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Schwarze Melodie
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eBook213 Seiten2 Stunden

Schwarze Melodie

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Über dieses E-Book

Ein hervorragendes Krimidebüt von einer der anerkanntesten Autorinnen Dänemarks. Nach einer verheerenden Liebschaft beschließt die geschiedene und alleinerziehende Mutter Kit Sorél , sich als Privatdetektivin zu versuchen, um ihre desolate Finanzsituation aufzubessern. Einer ihrer ersten Kunden ist die seltsame Lykke, die von ihrem verschwundenen Zwillingsbruder Michael schreckliche Drohbriefe erhält. Kit heftet sich an seine Fersen und reist den Absenderadressen hinterher, findet jedoch immer nur einen Terminkalender mit mysteriösen Zeichnungen darin. Erst nach der zweiten Zeichnung versteht sie, dass die beiden Morde an jungen Frauen, die an verschiedenen Orten geschahen, in Zusammenhang mit ihrem Fall stehen müssen. Gleichzeitig wird sie von anonymen Anrufen terrorisiert, bei denen ihr Auszüge aus der Oper "Tosca" vorgespielt werden. Hat sie es etwa mit einem Verrückten zu tun? "Schwarze Melodie" ist der erste Band der Kit Sorél-Reihe. IN DIE KIT SORÉL-REIHE AUßERDEM IN SAGA BOOKS LIEFERBAR Engel der Stille Eisnächte AUTORENPORTRÄT Ditte Birkemose, studierte Theologie und arbeitete dann mehrere Jahre als Krankenpflegerin und Pädagogin, bevor sie anfing zu schreiben. "Schwarze Melodie" ist ihr erster Krimi, davor hat sie einige Roman und Kinderbücher geschrieben, für die sie auch schon einen Literaturpreis bekommen hat. --- KURZBESCHREIBUNG Eine junge Frau erhält von ihrem seit Monaten verschollenen Bruder grausame Drohbriefe mit mysteriösen Zeichnungen. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Kit Sorél, ihres Zeichens unkonventionelle Privatdetektivin und leicht chaotische alleinerziehende Mutter. Kit mach sich gleich auf die Suche nach dem Absender, findet vor Ort jedoch immer nur einen Terminkalender mit verschlüsselten Botschaften. Nach und nach entdeckt sie, dass ihr Fall etwas mit den Morden an zwei jungen Mädchen zu tun hat. Ist sie etwa einem gefährlichen Verrückten auf der Spur?
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum8. Mai 2015
ISBN9788711451762
Schwarze Melodie

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    Buchvorschau

    Schwarze Melodie - Ditte Birkemose

    Saga

    1

    Der Sagasvej bildete den Rahmen um meine früheste Kindheit. Ich war blaß, schmächtig und die Kleinste in der Straße. Die großen Mädchen steckten mich oft in einen Puppenwagen und fuhren mich im Park Frederiksberg Have spazieren. Manchmal gingen wir auch ins Rathaus und drehten eine Runde mit dem Paternoster. Dabei hatte ich immer schreckliche Angst, weil man mitten in der Fahrt abspringen mußte.

    Mit sechs Jahren verliebte ich mich in einen Jungen, der Nils hieß. Es gab nur eins, was mir an ihm nicht gefiel: daß er mit den Pferdeäpfeln spielte, die die Pferde des Müllkutschers auf der Straße verloren. Deshalb schickte ich ihn vor dem Händchenhalten immer zuerst zum Waschen. Nils liebte zwei Dinge auf dieser Welt: die Pferde des Müllkutschers und mich.

    Damals war es mein größter Ehrgeiz, tüchtig im Krabbenpulen zu werden. So tüchtig wie eine von den Großen und ihre Mutter. Schon in ihrem Treppenhaus konnte man die Krabben riechen. Jeden Nachmittag ging ich mit ihnen zum Fischhändler im Gammel Kongevej, wo sie zwei große Tüten mit gepulten Krabben ablieferten.

    Ich vergaß Nils, und ich vergaß auch meinen Traum vom Krabbenpulen.


    Es nieselt, der Himmel ist fast wie selbstverständlich oder unwiderruflich blaßgrau. Ich trete einen Schritt zurück, betrachte das Schild: Kit Sorél, Privatdetektivin. Mein Name steht in Weiß auf der schwarzen Platte.

