Jan und die Schmuggler
Von Knud Meister und Carlo Andersen
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Über dieses E-Book
Auf einmal ertönt aus der Dämmerung ein heftiger Streit. Jan und Erling erkennen aus der Ferne zwei Gestalten im Kampf. Doch, als das Boot den Hafen erreicht, ist einer der Männer bereits geflüchtet und der andere versucht, den Vorfall gegenüber der Polizei zu verharmlosen. Aber Jan vertraut den Worten des Mannes nicht. Etwas an der Erklärung erweckt in Jan Misstrauen...
JAN UND DIE SCHMUGGLER ist eine spannende Detektivgeschichte für junge Leser. Das Buch erscheint als Band 15 der erfolgreichen Jugendbuchreihe JAN ALS DETEKTIV.
Carlo Andersen (geb. 05.03.1904, gest. 20.02.1970) und Knud Meister (geb. 28.05.1913, gest. 20.12.1989) waren ein dänisches Autoren-Duo. Ihr gemeinsames literarisches Werk begann in den frühen 1940er-Jahren. Zusammen schrieben sie von 1942-1964 die erfolgreiche Jugendbuchreihe JAN ALS DETEKTIV – bestehend aus 81 Detektivromanen für Jungen und Mädchen. Unter dem Pseudonym Lisbeth Werner schrieben Meister und Andersen in der gleichen Zeit zudem die beliebte Jugendbuchreihe PITTI, die insgesamt 46 Bände umfasst.
Ferner schrieben Meister und Andersen unabhängig voneinander Kriminalromane für Erwachsene, die unter dem Namen des jeweiligen Autors herausgegeben wurden.
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Buchvorschau
Jan und die Schmuggler - Knud Meister
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Erstes kapitel
Mit der Hafenpolizei unterwegs
Der Mann am Ruder des schweren Polizeiboots hatte ein scharf geschnittenes Gesicht mit buschigen Augenbrauen. Seine von Wind und Wetter gegerbte braune Haut und sein ganzes Aussehen ließen erraten, daß er ein alter Seemann war. Er summte vor sich hin, während seine scharfen blauen Augen einen weißen Dampfer verfolgten, der in der Ferne, an einem der kleinen Inselforts vorüber, gegen Norden dampfte.
Jan, der mit seinem dicken Freund Erling unmittelbar hinter dem Steuermann saß, konnte das Summen kaum hören, aber hin und wieder drangen vereinzelte Töne an sein Ohr, und er begann darüber nachzusinnen, was da eigentlich gesummt wurde. Er kannte die Melodie gut, aber die Worte, die er auffing, paßten nicht recht zu ihr, denn hin und wieder fehlten Töne.
Hinter Jan und Erling saß noch ein Mann, der plötzlich fragte: «Nun, ihr Buben? Gefällt euch die Fahrt?»
«Sehr sogar!» erwiderte Jan mit einem breiten Lächeln. «Es ist sehr nett von Ihnen, Herr Inspektor, daß Sie uns auf Ihre Patrouillenfahrt mitgenommen haben.»
«Warum auch nicht?» sagte Polizeiinspektor Hansen freundlich. «Ich habe schon oft gedacht, es würde euch Spaß machen, einmal selber zu sehen, wie die Hafenpolizei arbeitet. Als ich neulich mit deinem Vater zusammen war, fiel mir das plötzlich ein, und ich benutzte die gute Gelegenheit euch einzuladen.»
«Es ist ein wundervolles Boot», sagte Erling und strich mit der Hand liebkosend über die Reling.
«Versteht ihr etwas von Booten?»
«Ich glaube schon», erwiderte Erling. «Wir benutzen ja den größten Teil unserer freien Zeit zum Segeln.»
«Wo habt ihr es gelernt?»
«Im Juniorenklub in Hellerup.»
«Wir haben ein eigenes kleines Segelboot dort draußen liegen. Es heißt ‚Rex‘», fügte Jan hinzu.
Der Mann am Ruder wandte den Kopf und lächelte breit. «Das hier ist etwas anderes als das Segeln», sagte er. «Mir gefällt es nicht gerade besonders, mit einem Motorboot herumzukutschieren, aber mit einem Segelboot kämen wir hier im Hafen nicht weit.»
«Beck hat recht», warf der Inspektor ein. «Wären wir heute abend vom Wind abhängig, so wären wir noch nicht einmal bis zum Zollamt gelangt.»
«Stimmt!» erwiderte der Rudergänger, ein Wachtmeister der Hafenpolizei, und schob seine Mütze zurück. «Aber als ich seinerzeit auf See war...» Er verstummte und blickte über die Schulter zu seinem Vorgesetzten hinüber.
«Da haben wir’s!» seufzte der Inspektor. «Jetzt wird Beck seine ganze Lebensgeschichte erzählen. Ich kann mir gut so lange die Ohren verstopfen, denn ich kenne jedes Wort auswendig.»
«Ich erzähle ja nicht für Sie, sondern für die Buben», sagte Beck lachend und wandte sich Jan und Erling zu. «Es war wirklich eine herrliche Zeit, als ich noch zur See fuhr. Wäre der Krieg nicht gekommen, dann wäre ich wahrscheinlich nie in den Dienst der Polizei getreten.»
