Unendlich ist ziemlich weit weg: Dr. Sonntag 10 – Arztroman
Von Peik Volmer
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Über dieses E-Book
Diese spannende Arztserie überschreitet alles bisher Dagewesene. Eine Romanserie, die süchtig macht nach mehr!
Sehr verehrte Leserin, sehr geschätzter Leser, unser erstes gemeinsames Jahr liegt beinahe hinter uns! Hatten Sie ein frohes Fest? Und vor allem: Haben Sie den 2. und 3. Januar frei? In Norddeutschland vermutlich nicht. Aber wenigstens ist es eine kurze Arbeitswoche für Sie. Am Schliersee geht das Jahr gemächlich los. In Bayern feiert man am Montag den Dreikönigstag, sodass das Jahr 2020 erst am 7. 1. so wirklich beginnt. In unserer Geschichte hängen wir zeitlich ein wenig hinterher. Wir sind im Herbst angekommen, und große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Gleich drei Hochzeiten, zum Beispiel. Karin Fürstenrieder und Kilian Kreuzeder. Aglaja Tauber und Felix Antretter. Und auch Katrin Gräber und Murat Kaya. Zeitlich drängen tut es bei keinem der Paare, auch wenn Aglaja gern ihrem Ex-Ehemann Richard Tauber, der mit seiner jungen Frau Barbara sehr, sehr glücklich ist, zeigen möchte, was eine Harke und wie glücklich sie mit dem attraktiven Gynäkologen ist. Gespannt bin ich, wie die Geschichte mit Schwester Maria und Tassilo Resch weitergeht. Ob sich Timon Südens Zustand weiter bessert und die Krise, in der das Ehepaar sich befindet, beigelegt werden kann.
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Dr. Sonntag
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Buchvorschau
Unendlich ist ziemlich weit weg - Peik Volmer
Dr. Sonntag
– 10 –
Unendlich ist ziemlich weit weg
Oft ist der Weg das Ziel …
Peik Volmer
Sehr verehrte Leserin, sehr geschätzter Leser, unser erstes gemeinsames Jahr liegt beinahe hinter uns! Hatten Sie ein frohes Fest? Und vor allem: Haben Sie den 2. und 3. Januar frei? In Norddeutschland vermutlich nicht. Aber wenigstens ist es eine kurze Arbeitswoche für Sie. Am Schliersee geht das Jahr gemächlich los. In Bayern feiert man am Montag den Dreikönigstag, sodass das Jahr 2020 erst am 7.1. so wirklich beginnt.
In unserer Geschichte hängen wir zeitlich ein wenig hinterher. Wir sind im Herbst angekommen, und große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Gleich drei Hochzeiten, zum Beispiel. Karin Fürstenrieder und Kilian Kreuzeder. Aglaja Tauber und Felix Antretter. Und auch Katrin Gräber und Murat Kaya. Zeitlich drängen tut es bei keinem der Paare, auch wenn Aglaja gern ihrem Ex-Ehemann Richard Tauber, der mit seiner jungen Frau Barbara sehr, sehr glücklich ist, zeigen möchte, was eine Harke und wie glücklich sie mit dem attraktiven Gynäkologen ist.
Gespannt bin ich, wie die Geschichte mit Schwester Maria und Tassilo Resch weitergeht. Ob sich Timon Südens Zustand weiter bessert und die Krise, in der das Ehepaar sich befindet, beigelegt werden kann. Er übt ja kräftig mit dem neuen Physiotherapeuten, Emmerich Fahl.