    Ich bin jetzt in dem Alter, in dem eine vernünftige Frau ihre Träume in die Tat umsetzt. Ich bin fünfundvierzig und habe soeben meinen ersten großen Fall abgeschlossen.

    Auf der Straße, vor meinem Büro, steht ein leuchtendroter Renault. Das ist mein Wagen, und er trägt zur Hälfte die Schuld daran, daß ich hier sitze. Ich habe ihn vor etwas über einem Jahr bei einem Waschmittelpreisausschreiben gewonnen. Das Problem war nur, daß ich keinen Führerschein besaß. Deshalb wollte ich das rote Wunder eigentlich verkaufen. Aber als ich dann in dem duftenden neuen Auto hinter dem Lenkrad saß, war ich verloren. Ich erkannte, daß ich schon längst davon geträumt hatte, fahren zu lernen, und nun bot sich mir die Gelegenheit. Nach kurzem Überlegen rief ich bei einer Fahrschule an, machte einen Termin ab und wäre angesichts der Preise fast in Ohnmacht gefallen. Aber in der Not frißt der Teufel Fliegen, und um die Fahrstunden zu finanzieren, vermietete ich den Wagen an den Wochenenden.

    Als ich endlich den Führerschein hatte und den Fuß auf mein eigenes Gaspedal stellen konnte, tauchte in mir ein neuer Traum auf: Ich wollte eine Detektei aufmachen.

    Als drei Jahre zuvor mein Sohn Benjamin von zu Hause ausgezogen war, hatte ich mein Reihenhaus in Galgebakken gegen eine kleine Zweizimmerwohnung im Wilkensvej in Frederiksberg eingetauscht. Ich hatte das erste Examen in Theologie abgelegt und brauchte nun eine Pause, was Griechisch und Hebräisch betraf.

    Ich bin ausgebildete Krankenschwester, außerdem halbe Theologin, und aus irgendeinem Grund fand ich es nur natürlich, nun als Privatdetektivin mein Glück zu versuchen. Die Wege des Schicksals sind nun einmal unergründlich...

    Meine schönen Pläne wurden dann aber durch einen Krankenhausaufenthalt durchkreuzt. Miriam, meine Ärztin, hatte in meinem Unterleib einen Knoten von der Größe einer Avocado festgestellt. Nach einer längeren Diskussion mit dem Oberarzt, der mir riet, die Gebärmutter entfernen zu lassen, ließ ich mich einweisen. Allerdings unter der Bedingung, daß sie die Finger von meiner Gebärmutter ließen, so lange das noch zu verantworten war, und so geschah es dann auch.


    Im Krankenhaus kam ich ins Gespräch mit einer Schwester, die einige Jahre in Tansania gearbeitet hatte. Sie hatte ihren jetzigen Job satt und sehnte sich zurück nach Afrika. Halb aus Jux weihte ich sie in meinen Plan ein, eine Detektei aufzumachen.

    »Du solltest dir ein Beispiel an meiner Schwester nehmen«, sagte sie. »Und Starthilfe beantragen. Sie hat ein Sonnenstudio aufgemacht, und das läuft wie geschmiert.«

    »Was ist denn Starthilfe?« fragte ich, und sie erklärte mir alles.

    »Aber du mußt seit mindestens fünf Monaten arbeitslos sein«, sagte sie schließlich und schlug meine Decke beiseite.

    Das ist doch geradezu perfekt, dachte ich und spürte einen Stich im Oberschenkel. Als ich mich von der Universität beurlauben ließ, hatte ich mich bei der Studiendarlehenskasse gemeldet. Zwischendurch hatte ich zwar Konfirmationsunterricht gegeben, aber wenn ich das richtig verstand, war ich trotzdem seit mindestens fünf Monaten arbeitslos.

    Hin und weg von meinen Plänen und reichlich benebelt von der Beruhigungsspritze wurde ich zum OP gefahren. Mein letzter Gedanke, ehe ich in die Narkose entschwebte, galt der Telefonnummer der Darlehenskasse.

    Als ich erwachte, stand mein Bett in einem Sechs-Personen-Zimmer mit blauen Wänden und weißen Vorhängen. In diesem Zimmer lernte ich Kamma kennen, eine Person, die für mich noch sehr wichtig werden sollte.

