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Prärie
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eBook665 Seiten10 Stunden

Prärie

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Über dieses E-Book

Gefährliche Besiedelung Amerikas 1862. Blutige Abenteuer

Besiedelung Amerikas, durch einen westwärts ziehenden Siedlertreck. Gefährlicher Weg, Pioniere, Aussiedler, Deportierte und Einheimische müssen zusammenhalten. Indianerüberfälle, Naturkatastrophen, Unfälle geschehen.

Die abenteuerliche Geschichte beschreibt das Reisen und Leben von drei deportierten jungen Frauen als Fronmägde von Europa bis in die Great Plains Dakotas. Entführung, Mord, Totschlag und die Liebe kommen nicht zu kurz in diesem frei erfundenen historischen Roman.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum29. Juli 2012
ISBN9783957034885
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    Buchvorschau

    Prärie - L. Andor

    L. Andor

    Prärie 

    Die Entbehrlichen

    Roman

    I M P R E S S U M

    Prärie - Die Entbehrlichen

    von L. Andor

    © 2012 by L. Andor 

    Alle Rechte vorbehalten.

    Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden. 

    E-Book-Produktion und -Distribution

    www.xinxii.com

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    Inhalt

    Der Treck

    Das Fort

    Die Farm

    EPILOG

    Der Treck

    Amerika, irgendwo im Nordwest Territorium 1862

    Der Staub fegte angetrieben von einem unangenehmen schwülen Wind über den von der Sonne ausgetrockneten Boden. Graues langes Gras bog sich in der weitläufigen Fläche des rauen welligen Landes bis zum Horizont. Unterbrochen wurde diese Monotonie nur durch Inseln von rauschenden Bäumen und große Buschfelder. Die Sonne stach erbarmungslos vom Himmel. Die Spitzen des langen grauen Grases begannen sich schon leicht zu bräunen. Grassamen wurden vom Winde verweht. Es waren keine Lebenszeichen zu entdecken. Nur eine frische breite Schneise war deutlich zu sehen, denn Gräser und kleine Büsche waren an diesen Stellen von Holzrädern und Hufen zu Boden gedrückt. Das einzig lebendige in dieser Graswüste schien dieser Wagenzug zu sein, der wie ein Fremdkörper die savannenähnliche Landschaft verunstaltete.

    Planwagen schlängelten sich wie ein Wurm mühsam, ratternd, stöhnend in Richtung Westen und weit entfernter dunkler Bergwand. Das hohe Gras umspielte die landläufig als Prärie-Schooner bezeichneten Gefährte auf ihrem Pfad, wie das Meer die Schiffe. Begleitend in seitlicher Entfernung zu dem sich vorwärtskämpfenden Wagenzug stampfte langsam grasend eine vielköpfige gemischte Herde von vierbeinigen Haustieren.

    Die Zugtiere, die vorgespannt sich in die Stränge warfen, waren genauso ausgelaugt wie die erschöpften Gestalten, die den Führstrick in den Händen haltend nebenher marschierten. Einige ermattete Reisende hatten sich einen Platz auf den holpernden Wagen ergattert, bis die Strecke sie zwang, sich wieder herunter zu bemühen um schieben zu helfen. Der erste Wagenfahrer des langen Trecks hatte die größte Verantwortung. Er musste sich den besten Weg auf der unebenen Piste suchen, die sich nur für sehr geübte Augen kaum erkenntlich und nur an manchen Stellen im Boden abzeichnete. Die folgenden Wagenfahrer hingen sich einfach dran und versuchten den Anschluss nicht zu verlieren. Aber auch das war schwierig, denn die Zugtiere waren einfach müde und kraftlos. Die abgekämpften Männer, Frauen, Kinder, verstaubt und ungepflegt, schoben helfend mit, obwohl sie ebenso müde waren, wie ihre Tiere.

    Der Treck war schon länger unterwegs. Das Ziel war noch weit. Sioux Fall, ein kleiner Ort im südlichen Dakota-Territorium sollte in einigen Monaten erreicht sein. Den größten Teil des strengen Marsches hatten sie schon hinter sich. Weit führten die Tagesstrecken nicht. Die Tiere mussten fressen, die Menschen ruhen. Nicht alle Pioniere hatten Ersatztiere zur Verfügung, die sie bei dringendem Bedarf wechseln konnten. Die Wohlhabenden teilten nicht gerne, denn wenn ein Tier ausgeborgt wurde und sich verletzte, konnte der Ausleiher niemals den Wert ersetzen. Deshalb dauerte es und dauerte. Ungeduldige Zwangspausen mussten eingelegt werden, wenn ein Wagen einen Schaden hatte oder ein verletztes Zugtier ausgewechselt wurde, sollte denn eines zur Verfügung stehen. Um mitzukommen musste sich mancher wie dann sein schmerzlich vermisstes Zugtier selber in die Stränge werfen und war versucht, den Wagen zu erleichtern. Die so zwangsläufig liegen gelassenen Gegenstände, die nirgendwo auf anderen vollgestopften Wagen mehr Platz fanden, pflasterten den Weg, den der große Treck hinterließ. Tränen flossen, wenn es soweit war sich von diesem Ballast zu trennen, denn es wurden nur überlebenswichtige Dinge mitgenommen auf so einem Trail in die neue Welt.