Ja, und Sorgen mache ich mir um Lolli Poppke. Die Diagnose ›Brustkrebs‹ kam doch sehr überraschend. Und ich fand es bewundernswert, wie mutig Hatice mit ihrem Outing war. Noch viel mehr Bewunderung hat mir die Reaktion ihrer Mama Ayse abgenötigt. Haha, ich sehe sie gerade in ihrer Küche stehen, und aus Mehl, Zucker, Salz, Butter und Wasser Blätterteig herstellen. Sie könnte natürlich Blätterteig auch tiefgekühlt kaufen, was die jungen Frauen heutzutage tun. Die Frauen, die nicht kochen können, denkt Ayse gelegentlich, und nur Tiefkühlpizza aufbacken! Das ginge gegen ihre Ehre! Gerade rollt sie den Teig hauchdünn aus …
»Du essen!«
Die Herstellung von Baklava war eine ihrer Stärken. Mit Baklava hatten ihre Eltern Hatices Vater gefüttert, nachdem er eine Zeit lang um ihre Hand angehalten hatte, als Zeichen dafür, dass sie ihn als Schwiegersohn akzeptierten. Und das honigsüße Gebäck war Nahrungsmittel und Trost zugleich. Für die Figur war es tödlich, aber wen scherte es? Sie war jenseits der 50, und niemand sah sie mehr an. Da konnte sie sich auch gern den leiblichen Genüssen hingeben, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Und wie man an der Lebensgefährtin ihrer Tochter sah, hatten auch üppige Kurven durchaus ihren Reiz.
Der Lebensgefährtin ihrer Tochter… Ja, das war eben eine andere Zeit. Da ging man mit so etwas anders um als noch in ihrer Jugend. Sie stammte aus einem bürgerlichen Stadtteil Istanbuls, Kadiköy. Ihr Eltern hatten dort eine Wohnung gekauft. Sie war ihrem Mann nach Deutschland gefolgt, der Arbeit wegen, und irgendwie hatten sie den Absprung verpasst, auch wenn sie fest vorhatten, irgendwann in die Türkei zurückzukehren. Sie hatte diese wunderbare Putzstelle in der Klinik St. Bernhard gefunden, wo sie sich wohl und akzeptiert fühlte. Sie war fleißig, gewissenhaft, fröhlich und eine Institution. Dadurch, das jeder mit ihr ein paar freundliche Worte wechselte, wurde ihr eigenes Deutsch immer besser, auch wenn sie mit Grammatik nicht viel im Sinn hatte. Ihre schöne Tochter war hier zur Welt gekommen, sie hatte sogar in der Klinik entbunden. Und ihr Kind hatte es zu etwas gebracht. Sie war eine Frau Doktor. Leider keine Ärztin, aber Lehrerin war doch auch etwas, oder? Und wenn man mit der alten Heimat telefonierte, konnte man die Verwandten dort beeindrucken mit so einer Karriere. Noch dazu in Deutschland.
Wie gern hätte sie alle mit der Nachricht von Hatices Hochzeit überrascht. Die Familie, Freunde, die Freunde der Familie, die Freunde der Freunde eingeladen. Aber auch wenn die Zeiten sich geändert hatten und man anders damit umging, dass zwei Frauen miteinander leben wollten, ein Hauch von Anrüchigkeit blieb. Gegeben hatte es so was zu allen Zeiten. Auch in der Türkei. Cousin Berat zum Beispiel. Er hatte nie geheiratet, weil er angeblich ›die Richtige‘ nicht finden konnte. Man traf in in der Regel in Gesellschaft anderer Herren und sprach nicht gern über ihn.
Hier war Deutschland. Hier war alles freier, zu frei manchmal. Für ihren Geschmack.
Aber die Hauptsache war, das Hatice glücklich wurde. Und Veronika machte sie glücklich.
Beinahe. Diese schreckliche Krankheit! Veronika musste zur Bestrahlung, immer wieder, und das war wohl unglaublich anstrengend. Wenn sie nach Hause kam – zu Ayse nach Hause kam, wohlgemerkt! –, war sie immer völlig erschöpft, legte sich auf die Couch und schlief ein, sobald ihr Kopf das dicke, braune Kissen berührte. Sie, Ayse, stand in der Küche und bereitete ihr die leckersten Speisen zu. Veronika kämpfte den Anflug von Übelkeit herunter. Nein, Hunger hatte sie nicht, aber Ayse akzeptierte kein ›Nein‹ als Antwort.
