Jan pass auf!
Von Carlo Andersen und Knud Meister
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Buchvorschau
Jan pass auf! - Carlo Andersen
www.egmont.com.
Erstes kapitel
Ein alter Feind taucht auf
Die Familie Helmer saß am Frühstückstisch. Der Tisch war wie immer so hübsch und ansprechend gedeckt, daß er zum Zugreifen förmlich verlockte. Dennoch waren drei der Familienmitglieder mit Lesen beschäftigt. Jan überflog zum letzten Mal in seinem Geschichtsbuch das Kapitel «Der amerikanische Bürgerkrieg», während er abwesend seinen Kaffee trank und ein Brötchen aß. Lis las zum bestimmt zwanzigsten Mal den Brief durch, den sie von ihrem Verlobten Jens bekommen hatte, der gerade in Schweden war. Der Herr des Hauses schließlich, Kriminalkommissar Helmer, war ganz in die Morgenzeitung vertieft.
Frau Helmer schob den Korb mit dem duftenden, frischgebackenen Brot zu ihrem Mann hin und sagte leicht vorwurfsvoll: «Mogens, jetzt solltest du aber wirklich etwas essen. Du arbeitest hart im Polizeipräsidium; da darfst du nicht mit leerem Magen hingehen. Leg doch endlich die Zeitung weg und iß ein Butterbrot.»
Helmer legte zögernd die Zeitung hin und lächelte ein wenig. «Ach, Mutti, du brauchst keine Angst zu haben, daß ich Hungers sterbe. Aber in der Morgenzeitung steht ab und zu doch etwas, was einen Polizeimann interessiert...»
Jan hob schnell den Kopf von seinem Buch und fragte: «Steht was Spannendes in der Zeitung, Vater?»
«Spannend?» wiederholte der Kriminalkommissar. «Das kommt darauf an, wie man es betrachtet. Ich würde eher sagen, daß es etwas sehr Trauriges ist, was mich momentan interessiert. Leider liest man dergleichen nur allzuoft in der Zeitung...»
«Was ist es, Vater?»
Helmer schob Jan die Zeitung hin und deutete auf einen Artikel. «Du kannst es ja selber lesen, mein Junge.»
Jan verlor sogleich jedes weitere Interesse am amerikanischen Bürgerkrieg. Er legte sein Geschichtsbuch weg und breitete die Zeitung vor sich aus; dann las er den Artikel, den der Vater ihm gezeigt hatte. Anscheinend fesselte er auch ihn, denn er stützte sein Kinn in die Hände und war für einige Minuten ganz versunken, so daß er die Aufforderung zum Essen seitens seiner Mutter ebenso wenig hörte wie die foppenden Bemerkungen, die Lis fallen ließ. Der Artikel war groß mit folgender Schlagzeile überschrieben:
Furchtbarer Autounfall
Grosser Wagen gegen einen Baum gefahren junger Mann fand den tod
Dann folgte die Beschreibung des Unfalls, der sich in der vorhergehenden Nacht auf der Hauptstraße Nummer 1 abgespielt hatte. Der Fahrer des Wagens, ein junger Mann von sechzehn oder siebzehn Jahren, war auf der Stelle getötet worden. Er war mit einem Buick gegen einen Baum gefahren und hatte sich dabei das Lenkrad in die Brust gestoßen. Ein Bauer hatte den Verunglückten gefunden und sofort die Polizei aus Ringsted herbeigeholt. Die Untersuchung ergab, daß mindestens noch ein Beifahrer im Wagen gewesen sein mußte, als das Unglück passierte, denn es fanden sich deutliche Blutspuren am rechten Trittbrett, und auch auf der Straße waren noch Spuren von Blut entdeckt worden. Sie verliefen bis zu einem Acker. Weiter aber konnte man, trotz eifriger Suche, von dem verletzten Beifahrer nichts entdecken. Im Kofferraum des Wagens fand man eine große Menge Konservendosen sowie Wein und Tabakwaren, außerdem eine grüne, ungeöffnete Geldkassette. Die Polizei kam daher zu der Annahme, daß es sich um sehr junge Autodiebe handeln müsse, die in Mittel- oder Westseeland einen Raubzug verübt hatten. Bisher hatte noch niemand einen Einbruch gemeldet. Man wußte jedoch schon, daß der Wagen von einem Parkplatz in Nörrevold gestohlen worden war. Aus den Bremsspuren ging eindeutig hervor, daß der Wagen mit großer Geschwindigkeit gefahren war. Es wurde angenommen, daß ein Hase oder dergleichen den Fahrer nervös gemacht und zu heftigem Bremsen gezwungen hatte, wodurch der Wagen ins Schleudern geriet. Der Tote trug keine Papiere bei sich, daher wußte man nicht, um wen es sich handelte, aber die Polizei war sicher, daß er Mitglied einer Jugendbande war.