    Es waren ungefähr vierzig Familien, zusammengewürfelt aus ganz Europa, die sich zusammengefunden hatten um im fernen Westen Amerikas ihr unbekanntes Land zu bearbeiten. Einige Männer ohne ihre Familien waren ebenfalls im Treck. Diese sollten nachkommen, wenn sie ein Heim erschaffen hatten. Eine Witwe musste selbst mit ihrem Gespann klarkommen, nur manchmal erhielt sie Hilfe. Es war hart für sie, aber sie konnte nicht aufgeben oder umkehren unterwegs. Sie musste sich und ihre Kinder zum Ziel bringen.

    Bis zum letzten Ort der bekannten Zivilisation Sioux Fall am Big Sioux River im südlichen Dakota bleiben sie zusammen, dann geht jeder weiter seiner Wege um sein bestes Stück Erde zu finden. Immer in der Hoffnung sich damit ein gutes Auskommen, ein Heim und gewissen Wohlstand zu erarbeiten. Mit diesen Argumenten hatten die Anwerber in den Städten im Osten, die Menschen ohne Zukunft in den von Weißen unbewohnten Westen gelockt. Jeden Cent hatten sie dafür in Ausrüstung, Wagen und Saatgut gesteckt. Jeden Dollar in ein Stück Vieh, das der Urvater oder Urmutter einer großen Herde werden sollte. Fast alle hatten sich verschuldet für den Kauf ihrer Parzellen und mussten nun viele Jahre eisern arbeiten um frei zu sein für ihren Traum. Wenn sie ihn denn überhaupt erlebten. Die gierigen Landagenten hatten zudem den Pionieren versprochen, dass die Armee die Wilden so weit ins Land zurückgedrängt hätte, dass Fahrt und Besiedelung quasi völlig ungefährlich sei und einer lustigen Landparty gleichen würde.

    Hätten sie die Wahrheit gesagt über Entbehrungen, Krankheiten, Einsamkeit und brutale Überfälle durch die bereits entwurzelten Indianerstämme; über Trockenzeiten, gewaltige Stürme und Überflutungen – kein Mensch hätte sich bereit gefunden, dieses Wagnis auf sich zu nehmen. Die angeblich überprüften indianerbefreiten LandPlanquadrate im Dakota-Territorium, Montana oder Nebraska waren natürlich die besten, die es in diesem großen Amerika überhaupt gab. Ideal für Ackerbau und Viehzucht und außerdem zu günstigsten Preisen, wo gab es denn das? In ihrem zukünftigen Siedlungsgebiet in den gigantischen Weiten der Great Plains wollten sie ihr Bauernglück, überwiegend durch Viehzucht, versuchen. Die Banken in den überfüllten Oststädten hatten den zukünftigen Siedlern natürlich jeden Betrag geliehen zu günstigen Zinsen, bis sie ertragreich arbeiten würden. Und die Agenten führten damals geschönte Berechnungslisten mit, um zu zeigen, wie schnell sich die Investitionen in Land und Ausrüstung lohnen würde. Leider konnten die meisten Aussiedler gar nicht lesen, geschweige denn rechnen! Die Agentur, die diesen Siedler-Treck zusammengestellt hatte, war froh, dass so viele Pioniere zusammenkamen. Allein durch die Masse an Reisenden war die Fahrt schon etwas sicherer, was sie den Pionieren natürlich ganz anders schilderten. Zudem hatten sie zusätzlich eine kleine Versicherung abgeschlossen, indem sie besten Scout anwerben konnten, den es für die Tour ins Northwest-Territorium gab.

    Bisher hatten sie nur drei Tote zu beklagen. Den ganzen Weg über betrauerte eine verzweifelte Mutter den Tod ihres kleinen Mädchens, das schwer krank geworden war und unterwegs starb. Ein Familienvater kam unter sein durchgehendes Ochsengespann, das zuvor in ein Schlangennest trat und musste sein Grab in einem steinigen Tal finden. Der einzige Lohn-Cowboy der mit die Herde bewachte, brach sich das Genick, als er einem Kalb hinterher jagte, sein Pferd mit einem Bein in einen versteckten Präriehundebau geriet und beide stürzten. Das Pferd musste erschossen werden, was die meisten mehr bedauerten. Zumindest hatten sie eine Zeit lang frisches Fleisch.

    Essen und Trinken waren ein Problem in diesen Tagen. Die Vorräte gingen zur Neige, Frischwasser gab es auch nicht immer täglich. Heute würden sie aber an einer Quelle lagern können, versprach der Treckscout, der wie immer voraus geritten war um einen geeigneten Lagerplatz zu finden. Natürlich nur, wenn nichts Außergewöhnliches dazwischenkam. Zwischenfälle, die den Tagesablauf störten, kamen immer wieder vor. Darauf mussten sich die Pioniere einlassen und eben das Beste daraus machen.

