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Fühle mit mir
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eBook257 Seiten3 Stunden

Fühle mit mir

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Über dieses E-Book

Sarah erlebte keine Zuneigung. Obwohl sie immer wieder enttäuscht wird, glaubt sie an die Liebe. Trotz aller Zweifel schenkt sie Daniel ihr Herz. Doch er kann ihr nicht vertrauen ...
Ein gefühlvoller und spannender Liebesroman.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum8. Jan. 2021
ISBN9783740703950
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    Buchvorschau

    Fühle mit mir - Sabine Hofstadler

    Inhaltsverzeichnis

    Sarah

    Daniel

    Joe

    SARAH

    Mein Teddybär beschützte mich. Ich war vier Jahre alt, als ich ihn bekam. Ein pelziger, brauner Bär der unter dem Weihnachtsbaum lag. Er sah mich mit seinen dunkelbraunen Glasaugen an und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich nannte ihn Pezi. Von nun an waren wir unzertrennlich. Pezi war mein Freund, mein Beschützer und vor allem mein Vertrauter. Ich erzählte ihm alles und sprach nie laut oder flüsternd, sondern nur in meinen Gedanken zu ihm. Und er verstand mich. Ich drückte ihn an mich und fand Trost bei ihm. Er litt mit mir, wenn ich von meinem Vater verprügelt wurde und ich vergoss meine Tränen in sein weiches Fell. Er tröstete mich, wenn ich hungrig und weinend im Bett lag, weil meine Mutter mir nichts zu essen gab. Er war immer für mich da.

    Die Kinder im Kindergarten waren grausam. Sie schlugen mich und ich wehrte mich nicht. Ich schwieg und ließ es über mich ergehen. Ich kannte es nicht anders.

    Vater prügelte und Mutter putzte. Vater holte mich immer ins Wohnzimmer und ich musste mich breitbeinig vor ihn hinstellen. So hatte ich einen besseren Stand, wenn er zuschlug. Die Hände in die Hüften um mich beim Fall besser abzufangen. So erklärte er mir diese Sache. Die Sache war die, dass ich nicht so schnell umfiel. Manchmal ein Schlag oder zwei, selten drei Schläge. Mitten ins Gesicht mit der flachen Hand und ich fiel um. Manchmal blieb ich liegen und rührte mich nicht. Dann schrie er, ich solle aufstehen oder bist du tot. Du bist tot, er lachte. Und Mutter putzte. Sie putzte bei fremden Leuten und zu Hause. Sie stand in der Küche und putzte. Er prügelte, sie putzte und ich fiel um. So einfach war das. Der Prügler, die Putzfrau und das umfallende Kind. Das war meine Familie.

    Mein einziger Freund gehörte auch zur Familie. Pezi schlief bei mir, er wärmte mich und er berührte mich. Ich umarmte ihn und kuschelte mich in seinen Pelz. Ich holte mir von ihm die Liebe, die ich mir so sehnlichst von meinen Eltern wünschte und nie bekam. Selten bekamen wir Besuch. Es waren Arbeitskollegen oder der Bruder meines Vaters. Vorher bekam ich immer die besonderen Anweisungen von ihm. Immer lächeln und immer fröhlich sein. Egal was passiert. Ich wurde präsentiert als dummes Kind und ich lächelte. Mein Vater demütigte mich vor seinen Besuch, er nannte mich faul und zu nichts zu gebrauchen. Ich musste Getränke und Brötchen servieren und hatte panische Angst, dass mir etwas runterfiel. Ich fürchtete die verbalen Attacken meines Vaters. Sein Bruder fand es lustig wie mich mein Vater behandelte, sie lachten, weil ich so ungeschickt war und zitterte. Ich musste mich beherrschen nicht zu weinen, mein Herz weinte, aber mein Mund lächelte. Einen Arbeitskollegen meines Vaters tat ich leid, er war der einzige Mensch, der Mitgefühl zeigte. Er sagte zu meinem Vater er soll mich doch nicht so abwerten, ich sei doch ein braves, liebes Kind. Mein Vater war entrüstet und sagte zu ihm, er hätte keine Ahnung wie dämlich ich sei. Der Kollege schwieg und ich schämte mich. Er besuchte uns nie wieder.

