Seewölfe - Piraten der Weltmeere 698: Tod in der Schwefelmine
Von Sean Beaufort
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Rezensionen für Seewölfe - Piraten der Weltmeere 698
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Buchvorschau
Seewölfe - Piraten der Weltmeere 698 - Sean Beaufort
5
1.
Clint Wingfield, der Moses aus der Seewölfe-Crew, nickte zufrieden und grinste. Fürs erste war er voll mit sich zufrieden.
Er saß rittlings auf einem dicken Ast, lehnte mit den Schultern gegen den moosbewachsenen Baumstamm und schob die Äste und Blätter vor sich auseinander. Sein Blick wanderte zum Heck der Schebecke, und was er sah, freute ihn noch mehr.
Die Bucht, deren Ufer teilweise sandig und öde dalagen und etwa zur Hälfte von Wald, Buschwerk und Dschungel umgeben waren, schien leer zu sein. Von der „Stern von Indien" gab es nicht mal mehr einen Abdruck im Schlick. Clint hatte die Inder und ihren Anführer, den falschen Sultan Drawida Shastri längst vergessen.
Aber Arwenack, der Schimpanse, hatte ihn, Clint, nicht vergessen.
Kaum hatte sich die Schebecke mit dem zertrümmerten Ruder, von den erschrockenen und fluchenden Portus gepullt, dem Ufer genähert, war Arwenack kreischend und schnatternd die Wanten abgeentert, hatte das Schanzkleid mit einem riesigen Satz übersprungen und war irgendwo an Land verschwunden.
Clint erinnerte sich genau an den harten, dröhnenden Schlag, der den gesamten Rumpf der Schebecke erschüttert hatte. In seinem Versteck hatte er gedacht, daß das Schiff in voller Fahrt auf einen Felsen aufgelaufen wäre.
Er hatte Plymmie nur mit Mühe beruhigen können.
In der Dunkelheit, als die Portugiesen das Schiff an den Strand gebracht hatten, war er mitsamt seinem Bündel, gefolgt von der Hündin, nahezu lautlos von Bord gegangen, und zwar über die Jakobsleiter.
In dem allgemeinen Durcheinander war das Geräusch, mit dem Plymmie nach einem weiten Satz ins flache Wasser gesprungen war, untergegangen. Sie waren beide blitzschnell im Wald verschwunden und hatten vom Versteck zwischen Büschen aus zugesehen, wie die Portus durcheinanderwimmelten und zur Galeere hinüberdrohten.
Als Clint deutlicher sehen konnte, wie groß der Schaden war, bereitete er sich in sicherer Entfernung ein gemütliches Nachtlager und sagte sich, daß es eine Weile dauern würde, bis die Portugiesen den Ruderschaden behoben hatten.
Er würde dafür sorgen, daß ihr Aufenthalt in der Bucht sehr lange dauern würde. Nach Möglichkeit ewig lange.
Schweigend sah er zu, wie die Portugiesen versuchten, das Ruder und einen Teil des Hecks – das weitaus weniger beschädigt war – zu reparieren. Das versuchten sie schon seit geraumer Zeit. Inzwischen hatten sie eingesehen, daß das Heck der Schebecke in die Höhe gestemmt werden mußte. Ein paar Baumstämme waren umgelegt und zu Rundhölzern gesägt worden.
Das zertrümmerte Ruder lag auf den Planken des Achterdecks, und ein Zimmermann der „Cabo Mondego" versuchte, aus Holzresten und Reservebrettern ein neues Ruder zu sägen und zusammenzufügen. Mit Tauwerk und Blöcken war das Heck auf den Strand und in die Höhe gezerrt worden. Die Ruderbeschläge und Ruderösen der Achtersteven-Teile, waren stark beschädigt. Immer wieder dröhnten Hammerschläge auf.
„So schnell kommt ihr hier nicht weg", murmelte Clint und sah zu, wie die Portugiesen arbeiteten.
Plymmie kauerte zwischen den Wurzeln des großen Baumes. Irgendwo im Geäst kletterte Arwenack herum und suchte Bananen oder andere eßbare Früchte. Wo sich Sir John, die Krachtaube, befand, wußte der Moses nicht.
„Dafür sorge ich auch in den nächsten Tagen. Oder besser: in den Nächten", sagte er zu sich selbst und kletterte langsam von einem Ast zum anderen, auf der abgewandten Seite des Baumes, hinunter zum weichen Waldboden. Das Sägen, Hämmern und Fluchen wurde etwas leiser.
Clint hatte nicht viel zu tun. Er wartete, bis die Mannen von Kapitän de Xira wieder ein gutes Stück Arbeit hinter sich gebracht hatten. Dann würde er wieder zuschlagen.
Ein paarmal hatte das fabelhaft gewirkt – mit einem Unterschied: Zuerst hatten die abergläubischen portugiesischen Seeleute gedacht, daß ein Schiffsgeist oder die Seelen früherer Seefahrer im Rumpf der Schebecke hausten. Mittlerweile aber waren viele von ihnen sicher, daß der böse Geist an Land herrschte und nichts anderes zu tun hatte, als die armen, schwer schuftenden Portus zu plagen und ihnen Alpträume zu bescheren.
Er hob den Kopf und vergewisserte sich, daß er richtig rechnete. Die Sonne stand noch nicht im Mittag. Die Gegend rund um diese Bucht schien menschenleer zu sein, war aber keineswegs ausgestorben. Viele Tiere hatte er sehen können, weiter nördlich befand sich ein kleiner Teich, in den ein Rinnsal mündete. Dort war eine Wasserstelle, die auch er benutzte. Langsam erschöpften sich seine Vorräte. Und so verrückt oder mutig, die Portugiesen zu bestehlen war er nicht.