    Der große schlanke sonnenverbrannte Mann, mit den unzivilisierten wirren dunklen Haaren unter dem Hut und stoppelbärtigem Gesicht, nannte sich Mister Mauser. Warum auch immer. Vielleicht war das sogar sein Name. Dieser wurde eigentlich weich gesprochen, im französischen Dialekt, der seine Abstammung bekundete. Sehr gute Freunde durften ihn beim Vornamen nennen, Jean. Aber hier, unter den auch ihm nun nicht mehr ganz so fremden Menschen wurde er kurzerhand Mauser gerufen. Als Treckführer war er fast zu jung, aber dennoch erfahren und abgebrüht. Seine Kenntnisse hatte er in harten Zeiten in der Armee erworben. Die verschiedenen Narben an seinem Körper erzählten davon. Dieser Dienst brachte ihm auch das Vertrauen, dass die Pioniere benötigten um in ein fremdes, gefährliches Gebiet zu reisen. Er kannte den besten Fuhrweg zum Ziel, aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen im Indianerland. Dafür kassierte er auch einen Batzen Lohn Führgeld. Er bestimmte den täglichen Ablauf des Trecklebens. Abfahrtszeiten, Pausen und Abendlager. Sowie den ersten Wagen, der zwar Verantwortung für das Tempo für den Rest der nachfolgenden Schlange trug, aber dafür keinen aufgewirbelten Dreck schlucken musste. Mauser ließ sich hierbei von den Fahrern hin und wieder bestechen, denn wer will schon den Staub seiner vielen Vorgänger ständig hinunterwürgen. Er behielt auch stets den Überblick über seinen Haufen. Er wusste genau, wer schwach und wer stark war, wer das meiste Geld hatte und wer der ärmste Schlucker. Er verdiente nicht schlecht dabei, bemühte sich aber mit allen gut auszukommen und einigermaßen gerecht zu sein. Manchmal machte er Ausnahmen von seinen stillen Eigenregeln. Zum Beispiel wenn sich eine Familie als ausgesprochen unbegabt erwies und ohne fremde Hilfe verloren war. Dann sprach er Machtworte und zwang den einen oder anderen zur Mithilfe. Im Allgemeinen waren alle Trecker sehr hilfsbereit, sie würden immer und jedem helfen, außer einem. Und dieser bereitete den Abschluss des fahrenden Lindwurms. Als verantwortungsvoller Treckführer behielt er vor allem diesen letzten schweren Frachtwagen immer im scharfen Blick. Denn das war kein Auswanderer, das war ein schmieriger Händler, der sich aus Sicherheitsgründen dem Treck angeschlossen hatte und sich dessen Regeln unterwerfen musste. Dieser Händler war einer von der übelsten Sorte, der auch mit Waren der besonderen Art handelte. Den Siebenjahreswaren. Menschenware aus Europa. Verstoßene, Diebe, Abgeschobene, mit einem Wort Deportierte. Zum Teil gerecht verurteilt. Aber viele waren Opfer von Justiz oder Politik. Diese elitäre Schicht, die eiskalt mit Schiffseignern, Kapitänen, Plantagenbesitzern oder reichen Händlern zusammenarbeiteten um zum Teil ihre eigenen Säckel zu füllen. Für die kleinsten Vergehen, wie der Diebstahl von Lebensmitteln, frecher Ungehorsam gegenüber Vorgesetzten oder vermuteter politischer Auflehnung gegenüber dem harten Regime in dem Land wo sie herkamen – ab in die neue Welt. Raus aus dem überfüllten Europa. Weg, aus den Augen. Sie hatten das Recht sich für den Strang, Bezahlung unerschwinglicher Geldstrafen oder für die Deportation mit mindestens sieben Jahren Arbeitsfron zu entscheiden. Mancher entschied sich für den Strang. Einige hatten keine Wahl, sie wurden ohne Entscheidungsfreiheit auf die Schiffe nach Amerika oder Australien geschafft. Natürlich waren es auch wirkliche Verbrecher oder in freiwilliger Lohnknechtschaft geratene, aber die allermeisten waren kleine Fische. Frauen, Männer, Kinder. Weggerissen von ihren Familien und Freunden, von ihrem Geburtsland. Auf ein windiges Sklavenschiff gebracht, in stickigen Lagerräumen zusammengepfercht, angekettet und für gutes Geld als einfache Arbeitskräfte an Land weiterverkauft. Seit dem Unabhängigkeitskrieg sogar verboten. Doch es war ein riesiger Schwarzmarkt der bedient werden wollte. Niemand nahm daran Anstoß, es war üblich. Ein einträgliches Geschäft, denn Menschen als Arbeitskräfte brauchte dieses neue Land. Die Ureinwohner waren zu nichts zu gebrauchen. Wilde, ungezähmt, ohne Bildung. Unwillig, uneinsichtig und gefährlich. Man jagte sie davon, vernichtete sie. Das weite ergiebige neue Land lockte. Es gab ja genug Verbrecher in den alten Ländern, die man zu Arbeitszwecken abschieben konnte.