    Zu Weihnachten wurden Fotos gemacht. Ich unter dem Weihnachtsbaum. Auch da musste ich lächeln. Auf allen Kinderfotos ein fröhliches Lächeln, es schien als hatte ich eine schöne Kindheit. Es fiel mir schwer zu lachen, ich war ein unglückliches, verletztes Mädchen. Als ich meiner Mutter zum Muttertag ein Herz aus Papier bastelte, war ich sehr stolz auf mein Geschenk. Ich fand es wunderschön. Meine Mutter war anderer Meinung, sie betrachtete es kurz und legte es zur Seite. Später fand ich das Herz im Müll. Ich nahm es heraus und versteckte es hinter meinen Büchern. Wieder hatte meine Seele eine weitere Narbe bekommen.

    In der Schule war es nicht anders. Ich wurde von den Mitschülern ausgeschlossen und gedemütigt. Sie nannten mich dumm und ich schwieg. Auch die Lehrerin nannte mich einen Dummkopf. Sie holte mich nach vorne zur Tafel und ich schwieg. Ich schwieg, weil ich Angst hatte. Angst vor der Lehrerin und vor den Schülern. Ich wollte mich nicht blamieren, also verstummte ich. Trotzdem war ich eine gute Schülerin. Bei den schriftlichen Schularbeiten bekam ich immer sehr gute Noten. Aber vor der Klasse, bei mündlichen Abfragen schwieg ich, obwohl ich alles wusste. Die Angst vor einer möglichen Demütigung ließ mich stumm werden. Ich quälte mich durch die Schulzeit und hatte nur eine Freundin. Sie stotterte und wurde, genau wie ich, von den anderen gemieden und ausgeschlossen. Wir verstanden uns gut und redeten nur, wenn wir alleine waren. Wenn wir redeten, stotterte sie nicht. Sonst schwiegen wir und wurden als die zwei Dummen bezeichnet.

    Nach der Schulzeit begann ich eine Ausbildung als Goldschmiedin. Ich arbeitete in einer großen Halle, wir saßen an langen Tischreihen nebeneinander und fertigten Schmuckstücke. Es war laut in der Schmuckfabrik, also schwiegen wir. Auch in der Pause redete kaum jemand. Ich war froh, dass niemand sprach und ich nicht reden musste.

    Wir hatten einen Ausbildner, der uns Frauen oft betastete. Eigentlich war dieser Ausbildner das einzige Thema über das in der Pause gesprochen wurde. Er war ein älterer, autoritärer Mann ohne Manieren. Er berührte uns an den Schultern und an der Brust, wenn er die Schmuckstücke kontrollierte. Er verhielt sich so, als bemerkte er es nicht, wenn er jemanden anfasste. Im Sommer wurden seine Übergriffe unerträglich. Es war heiß in der Halle und wir trugen Röcke und leichte Blusen. Er fasste uns ans Knie und schob die Röcke nach oben. Wenn er kam, pressten wir alle die Beine zusammen, damit er uns nicht zwischen die Beine greifen konnte. Alle ließen sich seine Berührungen gefallen. Es wurde erzählt, dass man, wenn man sich wehrte oder sich bei der Geschäftsleitung beschwerte, die Kündigung erhielt. Viele Frauen waren älter und arbeiteten als Hilfskräfte. Die wenigen, jungen Mädchen waren in der Ausbildung. Alle verließen nach Abschluss die Schmuckfabrik. Die alten Frauen blieben.

