Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Atolan - Schleier der Macht: Auftrakt der epischen Fantasy-Reihe
Atolan - Schleier der Macht: Auftrakt der epischen Fantasy-Reihe
Atolan - Schleier der Macht: Auftrakt der epischen Fantasy-Reihe
eBook521 Seiten7 Stunden

Atolan - Schleier der Macht: Auftrakt der epischen Fantasy-Reihe

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Bisher in dieser fortlaufenden Reihe erschienen:

Atolan Band 1: Schleier der Macht
Atolan Band 2: Bündnis der Sieben
Atolan Band 3: Dunkle Geheimnisse

Als Dergil die Augen aufmachte, ahnte er noch nicht, wie sehr sich sein Leben ändern würde.
Die Träume der letzten Nächte offenbarten nichts Gutes.
Ein Schleier der Dunkelheit streckte seine Hand nach der Macht aus.
Viel Zeit verbrachte der Flüsterer damit, seine Intrigen zu spinnen.
Der Talestag beginnt und die Prüfungen erfordern Opfer.
Der Junge muss bereit sein, bevor das Böse erwacht.

Der Kontinent Atolan, bestehend aus sechs Königreichen, befindet sich in der Blüte seiner Zeit. Der Handel hat den Völkern Wohlstand gebracht. Die Handelsgilde, das Kastorat, hat die Fäden fest in der Hand und verteidigt seine Macht mit allen Mitteln.
Die Feinde Atolans, die Südländer, sind durch Verträge und lukrative Geschäfte am Erhalt des Friedens interessiert, bis eines Tages die Geißel der Menschen seine Zeit gekommen sieht.

Das Urvolk der Bhriari steht im Bund mit den Königreichen des Kontinents, sie leiten diese durch ihre Magie und ihre Weisheit an. Als sich das Namenlose regt, beginnt der Kampf ums Überleben.
Der Bund der sieben Völker musste schon einmal geschlossen werden, um dieser Bedrohung, welche immer wieder in Vergessenheit gerät, Einhalt zu gebieten.

Der Kampf mit der Dunkelheit findet in den Köpfen, zwischen den verschiedenen Kulturen und in der Gier nach der Weltherrschaft, statt.

Der Autor beginnt seine Reihe mit viel Liebe zum Detail. Atolan, Der Schleier der Macht, ist der Auftakt der Saga um Dergils Lebensgeschichte. Der Junge ist aus einfachen Verhältnissen und steht vor seiner Reifeprüfung. Jedoch zeichnet das Schicksal einen ganz besonderen Weg ab. Abenteuer, Mut, Freundschaft, die große Liebe und epische Kämpfe, werden seine steten Wegbegleiter.

Alle Illustrationen und die Covergestaltung sind vom Autor, welcher als Kunstmaler tätig ist, selbst erstellt worden.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum16. Feb. 2022
ISBN9783755725008
Atolan - Schleier der Macht: Auftrakt der epischen Fantasy-Reihe
Autor

Andreas Klabunde

Andreas Klabunde, geboren 1968 in Stade. Mit 18 zog er nach Heidelberg und lebt seitdem in der Rhein-Neckar-Region. Neben dem Schreiben ist er Maler, Illustrator und Grafiker. Inspiriert vom Studium der vedischen Schriften und dem Praktizieren von Yoga beschäftigt sich der Künstler mit der Magie des Daseins. Erfahrungen als Krankenpfleger in der Psychiatrie lassen den Autor über den Sinn unserer Existenz nachsinnen.

Mehr von Andreas Klabunde lesen

Ähnlich wie Atolan - Schleier der Macht

Titel in dieser Serie (4)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Action- & Abenteuerliteratur für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Atolan - Schleier der Macht

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Atolan - Schleier der Macht - Andreas Klabunde

    Kapitel 1: Schatten im Nebel

    Odon der Alte rief seinen Hund Toba für einen morgendlichen Spaziergang herbei. Die Sonne zeigte bereits seine ersten Strahlen am Horizont.

    Im Teekessel des alten Mannes duftete es nach getrockneten Kräutern. Noch einen kräftigen Schluck, dann waren er und sein Hund bereit, ein tägliches Ritual zu begehen. In der Nachbarschaft krähte der Hahn erfreut über den freundlichen Tag. Keine Wolke verdeckte den Himmel. Die Sterne verblassten im Orange und Gelb der aufgehenden Sonne.

    Hirion, der Sonnengott, eroberte den Himmel und Mador, sein Bruder, der Mondgott, überließ ihm das Feld. Es würde ein schöner Tag unter blauem Himmel werden.

    Odon pfiff auf zwei Fingern ein zweites mal seinen treuen Gefährten zu sich, welcher gerade dabei war (auf das äußerste interessiert) einen Schmetterling im Garten zu beobachten. Toba zögerte zunächst, bewegte seine Nase vorsichtig an das Objekt seiner Aufmerksamkeit. Das Insekt wurde davon aufgeschreckt und flog sogleich auf. Der zottelige Vierbeiner hörte zum dritten Mal seinen Namen rufen, endlich lief er freudig, und zwar sehr geschwind zu seinem Herrn.

    „Na, alter Junge!, sagte Odon zu seinem Weggefährten. Er streichelte ihn intensiv zur Belohnung am Hals und sagte: „Bringen wir die alten Gebeine in Schwung!

    Kurzerhand verließen sie das Haus und folgten dem Dorfweg. Ihr Ziel war, wie fasst jeden Morgen, der Strand.

    Sie schlenderten Richtung Westtor, am Hof des Bauern Hagan vorbei, bestiegen den ersten Hügel und blickten wie gewohnt zurück, um das Dorf in seiner vollen Pracht zu überschauen. Odon seufzte beim Anblick der Holzhäuser und Reetdächer. Die Feuer der Schmiede seines Neffen Deron waren noch kalt. Ihre Häuser standen direkt nebeneinander. Alle Dorfbewohner schienen zu dieser Zeit noch zu schlafen.

    Auf der anderen Seite der Hügellandschaft wurde die Sicht zum Meer durch einen kleinen Mischwald verdeckt. Ein paar Rehe flohen beim Auftauchen der nahenden Spaziergänger. Mittlerweile zeigte Hirion seine volle Pracht am Horizont des bewaldeten Landesinnern. Seine Strahlen ergossen sich warm über das Nordland, Adalante.