    Die Strafgefangenen vom letzten Treckwagen waren von dem zwielichtigen Händler Slave-Bill Markham ab dem Schiff vom Kapitän der „Silas" abgekauft worden. Ursprünglich war die Ladung für Australien vorgesehen gewesen. Doch diese Schiffe waren bereits übervoll und hatten die britischen Häfen schon vor Beginn der Winterstürme verlassen. Deshalb verschob die Reederei sie kurzerhand in die andere Richtung. Der Gerichtsbarkeit war jedenfalls genüge getan, für die Bürokratie reichte eine kurze Depesche über die Änderung der Reiseroute. Auf welchem Kontinent diese bestraften Menschen ihre langen Arbeitsjahre verbrachten, war sowieso egal.

    Seine verhärmte Menschenware brachte der kleine dicke Mann einigermaßen gesund zum Sammelplatz nach Davenport. Das Aufpäppeln der Deportierten nach der kräftezehrenden Überfahrt mit dem alten Sklavensegler, die Organisation der ewigen Rumpelzugfahrten in Viehwaggons, die anschließende lange Karrenfahrt, war ausnehmend harte Arbeit für ihn. Aber ein kleiner Aufwand für gute Erträge. Denn dort wo sie jetzt hinfuhren, gab es nur wenige Arbeitskräfte. Schlau wie er war, hatte er sich entsprechend der dortigen Kaufanfragen spezialisiert. Er nahm jetzt nur noch junge Frauen oder Mädchen auf so eine lange Fahrt mit. Die waren Mangelware in dem großen Land, wo Frauen so dringend gebraucht wurden. Die Männer die dort draußen allein waren, hofften auf so eine Fuhre Weiber und nahmen was sie kriegen konnten. Er konnte sehr viel höhere Preise erzielen da draußen, als in den vollgestopften Städten an der Ostküste. Zudem kam er allein gut mit den geschwächten Weibern zurecht. Sein kurzer pfeifender Ochsenziemer half ihm dabei. Die jungen Mädchen waren nicht weiter schwierig, sie waren so verstört und fügsam, das Erlebte hatte sie klein gemacht. Diesmal hatte er nicht nur die jungen Dinger, sondern auch ein paar wirklich gute Zuchtrinder, Milchziegen und Pferde im Schlepptau. Die Viecher wollte er ebenfalls am Zielort an den Mann bringen. Vielleicht würde er aber auch selber versuchen eine Zucht aufzubauen. Ein paar Parzellen Land in den Plains hatte er sich früher schon unter den Nagel gerissen. Aber so weit dachte er im Moment nicht. Handel mit den Weibern war für ihn bequemer. Dadurch war er zu einem bekannten und begehrten Mann in den einsamen Weiten geworden. Er hatte noch ein Ass im Ärmel in Form von einer kleinen Auswahl an ausgesuchten Waren. Diese führte er auf dem hohen Frachtkarren mit. Ein paar Fässchen Schnaps, für den einzigen Saloon in dem Kaff oder aber vielleicht doch für den Eigengebrauch. Tabakblätter in großen Riemen zusammengebunden fanden ihren Platz und zahlreiche verschiedene Handelsgegenstände die ihm einen guten Gewinn versprachen. Er war gewohnt erfolgreich zu sein. Er wollte unterwegs auf nichts Angenehmes verzichten, deshalb wartete abends ein weiches Schlaflager auf seinem Schooner auf ihn. Seine „Damen" wie er sie nannte, waren kein Luxus gewohnt, sie hatten nächtens ihren Platz unter dem Wagen. Er ließ sie ohnehin zu Fuß marschieren. Sie waren es ihm nicht wert, auf dem Wagen zu fahren. Er hätte ja sonst seine anderen Handelswaren nicht mitnehmen können. Acht sorgfältig ausgewählte hübsche junge Mädchen waren dabei, die er, wie er meinte, teuer eingekleidet hatte. Jede bekam vor Abfahrt grobe Lederschuhe, Wollstrümpfe, ein neues einfaches Kattun-Kleid, darunter strapazierbare Unterwäsche und darüber einen Wollumhang. Ein Strohhut vollendete das Erscheinungsbild. Mit den abgerissen Fetzen am Leibe nach der langen Schiffsfahrt, konnte man die Frauen nicht monatelang durch die Wildnis führen, dass sah der erfahrene Menschenhändler schon ein. War ja nicht seine erste Tour mit der Sorte Ware. Auf dem Wagen führte er, wie die anderen Trecker auch, ein paar Säcke Getreide, Mais, Trocken- und Pökelfleisch, Bohnen, Mehl, Kaffee als Lebensmittel mit. Davon mussten sie sich ernähren unterwegs. Wobei die Frauen eigentlich nur Bohnen, Maisfladen und ab und zu Pökelfleisch bekamen. Für ihn mussten sie selbstverständlich aufwendiger kochen. Er wollte ja sein Prachtgewicht nicht verlieren und Hunger schieben, war jenseits seiner Vorstellungskraft. Vorausschauend führte er zu Hygienezwecken sogar eine Kiste mit Baumwoll-Lappen mit, damit die Frauen nicht unnötig Zeit verloren, wenn sie ihr monatliches Übel befiel und sonst in der Natur Moose oder Flechten suchen müssten. Dosen mit Seife für den guten Geruch und Sauberkeit unterwegs stellte er auch hin und wieder zur Verfügung. Er fand, er war ausnehmend gut zu den Mädels. Nachts durfte dann ab und zu sogar eine oben bei ihm schlafen, was er als absolutes Entgegenkommen seinerseits ansah. Dafür bekam die wehrlose Dame seiner Leidenschaft dann am Morgen einen Schluck Kaffee und einen liebevollen Klaps auf den Hintern ab. Meistens war es seine Favoritin, eine hübsche Grünäugige, die ihn scheinbar sogar mochte. Er vermutete aber, dass sie dachte, oben zu schlafen wäre auf Dauer gesehen lukrativer für sie. Es war ihm eigentlich völlig egal, was die Grünäugige von ihm hielt. Wenn sie nicht spurte, hing sie genau so schnell wieder nachts an der Durchlaufkette, wie die anderen Weiber. Da er aber auch in Sachen Liebe sehr bequem war, versprach er ihr das blaue vom Himmel, damit sie sich etwas williger zeigte. Er hatte für unterwegs