    Der Ausbildner stand oft hinter mir. Er zeigte mir das Löten und berührte meine Brüste, ganz leicht, ein Hauch einer Berührung, aber stark genug um es zu spüren. Es widerte mich an, wie er sie anfasste. Ich arbeitete weiter, reagierte nicht auf seine grapschenden Hände und schwieg. Er beugte sich über mich und betastete mich. Jeder sah es, keiner tat etwas und ich ließ es zu. Ich schämte mich vor den anderen Frauen. Keiner sah mehr zu mir, jeder hatte den Kopf gesenkt. Dann ging er wieder die Tischreihe entlang. Die Frauen sahen mich an und arbeiteten weiter. Jede war ihm ausgeliefert.

    Eines Tages kam er nicht. Wir vermuteten, dass er im Urlaub war. Erst nach einer Woche hörten wir, dass er krank war. Nach mehreren Wochen ging das Gerücht um, er hätte Krebs und nicht mehr lange zu leben. Alle hofften, dass er lange nicht kommen würde. Er kam nie wieder.

    Das Betriebsklima änderte sich langsam. Die Frauen wurden fröhlicher, manche summten bei der Arbeit ein Lied. Meine Kolleginnen wurden gesprächiger und ich wurde entspannter. Ich hatte die Hälfte meiner Ausbildung hinter mir, aber niemand lernte uns die Schmuckbearbeitung. Die älteren Frauen, die den Schmuck teilweise maschinell herstellten, brauchten keinen Ausbildner, wir vier Mädchen in der Ausbildung jedoch schon. Endlich suchte die Firma wieder einen Ausbildner. Eine Frau aus der Personalabteilung kam in die Halle und holte uns Mädchen in den Pausenraum. Sie erklärte uns, ein Stück der Halle würde abgeteilt und zu einer Ausbildungsstätte umgebaut. Wir würden in Zukunft in diesem Teil der Fabrik arbeiten. Der neue Ausbildner will das so. Dann entließ sie uns wieder an unseren Arbeitsplatz. Wir Mädchen waren unglaublich aufgeregt und erzählten den Frauen die Neuigkeit. In zwei Wochen war der Umbau fertig und wir bezogen unseren neuen Arbeitsplatz.

    Und dann kam der neue Ausbildner, ein attraktiver, junger Mann. Wir waren erleichtert, weil er sich uns gegenüber freundlich verhielt. Er hieß Benjamin, aber wir durften ihn mit Ben anreden. Ben war sehr nett und ausgesucht höflich. Er erkundigte sich über unseren Ausbildungsstand und ließ uns ein eigenes Schmuckstück anfertigen. Wir erfuhren, dass er Goldschmied und Schmuckdesigner ist und bei einem bekannten Unternehmen gearbeitet hat. Wie er zu uns gefunden hatte, wusste keiner. Ben begutachtete unsere Arbeiten und lobte uns. Wir mochten ihn und fühlten uns zunehmend wohl in unserer kleinen Werkstatt. Ich bemerkte, dass ich mich immer öfter danach sehnte, dass er mich berühren würde, so wie sein Vorgänger. Doch Ben war sehr distanziert. Er berührte nicht einmal meine Finger, wenn er mir etwas zeigte. Ich hatte mich in Ben verliebt. Ich verzehrte mich nach ihm, mit jedem Wort, jeder Aufmerksamkeit und jeder Geste von ihm, verliebte ich mich noch mehr. Doch Ben suchte keinen körperlichen Kontakt.

    Ich war siebzehn und hatte noch keine sexuelle Erfahrung, diese wollte ich mit Ben erleben, aber er schien sich nicht für mich zu interessieren. In der Nacht, in meinem Bett, stellte ich mir vor, wie Ben mich küsste und streichelte und ich bemerkte wie es mich erregte. Immer und immer wieder, er küsste mich zärtlich und streichelte mich, in einer Endlosschleife küsste und streichelte er mich. Ich spürte seine Hand an meinem Körper, aber es waren meine Hände die mich berührten. In der Arbeit schämte ich mich und hoffte, er würde meine Gefühle für ihn nicht bemerken. Jede Nacht das gleiche Spiel. Seine Hände an meinen Lippen, an meinen Körper und wenn ich erregt war an meinen Brüsten. Monatelang streichelte ich mich, nie weiter als bis zum Nabel. Ich hatte noch nie einen Freund und ich war immer noch ungeküsst. Ben sollte der Erste sein, der mich küsste. In meinen Träumen tat er es auch.