    Gemächlich liefen sie unter alten knorrigen Bäumen geradewegs in Richtung Klippen. Das Rauschen der Brandung wurde immer deutlicher und die Luft füllte sich mit Salz. Möwengeschrei ließ den Hund begeistert vorwärts springen. Eine kräftige Brise streifte durch das weiße, lange Haar des alten Mannes, als er den Zugang zum Strand erreichte. Er blickte zurück gen Osten und machte seine Ehrerbietung an den Halbgott des Lichtes.

    Der Weg zum Wasser führte zwanzig Meter an glitschigen Felsklippen herab und war mit Steinstufen von den Dorfbewohnern angelegt worden. Auf einen geschnitzten Holzstab gestützt, ging Odon mit Toba vorsichtig den Weg hinab und betrachtete den Flug der Vögel. Die Brandung beruhigte wie Musik die Ohren Odon`s. Weit und breit war nur das graublaue Meer im Westen unter einem Indigo Himmel zu sehen.

    Ziel der Wanderer war der Fischer Agadot, welcher am Strand eine Hütte auf Holzpfählen sein eigen nannte. Beide Männer kannten sich seid Kindestagen und tauschten, so oft sie konnten, ihre Erinnerungen an alte Zeiten aus. Hierbei saßen sie auf der Veranda in Stühlen aus naturbelassenen Ästen, rauchten aus langhalsigen Pfeifen und kicherten immer wieder amüsiert beim Thema Frauen. Beide waren sie seit vielen Jahren Witwer und teilten ein gemeinsames Schicksal, nämlich kinderlos zu sein. Ihre Frauen und Kinder lebten nicht mehr. Sie kamen unglücklicherweise durch die Heimsuchung einer Seuche um.

    Odon war der ältere der Freunde und erwähnte gern scherzhaft, dass er als der „Älteste im Dorf bezeichnet wurde. Agadot hielt in solchen Momenten dagegen: „Aber nur drei Tage älter, was so gut wie nichts bedeutet, alter Mann.

    Auch an diesem Tag unterhielten sich die Männer ausgelassen und schauten entspannt übers Meer. Die kleinen Wellen brachen sich sanft und wiederholt im Takt auf dem feinen Sand. Agadot warf für Toba einen Stock und wies ihn an, diesen zu apportieren. Anstatt das Holz zu bringen, ließ der Hund es fallen und wendete sich lieber dem Wasser zu. Die Männer lachten verblüfft.

    Nach einiger Zeit unterbrach Agadot seinen älteren Freund im Gespräch: „Sind meine Augen eingetrübt oder siehst du auch am Horizont etwas nebliges?! Odon schaute wohin Agadot hindeutete. „Nein, deine Augen sind die eines Habichts, junger Mann!, lachte Odon schmunzelnd und ließ ein paar Rauchwölkchen aufsteigen, wobei er selbst erst einmal seine Augen zusammenkniff, um überhaupt etwas in der Weite zu erkennen. Gegen das blendende Licht der Wasserspiegelung bildete er mit seinen Händen einen Schirm über der Stirn.

    In noch großer Entfernung, noch schemenhaft, tauchte tatsächlich eine Nebelbank auf. Das allein wäre nicht ungewöhnlich, aber dass Gebilde schien wie eine einzelne Wolke, förmlich, über das Wasser zu gleiten. Der Rest der See war eher glasklar und ruhig.

    Die Männer tauschten weiter Geschichten aus und beobachteten interessiert die Erscheinung. Nach einer Weile war das Phänomen zielstrebig in Richtung Bucht gezogen. „Seltsam....! Das Wölkchen zieht gegen den Wind?!, bemerkte Odon verblüfft. Agadot erwiderte: „Jetzt täuschen mich meine Augen doch! Sieht es nicht... wie eine greifende Hand aus?

    Odon grinste: „Du siehst seltsame Dinge heute Morgen. Bist du sicher, dass wir dasselbe Kraut rauchen?! Sein Freund konterte: „Meines schärft die Sinne! Deines macht dich nur -Naturtrüb-!

    Odon klopfte sich schreiend und belustigt die Schenkel.

    Fasziniert folgte ihre Aufmerksamkeit dem Nebelschleier, der immer näher, scheinbar direkt auf Agadot`s Strandabschnitt, zukam.

    „Heute bist du früh dran, Odon, sagte Agadot. „Ja, ich brauche einen Rat, fuhr Odon fort, „und du glaubst es nicht! Da kam mir mitten in der Nacht in den Sinn, geh doch zu Agadot."

    „Ich raube dir deinen wertvollen Schlaf?!", belustigte sich Agadot.

    „Du weißt, Deron und sein Sohn sind für mich wie leibliche Söhne...",

    Odon machte eine nachdenkliche Pause und senkte den Kopf. „Dergil steht demnächst die große Prüfung an. Er muss seinen Platz, als MANN, im Dorf einfordern."

    „So ist es, sagte Agadot, „seine Zeit ist gekommen!

    „Der Norden prüft seine Kinder, sagte Odon darauf, „nur noch zehn Tage bis zum Talestag!

    Der erste Tag des Frühlings wurde so genannt. Kinder der Adalanter, die die Geschlechtsreife erreichten, gingen allein für dreiunddreißig Tage in die Wildnis, um zu erfahren, wer sie mit Herz und Seele sind. Unterschiedliche Zeremonien waren vorgesehen um sich Rat bei einem Tiergeist zu holen. Dazu gehörte der Bau einer Schwitzhütte im Wald, sowie die Jagd auf Wild und Raubtiere. Die Ausgesandten riefen die Götter um Segnungen an und kamen geläutert, als neugeborene, erwachsene Männer und Frauen in die Dorfgemeinschaft zurück.

    Einige wenige jedoch kehrten nie aus der unberechenbaren Wildnis heim. Man flüsterte darauf, dass die Göttin „Fauna" sich ein Opfer geholt habe.

    In der Regel kamen die meisten mit nur geringen Blessuren glücklich und stolz nach Hause. Der Dorfpriester erklärte abschließend, dass die Göttin mit der Gemeinschaft zufrieden war.

    Odon sprach weiter: „Ich will Dergil etwas nach unserem Brauch mit auf seine Reise geben..." Er schaute auf des Fischers geschnitzten Stab.

    „Vor langer Zeit hast du mir diesen Gehstock gemacht, als meine Beine wackliger wurden, ergänzte Odon. Agadot glaubte zu verstehen und erklärte: „Mein alter Freund, meine Hände sind zwar nicht mehr die geschmeidigsten, aber ich werde dir helfen!

    Odon klopfte Agadot auf die Schenkel und bemerkte etwas zögernd:

    „Oh, hmm... du hast schon bereits etwas, was mir sofort in den Sinn kam!"

