuen sein. Auf Seite drei ist das Ziel des Trainings beschrieben: Dieses Seminar hat das Ziel, die Teilnehmer mit den Fähigkeiten auszustatten, die für ein selbstbewusstes Beantworten aller telefonischen Anfragen erforderlich sind. Wir haben Zeit darin zu blättern, denn Frank ist noch nicht da. Frank ist der Manager des Helpdesks. Er will uns auf Vordermann bringen.

    Beim Ausatmen bilden sich Wölkchen, denn anscheinend ist niemand auf die Idee gekommen die Heizung in diesem Konferenzraum anzustellen. Gibt es überhaupt eine? Mich wundert überhaupt nichts mehr. Hier war ich schon mal beim Vorstellungsgespräch mit Frank und Jodie, der Teamleiterin. Ich erzählte den beiden von den Computerhandbüchern, die ich geschrieben habe. Sie waren beeindruckt. Gesucht wurde jemand mit sehr guten deutschen Sprachkenntnissen und Ahnung von Computern. Weil ich auch schon als Kundenbetreuer gearbeitet habe, ich also offensichtlich mit Kunden umzugehen wusste, wurde ich eingestellt.

    Mit Grauen denke ich an diese Wochen in Stapleham zurück. Aus ganz Deutschland riefen Kunden an, um kleine Plastikteilchen zu bestellen. Die waren gewöhnt, dass der Kundenbetreuer jedes dieser Plastikteilchen einschließlich der Bestellnummer auswendig kennt. Wer wie ich diverse Listen wälzen musste, hatte schon verloren. Es ging nicht schnell genug. Nicht nur einmal wollte ich einer dieser Landpomeranzen, die in ihrem ganzen Leben nur Heftfäden aus Plastik gesehen hat, die Meinung sagen. Als Kundenbetreuer darf man das aber nicht. Nie wieder einen dieser Telefonjobs sagte ich mir damals. Und jetzt arbeite ich hier bei einem Helpdesk, wo ich früher oder später dem Wahnsinn anheimfallen werde.

    Mein Kollege heißt Daniel und kommt aus Jamaika. Das hat er während des spärlichen Smalltalks erzählt, der für so eine Situation wohl obligatorisch ist. Er sieht ein bisschen aus wie Bob Marley mit seinen Rasterlocken und der bunten Strickmütze. Er zupft an seiner Mütze, damit die Ohren richtig bedeckt sind. Die dicke Jacke, den Schal und die fingerlosen Handschuhe hat er gar nicht erst ausgezogen. „Entschuldigung, dass ich zu spät bin, schnarrt es plötzlich in den Raum. Frank ist da, das Training kann beginnen. „Alfons, erzähl mir was über den Kunden, sagt er zu mir. Schon in der Schule konnte ich es nie leiden, wenn ich als erster dran kam. Aber wenn es denn sein muss, erzähle ich Frank eben was er hören will, dass der Kunde König ist und immer sofort und freundlich bedient werden muss. Was ich wirklich denke, kann ich ihm wohl schlecht sagen sonst bin ich den Job los, bevor ich richtig angefangen habe. Ich erzähle ihm also nicht von meiner generellen Abneigung zu telefonieren. Ich erzähle ihm nicht, dass mich die Probleme anderer Leute nicht interessieren. Ich erzähle ihm nicht, dass meiner Meinung nach nur ein toter Kunde ein guter Kunde ist. Frank ist zufrieden mit meiner Antwort.

    Daniel weiß mehr zu diesem Thema zu sagen, schließlich hat er in diesem Metier schon gearbeitet. Vor allem bringt er die richtige Mentalität mit, denn er ist in England aufgewachsen. „Customer first" ist der Tenor von Daniels Ausführungen. Er hört gar nicht mehr auf sein Streben nach totaler Kundenzufriedenheit zu schildern.

    Wer ist dieses Wesen Kunde? Es kommt darauf an, wie er oder sie definiert wird. Der Kunde bezahlt mein Gehalt. Das habe ich hier im Vereinigten Königreich schon öfter gehört. Soweit möchte ich nicht gehen; mein Gehalt wird nicht von Anrufern bezahlt! Das Telefon spielte in meinem früheren Leben als Technischer Redakteur nur eine untergeordnete Rolle. Es stand da eben auf dem Schreibtisch, man rief ein paar Mal am Tag jemanden an. Geläutet hat es fast nie und wenn, wollte ein Kollege irgendwas wissen. Ich schreibe Handbücher auf Deutsch und Englisch oder – um genau zu sein – ich schrieb Handbücher auf Deutsch und Englisch. Hier in England soll ich telefonieren auf Teufel komm raus.