Weiter schrieb die Zeitung, daß die Öffentlichkeit hoffe, die Polizei würde sich mehr in solche Fälle einschalten, um dem entsetzlichen Unwesen der Jugendbanden endlich Einhalt zu gebieten.
Jan faltete die Zeitung zusammen und schaute zu seinem Vater hinüber.
«Das sieht schlecht aus, Vater. Glaubst du auch, daß es sich um eine Jugendbande handelt?»
Helmer nickte ernst.
«Darüber besteht wohl leider kein Zweifel, Jan, wenn ein Junge von sechzehn oder siebzehn Jahren hinter dem Lenkrad sitzt. Die Presse hat leicht reden. Wir würden ja gern mehr gegen dieses Bandenunwesen tun, aber die Autofahrer selber helfen uns wenig. Wie oft lassen sie doch ihre Autos unverschlossen oder mit offenen Fenstern stehen. Es ist dann natürlich sehr verlockend für die autobesessenen jungen Leute, einen Wagen zu stehlen.»
Der Kriminalkommissar hielt inne und starrte auf die weiße Tischdecke, dann fuhr er im gleichen, düsteren Ton fort:
«Kannst du dich an jene Bande von Jugendlichen erinnern, die vor einiger Zeit von der Kriminalpolizei aufgestöbert wurde? Du hast uns damals sehr gute Dienste geleistet. Auch diese Jungen hatten Autos gestohlen und Einbrüche verübt. Einer deiner Schulkameraden war in die Sache verwickelt; aber er kam dann mit einem blauen Auge davon.»
«Ja», stimmte Jan zu. «Ich erinnere mich gut. Asbjörn war eine Zeitlang Mitglied einer Jugendbande; aber er sah bald ein, daß es nicht der richtige Umgang für ihn war. Walther Clausen, der Anführer der Bande, wurde schließlich erwischt und zur Strafe in ein Jugendgefängnis gesteckt, nicht wahr?»
«Mhm», murmelte Helmer, der nun doch das Butterbrot aß, das seine Frau ihm angeboten hatte. «Er bekam eine längere Strafe, aber seine Führung im Gefängnis war so gut, daß er vor kurzem auf Bewährung entlassen wurde.»
«So, Walther Clausen ist wieder frei?»
«Ja, und man kann nur hoffen, daß er die Chance, die ihm dadurch gegeben wird, auch im positiven Sinne nützt. Ich fürchte bloß, daß er zu den Unbelehrbaren gehört. Viele werden ja nach einer solchen Strafe brauchbare Bürger, denn von seiten des Staates und der Kirche wird sehr viel für diese jungen Leute getan, die einmal gestrauchelt sind, aber dann wieder auf den richtigen Weg zurückfinden. Nur ist es eben in manchen Fällen schier unmöglich, sie zur Vernunft zu bringen. Ich möchte dich daher warnen, mein Junge. Walther Clausen kann sich an mir nicht rächen, aber er wird vielleicht versuchen, sich dir zu nähern, denn er weiß ja, daß du und dein Freund Erling bei seiner Festnahme geholfen habt.»
«Hm», sagte Jan bloß.
«Ja, mein Junge», nickte Helmer. «Ich weiß, was du mit deinem ‚hm‘ meinst. Walther Clausen war ein trauriger Geselle; man kann nur das Beste hoffen.» Dann winkte er seiner Familie freundlich zu und ging.
Jans Gedanken aber kreisten um den freigelassenen Walther Clausen, während er einige Minuten später zur Schule radelte. Er mußte auch an seinen Klassenkameraden Asbjörn denken, der durch Walther Clausen in eine Halbstarkenbande gelockt worden war. Als die Polizei schließlich der Bande habhaft wurde, gelang es dem Anführer – eben diesem Walther – zu entkommen. Wenig später trug Jans Schule ein Fußballspiel gegen die Internatsschule Rödbjerg aus. Bei dieser Gelegenheit waren Erling und Jan auf Clausen gestoßen, und es war möglich gewesen, ihm eine Falle zu stellen, die den Bandenführer hinter Schloß und Riegel brachte. Bei der Festnahme hatte Clausen geschworen, sich an Jan und Erling zu rächen, sobald er wieder frei war.
Jan kam der Gedanke, daß Walther Clausen sich im Gefängnis sicher nicht so mustergültig aufgeführt hatte, weil er inzwischen ein neuer und besserer Mensch geworden war, sondern weil er sehr wohl wußte, daß er bei guter Führung eine Strafmilderung zu erwarten hatte. Nun, diese Hoffnung