    Kamma ist eine ausgesprochen wohlhabende Frau von zweiundsiebzig, die – zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes – »nun endlich ihre Lebensfreude gefunden hat«, wie sie das ausdrückt.

    Da sie jeden Monat dreißigtausend Kronen Steuern bezahlt, wollte sie partout nicht in einer Privatklinik behandelt werden. »Für meine Steuern will ich schließlich was haben«, wie sie sehr vernünftig sagte.

    Kamma war die Gebärmutter entfernt worden, und der Arzt hatte ihr davon abgeraten, Hormonpräparaten einzunehmen.

    »Kann das Auswirkungen auf mein Sexualleben haben? Verliere ich dann vielleicht alle Lust?« fragte sie bei der Visite.

    »Kann schon sein«, sagte der Arzt und rückte seine Brille gerade.

    »Ja, ja«, seufzte Kamma, ihr Liebhaber ist fünfzig und Philosoph. »Dann muß ich mich wohl mit der Philosophie begnügen.« Kammas guter Freund Carl, der ehemalige Chauffeur ihres Mannes, besuchte sie oft und brachte dann fast immer Wein mit. Deshalb wurde abends auf unserem Zimmer ausgiebig gefeiert. Wir saßen in scheußlichen Morgenrökken da und berauschten uns an Konfekt, Zoten und Wein.

    Eines Abends erzählte ich Kamma von meinen Plänen, und sie war sofort Feuer und Flamme. »Ich habe ein Haus in der Smallegade«, sagte sie. »Da wird nächsten Monat ein kleines Büro frei. Das kannst du mieten.«

    Vorsichtig erkundigte ich mich nach dem Preis, aber davon wollte Kamma nichts hören. »Da werden wir uns schon einig«, sagte sie. »Wenn du mir alles über deine spannenden Fälle erzählst, dann kriegst du’s billig.« Und dabei blieb es.

    Einen Monat nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus war ich vollauf damit beschäftigt, mein neues Büro in der Smallegade 52 b einzurichten.

    Es bestand aus einem Zimmer von zwanzig Quadratmetern, einer besenkammergroßen Kochnische und einer Toilette im Treppenhaus.

    Die Wände strich ich weiß an, die Möbel, ein großer alter Schreibtisch, einige Regale und zwei Stühle, wurden blau. Als einziges Dekorationsstück hängte ich ein großes Kandinsky-Plakat an eine Wand.

    Es war ganz schön viel Arbeit. Ich hatte mich noch nicht so recht von der Operation erholt, und deshalb fiel ich abends ins Bett, sowie ich wieder in meiner Wohnung im Wilkensvej angekommen war. Und ich pries mich glücklich, weil ich nur für mich selber sorgen mußte.

    Was das andere Geschlecht angeht, so lege ich gerade eine Pause ein. Dabei habe ich gar nichts gegen Männer. Wenn ich eine Beziehung habe, geht mir nicht der Mann auf die Nerven, sondern ich. Wenn ich einen Freund habe, besetzt er sofort achtzig Prozent meiner gedanklichen Tätigkeit, und ich habe den Eindruck, daß ich nicht die einzige Frau bin, die diesen Fehler macht.

    Nach meiner Scheidung von Benjamins Vater Paul hatte ich das, was ich meine internationale Periode nenne.

    Ich war mit einem niederländischen Journalisten zusammen, mit Jaap aus Utrecht. Während Benjamin mit Paul auf Bornholm Ferien machte, verbrachten Jaap und ich zwei Monate in Portugal. Es war die Zeit der Nelkenrevolution, und Jaap interviewte Bauern aus den verschiedenen Agrarkommunen und Offiziere aus der Armee. Durch die portugiesischen Kolonialkriege hatten etliche Söhne des Proletariats zu Offiziersrängen aufsteigen können. Und diese Söhne führten nun die Revolution an. Abends tranken wir über einer Gasflamme temperierten Portwein und diskutierten Marx, Engels und Nietzsche.

    Als Jaap seine Interviews erledigt hatte, fuhren wir in eine kleine Stadt, Valença, die dicht vor der spanischen Grenze lag. Wir wohnten in einem großen alten, ein wenig abseits gelegenen Hotel, wo die Kellner lautlos in weißen Jacken und weißen Hemden umherliefen und aussahen, als ob sie vornehme Gäste erwarteten. Die Atmosphäre dort war wie ein Hauch aus einer verschwundenen Zeit.

