Westernweiber hängt man nicht
Von L. Andor
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Über dieses E-Book
Die beiden männlichen Helden retten die Damen vor der Lynchjustiz und fliehen mit ihnen zusammen aus der Stadt in die Wildnis zu neuen Ufern. Auf dem Weg zu ihrem fernen Ziel merken Mutter und Tochter bald, in was sie geraten sind. Nicht nur vom Regen in die Traufe, sondern in ein Inferno...
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Buchvorschau
Westernweiber hängt man nicht - L. Andor
Lewiston
1862 - Im Dorf der roten Männer
Der Trubel war riesengroß. Man hätte es fast mit einer Kirmes vergleichen können, aber der Grund war für sie persönlich alles andere als lustig oder gar unterhaltend. Inga war völlig angeschlagen, saß in sich gekehrt und kraftlos am Boden. Die wilden Gestalten um sie herum nahm sie kaum wahr und wenn, dann war es ihr im Moment schlichtweg egal. Sie hatte andere Probleme hinter sich, als sich über diese Horde Wilder aufzuregen, die selbst nicht richtig wusste, weshalb sie so zwischen Vergnügen und Bösartigkeit schwankten. Angst verspürte sie aufgrund ihrer Erschöpfung kaum, eigentlich war sie im Moment zu keiner Emotion fähig. Sie starrte nur auf den harten Fels, auf dem sie nun seit einigen Stunden in immer der gleichen Stellung kauerte. Auf den Knien, die Unterarme stützend aufgelegt.
Diese scheinbar rohe Gesellschaft, in deren Fängen sie sich befand, war allerdings von ihrer Anwesenheit noch ziemlich begeistert, wurde aber mit der zunehmenden Abendfrische immer ruhiger, die körperlichen Angriffe auf sie wurden lahmer und schlichter. Schließlich verspürte sie nur noch vergleichsweise zarte Schläge auf ihrem Körper; und solche liebevollen körperlichen Zuwendungen war sie ja leider gewohnt, da konnte sie nur müde drüber lächeln. Der Zorn, die Gemeinheiten, die Angriffslust, das Besondere ihrer Anwesenheit, das war nun wohl vorüber. Die roten Männer hatten sich gebührend mit ihr im Dorf gebrüstet, hatten drohend die Augen gerollt und sie hasserfüllt angebrüllt, sie ein wenig gequält mit leichten Messerschnitten, die kaum das dicke Baumwollkleid durchtrennten. Das war’s auch schon. Nichts, was sie nicht schon kannte oder weiter schrecken konnte. Deshalb saß sie nun stoisch schweigend, die Lippen fest zusammengepresst, und war froh über ihr leeres Hirn. Sie musste ihrem angetrauten Ehemann endlich einmal Recht geben. Er hatte ihr ständig ihre Dummheit vorgehalten, sie hätte ja sowieso nur Stroh im Kopf, kein Wunder bei der blonden Mähne. Aber diese Vorurteile kannte sie auch schon. Blond, blauäugig, naiv und nun inmitten blutrünstiger, braunhäutiger Männer.
Im Rundumblick erwachte so ganz langsam ihr Interesse am eigenen Schicksal. Sie saß in der Tinte, das war ihr ziemlich klar und je länger sie darin saß, umso gelassener wurde sie. Am Ende ihres trägen Gedankenganges musste sie sogar lächeln, wenn auch nur sehr kurz. Dennoch, jetzt war sie frei, so seltsam das angesichts ihrer Lage auch war. Diese wilden Männer hier konnten ihr weniger Angst einjagen, als ihr eigener, dem sie jetzt entkommen war, dank dieser Rotte, in deren Händen sie sich nun befand. Nur, bei Gott, wie war sie in diese vertrackte Situation gekommen?