    In der Arbeit war ich ehrgeizig, jedes Lob und jede Bemerkung von ihm, interpretierte ich als Zuneigung. Ich war sicher er mochte mich, er war freundlich, aber distanziert. Meine Lieblingsarbeit war das gravieren von Ringen. Jeden Tag gravierte ich Datum und Namen in Eheringe. Verschiedene Schriften, verschiedene Materialen, verschiedene Größen, aber alles Ringe der Liebe. Ich nannte sie immer Ringe der Liebe, täglich bearbeitete ich mindestens ein Ringpaar der Liebe.

    Und dann kam dieser Auftrag der meine Träume zerstörte. Schöne goldene Ringe, der achte Mai 1990, Benjamin und Lisa. Ben, mein Ben, gab diesen Auftrag. Er heiratete in zwei Monaten diese Lisa. Diese Lisa, erfuhr ich, war die Tochter des Chefs der Schmuckfabrik. Ich zitterte als ich die Ringe in die Graviermaschine einspannte. Benjamin und Lisa 08.05.1990 das Hochzeitsdatum in den Ringen der Liebe. Wie oft hatte ich davon geträumt meinen Namen einzugravieren. Sarah! Ben und Sarah. Das Datum unbekannt, in meinen Träumen küssten und streichelten wir uns immer noch. Aus und vorbei, der Traum von Ben, geplatzt wie eine Seifenblase. Ich legte die gravierten Ringe in das Auftragssäckchen zurück, ich war unendlich traurig. Zuhause heulte ich wie ein kleines Kind, ich verzehrte mich nach Ben, doch er wollte mich nicht.

    Ich gratulierte Ben zu seiner bevorstehenden Hochzeit und er sah mich zärtlich an. So zärtlich, dass ich hoffte er würde die Hochzeit absagen. Merkte er nicht wie ich mich nach ihm sehnte und spürte er meine Liebe nicht?

    Die Hochzeit fand statt, das Hochzeitsfoto hing im Pausenraum. Alle bestaunten es, Ben und Lisa und die ganze Unternehmensleitung. Ben und sein Schwiegervater auf den Fotos, Benjamin würde sein Nachfolger werden und die Firma übernehmen, erzählte man sich. Ich war ein kleines Rädchen in der Firma, was bildete ich mir ein diesen Ben zu kriegen, er wollte mehr, er war ehrgeizig, er wollte Lisa. Nicht mich, Lisa und die Firma, das war sein Ziel, nicht ich, eine bedeutungslose Schmuckarbeiterin. Ich war so naiv. In meinen Träumen hob ich mich auf für Ben, sah keinen anderen Mann an, nur Ben war mein Ziel. Ich hatte das Ziel verfehlt, gewaltig verfehlt. Ich schämte mich für meine Dummheit.

    Im Sommer war ich mit meiner Ausbildung fertig. Ich hatte mich durch die Monate gequält, jeden Tag den Mann meiner Träume vor meinen Augen, verheiratet und unerreichbar. Wir feierten unseren Abschluss im Pausenraum und prosteten uns mit Fruchtsaft zu. Ich wollte mir bald einen neuen Job suchen, Goldschmiede waren gefragt. Ben stieß mit seinem Glas an mein Glas und dann küsste er mich auf die Wange. Ich war so überrascht, dass ich errötete. Er sah mich zärtlich an, ich senkte die Augenlider und war sprachlos. Er hatte mich geküsst, er liebte mich. Ich war glücklich. Wieder flammte die Liebe zu ihm heftig auf und ich blieb in der Firma.