    Agadot schaute verblüfft drein und prustete beim Rauchen: „Tatsächlich???"

    „Nun gut... Agadot", begann Odon seine Ansprache, „unsere Familien standen sich schon immer nahe!

    Sieh, wir sind ohne Erben und müssen etwas weitergeben! Er klopfte am Schafft von Agadot`s Messer. Ein prächtiges Stahlmesser mit geschnitzten Ornamenten, wobei vier Gesichter am Ende den Kopf bildeten. Sie zeigten den „Schöpfer, der in alle Himmelsrichtungen schaut.

    „Du willst mein Messer Dergil geben?!", staunte Agadot nicht schlecht.

    „Ja, dann kannst du etwas von dir weiter reichen, Agadot bester Freund!", erwiderte Odon ziemlich ernst.

    Agadot blieb nur kurz sprachlos, dann fragte er eindringlich: „Das MESSER, welches mein Vater mir mit auf meine Reise am Talestag vor... Jahrzehnten gab?!" Er schien verwirrt und schaute seinen Freund mit großen Augen an.

    „So ist es, sprach Odon unverblümt, „oder soll es dein Grab schmücken?!, ergänzte er noch überzeugender.

    Agadot verschluckte sich erneut am Rauch und hustete schwer.

    „Gut, lass mich kurz nachdenken, bevor du mich weiter plagst... hmmm..." Seine Finger spielten am vertrauten, glatten Holz entlang. Er erinnerte sich an alte Tage und versuchte sich das Gesicht seines verstorbenen Vaters, vorzustellen. All die Jahrzehnte ließen jedes Bild an ihn verblassen. Die Erinnerung an seine rauen Gesichtszüge schwanden jeden Tag, nach seinem Dahinscheiden, ein Stückchen mehr.

    Plötzlich sagte Agadot voller Überzeugung: „Vielleicht hast du recht...! Der alte Mann ging in sich, murmelte etwas Unverständliches und sprach: „Gut, es ist entschieden! Er soll und muss es haben!

    „Na prächtig!", freute sich Odon und klopfte fest auf Agadot`s Arm, welcher unvermittelt übertrieben aufschrie.

    Beide lachten erneut. Agadot fragte verdutzt: „Und was willst du ihm geben?!"

    „Na, dein Messer!", lachte Odon schreiend. Es brauchte eine Weile, bis sie sich vor Lachen wieder einkriegten.

    „Nein, nein ...auch etwas scharfes..., sagte er korrigierend und zeigte auf Agadot`s Klinge, „nein! Das hier!

    Er zog geschwind etwas unter seinem Mantel hervor. Ein langes Stoffbündel kam zum Vorschein. Er strich die Lagen zur Seite und enthüllte ein kurzes Stahlschwert. Es blitzte auf, aber es war ohne Griff, noch nicht vollendet. Im geheimen fertigte es Odon in den letzten Monaten an. Deron, sein Neffe, half ihm mit Rat und Tat dabei.

    „Ich wäre dir sehr dankbar, wenn deine Künste es vollenden, sagte Odon. Worauf Agadot geehrt bestätigte: „So soll es sein... und mein Messer gebe ich ihm natürlich dazu... Es soll nicht in die Hände von irgendeinem Grabdieb gelangen.... Beide schauten sich zufrieden an und gaben sich die Hand darauf.

    Plötzlich und völlig unerwartet krachte es ohrenbetäubend vor ihnen am Strand. Sie zuckten zusammen und schauten sich erst einmal ungläubig an. Den Blick in Richtung Strand gerichtet, sahen sie zu ihrem Schrecken nicht mehr das offene Meer. Nebelschleier krochen rasend wie Schlangen den Strand herauf. Der blaue Himmel ertrank in einer grauen Suppe. Die Sonne schien entrückt und weit entfernt in einem anderen Land zu existieren. Selbst das Geschrei der Möwen war wie weggeblasen. Im Dunst hallte jedes Geräusch leicht wieder.

    Die beiden Freunde hatten den Blick für das Phänomen auf dem Meer verloren. Inzwischen war es hier, direkt vor ihnen, ...am Strand! Was zuvor winzig klein erschien, umschloss in diesem Augenblick ihre gesamte Umgebung.

    Odon sprang auf und Agadot blieb überrascht wie angeklebt sitzen. Der Hund bellte zunächst wie wild. Er war alarmiert und aufgeregt von seiner Entdeckungstour hinter dem Haus hervor geeilt. Toba schnupperte vorsichtig in der Luft, seine Schnauze erhob er dabei. Plötzlich wich er winselnd zurück und versteckte sich mit einem Sprung in der Hütte. Odon schaute jetzt tief in den Nebel hinein. Zunächst sah er nur weiß und sonst nichts. Dann jedoch ergriff er den Arm Agadot`s. „Siehst du das auch?!", flüsterte er leise, noch nach Luft schnappend seinem Freund zu. Dieser blieb weiterhin wie versteinert im Stuhl hocken.

    Schatten bewegten sich schemenhaft im grauen Dunst am Strand hin und her. Die weißen Schwaden hatten sie mittlerweile ganz umschlossen. Umrisse von Schiffen wurden plötzlich, doch nur undeutlich, erkennbar.

    Tiefe Stille legte sich für ein paar Minuten um die Männer. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht! Mann konnte sein Gegenüber zwar noch deutlich erkennen, jedoch in ein Silberkleid gehüllt. Ja, sie wirkten schon eher farblos, genauso wie alles andere in der Umgebung.

    Dann völlig unvermittelt zersprang die Stille wie Glas! Ein Horn wurde, tief und abgründig, dreimal laut, geblasen. Der Nebel vibrierte währenddessen unerträglich.... Der Puls in der Halsschlagader pochte laut in ihnen ...

    Die Anspannung ließ einem den Atem vor Schrecken anhalten.

    Wie aus einem Bann erwacht, befahl Odon seinem Hund: „Toba mein Junge! Lauf zu Deron! Los jetzt!!!" Dieser verstand instinktiv und auf Anhieb die Weisung. Hocherfreut über den spontanen Startschuss stürmte er rasend Richtung Steintreppe. Eine der grauen Gestalten lief alarmiert sofort hinterher, aber der Hund war deutlich schneller. Odon bewegte sich darauf die Treppe der Hütte herabsteigend. Er feuerte den Lauf seines Vierbeiners an.