    Zusammen mit drei Schwarzen waren wir die einzigen Gäste im Hotel. Einer der Schwarzen saß jeden Morgen auf der im Flur gelegenen Toilette und blies Rauchwolken durch das Schlüsselloch. Den tieferen Sinn dieser Aktion konnten wir nie in Erfahrung bringen, auf jeden Fall roch das Treppenhaus nach jedem seiner Toilettenbesuche nach verbranntem Papier.

    Eines Abends spät fuhren zwei Rolls-Royce vor dem Hotel vor. Die Privatchauffeure öffneten die Türen, und lauter elegant gekleidete ältere Menschen, die meisten waren mindestens achtzig, quollen heraus und setzten sich an die Tische auf der Terrasse. Die Kellner servierten Krebse und Champagner, und das Festmahl dauerte bis in den frühen Morgen.

    In diesem Hotel mit Kronleuchtern und goldgerahmten Spiegeln machte Jaap mir am Tag vor unserer Weiterfahrt nach Lissabon einen Heiratsantrag.

    Wir waren einige Jahre zusammen, aber wir haben nie geheiratet. Ich fand es kompliziert, einen Freund zu haben, der in den Niederlanden wohnte.

    Danach lernte ich Giannis kennen, einen griechischen Kapitän von Volos. Neun Monate pro Jahr fuhr er Korn von Brasilien in die Sowjetunion, mit einem griechischen Schiff, das in Panama registriert war. Während der drei Sommermonate segelte er dann mit seinem eigenen Schiff durch die Ägäis, manchmal waren auch ich und Benjamin dabei.

    Ich erinnere mich an Sommerabende in einer Taverne, an Zikaden, Ouzo und Benjamin, der am Strand spielt.

    Giannis war Mitglied der Pasok, er war fortschrittlich eingestellt, aber er war nun einmal ein Grieche. Eines Tages kam er vom Einkaufen zurück und feuerte wutschnaubend sein Einkaufsnetz in die Ecke. Die Frauen im Laden hatten sich über ihn lustig gemacht, weil er einkaufte und nicht ich. Von nun an übernahm ich den täglichen Einkauf. Ich hatte ein wenig Griechisch für den Hausgebrauch gelernt. Lange Zeit bat ich beim Metzger um »schlafendes Rindfleisch«. »Gehackt« und »schlafend« hören sich auf Griechisch ziemlich ähnlich an.

    Damals gab es bei den Griechen den Begriff »rent a boy«. Es ging dabei um Griechen, vor allem um Kellner, die ein Verhältnis mit einer Ausländerin hatten. Angeblich ließen diese Männer sich für ihre Dienste bezahlen. Giannis und mir wurde deshalb, vor allem auf den kleineren Inseln, oft Verachtung entgegengebracht. Das quälte Giannis, und als wir uns einige Jahren kannten, verlangte er von mir, daß ich nach Griechenland übersiedelte. Vermutlich war das ein verzweifelter Versuch, unsere Beziehung legitim zu machen. Ich dagegen wollte nicht neun Monate im Jahr neben seinen Eltern auf Volos leben. Und um nichts in der Welt sollte Benjamin in Griechenland als »uneheliches Kind« aufwachsen.

    Mein nächster Freund war Flip aus Belgien. Ein Jazzmusiker, der außerdem zusammen mit seinem Vater und seinem Onkel ein Reisebüro betrieb. Er wohnte in einem großen Haus in Löwen, und es war sein Ehrgeiz, aus mir eine gute Tennisspielerin zu machen. Unmittelbar vor unserer Abreise nach Bangkok, wo wir verschiedene Restaurants testen sollten, gerieten wir aneinander. Flip hatte soeben die Verträge mit zwei Hotels in Österreich gekündigt, weil dort auch Behinderte aufgenommen wurden. Das führte zu einem heftigen Streit zwischen uns, und wir einigten uns dahingehend, daß wir doch zu unterschiedlich seien.