auch einfache Regeln aufgestellt und die Mädchen lernten schnell wenn der Ziemer durch die Luft pfiff. Nachdem er die Nacht-Kette oben abgehängt hatte, mussten sie aufstehen und das Frühstück machen. Die störrischen Ochsen holen, Einspannen, Wasser besorgen, Feuerholz suchen und so weiter. Es genügte, wenn er sie beaufsichtigte. Er war schließlich nicht zum Arbeiten da. Es reichte wenn er sich die Hände an den Führleinen der Ochsen schmutzig machte. Manchmal lieh er eine seiner Damen auch aus, wenn andere Trecker eine helfende weibliche Hand benötigte. Doch er ließ sich diese Dienste teuer bezahlen, so dass seine Mädchen eigentlich kaum für andere arbeiten mussten. Er achtete auch auf die strenge Moral seiner Ladys. Für andere Zwecke als Treckerarbeit gab er sie nicht her. Schließlich sollten sie ohne Balg im Bauch weiterverkauft werden. Da waren sogar die Hinterwäldler empfindlich. Die Männer im Treck beneideten ihn heimlich um seinen Harem. Die Frauen dagegen waren giftig zu den Mädchen, deshalb musste er hinten fahren. Er wurde weiter vorne nicht geduldet. Da musste er sich fügen. Der Treckführer, vor dem er doch ein wenig Respekt hatte, war da im Sinne aller anderen unnachgiebig. Da musste sich sogar ein Markham anpassen, obwohl ihm der letzte Platz im Zug aufstieß. Schließlich bekam er den Dreck der Voranfahrenden ungefiltert ab. Dennoch war ihm dies eine sichere Fahrt im beschützenden Zug schon wert. Schon deshalb hatte er sich dem Treck angeschlossen. Alleinfahrten waren nicht ungefährlich, das hatte er schon am eigenen Leibe erfahren müssen. Außerdem konnte er die Rindviecher und Pferde in der Herde mitführen, was ein großer Vorteil für den Händler war. Die vor ihm fahrenden ahnungslosen künftigen Siedler belächelte er. Sie dachten immer noch, so eine Fahrt wäre pures Vergnügen und die drei Toten unterwegs nur unglücklichen Umständen zu verdanken. Er mied die Treckerleute im Allgemeinen, nur an den Fahrerbesprechungen nahm er teil, behielt aber seine langjährigen Erfahrungswerte in Sachen Präriebereisung für sich. Ihm würden sie sowieso nichts glauben, diese eingebildeten Städter. Slave-Bill Markham wusste schon vor der Fahrt, dass er wie alle Viehbesitzer, die mehr als zwanzig Stück Vieh besaßen, seinen Dienst an der gemeinsamen Viehherde leisten musste. Deshalb hatte er sich schon einige Zeit vor Abfahrt in Davenport ein Mädchen ausgesucht, das am besten mit einem Pferd umgehen konnte. Er ließ damals alle vorreiten und es gab tatsächlich ein schmales jungenhaftes Ding, das als einzige hervorragend mit der unwilligen störrischen Stute zu Recht gekommen war. Das verhungerte Mädel konnte das kräftige Tier sogar mit dem schweren Sattel aufsatteln und war auch groß genug um das Pferdemaul zum Aufzäumen zu erreichen. Wieder einmal hatte er hierbei echtes Glück, denn die anderen Mädchen hatten Angst vor dem Tier und waren zudem noch nie auf einem gesessen. Die Kleine musste seinen Part der Herdenarbeit übernehmen, weil er ihre Kameradinnen mit dem Treckwagen nicht unbeaufsichtigt lassen wollte. Einen Helfer oder Viehtreiber mitzunehmen war ihm zu teuer und bei den mitreisenden Auswanderern um einen Fahrer zu ersuchen sinnlos bei der Sorte von Fracht. Er traute keinem über den Weg. So nahm er sich das junge Ding auf die Seite und sprach Klartext. Er machte dem blassen schwachen Mädchen klar, was es heißt Cowboyarbeit zu leisten und unter Umständen tageund nächtelang mit richtigen Männern zusammenzuarbeiten. Wenn sie klug sei, müsse sie aussehen wie die Kuhjungen und sich auch so zu benehmen lernen, sonst würde sie Gefahr laufen benutzt zu werden, auf eine Art, die ihr sicher nicht gefiel. Er könne nicht ständig auf sie aufpassen. Er werde ihr Geschlecht geheim halten und die anderen Wagenmädchen ebenfalls instruieren, dass sie die Klappe halten. Wenn sich davon eine oder sie selber verplappern sollte, würde er es mit dem Ochsenziemer Schweigen lehren und die unangenehmen Folgen in einer Männergemeinschaft missbraucht zu werden, müsste sie dann selber tragen. Das Mädchen hatte ihn mit ihren großen braunen Augen in dem verhungerten Gesicht unverständig angeschaut. Er holte ihren Fronvertrag und musste lauthals fluchend feststellen, dass er ausgerechnet eine Deportierte aus London gekauft hatte, die in den Papieren als Emmy Black geführt wurde. Ein kleiner Zettel war angeheftet mit einer Notiz, dass sie ursprünglich aus Deutschland stammte und aus politischen Gründen abgeschoben worden wäre. Die Papiere waren getürkt, das war klar. Aber für ihn völlig bedeutungslos. Was gingen ihn die Querelen Europas an. Er hatte schon bemerkt, dass die Kleine sehr ängstlich zu ihm aufschaute. Also begriff sie ihn wohl überhaupt nicht wirklich. Für ihn war es wichtig, dass sie ihn richtig verstand. Sie eignete sich nämlich hervorragend für den Job. Niemand würde hinter dem schmalen Knaben je ein Mädchen vermuten. Das würde ihren Preis erhalten. Er wollte sie schon gerne als Jungfrau weiterverkaufen. Seiner Erinnerung nach hatte er sie nämlich genau deswegen dem Kapitän abgekauft. Sie machte schon damals einen kindlichen Eindruck auf ihn und sah trotzdem ganz annehmbar aus für ihr Alter. Bis sie an Ort und Stelle waren, wäre sie sicherlich noch gereift und dadurch der hohe Preis den er für sie verlangen wollte, gerechtfertigt.