Durch die dichten Wimpern hindurch betrachtete sie diese Krieger, die ihr durch ihr grobes Verhalten Schmerzen und Leid zugefügt hatten, aber jetzt müde davon waren. So wie es aussah, würde man sie vielleicht jetzt endlich mal in Ruhe lassen, zumal sie keine Freude an ihr empfanden, weil sie ja alles so stumm ertrug. Mit ein bisschen Schreien und Weinen hätte sie zu deren Vergnügen schon etwas beitragen können. Doch sie war nun mal ein stures Weib und das fanden die Herren hier so langsam langweilig. Sie fingen sogar schon an rumzualbern, sich gegenseitig zu schubsen, spielerisch – wie Kinder, die ihren Zorn vergessen hatten. Eigentlich wurde sie kaum mehr von diesen Menschen beachtet.
Nein, das stimmte nicht ganz, die indianischen Frauen studierten sie ebenfalls sehr genau, mit dem entsprechenden neidvollen Blick, der ihr aber auch nicht fremd war. Denn, obschon verdreckt und erniedrigt, so wie sie da herumsaß, ohne einen Laut von sich zu geben, erweckte sie bei manchem Bewunderung. Nicht unbedingt bei den Weibern, die gifteten immer noch und zogen über sie her, dieses Gespür hatte sie. Das erkannte sie sogar in geschwächtem Zustand. Eifersüchtige Weiber. Auch hier. Ihre Aufmerksamkeit wurde dann aber von einem anderen wilden Krieger auf sich gezogen, der abseits der anderen aufgeregten Schar, am Eingang seiner Behausung stand und sie finsteren Blickes musterte. Als so ziemlich einziger der Kriegerschar hatte er an ihrem hochfreundlichen Empfang im Dorf nicht teilgenommen, sondern nur beobachtet.
Es war ja nicht unerfreulich was er zu sehen bekam. Eine schlanke, weißhäutige Frau mit fast weißem, silbrigem, langem Haar und himmelblauen Augen, leuchtend wie ein Bergsee in der Sonne, nur notdürftig mit einem Kleid umhüllt, dass an manchen Stellen die elfenbeinfarbene Haut durchschimmern ließ. Einer Eingebung zufolge ging er nun raschen Schrittes zu der fremden Gefangenen, zog sein großes Messer und durchtrennte gekonnt der Länge nach das Kleid vom Halsausschnitt bis zum Saum, ohne sie zu verletzen. Er zog so kräftig an dem Stoff, dass sie herumgerissen wurde, über den harten Boden kullerte und auf dem Bauch liegen blieb. Da er gleich die helle robuste Unterwäsche mit aufgeschlitzt hatte, war ihre Rückseite bis zum blanken Po nun völlig entblößt.
Der Mann sog überrascht die Luft in die Lungen und trat einen Schritt zurück. So etwas hatte er bei keiner Weißen je gesehen. Na ja, viel Vergleichsmöglichkeiten hatte er auch bisher nicht gehabt. Außer während seines Aufenthaltes in der Missionsstation früher als Knabe, hatte er zuvor eher selten ein weißes Weib vor Augen gehabt und so halbnackt wie diese, schon gar nicht.
Anerkennend nickte er. Bei dieser Frau war jede weitere Schmerzzufügung unnötig, ja sogar wohl sinnlos. Das bewies auch ihre bisherige Ignoranz gegenüber den für indianische Verhältnisse spielerisch zugefügten kleinen Quälereien, die üblich, aber eigentlich nicht wirklich ernsthaft gemeint waren, da die Frau ja kein gefährlicher Krieger war, sondern Beutestück.
Diese Frau war eine gewisse Art von Folter gewohnt und das ließ den harten Krieger schlucken. Der Rücken der Frau war übersät mit frischen, kaum verheilten schmalen Wunden, die sich auf dem weißen Fleisch kreuzten. Dennoch wirkte sie nicht gebrochen, sie strahlte eine innere Kraft aus, die ihn beeindruckte.