    Zuhause litt ich immer noch unter der Strenge meiner Eltern. Ich durfte nie ausgehen und musste nach der Arbeit sofort heimkommen. Oft sperrte mein Vater mich in mein Zimmer ein. Er wollte mich unter Verschluss halten, sagte er und lachte. Oft verließ er das Haus und ließ mich eingesperrt. Meine Mutter akzeptierte sein Tun. Er genoss diese Macht über mich. Wenn er heimkam und ich war nicht in meinem Zimmer, weil mich meine Mutter für Arbeiten brauchte, schrie er, warum sie seine Autorität untergräbt und mich frei ließ. Mutter besänftigte ihn und erklärte, sie benötige mich für die Hausarbeit. Ich musste seine Hemden bügeln und sonstige Arbeiten verrichten. Manchmal musste ich sein Auto zu waschen. Ich hatte panische Angst, dass ich es nicht gut genug machte und er noch Schmutzspuren fand. Immer noch prügelte er mich, obwohl ich die Hälfte meines Verdienstes an ihn abgeben musste. Für Kost und Wohnen sagte er. Ich aß immer in der Arbeit, nur am Wochenende daheim und die Miete der Wohnung musste er sowieso bezahlen. Es war einfach nur eine weitere Demütigung, mir mein Geld wegzunehmen. Ich hatte keine Freundinnen und keinen Freund. Wie auch, ich war in der Arbeit oder Zuhause. Ich durfte meine Freizeit nicht draußen verbringen. Ich war meistens eingesperrt und ich fühlte mich sehr einsam. Ich hatte meine Arbeitskolleginnen mit denen ich kaum redete und Ben, der nicht mir gehörte. Ich lebte nicht, ich funktionierte.

    Kurz vor meinem achtzehnten Geburtstag suchte ich mir eine möblierte Wohnung. Ich wollte keinen Tag als nötig bei meinen Eltern leben. An meinem Geburtstag unterschrieb ich den Mietvertrag und ich verdiente jetzt als Fachkraft wesentlich mehr. Es war ein tolles Gefühl, ein Gefühl der Unabhängigkeit.

    Statt mir zum Geburtstag zu gratulieren, forderte mein Vater die Hälfte meines jetzt höheren Lohnes. Ich sollte ihm den Betrag monatlich auf sein Konto überweisen. Ich nickte nur, wissend dass dies nie passieren würde. Heimlich packte ich am Abend meine Sachen, nur persönliche Dinge, die ich mir selbst gekauft hatte, wie Kleidung und Bücher. Ich besaß nicht viel, aber es gehörte mir. Alles andere ließ ich zurück, ich wollte nicht an meine Kindheit erinnert werden. Nur mein bester Freund Pezi durfte mit. Der Bär erinnerte mich an die schönen Stunden, die ich mit ihm verbrachte und in denen er mich tröstete und beschützte. Ich transportierte die Sachen am nächsten Morgen in meine kleine Wohnung, in der Nähe der Fabrik.

    Mit Herzklopfen und furchtbarer Angst, fuhr ich nach der Arbeit nochmals in die Wohnung meiner Eltern zurück um Abschied zu nehmen. Ich legte den Schlüssel ihrer Wohnung auf den Tisch und sagte.

    „Ich bin ausgezogen."

    Ich stellte sie einfach vor vollendete Tatsachen. Es war eine Situation die nur Minuten dauerte. Mein Vater schrie.

    „Du bleibst hier, das lasse ich nicht zu, ich werde dich von der Polizei zurückholen lassen!"

    Ich schüttelte den Kopf, Mutter stand da und sagte nichts. Vater hob die Hand und wollte mich schlagen, aber ich war darauf vorbereitet, rannte zur Eingangstür und schlug sie mit voller Wucht zu. Es war wie ein Befreiungsschlag.