    Frank referiert noch eine Viertelstunde über den Kunden und dessen Wichtigkeit. Mir fällt dazu der Herr Niedernhöfer von der Post in München-Moosach ein. Der war grundsätzlich grantig hinter seiner Panzerglasscheibe und ich meine nicht das eher sympathische Granteln, das mitunter bei älteren Kellnerinnen anzutreffen ist. Wenn vor seinem Schalter mehr als drei Kunden standen, wurde er immer extra langsam. Im Zuge der Freundlichkeitsoffensive der Post hat er dann sein Panzerglas verloren. Er stand ganz ohne Schutz hinter einem Tischchen, war adrett gekleidet mit Weste und Krawatte. Mir kam er noch grantiger vor. Diese Karriere hat er sich aber ausgesucht und das war sein Hauptproblem.

    Frank hat mit einem dicken blauen Filzmarker „Telefon Etikette auf die Weißwandtafel geschrieben und blickt wieder fragend in den Raum. „Tja, das ist die Überschrift vom zweiten Kapitel, sage ich, „das brauchen wir, um unsere Arbeit zu machen. „Genau!, sagt er grinsend, und schon ist die Diskussion voll im Gange. „Gute Umgangsformen am Telefon – eine Checkliste für den Profi" steht da.

    Einige der aufgeführten Punkte sind sogar für mich nachvollziehbar. Man soll zurückrufen, wenn man das gesagt hat. Das habe ich sowieso immer gemacht, denn ein Deutscher tut, was er sagt. Ein weiterer Punkt handelt von der Konzentration auf den Kunden. Er soll im Mittelpunkt des Gesprächs stehen. Andere Aktivitäten wie essen, nebenbei lesen oder das Lackieren von Fingernägeln sollten unterlassen werden. Auf so was wäre ich gar nicht gekommen. Das hört sich alles interessant an, erfordert aber die Fähigkeit mehrere Arbeitsgänge gleichzeitig erfüllen zu können: Multitasking. Ich kann zwei Dinge gleichzeitig tun und das ist Kaugummi kauen während des Gehens. Das war es dann aber auch schon. Das Telefon sollte auch nicht öfter als dreimal läuten, bevor sich der Analyst bequemt den Anruf entgegenzunehmen. Man soll während des Gesprächs aufrecht sitzen und lächeln. Wie mir das bei der Frühschicht gelingen soll, ist mir ein Rätsel. Früh morgens lächle ich nicht.

    Da sind noch einige andere Punkte im Kapitel „Telefon Etikette. Man soll nicht fluchen, keine Grimassen ziehen oder sich über die Dummheit der Kunden lustig machen. „Alfons, ich kenne den beliebtesten Fluch der Deutschen, nämlich Scheiße, warnt mich Frank. „Tja, das ist richtig, aber ihre Aussprache ist falsch, antworte ich. Er hat nämlich das „s äußerst weich und unbetont ausgesprochen. „Sie müssen SCHEISSE sagen, korrigiere ich ihn. Ich lasse die beiden „ss schnalzen, damit er sich’s merkt.

    Das nächste Kapitel geht um das Bild, das sich der Kunde von uns macht. „Ihr Bildnis steht als Überschrift da. Wie wird sich der Kunde an uns erinnern? Mir schwant böses. Frank ist in seinem Element und versucht uns einzuhämmern, wie wichtig jeder einzelne Punkt des Kommunikationstrainings ist. „Nehmen sie zum Beispiel die Sprechrate, sagt er. Er erzählt von einem Kunden, dessen Bildschirm plötzlich schwarz geworden ist, und der einen Helpdeskanalysten mit sehr langsamer Sprechrate erwischt hat. Der Kunde fühlte sich nicht gut aufgehoben und hatte den Eindruck, dass sein Bildschirm länger schwarz bleibt.

    Ein anderer von Frank in den Raum gestellter Slogan war: „Keine Mühe scheuen, mehr tun als eigentlich nötig." Es gibt anscheinend Leute, die einfach helfen müssen, die gar nicht anders können. Berufe im Pflegebereich kommen mir in den Sinn. Ich fühle mich überfordert. Und wieder wird dieses Lächeln am Telefon erwähnt, das anscheinend irgendwie am anderen Ende positiv ankommt. Wie ist das, wenn man Nadeln in eine kleine Puppe rein sticht? Kommt das auch irgendwie am anderen Ende an? Ich grüble gedankenverloren. Frank erklärt die heutige Trainingsession für beendet. Er hat noch eine Besprechung mit den Chefs. Morgen soll es weitergehen.