Schnell fasste er einen Entschluss, ging noch einen Schritt zurück und blickte in die Runde der neugierigen Stammesmitglieder seines Volkes, der Kootenai-Palouse. Dann deutete er mit ausgestreckter Hand auf Inga.
„Diese a-yat ist mein. Sie wird mein Tipi säubern, meine Töpfe mit Fleisch füllen und mein Lager wärmen. Ollokot, du bekommst von mir die Stute Praka-Rima. Die wolltest du doch sowieso schon immer haben. Du kannst mit dieser Frau nichts anfangen, deine anderen vier Weiber würden dir das Haar vom Kopf reißen, wenn du noch eine anbringst, nur weil du mit dem weißen Händler so ein schlechtes Geschäft gemacht hast. Schau sie dir genau an, jetzt weißt du, warum der Händler sein gutes Pferd nicht als Zollabgabe an dich geben wollte. Die Frau war ihm nicht einmal seinen besten Gaul wert. Sie ist geschunden und besitzt keine Seele. Aber in meinem Tipi habe ich zu wenige Frauen für die Arbeit und ich bin für das Einreiten schwieriger Pferde berühmt. Sie macht mir den Eindruck einer gefangenen Wildpferdstute, die auf ihren Moment der Freiheit lauert. Das interessiert mich. Gilt der Handel?"
Ollokot war mit einem großen Sprung bei Inga, griff in ihr volles Haar und zog es rabiat in die Höhe.
„Wegen diesem silbernen Skalp wollte ich die Frau, nicht wegen dem minderwertigen Vieh, das der Mann hatte. Wir haben bessere Pferde, aber keine solche Frauen…"
Er kam nicht weiter, denn mit einem surrenden Geräusch flog ihm ein kleiner geflochtener Korb mit Essensresten an den Kopf. Alles lachte lauthals, die Männer klopften sich amüsiert auf die Schenkel und die Frauen quietschten. Für die Zuschauer war es eine lustige Sache, Gemüse und Fleischreste hingen ihm im Gesicht.
Schützend hob Ollokot seine Hände vors Antlitz.
„Uii, ja ist ja gut! Nimm das Weib, Bruder Grauwolf, und werde glücklich damit. Meine Gier nach neuem hat mich dazu veranlasst die Frau anstatt des Gaules zu nehmen."
„Gab es dir denn nicht zu denken, dass der weiße Mann sein Weib so kampflos hergegeben hat?"
„Nein, Bruder, ich sah nur dieses satte silberne Haar und diese vollen Lippen…"
„Ja, dann hat nur dein Schwanz geredet, Mann, nicht dein Hirn", kreischte eine Frauenstimme dazwischen und wieder brüllte alles vor Lachen.
Inga hatte kein Wort verstanden, die Indianer hatten einen Dialekt, der für sie aus Grunzen, Kreischen und Quieken bestand. Aber so leer konnte ihr Hirn gar nicht sein, als dass ihr nicht bewusst wurde, dass es um sie ging und dass dieses Dorf ein wenig von ihrer Person durch dieses kleine Theater abgelenkt war. Ihre blauen Augen glitzerten, als sie den Mann musterte, der so herrisch gesprochen hatte und ihr beinahe das Kleid wie eine Tierhaut komplett abgezogen hatte. Ein Indianer halt. Und so sah er auch aus. Aber ein interessanter Mensch. Nicht zu alt, vermutlich in seinen besten Jahren, muskulös, Narben übersät, langes Haar. Seine Rohhautkleidung stank bis zu ihr hin, oder war es sein ureigener Körpergeruch? Ihr war durchaus klar, dass sie halbnackt vor ihm auf dem Boden kauerte und sein Blick sich an ihrem wohlgerundeten nackten Hinterteil festgesaugt hatte. Ganz sachte bewegte sie die Pobacken und sein hartes Gesicht bekam einen leicht gierigen Ausdruck.