    Ich wusste, dass er es hasste, wenn ich die Tür laut zuschlug und ich wusste, dass er nicht das Recht hatte, mich zurückzuholen. Ich war volljährig und konnte mein Leben selbst bestimmen. Ich war mein eigener Herr. Ich hatte mich befreit von einem Diktator der mich achtzehn Jahre lang quälte und verprügelte. Er hatte seine Macht vollkommen verloren. Es war eine große Last die von mir abfiel. Ihre geschockten Gesichter und die Entgleisung meines Vaters, indem er Macht demonstrierte und ins Leere schlug, erfüllten mich mit Genugtuung. Sie hatten niemanden mehr den sie tyrannisieren konnten. Ich hatte in ihrer Obhut nie Rechte, sondern nur Pflichten. Ich musste mich ihren Launen beugen, mich verbiegen und ihre Misshandlungen erdulden. Jetzt hatten sie niemanden mehr den sie verprügeln, abwerten oder verletzen konnten. Es war eine unglaubliche Erleichterung sie aus meinem Leben zu streichen. Sie hatten aufgehört zu existieren. Ich genoss die Friedlichkeit und die Ruhe die mich in meinem neuen Nest, in meinem eigenen Reich, empfing.

    Niemals wieder Angst! Ich war frei!

    Jeder freute sich auf die Weihnachtsfeier, wir überlegten was wir anziehen sollten und ich freute mich auf Ben. Ich konnte heimkommen wann ich wollte, ohne dafür verprügelt zu werden. Ich würde das Leben auskosten und bis zum Schluss auf dieser Feier bleiben. Ich liebte diese ungewohnte Freiheit und musste niemanden mehr Rechenschaft ablegen. Mein Leben war leichter, unbeschwerter und angstfrei geworden. Ich war erstmalig froh, auf dieser Welt zu sein. Vielleicht würde Ben mit mir tanzen. Sein Kuss auf die Wange hatte sich nicht mehr wiederholt, auch nicht, als er mir zum Geburtstag gratulierte. Ich war achtzehn Jahre alt und immer noch ungeküsst. Ich wollte einen richtigen Kuss, so wie es Liebende tun, einen Kuss mit dem Mund und mit der Zunge. Ich liebte Ben und wollte keinen anderen.

    Die Weihnachtsfeier war sehr vornehm. Der Chef hatte ein nobles Restaurant ausgewählt, wir waren alle beindruckt. Keine der Schmuckarbeiterinnen hatte je in einem so teuren Restaurant gegessen. Ben saß bei seinem Schwiegervater an einem anderen Tisch, Bens Frau war nicht gekommen. Nach dem Dinner gingen wir in einen nahen Tanzclub, auch dort waren Tische für uns reserviert. Wir waren ausgelassen, einige schon leicht betrunken. Ben forderte mich zum Tanz auf und zum ersten Mal berührten sich unsere Körper. Ich schmiegte mich an ihn und er zog mich zu sich. Ich spürte seinen Atem und roch sein Rasierwasser. Noch nie war ich Ben so nah. Eifersüchtig sah ich ihn auch mit den anderen tanzen, es tat weh ihn engumschlungen tanzen zu sehen. Der Chef verließ als Erster die Weihnachtsfeier und langsam verabschiedeten sich meine Kolleginnen. Ich harrte aus, bis nur noch Ben und ich am Tisch saßen. Es war bereits zwei Uhr morgens und Ben fragte mich, ob er mich nach Hause fahren sollte. Ich nickte und errötete. Ich war aufgeregt, als ich mit Ben zum Auto ging. Galant öffnete er mir die Autotür und ich stieg zitternd ein. Ben und ich ganz alleine in seinem Auto, würde er mich endlich küssen oder würde er weiter distanziert sein? Er startete den Motor und fuhr die Straßen entlang, ich konnte mich in der Dunkelheit nicht orientieren. Er sprach kein Wort und ich war so nervös, dass ich auch nichts sagte. Dann bog er von der Fahrbahn in einen schmalen Feldweg ein, schaltete die Scheinwerfer aus und stellte den Motor ab. Es war sehr dunkel und ich war wie gelähmt, schwieg und tat nichts. Ich spürte seine tastenden Hände an meinen Beinen, dann schob er mir den Rock hoch. Er beugte sich über mich und hantierte am Beifahrersitz. Mit einem Ruck stellte er die Lehne um, ich lag jetzt bewegungslos auf dem Sitz und wartete auf einen Kuss oder auf streichelnde Hände, so wie

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