»Du essen. Sonst schwach, und viel krank!«
»Ayse, du bist so lieb, dank dir schön. Aber ich bin ja noch satt von gestern!«
»Essen!«
»Aber nur die Hälfte!«
Sie wollte um nichts in der Welt die Mama ihrer Frau verletzen, die sich so viel Mühe gab, um es ihr schön zu machen. Also arbeitete sie sich durch das Menü, so gut es eben ging, und lobte den Geschmack der dargebotenen Speisen, was ihr nicht schwer fiel. Alles war unglaublich lecker, besonders dass Baklava.
Also gestärkt, dachte Veronika über ihre Beziehung nach. Konnte – durfte sie Hatice derart belasten? Gut. Man blieb nicht ewig jung und gesund. Irgendwann schlug das Alter zu. Krankheiten kamen, und irgendwann war es dann so weit, dass man sich für immer Lebewohl sagen musste. Aber dies stand am Ende einer Beziehung, nicht am Anfang. Wollte sie ihre Frau zur Witwe machen, noch bevor sie sich offiziell das Jawort gegeben hatten? Man stelle sich vor: Man lernt jemanden kennen. Man verliebt sich. Plant das gemeinsame Leben. Und plötzlich ist die eine todkrank und stirbt. Worin lag da der Sinn?
Hatice würde sie nie im Stich lassen, dessen war sie gewiss. Sie würde sich für sie aufopfern. Womöglich ihren Beruf aufgeben, nur um sie zu pflegen. Das durfte nicht geschehen. Das durfte sie, Veronika Froschauer, nicht zulassen. Wenn der Krebs ihr Leben beendete, war das ärgerlich genug. Wenn er gleichzeitig Hatices Leben ruinierte, war das völlig übertrieben.
Sie musste einen Weg finden, sich von Hatice zu trennen. Sie hatte keine Vorstellung davon, wie sie es anstellen würde. Sie wusste nur, dass es geschehen musste. Freiwillig würde ihre Frau sie niemals verlassen. Nicht einmal, wenn sie sie dazu aufforderte zu gehen. Nein, im Guten würde das keinen Erfolg haben. Es musste gewaltsam geschehen. Als ob man ein Pflaster herunterriss. Das tat einmal kurz weh, und dann war es erledigt.
Hatice verletzen? Das war es, was nötig war! Sie musste den Menschen, den sie am meisten liebte, verletzen. Sie aus dem Haus treiben, unter einem albernen Vorwand. Auch wenn es ihr am meisten wehtäte! Da konnte sie sich auch gleich das Herz herausreißen!
Wäre das nicht eine Idee? Sie konnte ihrem Leben von eigener Hand ein Ende setzen. Aber dann würde Hatice weiterleben, mit Schuldgefühlen vielleicht, weil sie den Selbstmord nicht verhindert hatte! Sie würde sie finden, und das Bild ihres toten Körpers würde sich in ihre Vorstellung brennen und sie den Rest ihres Lebens daran hindern, wirklich glücklich zu sein.
Nein. Sie musste sie hassen. Das war ihre einzige Chance. Hass und Verachtung sollte sie empfinden. Dann wäre ihr ihr Tod egal. Im Gegenteil. Vielleicht hätte sie dies Gefühl von ›Geschieht ihr ganz recht!‹.
»Noch Baklava essen!«, ordnete ihre designierte Ex-Schwiegermutter an. Grimmig biss sie in den hauchdünnen Blätterteig, dass die Krümel sich wie Schneeflocken über die Couch ergossen.
Alles auf Anfang
Chris holte Timon vom Logopäden ab, um ihn auf die Station zurückzubringen. Es war nicht seine Aufgabe, aber er hatte nicht die Absicht, ihn hängenzulassen. Nicht, weil er noch etwas für ihn empfand. Also, Liebe, oder so. Aber Freundschaft. Ja, Freundschaft, verdammt. Sie hatten sich einmal – und wenn es auch nur ein kurzer Moment war – sehr nahe gestanden. Und daraus erwächst doch ewige Verantwortung, oder? Oder war das Quatsch?