Okay - ein richtiger Mann! Zwar ein roter, aber das war ihr egal, er schien an ihr interessiert zu sein und wie man mit geilen Typen umging, das wusste sie seit langem. Instinktiv machte sie nun auf zartes Weibchen, stöhnte verhalten, sah hilfesuchend mit tränenfeuchten Augen zu ihm hin und wölbte die vollen Lippen. Nicht zu viel und nicht zu wenig, doch es war ausreichend. Er reagierte darauf wie gewünscht, denn sein Gesichtsausdruck wurde weicher. Sie hatte eine Chance, das war beinahe schon greifbar.
Leise glitt ihr Blick von ihm weg über den Dorfrand hinaus. Doch dort war nur unnahbare, grausame Wildnis und die war gnadenloser als die Rothaut, die nun wieder ihren Popo so überaus wollüstig anstarrte. Fast kam so etwas wie ein Wohlgefühl in ihr auf, es tat sich etwas Neues für sie auf. Eine neue, unbekannte Welt, fern von dem widerlichen Menschenschinder, den sie leider geheiratet hatte, und der sie so bitter enttäuschte. Dieser Gatte, der sie verraten hatte, war ihr Todfeind, nicht dieser braungebrannte Indianermann, der sie nun mit diesem ihr wohlbekannten Gesichtsausdruck zu verschlingen drohte. Mit diesem Kerl würde sie eine neue Möglichkeit erhalten und sie schwor sich, diese auch zu nutzen. Die Fehler, die sie in der Vergangenheit gemacht hatte, würden ihr dabei helfen. Dieses Mal würde es anders laufen, ganz anders.
Zuvor in Portland
Liv quietschte und kreischte in den höchsten Tönen, so laut sie nur konnte. Es half nichts. Ihr Vater war gnadenlos. An den Haaren schleifte er das junge Mädel aus der verrauchten Taverne. Die Kerle, die sie drinnen mit dem Bier hatten abfüllen wollen, lachten sich eins, machten sich über sie lustig und pfefferten zotige Sprüche hinter ihr her. Dazu galt ihr Spott auch dem erzürnten Papa des Mädels.
„Du kleines Biest! Du bist wie deine Mutter!", zeterte Lars Larsson und stieß sie zur Schwingtüre hinaus. Vom Schwung stürzte sie beinahe in den Dreck. Und doch musste er an sich halten, um nicht zu lächeln. Sie war sein Liebling, sein einziger und deshalb konnte er ihr nur halb so böse sein, wie er sich gab. Dennoch brauchte sie jetzt dringend eine strenge Abreibung. So streng er eben sein konnte zu seinem ehemaligen kleinen, süßen Baby.
„Ich wollte doch nur ein bisschen Spaß, Papa! Bitte! In diesem Kaff gibt’s doch sonst nichts. Nur immer Arbeit, in der Bude rumsitzen und kein bisschen Vergnügen…"
Sie kam einfach nicht weiter mit ihren mageren Argumenten. Lars Larsson war seiner Meinung nach ein strenger Vater und ein noch strengerer Ehemann und er war mit einer leichtlebigen Ehefrau und dieser ihr nachstrebenden Tochter mehr als gestraft. Frau und Tochter hatten natürlich einen ganz anderen Standpunkt hierzu. Doch er war Geschäftsmann, Schneidermeister mit eigenem Laden und hatte einen guten Ruf zu verlieren, da konnte er solche Eskapaden seiner Weiber nicht gebrauchen. Und jetzt musste er dieses freche Luder auch noch aus der Kneipe fischen unter diesem demütigenden Gelächter.
„Liv Larssdotter, du bist auch mein Blut, du hast dich zu benehmen in der Öffentlichkeit und deshalb gehst du jetzt sofort nach Hause und schneiderst mir die Hose von Mr. Mikelman fertig oder…", er hob die Hand zum Schlag und Liv duckte sich.