    Er holte einen deutsch sprechenden Bauarbeiter, den er vor längerer Zeit an einen hiesigen Kunden vermittelt hatte zur Hilfe. Der junge Mann übersetzte holpernd dem Mädchen die Wünsche ihres Herrn. Leise kamen schüchterne Fragen nach passender Kleidung, Umgang mit Vieh und Schlaflager. Also konnte sie sich doch ein wenig in der Landessprache verständigen. Amüsant fand er ihre ängstliche Frage nach einem „Damensattel. Er lachte sich halbtot darüber, aber nicht sehr lange. Die Kleine hatte wohl eine Schraube locker, deshalb bekam sie zur Antwort gleich mal eine von ihm geschallert. Damit sie gleich mal wusste was die Uhr geschlagen hatte. „Damensattel! Die hatte wohl nicht alle. Knapp wurde sie von ihm aufgeklärt, was ihre Arbeit war. Er hatte nicht soviel Zeit sich nur um das dumme Ding zu kümmern. So kam es, dass sieben junge Frauen und ein junger Bursche in derben Hosen, zu weitem gebrauchten Baumwollhemd, einem alten Lederhut und abgetragenen Stiefeln zu Pferde, den Wagen begleiteten. Den Eisenring trugen alle um den Hals, zum Zeichen ihres Standes und Zugehörigkeit zu Bills Handelsware. Nachts mussten sie sich an der durchhängenden Kette, die unter dem Wagen hing am Halsring einfädeln. Den Schlüssel zum Kettenschloss hatte Bill immer in seiner Tasche. Einzig „Dutch, wie Bill den „Knaben als kleine Verunglimpfung seiner deutschen Herkunft getauft hatte, musste recht selten unter dem Wagen angekettet schlafen. Deren Platz war draußen bei der meist abseits des Trecks getriebenen Herde. Eine Flucht war ohnehin ausgeschlossen, in dieser Wildnis würde niemand lange alleine überleben. Und ein verwöhntes behütetes Mädchen aus Europa schon gar nicht.