Das Motorboot glitt jetzt in den Freihafen hinaus und rundete die äußerste Mole der «Langen Linie». Sie fuhren in das Südbassin des Freihafens hinein, wo ein paar große Dampfer der Ostasiatischen Kompagnie am Kai vertäut waren. Dann beschrieben sie einen eleganten Bogen und steuerten in das beinahe blanke Wasser des Mittelbekkens hinein.
«Der Hafen bietet, vom Wasser aus gesehen, einen höchst interessanten Anblick», sagte Erling. «Wenn man den Freihafen nur als etwas erlebt, das hinter einem Gitter liegt, denkt man gar nicht daran, wie groß der Hafen von Kopenhagen eigentlich ist.»
«Und wieviel in diesem Hafen wahrscheinlich geschieht!» fügte Jan hinzu.
«Du hast recht», bestätigte der Inspektor. «Deshalb ist es äußerst wichtig für die Hafenpolizei, daß wir das Wasser auch von der Seeseite aus abpatrouillieren können.»
Der schöne Abend hatte viele kleine Fahrzeuge auf das Wasser gelockt. Die Segelboote stampften träge, während die Motorboote flink hin und her sausten. Auch mehrere Rennboote der Rudervereine flitzten über ihre Übungsstrecken dahin.
«Es muß ein sehr spannendes Leben sein», bemerkte Erling.
«Was für ein Leben?»
«Das Leben in der Hafenpolizei».
«Ach so... Na, es ist keineswegs derart spannend, wie ihr vielleicht denkt. Das meiste ist Routine. Ich jedenfalls greife, um meinen Drang nach Spannung befriedigen zu können, mit Vorliebe zu Kriminalromanen, wenn ich zu Hause bin.»
«Meinem Vater geht es genau so.» Jan lachte. «Auch er liebt es, Kriminalromane zu lesen, obwohl man doch eigentlich glauben sollte, sein Bedarf an Spannung müßte durch seine Tätigkeit als Kriminalkommissar ausreichend gedeckt werden.»
«Dein Vater denkt sehr vernünftig», meinte Hansen. «Als alter Polizeimann weiß er, daß nichts gesünder ist, als wenn man sich nach des Tages Arbeit in der Ausübung eines Sports oder mit der Lektüre eines Kriminalromans entspannt. So ein Buch ist oft richtig erfrischend. Ich gehe übrigens auch gern ins Kino, um mir einen Film anzusehen, der von Detektivarbeit und dergleichen handelt.»
«Gilt auch für mich», bestätigte Wachtmeister Beck. «Es gibt nichts Lustigeres, als zu sehen, wieviel schlauer der Privatdetektiv oft ist als die ganze Polizei!» Er lachte dröhnend.
«Finden Sie dergleichen auch lustig?» fragte Jan verwundert den Inspektor.
«Gewiß finde ich das lustig», erwiderte Hansen. «Es ist ja gerade das Nette an den Kriminalromanen, daß sie der Wirklichkeit in keiner Weise gleichen. So eine Geschichte will ja nicht berichten, was wirklich geschieht, sondern sie will die Phantasie anregen. Deshalb denkt sich der Autor eine Menge Verwicklungen aus, die gerade deshalb Spaß machen, weil es sich um reine Erfindungen handelt. Im Hinblick darauf stört es mich keineswegs, daß der Verfasser den Privatdetektiv das Problem mit Hilfe seines erstaunlichen Gehirns glatt lösen läßt, während die Polizei dauernd im Dunkeln tappt.»
«Aber man kann doch tatsächlich eine ganze Menge herausbekommen, wenn man seinen Kopf anstrengt und richtig nachdenkt», warf Jan ein.
«Natürlich kann man das», stimmte der Inspektor lachend zu. «Und es läßt sich gar nicht bestreiten, daß die Polizei eine ganze Menge von klugen Kriminal-Schriftstellern gelernt hat. Sherlock Holmes zum Beispiel ist eine durchaus imponierende Gestalt. Er besitzt nicht wenig Scharfsinn und Kombinationsgabe. Im großen und ganzen gilt ja, daß ein Kriminalroman gewissermaßen ein spannendes Spiel ist, das einen unterhält, ohne daß man deshalb glaubte, er müsse ein zutreffendes Bild der Wirklichkeit geben. Viele Menschen glauben, Kriminalromane seien überspannt und schädlich. Ich persönlich glaube, daß gute Kriminalromane vortreffliche Unterhaltung bieten. Übrigens bist du ja selber eine Art Privatdetektiv, Jan. Du mußt also in den Kriminalromanen auf verwandte Seelen stoßen.»
«Vater hat mich von jeher dazu erzogen, meine Augen und Ohren zu gebrauchen und über das, was ich beobachtet habe, nachzudenken», sagte Jan. «Es ist keineswegs so, daß ich eine besondere Gabe besitze, Kriminal-Probleme zu lösen, aber ich bin schon oft über ein Problem sozusagen gestolpert, das mich dann zum Nachdenken angeregt hat.»