    Der Hund lief, so geschwind er konnte durch Büsche, über Felder und Hügel. Aufgeregt und völlig erschöpft, kam er bellend im Dorf an. Er rannte direkt zu Deron, welcher gerade aufgestanden war und sich an einem Kübel in der Schmiede wusch. Das Tier stürzte durch die halb offene Holztür herein. Diese segelte darauf krachend hin und her. Toba kläffte verzweifelt, lief ständig zur Tür und zurück.

    Deron, der Schmied, betrachtete das merkwürdige Verhalten des Hundes. Zu sich selbst sagte er laut: „Was willst du mir sagen, Toba?!"

    Derweil erwachte Dergil, Deron`s Sohn und kam verschlafen hinzu.

    Der Junge versuchte, das alte Tier, zu beruhigen. „Etwas muss passiert sein!", sagte Dergil an seinen Vater gewandt und wusch sich den Schlaf aus den Augen.

    „Ich hatte einen seltsamen Traum und erwachte, Vater!, brachte Dergil dramatisierend in die gegenwärtige Situation mit ein, „ein weißer Schleier griff nach mir und grausige Schatten sprangen daraus hervor...!

    In seiner noch schlaftrunkenen Stimme war echte Furcht und Angst zu spüren.

    Sein Vater runzelte die Stirn. Ergriff ohne Worte seinen großen schweren Kriegshammer „Grollo" und ging aus der Tür seiner Schmiede ins Freie. Toba zerrte bereits an Deron`s lederner Arbeitsschürze. Der Mann schaute sich angestrengt um, in der Erwartung etwas Ungewöhnliches zu entdecken. Seine Blicke schweiften von Osten nach Westen.

    Dann blieb er still stehen und traute erst einmal seinen Augen nicht.

    In der Ferne, zum Strand hin, sah er das Aufziehen einer weißen Wand aus Schleiern. Sie kam rasch näher und teilte sich plötzlich, völlig unnatürlich, zu einer Zangenbewegung um das Dorf. Ein Augenzwinkern des Überlegens später und der Schmied reagierte spontan.

    Deron schrie mit aufgerissenen Augen zu seinem Sohn: „Schlag Alarm, Sohn!!!Schlag Alarm!"

    Dergil nahm geistesgegenwärtig eine starke Eisenstange neben der Feuerstelle auf und schlug mit Wucht auf einen anderen Hohlkörper aus Metall, neben dem Amboss, ein. Seine dunklen Haare und die drei dicken, geflochtenen Zöpfe, mit Lederriemen verbunden, wehten hin und her in seinem Schwung. Dergil war Deron`s dritter Sohn und überragte seinen Vater jetzt schon um eine halbe Kopflänge.

    Mit großer Wucht donnerte der Stab und wiederholte die Warnung zig male.

    „ERWACHT, ERWACHT!...Zu den Waffen Adalanter!!!", warnte Deron mit einer tiefen, lauten Stimme und ergänzte noch eindringlicher, „Der Feind ist über uns gekommen, ...KÄMPFT!!!"

    Keine Minute verging. Überall stürmten Dorfbewohner aus den Häusern und schauten verängstigt in alle Richtungen. Manche nicht wissend wie ihnen geschah, schauten sie sich erst vorsichtig um, andere hatten sich bereits mit Schwertern, Spießen oder Äxten bewaffnet.

    Sie sahen den Schmied vor seiner Werkstatt stehen und Richtung Westen deuten. Ihre Blicke folgten und sie zuckten erschreckt zusammen... Was war geschehen?

    Zwei Arme aus einem weißen, silbrigen Dunst umschlossen bereits die Dorfgemeinde... Die windenden Finger tasteten sich unaufhaltsam voran.

    Mathuran, wie das Dorf genannt wurde, bestand aus Dreidutzend Häusern und war von Holzpalisaden auf angelegten Deichen umgeben. Ihre zwei Zugänge, im Osten und Westen, konnten mit schweren Holztüren verschlossen werden. Diese standen aber noch offen. Es waren Tage des Friedens und man erwartete keine Überfälle.

    Gerade war Deron am Rufen diese zu verschließen, da huschten seltsame, graue Schatten ins innere der Befestigungen. Der Nebel folgte ihnen magisch ins Herz von Mathuran... dann kam ein langer, langer Moment der Stille...bis... Hörner und Trommeln aus der Umgebung erklangen. Woher genau konnte man nicht orten. Sie hallten wie in den Bergen wieder ...

    Hier und da hüpften bedrohliche Schatten im Zwielicht der weißen Schleier umher ... Der Angriff hatte begonnen ...

    Plötzlich und unvermeidbar erklangen von allen Seiten Kampfgeräusche an die Ohren des Schmiedes. Es wurde geschrien, Hunde bellten ... So auch Toba, welcher spontan auf eine nahende graue Gestalt zustürmte. Er knurrte, bellte aggressiv und winselte im nächsten Moment lauthals ... dann ... sah und hörte man nichts mehr von ihm!

    Dergil rief verzweifelt nach dem lieb gewonnenen Gefährten, dieser war jedoch nie mehr gesehen...

    Auf einmal umzingelten fünf große Gestalten den Schmied und seinen Sohn. Dergil umschloss die Eisenstange mit seiner kräftigen rechten Hand, seine grauen Augen waren weit aufgerissen. Er war bereit zum Kampf auf Leben und Tod. Deron seinerseits nahm „Grollo den Feindhammer in beide Hände. Schwerter blitzten plötzlich auf und eckige Schilde wurden ihnen entgegen geworfen. Es waren mehr als nur fünf Schatten, wie zunächst angenommen. Von rechts und links der Werkstatt aus, tauchten weitere Angreifer, wie aus dem Nichts, auf. Dergil hörte seinen Vater rufen: „Keshava, großer Schöpfer, lass mich heute Dein Hammerschlag sein! Sogleich ließ er seinen schweren Hammer niedersausen und zerschmetterte brutal zwei von den bedrohlichen Gestalten. Blut spritzte nach allen Seiten. Einer schien sofort tot, der andere kroch schwerverletzt davon.

    Dergil drehte sich nach rechts und wollte losstürmen, als ihn etwas Hölzernes mit Schwung am Kopf traf. Er taumelte, rappelte sich auf, sein Gleichgewicht suchend und stach den Eisenstab ins Auge eines stämmigen Feindes. Deron streckte derweil einen weiteren Kerl nieder. Dergil sah noch in Zeitlupe, wie seinem Vater ein Schwerthieb ins linke Bein traf. Er wankte danach im Gangbild. Dann nach links drehend, sah der Junge einen schweren Knüppel ansausen ... Es donnerte im Kopf, als das Holz auf seiner Stirn einschlug. Blitze zuckten tausendfach durch seine Augen. ... Schwärze kroch wie eine Spinne in seinen Verstand ... Die Zeit schien laaaaaaaangsaaam und tickend stehenzubleiben ...