    Slave-Bill war froh über diese Entwicklung seiner persönlichen Lage, zeigte es aber niemanden und schon gar nicht Dutch. Im Gegenteil, er zitierte sie alle paar Tage zu sich, dann musste sie ihm genauestens Bericht erstatten. Was sie gelernt hatte und von wem, wie es seinen wertvollen Tieren ging, deren Gesundheitszustand, ob sein Küchenwagen noch in Ordnung wäre und so weiter. Bei dieser Gelegenheit durfte sie sich etwas zum essen mitnehmen, wie alle Treiber ihre Lebensmittel von ihren Familien erhielten. Manchmal überraschte er sie draußen bei der Herde, wenn er abends unvermittelt am Lagerfeuer der Treiber auftauchte. Wenn er auch nur einen Kratzer am Chuckwagon, Sattel oder Pferde entdeckte, zog er ihr eins mit dem Ziemer über und das kam bei jedem Kontrollbesuch vor. Dabei ließ es sich manchmal wirklich nicht vermeiden, dass kleine Schäden durch das wilde Land an der Ausrüstung oder den Tieren entstanden. Aber das war ja auch nicht der wirkliche Grund seiner Erziehungsmaßnahme, er wollte ihr einfach zeigen, dass sie sein Eigentum war und er damit machen konnte, was er wollte. Für die anderen Treiber war es ein Zeichen sich nicht zu sehr mit seinem „Sklaven anzufreunden und seine Sachen pfleglich zu behandeln. Immerhin stellte er den Küchenwagen allen Viehtreibern zur Verfügung. Wenn auch nicht ganz uneigennützig. Bei seinen unregelmäßigen Besuchen überraschte es ihn aber doch, dass sein kleiner Viehknecht innerhalb kürzester Zeit immer mehr englisch verstand und auch sprach um ihm gut berichten zu können. Der Ziemer nützte auch hier etwas, der Sträfling strengte sich in allem richtig an. Das Mädchen „Dutch hingegen fühlte sich im Lager der Treiber sehr viel wohler als im Treck. Sie war froh, aufgrund ihrer bisherigen Lebensweise reiten gelernt zu haben, wenn auch im Damensattel und edlem Reitkleid. Ihr Gefühl für Pferde konnte sie in den völlig ungewohnten Männersitz hinüberretten und allein die Aussicht ohne Halsring-Kette schlafen zu können, war ihr der Aufenthalt etwas entfernt von dem Treck viel wert. Sie hatte ohnehin keine andere Wahl und durch die Geschehnisse in der Vergangenheit war sie schüchtern, mutlos und traurig. So ein Schicksal hatte sie niemals erwartet. Eigentlich hätte sie als Tochter aus gutem Hause auf Tanzparketten glänzen sollen in den großen Städten in Europa. Ihre bisherige Ausbildung bezog sich auf aristokratisches Tochtersein in einem angesehenen Haushalt. Sie hatte ehedem für alles Bedienstete. Niemals musste sie sich alleine ankleiden oder ihre Frisur richten. Aber sie hatte jetzt nichts anderes zum anziehen, außer dem was sie am Körper trug. Frisieren brauchte sie sich auch nicht mehr. Die ehemals langen seidigen dunkel gelockten gepflegten Haare wurden ihr schon gleich bei der Ankunft im Hafen von New York und auch unterwegs immer wieder bis auf die Haut abrasiert wegen des Ungeziefers das sich darin wohl gefühlt hatte. Ihre Ernährung war mangelhaft und selten lecker. Die Speisen wurden ihr früher in einer anderen Zeit nach ihren Wünschen appetitlich vorgelegt. Wie man sie zubereitete konnte sie nur ahnen, wenn sie sich je in eine Küche verirrt hatte. Damals brauchte sie nie zu kochen, waschen oder bügeln. Sie hatte keine Ahnung vom harten wirklichen Leben außerhalb ihrer behüteten Kleinmädchenwelt in der luxuriösen Stadtvilla in Berlin. In dieser Hinsicht war sie sehr viel ahnungsloser als die Mädchen bei Markhams Wagen. Trotzdem meinte sie im Unglück Glück zu haben. Die Wagenmädchen mussten den ganzen Tag im Staub hinter oder neben dem großen Prärie-Schooner herlaufen und schieben. Das Lager aufund abbauen in Rekordzeiten und kassierten ständig Rüffel oder sogar Schläge wenn sie ihrem Herrn missfielen. Und das kam ganz schön oft vor. Die Striemen an Armen und Beinen der Mädels waren deutlich zu erkennen. Da war sie hier unter den Pferden und Rindern besser dran. Auch wenn die Umgewöhnung höllisch für sie war. Wenn sie an ihre früheren Damen-Reitstunden in der Berliner Reitschule dachte, so musste sie sogar trotz der traurigen Situation schmunzeln. Ihr damaliger Reitlehrer Rittmeister von Sanden wäre entsetzt, wenn er sie jetzt auf dem Pferd sitzen sehen würde. Sie hatte anfangs mit der Härte des ungewohnten Arbeitssattels zu kämpfen, das tagelange Reiten rieb ihr das Gesäß und empfindliche intime Teile blutig. Der Herrensitz war für sie eine Überwindung gewesen. Sie schämte sich, so unmoralisch und völlig gegen ihre Erziehung die Beine auszubreiten. Aber mit der Zeit lernte sie auf dem Pferd zu sitzen und diese hoch empfindlichen Stellen bis zur Heilung zu entlasten. Dafür waren die Innenseiten ihrer Knie eine blutige Masse gewesen, da die grobe Hose die zarte Haut aufgerieben hatte. Manchmal hatte es sogar aus ihrem Hosenbein getropft, so dass sie eine blutige Spur hinter sich hergezogen hatte. Nach den vergangenen harten Wandermonaten hatte sich ihr magerer Körper abgehärtet. Die Wunden waren vernarbt und sie hatte Muskeln entwickelt an Stellen, wo sie nie vermutete hätte, überhaupt welche zu besitzen.