„Ich werde schon nicht verhungern", murmelte er, tätschelte Plymmie und brauchte sich auch um die Hündin keine Sorgen zu bereiten. Sie fand genug zu fressen im menschenleeren Wald.
Langsam und im Zickzack, einem kaum sichtbaren Tierpfad folgend, ging er hinter der schnüffelnden Plymmie her auf ihr neues Versteck zu. Von jedem Beutezug zum Schiff brachte er etwas mit, das er brauchen konnte. Ein paar Rundhölzer, eine weitere Decke, die ein Portugiese übers Schanzkleid gehängt hatte, Enden und Leinen in jeder Länge und natürlich jedes Werkzeug, das er finden konnte. Je weniger Werkzeug die Portugiesen hatten, desto besser, denn dann dauerte die Reparatur noch länger.
Nur an die Vorräte traute er sich nicht heran. Das würde ihn in zusätzliche Gefahren bringen.
„Na, Plymmie, wieder eine Ratte gefunden?" fragte er, nachdem die Hündin einen Riesensatz getan und zwischen den Farnen und Beerensträuchern unter den Bäumen verschwunden war.
Ihr Knurren und Hecheln wurden leiser, als sie ihre Jagd fortsetzte. Für sie war jede Handbreite des fremden Bodens offensichtlich ein neues Abenteuer. Clint wußte, daß sie auch ohne sein Geschrei zum Lager zurückfand, selbst in der tiefsten Nacht, denn sie hatte ihn bei seinen Überfällen begleitet.
Ihr schauerliches Heulen ließ die Portugiesen an ertrunkene Seeleute, arme Seelen und Geister des Dschungels denken, bescherte ihnen böse Träume, und wenn sie am Morgen entdeckten, was die nächtlichen Geister angerichtet hatten, dann ahnten sie, daß es nicht nur Alpträume gewesen waren. Wieder mußte der Moses grinsen, es lief genau so, wie er sich das ausgemalt hatte.
Er blieb am Rand des Lagerplatzes stehen. Vor einem schrägen Hang, unterhalb einer Barriere aus Gewächsen mit langen Ranken und unzähligen Dornen, wuchs ein niedriger Baum. Die untersten, dicht belaubten Äste spreizten sich weit und schirmten die weichen Moospolster ab.
Hier hatte Clint die Decken ausgebreitet und seine Schätze, für Ameisen und Mäuse unerreichbar, an den Zweigen festgebändselt. Aber bisher hatte er keine Gelegenheit gehabt, eine Funzel oder Feuerstein und Stahl zu stehlen, mit denen er für ein Feuer hätte sorgen können.
„Es geht auch ohne Feuer", sagte er sich und kroch in den schwarzen Schatten unter den Blättern. Sie raschelten leise, während er darüber nachdachte, wie die nächsten Tage und Nächte ablaufen würden.
Vieles war völlig unsicher. Nur wenige feste Punkte gab es in seinen Gedanken: Er selbst würde immer wieder versuchen müssen, jede einzelne Reparatur so entscheidend zu stören, daß die Schebecke weiterhin bewegungslos in der ruhigen Bucht liegenblieb.
Vielleicht gelang es den Seewölfen, zurückzukehren. Sie wußten inzwischen, daß er verschwunden war, und vielleicht vermuteten sie, daß er sich in der Schebecke versteckt hatte.
Er konnte ihnen nur dadurch helfen, daß er seinen eigenen Krieg gegen Kapitän Luis de Xira weiterführte und verhinderte, daß die Portus die Bucht verließen und weitersegelten.
Er gähnte und streckte sich aus. Als er wieder aufwachte, war die Sonne drei Handbreiten weitergewandert und schien in sein Gesicht. Plymmie lag ausgestreckt quer über seinen Füßen und spitzte die Ohren, als er sich in die Höhe stemmte.
„Wir sehen nach, was unsere Freunde inzwischen geschafft haben, Plymmie", sagte er und griff nach dem Wasserkrug.
Plymmie brauchte er nichts abzugeben. Sie soff irgendwo im Wald, am Wasserlauf oder an dem Tümpel.
Der Schinken, von dem er eine Scheibe heruntersäbelte, reichte auch nicht mehr lange. Clint zuckte mit den Schultern, er würde schon etwas Eßbares auftreiben. Ohne Eile kaute er auf dem salzigen Fleisch, trank Wasser und packte schließlich den schweren, scharfgeschliffenen Dechsel, der zur Ausrüstung von Ferris Tucker gehörte. Clint hatte das Werkzeug bei seinem letzten nächtlichen Überfall erbeutet und in Sicherheit gebracht.
Er stieß einen leisen Pfiff aus. Gehorsam folgte ihm die Hündin, sprang an seinen Knien hoch und lief vor ihm auf den Aussichtsbaum zu.
Das Fischerboot hatte die Brandung durchstoßen und segelte jetzt, gegen Mittag, quälend langsam nordwärts an der Küste entlang. Schweigend hockten die vier Insassen auf den Duchten. Die stumpfkegeligen, geflochtenen Hüte waren mittlerweile zwar weich geworden und verloren ihre Form, aber sie schützten noch immer vor den grellen Sonnenstrahlen und der Hitze.
Noch immer keine Spur von der Schebecke und der „Stern von Indien"!
Balshak der alte Fischer aus Madras, kannte inzwischen längst sämtliche Sorgen der