    Sein Körper fühlte sich schwerer und immer ... schwerer an. Dann! Das Unvermeidliche geschah! Er war bewusstlos!!!

    Minuten vergingen, Tage vergingen oder waren es Monate?! Vielleicht auch nur Bruchteile von Sekunden ...?!

    Die Dunkelheit wich. Er hatte Schwierigkeiten mit seiner Konzentration. Ihm war übel und schwindelig. Aus der Weite der Finsternis, wie durch einen langgezogenen Tunnel, hörte er seinen Vater unwirklich rufen: „Der Talestag! Der Talestag! Der Talestag..."

    Ausgedehnte Stille folgte, kein Lüftchen bewegte sich.

    Wieder der unerträgliche Schwindel. Er lag urplötzlich, Gesicht an Gesicht, mit seinem Vater im Nichts, im Dazwischen, am Boden, wobei dieser ihm direkt ins Ohr flüsterte: „...Dein Schicksal, mein Sohn... beginnt Heute! JETZT!!!" Deron wurde wie von einem Katapult gezogen und in die Unendlichkeit befördert. Wilde Träume wechselten sogleich ihre Gestalt wie ein Blitzeinschlag.

    Kampfgeräusche klopften in den Ohren Dergil`s. Entfernte Schreie von Männern, Frauen und Kindern. Unversehens spürte er etwas, es waren mehrere, gewaltige Windschläge in seinem Gesicht. Er atmete diese tief ein. `Woher kommt die Brise?`, fragte er sich.

    Plötzlich stieg ein mächtiger schwarzer Adler aus den weiten des Universums auf, schwang seine Flügel wie im Zeitraffer und ergriff den Sohn des Schmiedes sanft, mit seinen Krallen umschlingend, vom Boden auf. Er krächzte mehrmals gewaltig. Dergil`s Körper hob langsam ab, wobei es sich anfühlte, als würde er aus einem tiefen Schlammloch gezogen.

    Hinauf, hinauf trug der Vogel den Jungen über das Dorf Mathuran hinweg in den endlosen Himmel. Kreisend, immer weiter kreisend, flogen sie höher und immer höher... Alles um ihn herum wirkte surreal und verzerrt. Der Adler, ein „Geistwesen", nahm sich Dergil´s Seele an. `Bin ich tot?`

    Diese Frage erfasste ihn wie eine dunkle, giftige Schlange.

    Weit oben im zwielichtigen Himmel angekommen, sah der Junge plötzlich strahlende Sterne aufgehen. Dinge fühlten sich jetzt weit entfernt und nah zugleich an. Wie zerrissen, in Vergangenheit und Zukunft, fühlte sich sein erbärmliches Dasein an.

    Das „Geistwesen" ließ einen gewaltigen Ruf erschallen und schaute ihm darauf direkt in die Augen. Das Universum antwortete mit einem Konzert aus Drachenhörnern. Es brummte und hallte.

    Völlig unerwartet sprach der Adler mit bestimmender, tiefer, menschlicher Stimme zu ihm:

    „Höre, Mich!! … Du warst ein Schmiedsohn, ...Werde zum Sucher! Werde zum Krieger! Werde zum Tain!"

    Diese Worte drangen tief in sein Gedächtnis ein. Gaben dem Schicksal eine wichtige Bedeutung.

    Bevor er es sich versah, ließ der schwarze Adler Dergil einfach fallen.

    Hilflos stürzte er in die Tiefe. Trieb lange in den Gezeiten ... eins mit Zeit und Raum ...

    Die Sterne und auch Mathuran verschwanden unter ihm ... bis dieser kleine Punkt sich gänzlich auflöste. Er fiel ins Leere, so glaubte er ...

    Aus der Ewigkeit heraus kreischte der Adler seinen letzten, bestätigenden Aufruf an ihn ... Dann war er allein. Er sah nichts, fühlte nichts und schmeckte nichts ...

    Unendliche Schwärze umgab den Jungen aus Mathuran und ein tiefer, Traum freier Schlaf überkam Dergil, Deron`s Sohn....

    Kapitel 2: Der Sturm bricht los

    Flüsternde Stimmen drangen an Dergil`s Ohren, als er stöhnend erwachte. Sein Schädel brummte und hämmerte vor Schmerzen. Es dauerte einige Minuten, bevor seine Erinnerung zurückkam.

    Seine Hände zum Kopf hebend, bemerkte er breite Lederriemen, die seine Handgelenke mit wenig Spielraum zum Bewegen, fesselten. Vom Kopfschlag waren nur noch Blutkrusten an der Stirn spürbar. Er blinzelte beim Öffnen der Augen und sie brannten. Trostlos, dunkel und verschwommen wirkte seine Umgebung. Zunächst erkannte er nichts konkretes, es gab nur wenig Licht. Dann wich er erschrocken und ruckartig zurück.

    Eine große in grauen Stofffetzen gehüllte Person, ihm mit dem Rücken zugewandt, stand dicht vor seinem Platz. Die Gestalt schrie aufgeregt, unangenehm und laut in den Raum hinein: „Still hier, sonst kommen Hiebe!... Keine Gespräche...Hiebe...kapiert?!" Dann schimpfte dieser grobe Kerl weitere unverständliche Worte. Einen Eisenknüppel schlug er wuchtig gegen die Gitter der Käfige auf der gegenüberliegenden Seite des zwielichtigen Ortes.

    Dergil drehte sich und sah, dass er ebenfalls in solch einem Käfig lag. Sie waren nur für einzelne Gefangene vorgesehen. Da er ziemlich benebelt war, musterte er sorgfältig abtastend seine persönlichen Sachen.

    Seine Sandalen hatte er an, ebenso seine lange Leinenhose samt breitem Ledergürtel mit Eisenschnalle. Die Lederriemen in seinen drei Haarzöpfen waren vorhanden, auch die dickeren Riemen an der Hose vom Knöchel zum Knie, in Kreuzmustern gewoben, waren vollständig. Er war erleichtert sein Schutzamulett um seinen Hals zu spüren. Eine kleine, runde, silberne Dose gefüllt mit Asche aus einem Feueropfer. Es war ein Geschenk seiner verstorbenen Mutter. Gebete auf einem Stück Pergament wurden rezitiert und im Feuer geopfert. Der übriggebliebene Staub der Schriftstücke wurde dem Amulett mit Schutzgebeten beigefügt.