    Schon beim Aussteigen aus dem Auto sehe ich Archie, den Kater vom Nachbarn, wie er auf der Fensterbank

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    unseres Wohnzimmers lümmelt. Sein Lieblingsplatz ist immer vor der Gardine, damit er auch was sieht. Das Problem ist nur, dass er dann auch von allen gesehen werden kann, unter anderem von seinem eifersüchtigen Besitzer. Der hat sich schon beschwert, weil sein Kater immer bei uns ist. Meinen Hinweis, dass Archie immer einen Weg in unsere Wohnung findet, lässt er nicht gelten. „Lasst ihn nicht rein", sagte er.

    „Er liegt da wie im Schaufenster, sage ich zu Anna, „wie lange denn schon? „Erst seit einer halben Stunde, antwortet sie. Archie macht keine Anstalten sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, drum ziehe ich die Gardine hoch, bis er ausgerollt ist. Er maunzt und verschwindet durch die Terrassentür. Ich bin wieder einmal der Böse. Wir rauchen auf der Terrasse und ich erzähle von unserem Training im Kühlraum. „Zieh dir bloß was Warmes an, sagt Anna. „Du holst dir noch den Tod." Später finde ich meinen dicksten Pullover auf dem Bett und den werde ich morgen auch anziehen.

    In unserem Vorgarten kackt ein Hund. Ich höre, wie der Besitzer ihn zur Rede stellt: „Rufus, you shouldn’t do that." Rufus sollte das nicht tun. Wenig später ist nur noch der Haufen zu sehen. Als ich nach einer Stunde wieder aus dem Fenster schaue, ist auch der Haufen weg. Wir sind in England.

    * * *

    Ich habe mich natürlich auf Jobs in meinem Metier als Technischer Redakteur beworben. Irgendwas lief da nicht richtig. Man muss sich hier im Vereinigten Königreich anders darstellen als in Deutschland. Die Deutschen treten zu bescheiden auf. Blowing your own trumpet sagen die Briten. Ich habe ein Problem damit.

    An ein desaströses Vorstellungsgespräch kann ich mich noch gut erinnern. Es war mein erstes überhaupt, wir waren gerade mal ein paar Wochen in England. In Routherhampton musste ich nach dem Weg fragen.

    Ich war aufgeregt. „Excuse me Sir, fragte ich die alte Dame, „could you please tell me the way to Nelson Street? Sie wusste es nicht. Wir haben die Nelson Street dann doch gefunden. Ich dachte eigentlich, dass das Gespräch gut verlaufen war. Hatte ich mich doch mit dem Manager angeregt unterhalten. Seine letzte Frage machte mich dann doch nachdenklich: „Do you speak English?"

    Anna hat übrigens den ersten Job hier in England an Land gezogen. In Milton Keynes arbeitete sie über ein Jahr als Grafikdesignerin. Da ging es hauptsächlich um Anzeigen für Fahrzeuge. An einen Tag im Februar erinnere ich mich besonders. Es hatte geschneit und wie immer war der Verkehr zusammengebrochen. Gegen Mittag erwischte Anna doch noch einen Bus nach Milton Keynes. Zu Hause war sie allerdings erst um 23:00 Uhr. Nach erneutem Schneefall musste sie nämlich einen Zug nach London nehmen und dann nach Aylesbury fahren. Busse fuhren nicht.

    Ohne Annas Einsatz wären wir schon im ersten halben Jahr wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Bei der Jobsuche war ich unfähig.

    * * *

    David sitzt an meinem neuen Arbeitsplatz. Er nestelt an einem Kabel rum, steckt diverse Stecker an und wieder ab, hackt auf die Tastatur ein. Auf dem Bildschirm erscheint die Meldung „Log on with administrator rights. David hat diese Administratorenrechte natürlich. „Jetzt braucht dein Konto einen Namen, sagt er, „Gib einen ein! Darauf war ich wieder einmal nicht gefasst. Ich soll mir also sekundenschnell einen Namen ausdenken. David ist ungeduldig. Ohne jedes Zögern tippe ich ein deutsches Wort ein und bestätige es. Auf einem englischen Computer ist ein deutsches Wort bestimmt schnell identifizierbar. David hackt wieder und auf dem Schirm erscheint die Maske: Konten auf diesem Computer. In großer Schrift steht da: Graham, Romesh, Hassan und Gicht. David ist etwas mürrisch heute. „Ist es möglich, den Namen später zu ändern?, frage ich ihn. „Warum würdest du das tun wollen?, dein Eintrag ist akzeptiert worden und das wäre ein ziemlicher Aufwand, sagt er. Jetzt bin ich auch etwas gereizt: „Nein, nein, lass es so, ist schon recht. Ich kann damit leben. Und schon ist er wieder weg. Er hat viel zu tun an diesem Morgen.

    Ich muss jetzt erst einmal an die Luft. Geraucht wird vor dem Haupteingang, denn da steht ein großer Aschenbecher. Zwei Kollegen stehen schon da und unterhalten sich angeregt. Es geht um Prioritäten von Tickets.

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