Psychos schleifen: Meine Therapieerfahrungen
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Buchvorschau
Psychos schleifen - Frank Christof Huth
1. Erste Depression
Ich hatte alles, was man sich wünschen kann: Liebe, Arbeit, Geld, zwei Wohnungen und war Miteigentümer von zwei Autos. Die Liebe: Meine Frau Antje, ihre Kinder Pat, Freia und John, meine übrige Familie und zahlreiche Freunde. Die Arbeit: Zwei Arbeitsstellen. Miteigentümer eines gut gehenden Immobilienbüros im sächsischen Kamenz mit Vorzimmerdame und voller Ausstattung und Diplomand der Physik an der FU Berlin mit dem interessanten Thema „Schadstoffmessung der Luft mit Lasern". Mathematik als Nebenfach hatte ich bereits mit Note 1 abgeschlossen. Perspektivisch hatte ich außerdem mit meinem Kompagnon eine Firma für Dezentrale Energietechnik gegründet. Geld: Aus guten Geschäften mit Schlössern, Villen und Biotopausgleichsflächen. Wohnungen: Die schöne Wohnung mit Antje in Berlin Wilmersdorf nahe dem Volkspark und meine Dreiraumwohnung in Berlin Mitte. Autos: Einen Opel Astra Kombi und ein Elektromobil Puli Cabrio aus Ungarn.
Trotzdem wurde ich krank. Ich wusste mit den Symptomen Schlafstörungen, Traurigkeit und Passivität nichts anzufangen. Was eine Depression ist, wusste ich damals nicht. Das alles begann im Frühjahr 1995. Ich ging nicht mehr zur Universität und antwortete meinem Kompagnon am Telefon nicht. Einmal fuhr ich noch nach Kamenz. Er sah, was mit mir los war, fuhr mich vorsichtig durch die Stadt. Sagte:
„Mach den Abschluss in Physik, den brauchen wir für unsere Dezentrale Energietechnik."
Wenn er stattdessen gesagt hätte:
„Komm zu mir nach Kamenz, wir mieten eine Wohnung für dich und machen ohne Physikdiplom weiter!"
Dann wäre mein weiteres Leben wohl anders verlaufen. Stattdessen sprach er die schrecklichen Worte:
Viel wert sind wir beide nicht, wir brauchen einander!
In noch schlechterer Verfassung kam ich zurück nach Berlin. Antje riet mir, ins Westendkrankenhaus zu fahren. Dort befragte mich eine Ärztin. Sie fand heraus, dass sich meine beiden Großonkel mütterlicherseits und ein Großonkel väterlicherseits umgebracht hatten. Sie diagnostizierte bei mir eine Depression und bot mir an, ein Antidepressivum, Saroten retard, zu verschreiben. Entweder als ambulante Therapie oder sechs Wochen stationär. Ich schreckte zurück.
Am Ende des Gespräches sagte sie:
Versprechen Sie mir, wenn Sie Selbstmordgedanken haben, zu uns zu kommen!
Sie hielt mir die Hand hin. Ich schlug nicht ein. Wenig später war es soweit. Ich wollte nicht mehr leben. Fuhr mit der Bahn ins Vogtland, wo ich in Kindheit und Jugend viele glückliche Tage bei den Großeltern in Erlbach verbracht hatte. Diesmal hatte ich ein anderes Ziel: Die hohe Eisenbahnbrücke von Jocketa. Dort angekommen, sprach mich ein schwarzgekleideter Mann an:
„Deine Frau hat mich angerufen. Sie hat geahnt, dass du hierher kommst. Ich bin der Pfarrer. Viele sind hier schon gestorben. Einen konnte ich retten. Jetzt ist er der glücklichste Mensch. Nimm dir ein Beispiel an ihm. Du hast viele, die dich lieben.
„Ist mir egal! Lass mich in Ruhe!"
Ich lief Richtung Brücke. Was ich nicht gesehen hatte: Im Hintergrund stand ein Krankenwagen. Die Sanitäter schnitten mir den Weg ab. Sie packten zu und verfrachteten mich in ihren Wagen. Fuhren ins Plauener Krankenhaus und gaben mich bei der Psychiatrie ab. Es wurde Nacht, und ich kam in ein Krankenzimmer. Am Morgen war Visite, und ich konnte dem Chefarzt glaubhaft machen, dass meine Selbstmordgedanken verflogen waren. Man entließ mich. Ich kaufte Zwieback, legte mich auf eine Wiese nahe dem Krankenhaus und wartete auf den Abend. Dann wollte ich wieder zur Brücke. Bevor ich das tun konnte, kamen Antje und mein Schulfreund Holm, um mich zu holen. Sie hatten den Mercedes eines Nachbarn und luden mich ein. Ich lag die ganze Fahrt über schweigend auf der Rückbank.
Antje hatte für mich im Urbankrankenhaus in Berlin Kreuzberg die Krisenstation klargemacht. Dort war ich eine Woche. Nichts tat sich, außer dass ich mit meinem Zimmerkameraden darüber nachdachte, mit ihm zusammen eine Renovierungsfirma aufzumachen. Bevor das konkret wurde, verließ er die Station. Am Entlassungsabend tranken Antje und ich auf einem Restaurantschiff am Urbanhafen Rotwein. Zurück in der Wohnung empfingen mich viele leuchtende Teelichter. Die hatte Freia zu meiner Begrüßung aufgestellt.
Das Leiden währte noch einige Monate. Dann machten Antje und ich einen Ausflug nach Lebus an die Oder. Meine Lebensgeister kehrten plötzlich zurück. Zum ersten Mal empfand ich wieder Freude: Fluss, Bäume, Eisvogel. Ich vermietete die Wohnung in Berlin Mitte an meinen Bausoldatenfreund Achmed und seinen österreichischen Freund unter. Die beiden arbeiteten im Tacheles.
2. Erste Manie
Es ging mir immer besser. Die Familie und ich fassten den Plan, wieder zum Winterurlaub ins schwedische Smaland zu fahren. Ich rief die Besitzer des Holzhauses an, bei denen wir früher bereits schöne Tage verbracht hatten. Ich konnte zu dieser Zeit schon Schwedisch. Dann kaufte ich für viel Geld Langlauf- und Abfahrtsskier für mich. Bei Robben