    Dergil war der dritte Sohn Deron`s. Vor elf Jahren reiste seine Mutter mit den beiden älteren Brüdern, ihre Tante weiter nördlich besuchen.

    Eine Strecke von fasst drei Tagesmärschen landeinwärts. Zwei Bauern Mathuran`s begleiteten sie, um dort Handel zu treiben.

    In der Wildnis wurden sie jedoch vom Schicksal heimgesucht. Ein außergewöhnlich großes, hungriges Wolfsrudel spürte ihr Lager auf und tötete grausam alle Reisenden in der folgenden Nacht. Niemanden haben die Wölfe entkommen lassen. Tagelang suchte Deron die vermisste, geliebte Frau und seine beiden Söhne.

    Beim Anblick seiner halb gefressenen Liebsten, geriert Deron in rasenden Zorn. Er hielt wochenlang nach diesem Rudel Ausschau und streckte mit großer Wut alle Tiere, samt Nachwuchs, mit einer Streitaxt nieder.

    Seit dieser Zeit trug Dergil drei lange, dicke Zöpfe. Einen rechts und links an den Ohren herab, einen dritten am Hinterkopf gelegen. Sie erinnerten ihn stets an seine Familie. Er fühlte sich somit immerwährend mit ihnen verbunden.

    Dieser Frisur Stil wurde sein Markenzeichen.

    Plötzlich hörte Dergil in seiner unmittelbaren Nähe, jemanden jammern. Der Aufseher reagierte blitzschnell, stach mit dem Stock gezielt in einen Käfig und sagte dabei forsch: „Schluss jetzt... sonst... Schmerzen... unerträgliche Schläge. Gesindel, Pack... ihr macht was man befiehlt!!" Die Person im Verschlag sank bewusstlos in sich zusammen. Blut tropfte aus einer klaffenden Wunde auf der Stirn und ergoss sich in den Raum auf die Planken.

    Der Boden schwankte unerwartet und das Pullen von vielen Ruderern war deutlich zu hören. Er befand sich auf dem Meer. Offenbar auf einer Galeere.

    Wie lange er bewusstlos dagelegen war oder wie er hierher kam, das konnte er nicht nachvollziehen. Sogleich suchte er in seiner Umgebung nach Hinweisen, aber erkannte nichts Brauchbares.

    `Wo ist jetzt mein Vater? `, fragte er sich mittlerweile verzweifelt. Zahllose Gedanken kreisten wie hungrige Fledermäuse in ihm.

    Der Sohn Deron`s beobachtete die seltsame graue Gestalt für eine Weile argwöhnisch. Sein klobiger Bewacher war in schmutzigen mehrteiligen Gewändern gehüllt, welche von einem breiten dunkelgrauen Gürtel und einem Geschirr aus Ledergurten im Brustbereich zusammengehalten wurden. Eine Kapuze verdeckte sein Gesicht und Dergil vermutete, dass sein Kopf ebenso mit Stoffen verhüllt war. Lediglich das Weiß seiner Augäpfel blitze ab und zu auf. Seine Hände waren schwarz bemalt, rissig und grob. Der kleine, rechte Finger fehlte dem Aufseher.

    Der Mann hatte beim Gehen die Eigenart auffällig zu stampfen. Kurze Zeit später rief jemand am anderen Ende des Laderaumes nach ihm. Mit Getöse schritt der Grobian zum zweiten Aufpasser, welcher etwas kleiner, als dieser unangenehme Kerl, war.

    Sie unterhielten sich in einer Dergil nicht verständlichen Sprache. Diese wirkte, wie die grauen Gestalten, finster.

    Eine männliche Stimme rechts von ihm flüsterte ohne Hoffnung: „Hier sind wir... verdammt und verloren...". Ein junger Mann, um die zwanzig Jahre, sagte dies in der gemeinsamen Sprache der Königreiche Atolan`s.

    Dergil lehnte sich in seine Richtung und fragte: „Wer bist Du?... Woher kommst Du?"

    Der Junge hielt sich die Hand vor den Mund: „Leiser... sie haben gute Ohren...ich bin Agar aus Lythia..."

    Agar beobachtete zuerst die Schurken, bevor er weiterfuhr: „Vor zwölf Tagen wurde mein Dorf hoch im Norden geplündert. Sie nahmen die kräftigen Jungen und ein paar junge Mädchen mit sich... Du kamst vor zwei Tagen mit deinen Leuten hier an..."

    Bevor Dergil weitere Fragen stellen konnte, polterte es hinter ihnen.

    Die Sklaventreiber bekamen ihre Unterhaltung mit.

    „So keine Stille halten können..., sprach der erste gebrochen. Der zweite erwiderte: „Dann nehmen wir den älteren... andere zusehen und still seien dann!

    Gesagt, getan! Sie holten Agar aus dem Käfig und schleppten ihn immer wieder schlagend durch eine schmale Tür, in einen Nebenraum, davon. Laute, erbärmliche Schreie und Schläge mit stumpfen Gegenständen auf Fleisch aufprallend, füllten die düstere Atmosphäre des Unterdecks. Niemand wagte eine weitere Unterhaltung.

    Nach einer Weile tauchten die Peiniger wieder auf. Die Knüppel trieften vor Blut und Hautfetzen. ...Aber Agar aus Lythia kam nicht zurück ...

    Dergil bedauerte, den Kontakt mit ihm aufgenommen, zu haben. Er glaubte, dieser könnte ohne seine dumme Neugier noch leben. Er kauerte sich in seine Ecke zusammen und hielt sich für zutiefst schuldig.

    Seine Gedanken schweiften zu den Ereignissen in Mathuran. Er fragte sich bitter, ob sein Vater und die Dorfbewohner lebten. Er dachte:

    `Vielleicht sind ja so einige verschleppt worden und irgendwo auf der Galeere untergebracht!`

    In der näheren Umgebung konnte er kein bekanntes Gesicht ausmachen. Dergil zählte zwölf Käfige in diesem Lagerraum. Jungen und kleinere Kinder hockten darin. Vermutlich waren in anderen Decks mehr Gefangene.

    Sein Gefängnis bot kaum Platz zum Bewegen. Er konnte sich hinlegen und sitzen, aber fürs Stehen war es nicht hoch genug. Über sich hörte er die Schritte von vielen Personen, die hin und her liefen. Plötzlich bemerkte er einen Gegenstand hinter sich.