Sie wusste, nicht einmal ihre frisch freche Schnauze würde ihren Vater davon abhalten ihr eine zu scheuern. Na ja, vielleicht hatte er auch nicht ganz unrecht, denn so einfach vom Schneidetisch abzuhauen, nur um mit den Jungs einen drauf zumachen…
Aber sie kannte die jungen Matrosen doch. Sie kamen jedes Jahr um die gleiche Zeit hier den Willamette rauf und wollten doch auch nur ein bisschen harmlosen Zeitvertreib, so wie sie. Mit einem der Jungs hatte sie sogar mal kurze Zeit die Schulbank gedrückt und sie hatte ihn für einen Freund gehalten. Deshalb hatte sie sich nichts dabei gedacht, mit ihm ein Wiedersehensbier zu trinken. Wie hatte Papa sie nur hier gefunden? Wahrscheinlich hatte Silvia, auch eine angebliche Freundin, sie verpfiffen. Die war nämlich nur bis zur Eingangstür der Taverne mitgegangen und hatte sie dann schnöde im Stich gelassen. Diese feige Moraltante. Erst große Töne spucken, lachend und feixend durchs Dorf johlen und dann Leine ziehen. Schöne Freundin…
Vaters Hand hatte ihre Wange trotz der Abwehr gefunden, hinterließ rote Abdrücke in ihrem hübschen Gesicht und heulend presste sie ihre eigene Hand darüber. Die paar Leute auf der Madison kannten solche Szenen schon von den Larssons und tuschelten grinsend hinter ihnen her.
Lars spürte das Geschwätz in seinem Rücken und stöhnte auf. Es war aber auch zum Junge kriegen. Letzthin musste er seine Ehegattin Inga vom angeblichen Teekränzchen unter „Damen herausholen, das sich letztlich als Whiskey-Wetttrinken mit ein paar der „leichten Mädchen
am Hafen entpuppte, wofür er sich für seine Frau furchtbar geschämt hatte. Und sie, sie hatte nur gelacht, ihn lauthals einen konservativen Langweiler genannt, angeheitert gesungen und war mit leichten, hüpfenden Schritten vor ihm davongeeilt. Die erhaltenen harten Dollars für die frivole Damenmode, die sie dort abgeliefert hatte, rieb sie ihm beinahe unter die Nase. Portlands Bürger hatten auch dies beobachtet und diese Geschichte reihte sich zu allen anderen. Allerdings hatte sie ihm dann abends nach dem Essen wieder gekonnt Avancen gemacht, so dass er als machtloser Mann ihren Verführungskünsten wieder total erlegen war und ihr alles verziehen hatte, bis zum nächsten Mal. Denn eigentlich hatte sie ja nur einen Lieferauftrag erledigt um Geld zu sparen für den Lieferboten. Das flüsterte sie ihm zu, während sie mit warmen Fingern über seine Haut streifte, ihre sinnlichen Lippen an seinen Ohren knabberten und ihre verführerischen runden Hüften sich an ihn drückten…
Also was sollte er denn machen, er liebte seine Frau und auch diese verdorbene Tochter. Sie wickelten ihn um den Finger, wann immer sie wollten und sie konnten es auch. Beide Frauen waren mit solchen süßen weiblichen Attributen ausgestattet, dass sein Hirn beim Anblick von reizenden Augenaufschlägen jedes Mal aussetzte.
Dennoch sollte er viel strenger mit ihnen sein, sie im Sinne von Anstand und Würde noch mehr erziehen. Schließlich war er der Herr im Hause.