    Benjamin, der sich auf Bangkok gefreut hatte, war mit einer Angel und Campingferien in Schweden ebenso zufrieden. Ich war in diesem Urlaub vor allem damit beschäftigt, mich mit Mückencreme einzuschmieren und mich zu fragen, warum ich mir immer Freunde suchte, die so weit weg von mir wohnten wie möglich.

    Zwei Jahr später gingen wir nach Tansania, dort arbeitete ich in Arusha als Krankenschwester. Benjamin lernte fließend Swahili und freundete sich innig mit unserem Wärter Jumapili an, der jeden Abend mit seinem Speer vor unserer Veranda saß. Er war ein Sonntagskind, und darauf war er stolz. Jumapili bedeutet Sonntag.

    Jumapili war ein alter zahnloser, aber dennoch respekteinflößender Massai. Er nannte Benjamin »Kijani«, das bedeutet Jugendlicher. Und wir lernten, daß »jani« die Farbe des frischen Grases bezeichnet. »Majani« ist neues Gras, und deshalb heißen Jugendliche »Kijani«.

    Wir verbrachten zwei unvergeßliche Jahre in Afrika.

    Zur Zeit ist Benjamin der einzige Mann in meinem Leben. Er ist jetzt dreiundzwanzig, studiert Literaturwissenschaft und wohnt in Kongedybet.

    Als Kind habe ich »Försters Pucki« gelesen, und viele Jahre lang träumte ich davon, später einen Oberförster zu heiraten. Mit fünfundzwanzig setzte ich einen Teil dieses Traumes in die Tat um: Ich heiratete, im Laufe der Zeit sogar zweimal. Ein Oberförster war leider nicht unter meinen Ehemännern.


    Zwei Tage bevor ich mit der Einrichtung meines Büros fertig war, kam ein Brief vom DDV. Nach schriftlichem Antrag und persönlichem Gespräch war ich in den Dänischen Detektivverband aufgenommen worden.

    Danach gab ich in verschiedenen Tageszeitungen eine Anzeige auf: Kit Sorél, vom DDV anerkannte Privatdetektivin. Korrekte und solide Ermittlungen jeder Art.


    Am ersten Tag herrschte strahlender Sonnenschein. Der Himmel hatte die gleiche Farbe wie die kleinen Blüten des Bitterwurz, den ich auf die Fensterbank gestellt hatte. Wochenlang hatten wir nur Regen und Schneematsch gesehen, deshalb erschien der Sonnenschein mir als gutes Omen.

    Ich saß hinter meinem frischgestrichenen Schreibtisch, schaute das Telefon an und wartete.

    Um halb zwölf schaltete ich den Anrufbeantworter ein, hängte ein Schild vor die Tür, ging ins Café Sokkelund und genehmigte mir ein Chili con carne.

    Das Café war nicht sonderlich gut besucht. Eine junge Frau in engsitzenden schwarzen Leggings und brauner Lederjacke stand vor dem Tresen, rauchte eine Zigarette und plauderte mit dem Barmann. Ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, daß sie sich für ihn interessierte. Seine Miene dagegen war recht professionell.

    Ich setzte mich an einen Fenstertisch, schaute hinaus und war ein bißchen niedergeschlagen. Natürlich hatte ich nicht damit gerechnet, daß das Telefon heißlaufen würde, aber einen oder zwei Anrufe hatte ich schon erwartet.

    Sich selbständig zu machen, bedeutet, ins kalte Wasser zu springen, man weiß nicht, was der nächste Tag bringen wird. Ich habe eine Bekannte, Karen, die Analytikerin ist. In ihrem ersten Berufsjahr hatte sie vergessen, daß die Leute während der Sommerferien in ferne Gegenden reisen. Deshalb saß sie mit einem leeren Terminkalender und mieser Finanzlage da und machte während der Sommerferien unfreiwillig Urlaub. Aber sie hat es ja schließlich auch mit heiler Haut überlebt, dachte ich, kratzte meinen Teller leer, ließ mich im Sessel zurücksinken und schaute mich im Café um. Ich hatte Aussicht auf ein großes Gauguin-Plakat. Vier Frauen, eine mit Strohhut, hielten auf einer Veranda Siesta. Die frohen Farben und die heitere Gelassenheit in ihren Gesichtern zeigten mir, wie sehr diese Frauen in sich ruhten, und das erweckte in mir plötzlich einen ziemlichen Optimismus. Vielleicht wußte das

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