    Jeder Insasse hatte einen Eimer für Fäkalien, einen Holzteller und eine Schale mit Wasser zur Verfügung. Es stank hier unten erbärmlich, nach Kot und Urin. Der Boden war mit Stroh ausgelegt, was wahrscheinlich dem Reinigen nach dem Entleeren diente. Licht erzeugten nur ein paar spärliche Öllampen an der Decke. Eine Treppe hinten, links von ihm, führte zu einer geschlossenen Luke. Dahinter sah er eine verschlossene Tür zu weiteren Räumen.

    Die erste Nacht erlebte Dergil von Alpträumen geplagt. Er sah beängstigende Horden von Kriegern, die im Traum durch finstere Wälder stürmten und alles, was ihnen in den Weg kam, töteten. Sich selbst sah er in einer Höhle Zuflucht suchen. Die Wilden fanden ihn hier nicht. Im dunklen Versteck konnte er Abbildungen erkennen, welche mit weißer Farbe an die Wand gemalt waren. Sie schienen aus alter Vorzeit zu stammen. Die Szenen zeigten eine große Schlacht. Der Inhalt der Bilder wechselte urplötzlich.

    Unerwartet saß der gewaltige schwarze Adler aus seiner Vision plötzlich direkt vor ihm und öffnete seine weiten Schwingen. Er krächzte lautstark wie ein Sturmwind, der in sein Gesicht schoss. Dergil sackte erschrocken zusammen. Kurz darauf erwachte er unsanft durch lautes Trommeln an Deck der Sklavengaleere. Er musste sich erst einmal orientieren. Was war Traum und was Wirklichkeit?! Dann schaute er sich verwirrt um.

    Inzwischen war sein Holzteller mit einem Brei gefüllt worden. Misstrauisch roch er daran und probierte vorsichtig, bereit das „Zeug" wieder auszuspucken. Er kniff die Augen zusammen. Es schmeckte nach wenig Salz und Getreide. Erleichtert aß er. Sein Magen schmerzte mittlerweile vor Hunger.

    Restlos leerte er sein Napf mit seinen Fingern. Es dauerte nicht lange und er verspürte starkes Unwohlsein in der Magengegend. Obwohl es ihm völlig unangenehm war, setzte er sich auf den Fäkalieneimer. Er hatte Durchfall und Bauchschmerzen. Der Tag begann erbärmlich für ihn.

    Schmale Strahlen Morgenlicht drang durch kleine Ritzen in das Verlies.

    Dadurch konnte man etwas mehr von der Umgebung erkennen.

    Die Käfige waren nicht aus Metall, wie es im dunklen den Anschein hatte, sondern aus schwarzem Holz. Weiteres Trommeln ertönte in einem monotonen, gleichmäßigen Takt. Die Ruder wurden zu Wasser gelassen. Über Nacht hatte die Galeere in einer Bucht geankert. Das große Schiff setzte sich mit einem Ruck in Bewegung.

    Nachdem er sich das dritte Mal entleeren musste, hörten die Bauchkrämpfe schlagartig auf. Er fühlte sich darauf erleichtert. Der Tag nahm seinen Lauf. Sein Rücken und seine Beine schmerzten aufgrund der Enge. `Könnte man doch nur aufstehen! `, wünschte er sich. Die Zeit verstrich, irgendwie, mit ständigem schlafen, wieder aufwachen, essen, pinkeln und die dummen Wachen beobachten.

    `Hätte ich ein Messer, würde ich ihnen allen die Kehle aufschlitzen!`

    Er hasste ihre Brutalität und hoffte den Schwachmaten, irgendwann in Zukunft die Qualen heimzahlen zu können.

    Sechs weitere Tage vergingen ohne besondere Vorkommnisse. Am Siebten schwankte das Schiff deutlich mehr als zuvor. Es war ein düsterer Spätnachmittag, der Wind blies immer kräftiger und dunkle Wolken zogen rasch am Horizont auf. Die Aufseher unterhielten sich besorgt und rannten wiederholt in den angrenzenden Raum und wieder zurück. Sie verlagerten irgendwelche Kisten. Um die Gefangenen kümmerten sie sich zur Zeit überhaupt nicht.

    Dergil zog seinen Gürtel aus den Schlaufen und nutzte die Gelegenheit der Stunde, da die zwei Unholde völlig abgelenkt schienen. Er betrachtete seinen Ledergürtel, ein Geschenk seiner Tante aus dem Norden. Die Schnalle hatte eine scharfkantige Seite.

    Er strich darüber und überlegte. Spontan rieb er an den Lederfesseln seiner Handgelenke. Seine Bewegungen wurden immer schneller. Der Gedanke an eine mögliche Flucht manifestierte sich in ihm blitzschnell.

    Es krachte über ihm. Auf dem Ruderdeck kam Panik auf. Die Galeere zog die Ruder ein, da der Ausläufer eines Sturmes das Schiff mit voller Wucht erreichte. Es schwankte immer mehr, aufgrund von aufbäumenden Wellen. Die Seekrankheit ergriff bald einige der Gefangenen. Sie übergaben sich schwallartig und der Geruch im Innern des Schiffsbauches wurde unerträglich.

    Das Unwetter erfasste sie mit voller Gewalt. Ein Entkommen schien unmöglich. Wasser türmte sich zu riesigen Bergen auf, welche krachend auf dem Oberdeck einschlugen. Das Nass stürzte durch jede Lücke an den Luken ins Innere. Wie ein Spielzeug wurde die Galeere auf und ab geworfen. Manövrieren war bald nicht mehr möglich.

    Endlich, nach langem intensiven reiben, waren die Fesseln durch. Hoffnung und Adrenalin durchfluteten ihn. Von den Aufpassern war jetzt keine Spur mehr zu sehen. Dergil überlegte geschwind, was er als Nächstes tun könnte. Er nahm seinen Gürtel und band diesen um zwei Gitterstäbe. Er drehte ihn mit aller Kraft fest zusammen. Dem Jungen links von ihm sagte er: „Nimm deinen Ledergürtel oder dein Hemd und mach dasselbe wie ich... wir müssen hier raus...sofort!"

    Dieser Gefangene verstand ihre Lage ebenso und tat es ihm nach. Einige wenige wurden alarmiert. Wieder andere waren zu kraftlos oder niedergeschlagen für die Flucht.

    Das auf und ab der Galeere, warf sie in ihren Zellen, hin und her. Wasser brach stetig über die Reling und floss in Bächen in den Schiffsbauch. Der Sturm hatte die völlige Kontrolle übernommen.