Allein wenn er daran dachte, wie beide im Einvernehmen Mittsommer gefeiert hatten – und das völlig nackt! Danach hatten sie sich erhitzt vom Ringeltanz ins Flusswasser gestürzt und waren wie die Nymphen, grünes Farn schwingend, durchs Städtchen gehopst. Was hatte er sich erneut vor der Gemeinschaft geschämt und versucht den moralischen Schaden wieder gut zu machen, indem er sie vor den entgeisterten Bürgern verteidigte, mit irgendwelchen Ausreden über entgleiste nordische Traditionen aus einer ehemaligen Heimat, die weder er noch seine Frauen jemals gesehen hatten…
Dabei hatte er wahrlich genug Scherereien am Hals. Seine Schneiderwerkstatt hatte vor nicht langer Zeit harte Konkurrenz bekommen. Da das Geschäft mit den wilden Fellen mangels entsprechender Tierarten nicht mehr rentabel war, hatte sich dort am Hafen Portlands so langsam aus der Leder- und Fellmanufaktur eine kleine Textilfabrik etabliert, die schneller und billiger Kleidung für die Matrosen, Hafenarbeiter und Einwohner der Flussstadt liefern konnte. Ein Nachteil für ihn, dass die Biber in den Flüssen und Seen auf dem Plateau beinahe ausgerottet waren, der Pelzhandel war zum Erliegen gekommen, die Jäger hatten kein respektables Auskommen für diese harte Arbeit mehr und waren in andere Gebiete verzogen. Die Leute wollten vermehrt Kleidung aus Baumwolle und das so billig wie möglich. Die Jäger waren größtenteils verschwunden, stattdessen kamen die Prospektoren in die Region.
Gold!
Es war Gold im Reservat der Palouse Indianer gefunden worden. Er hatte die Hoffnung: Jetzt geht’s aufwärts! Wer Geld hat, braucht Kleidung, will beste Kleidung! Die Kleidung macht den König! Weit im Landesinneren wurden neue Städtchen gegründet, die traditionellen Gebiete der Ureinwohner ignoriert oder mit netten Verträgen gesichert. Eigentlich sollte nun Wohlstand das aufstrebende Portland überschwemmen.
Deshalb hatte er sich auf qualitätvolle Herrenmode konzentriert, aber es war alles andere als einfach, an den entsprechenden Stoff zu kommen, der den hohen Preis rechtfertigte, den er für eine seiner extravaganten Herrenausstattungen verlangen musste, um über die Runden zu kommen. Das Gold versickerte irgendwie in andere Kanäle, eigentlich hatte er bisher nicht mehr Aufträge erhalten als vor den Goldfunden oder diese primitiven Goldschürfer konnten mit feinen Stadtanzügen nichts anfangen.
Klar, das Städtchen zwischen dem Willamette-River und dem Strom des Columbia war ja, was die Einwohnerzahl anging, eigentlich winzig. Knapp achttausend Seelen, nein ein paar mehr, fiel ihm ein. Erst letzte Woche waren wieder ein paar Babys geboren worden. Und täglich strömten irgendwelche Tagediebe aus allen Herren Ländern hinzu. Aber weder die Babys noch die Herein gereisten hatten genug Dollar, um seine exklusiven Anzüge tragen zu können…
All dies bereitete ihm erhebliches Kopfzerbrechen und dann gebärdeten sich seine Damen immer wieder als unmögliche Frauenzimmer, die auch noch jegliche Kundinnen mit ihren Eskapaden so in moralische Aufregung versetzten, dass auch sie den Laden immer öfter mieden, selbst wenn ihre Männer spendabel genug waren, um ihnen einmal im Jahr schöne Kleider kaufen zu können.
Was wussten denn seine beiden Frauen schon darüber, dass er kaum die Miete mehr zahlen konnte für die Schneiderwerkstatt, die in sehr lukrativer Nähe zur City-Hall lag, oder für diesen popeligen kleinen Wohnraum darüber. Der alte Halsabschneider Causten hatte erst letzthin die Hausmiete erhöht und für was?
Die alte Bude war am Zusammenfallen, zu schäbig für die Kundschaft, die nicht in der Textilfabrik ihre Klamotten von der Stange kaufen sollten. Er hatte investiert in den Ankleideraum, der edel sein musste für die Herren oder Damen Auftraggeber. Und, zu seinem kleinen Glück, kamen die üblichen Herren der gehobenen Gesellschaft gerne weiterhin, denn Frau und Tochter halfen beim Vermessen und das genossen diese geilen Böcke.
Ach, es war zum Haare raufen. Einerseits war er geschlagen mit zwei Weibern, die so erotisch wirkten, dass die Matrosen zähneknirschend vor seinen Ladenpreisen wieder umdrehten, die Stadtherren jedoch die Anwesenheit seiner zwei nordischen Schönheiten zu Bestellungen verführte. Doch Portland war zwar eine aufstrebende Stadt, aber nicht groß genug, und es war leider mit einer unübersichtlichen, unappetitlichen Hafengegend gesegnet, die keinerlei für ihn wertvolle Kundschaft beherbergte. Das über dem Columbia-River gegenüberliegende kleine Vancouver, war überschaubarer, dafür war es in Sachen Mode aber schon abgegrast, beziehungsweise hatte der dortige französische Bekleidungsverkäufer mögliche Kunden schon erfolgreich eingedeckt. Mehrmals im Monat fuhr er dennoch mit der Fähre rüber und bot sich als „Bester Herrenschneider in ganz Oregon und Washington" wie Falschgeld an. Doch die zahlungskräftigen Kunden waren drüben wie hüben dünn gesät und sein Traum von einem Edelherrenausstattungsgeschäft ging immer mehr den Bach runter. Schwedische Markenware in bester Handwerkskunst war wohl doch nicht so gefragt, wie er gedacht hatte.
Nur wegen seinen hübschen Frauen kamen die Herren, beschuldigte er sie und fand hiermit auch gleich den Sündenbock, weil das Nebenprodukt Damenmode aufgrund der Eskapaden der beiden ja überhaupt nicht lief.
Inga, sein einstmals braves, unschuldiges, süßes, blondes Geschöpf, mit dem er noch während des langwierigen Oregon-Trails, beinahe im Kindesalter verlobt wurde, weil Schweden nur untereinander heirateten; liebte er mittlerweile innig. Sein Vater hatte damals mit Ingas Vater das beiderseits zufriedenstellende Arrangement eingefädelt, da waren beide noch so jung und durften ohnehin noch keine eigene Meinung zu diesem Thema haben. Glücklicherweise waren sich beide schon von Anfang an sympathisch gewesen. Das erleichterte das Heiraten während der Treckfahrt in eine ungewisse Zukunft. Nur das Ziel des Pionierzuges war klar, Washington-State, nach dem durch ein Fort gesichertes Vancouver oder der zivilisierten Hafenstadt Portland, dort mit dem Wissen der schwedischen Schneiderzunft dickes Money machen und reich werden. Der Weg bis dahin war allerdings reichlich hart und steinig. Der Trail hinterließ eine Fährte von Blut und Tod, ein Teil der Trecker kam lebendig am Ziel an und die waren dann zusammengeschweißt, so wie er es von sich und Inga dachte. Erst später ging ihm ein Licht auf, nein eigentlich war es schon ein ganzer Kronleuchter. Seine Inga entwickelte sich ganz anders, als er es sich gewünscht hatte. Sie hätte ganz seine Geschäftsfrau sein sollen, kühl, unnahbar, hoheitsvoll und nur zu ihm privat so lasziv, wie sie sich leider jetzt rund um die Uhr gab. Von kühler Geschäftsfrau keine Rede, sie plauderte, sie flirtete, sie lachte über jeden albernen Witz, klimperte mit ihren Wimpern jeden akzeptablen Herrn an, aber er war sich sicher, sie spielte nur und meinte es mit keinem anderen ernst. Trotz der leichtlebigen Art die sie an den Tag legte, war sie ihm treu, das redete er sich ein. Es musste einfach so sein, denn sonst würde er tatsächlich verrückt werden.
Und er war schon kurz davor, wenn er sich seine Tochter Liv betrachtete, die jetzt nach verrauchter Kneipe stinkend, an seiner Seite her tappte,