    Mit lautem Krachen brachen endlich die ersten zwei Gitter in seinem Gefängnis. Er jubelte kurz und machte sich daran weitere zu brechen. Für einen Durchgang mussten mindestens sechs entfernt werden. Seine ganze Kraft einsetzend, versuchte er einen Fluchtweg zu bahnen. Zeit schien eine Mangelware zu sein.

    Regen peitschte und Wind pfiff ohne Erbarmen. Laute Schreie ertönten auf den oberen Decks, als der Schiffsrumpf längsseitig von scharfkantigen Klippen aufgeschlitzt wurde. Darauf schwenkte die Galeere nach links und rammte einen Felsen, der knapp unter Wasser lauerte. Der Hauptmast brach in sich zusammen und schlug auf dem Hauptdeck ein. Der Rumpf gab den einwirkenden gewaltigen Kräften nach und teilte sich langsam in zwei Hälften.

    In diesem Moment des Schicksals kletterte Dergil aus seinem Käfig und kämpfte sich vorwärts aus dem sinkenden Schiffsbauch heraus. Vorn und hinten, sah er, wie seine Mitgefangenen verzweifelt schrien oder weinten. Er konnte ihnen nicht mehr helfen! So bitter diese Erkenntnis auch war, sein Wille zu überleben, wurde stärker und dringender! Er musste sie zurücklassen ... Eine andere Möglichkeit gab es nicht!

    Dann war es soweit! Das Ende der Galeere ward gekommen! Eine riesige Welle erfasste das Schiff. Mit dieser Wucht wurde der junge Adalanter mit einem Schlag mitgerissen und unaufhaltsam vom Wrack, mit einer plötzlichen Wasserwelle heruntergespült. Genau in diesem Augenblick erreichte sein erschöpfter Körper das Freie.

    Oben und unten verloren ihre Bedeutung. Wassermassen umgaben ihn und zogen seinen Körper tanzend mit sich. Er musste lange seinen Atem anhalten, bevor er prustend auftauchte. Mittlerweile war er weit entfernt von den Klippen im Meer. Er kämpfte mit den hohen Wellen. Seine Kraft schwand und er glaubte sich schon am Ende, als die Rettung direkt vor ihm erschien. Es war ein Stück abgerissene Bordwand. Diese konnte er mit großem Kraftaufwand, gerade noch so, schwimmend erreichen. Er hustete schwer, da er Salzwasser verschluckte. Mit allerletzter Anstrengung zog er sich auf das sichere Treibgut und hielt sich an den Seiten, auf dem Bauch liegend, fest. Er wollte nicht aufgeben, daher klammerte er sich an die einzige Hoffnung. Aus dem Augenwinkel suchte er nach dem Schiff. Er sah die Galeere in dem Moment, als sie gänzlich unterging. Sie nahm alle Seelen mit sich in die dunkle Tiefe, ...Gefangene, wie graue Schurken ...

    In einiger Entfernung sah Dergil, aus einem anderen Augenwinkel, mehrere Lichter aufblitzen. Es gab zwei weitere Sklavenschiffe, die um ihre Existenz kämpften, es schien jedoch, als würden diese den Felsen entkommen und dem Sturm trotzen.

    Die Bewegungen des Wassers ließen ihn immer weiter von den Schiffen abtreiben, bis er keines mehr ausmachen konnte. Der Gefangenschaft war er durch glückliche Umstände entwichen, aber dem Tod sah er jetzt mitten ins Gesicht.

    Die Dämmerung wich der Nacht. Er kämpfte verzweifelt und verbissen mit den Wellen. Die Gefahr von der sicheren Holzplanke ins Wasser geworfen zu werden, war groß.

    Daher betete er in seiner Not: „Meine Seele gebe ich in Deine Hände, Vater allen Seins,... Keshava!"

    Drei Stunden vergingen wie eine Ewigkeit. Der Vollmond erschien zwischen dunklen, aufgerissenen Wolkenfetzen und das Wasser beruhigte sich langsam. Das Unwetter zog weiter und ließ ihn mitten in fremden Gewässern in der Dunkelheit allein zurück.

    Müdigkeit überkam Dergil. Er muss wach bleiben, um nicht zu ertrinken. Jetzt, etwas gelassener, war er für die Rettung aus dem Sklavenschiff dankbar. Laut jubelnd versprach er Gott eine Opfergabe, sobald er die Gelegenheit dazu bekäme. Dann brach er unkontrolliert in Tränen aus und verzweifelte am Nichtwissen über sein Schicksal und das seines Vaters. Alles überwältigte ihn auf einmal. Er erinnerte sich an den letzten Moment in Mathuran. Deron wurde im Kampf verwundet. Unendliche Sorgen verdunkelten das Herz des Sohnes.

    Die Zeit zog sich gähnend dahin. Nach weiteren vier Stunden kam der Schlaf raptusartig über ihn. Zunächst kämpfte er, rutschte immer wieder ins Nass, bis beim erneuten Sekundenschlaf ein Schwall Wasser ihn unversehens aufschreckte. Woher kam die Abkühlung? Er schaute sich überrascht um. Nichts außer Wassermassen war zu sehen!

    Unerwarteterweise kicherte jemand?! Nein, wieherte eher und „schnallste" die Zunge?!

    Erneut sah er sich um, erkannte zunächst nichts im blassen Mondlicht. Plötzlich plätscherte es vor ihm, da tauchten Delfine auf und schwammen neugierig um ihn herum. Geschickt warfen sie Wasser auf Dergil`s Gesicht, gefolgt von ihren Rufen. Ein Rudel aus fünf erwachsenen Tieren kreiste kontinuierlich um sein Floss. Er rief nach ihnen und wusste, dass diese Lebewesen ihm nichts antun würden. Oft beobachtete er begeistert in seiner Kindheit diese Säugetiere, unmittelbar in der Bucht zu Agadot`s Hütte, von einem Boot aus.

    Immer wieder unterbrachen die Tiere sein Einnicken, scheinbar wollten sie nicht, dass er vom Treibholz rutschte. Ob sie seine Lage verstanden oder einfach einem Spieltrieb nachkamen, konnte er nicht einordnen, aber er ahnte, dass sein Leben von ihnen abhing.

    Erschöpft sprach Dergil sie an: „Hallo, Freunde! Sie gaben darauf Geräusche als Antwort. „Danke, dass ihr mich gefunden habt!... Möge Gott euch mit viel Futter und Gesundheit segnen!

    Kurz danach sprangen alle nacheinander wie ein Ballett freudig aus dem Wasser. Die Fontänen trafen immer ihr Ziel, ...Dergil mitten ins Gesicht ... Er dankte er ihnen wiederholt lachend ...

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1