    Sie genoss nun sogar das langsame Treiben, den Kontakt zu den ihr anvertrauten Tieren und die grandiosen einsamen Sonnenuntergänge an der Herde. Natürlich war auch sie an der Reihe beim Auf- und Abbau des Treiberlagers. Musste den kleinen Küchenwagen bedienen lernen, Feuerholz suchen, Wasser aufsetzen. Diese Herdenarbeit war genauso hart wie die Treckerarbeit, aber sie hatte das Gefühl der Freiheit. Die anderen vier Viehtreiber, zeigten ihr meist freundlich ihre Arbeiten. Manchmal wurde sie auch gescholten, wenn sie träumte und ein paar Ziegen oder Pferde sich verselbständigten dadurch. Die Arbeit bei den Rindern war ebenso völliges Neuland für sie. Rinder kannte sie bisher nur als vorzügliche Bratenstücke auf dem Porzellanteller. Die anderen Treiber hatten zwar auch nicht soviel Ahnung von Rindviechern, doch sie hatten von vornherein ein anderes Verständnis für diese Tiere und waren zudem besser informiert. Schließlich wollten sie in Zukunft damit ihr Geld verdienen. Die Arbeitsreiterei zum Viehtreiben musste Dutch ebenfalls von ihren Treiberkameraden abschauen. Ihr vom Händler zugeteiltes Pferd war ein robustes Rinderpferd, das auf ihre Feinfühligkeit begeistert einging. Der Umgang mit dem Lasso war nicht einfach, sie hatte immer noch Schwierigkeiten damit, aber sie übte wann immer sich Gelegenheit dazu bot. Es waren raue Tätigkeiten, die ihr zunehmend gefielen, auch wenn sie sie noch nicht beherrschte. Gutmütig wurde sie hier ausgelacht wenn was nicht klappte, freundschaftlich auf die magere Schulter geklopft. Hier hatte man Geduld mit ihr. Sie meinten ja auch alle sie wäre ein unerfahrener verwöhnter Knabe und sie würde es schon lernen. Auch im Treiberlager gab es einen Boss. Und so nannte er sich auch – Boss Bernie Walker. Dutch wurde nie gefragt, warum sie das eiserne Halsband trug. Vielleicht weil der eine oder andere auch schon damit rumgelaufen war. Ihre mangelnde Kenntnis der hiesigen Sprechweise zwang sie genauer hinzuhören, was und wie die Männer sprachen. Dadurch schnappte sie immer mehr Wörter auf und fügte sie zu unbeholfenen Sätzen zusammen. Der Bursche Chep, saß öfters mit ihr am Lagerfeuer und versuchte ihr weitere Wörter und Sätze beizubringen. Er deutete auf Gegenstände und sagte die Bezeichnung hierfür. Mit Händen und Füßen versuchten sie sich zu verständigen. Es waren teilweise unterhaltsame Abende, da sich bald alle Cowboys an den Wortspielen beteiligten. Dann fühlte sie sich beinahe wohl und sie hatte weniger fürchterliche Alpträume aus denen sie von ihren verständigen Kameraden wach gerüttelt werden musste.

    Bisher hatten sie Glück mit dem Wetter, es war für einen Viehtrieb und Treckreise wie geschaffen. Trocken, staubig, windig. Auch die Strecke war gut gewählt, es gab immer noch genug Gras auf dem Weg. Das Vieh musste sich manchmal mit dem Durst anfreunden, der Treckführer wusste aber immer im richtigen Abstand ein Wasserloch oder kleinen Bach zur rechten Zeit, bevor die Tiere zu unruhig wurden. Die Arbeitspferde wurden in der wasserlosen Zeit aus den mitgeführten Fässern getränkt und auch den Milchkühen und Ziegen wurde jeden Tag Wasser gereicht, sonst wären diese zu erschöpft zum Milchgeben oder Weitergehen gewesen. So hatten auch die Viehtreiber beim Erreichen von Wasserstellen als erste Pflicht das Befüllen der Fässer zu erledigen. Es war manchmal mühsam aus einem Rinnsal Wasser mit Kellen in die Fässer zu schöpfen. Da sie eine gute Truppe waren, wurde auch das abwechselnd geleistet. Boss war darauf bedacht niemanden zu bevorzugen, auch sich selbst nicht. Selbst den Fahrer des einspännigen Küchenwagens bestimmte er jeden Tag aufs Neue. Die Lebensmittel wurden im Wagen mitgenommen und gemeinsam vertilgt. Wenn die Kiste leer war, bekamen sie neue Zuweisungen von ihren Familien, wenn es denn welche gab. Notrationen in Form von Maisund Bohnendosen wurden gehortet. Ein Pionier, der ein geübter Schütze war, streifte immer in der Nähe herum um Wild aufzutreiben. Wenn er welches erlegt hatte, verteilte der Treckführer die Fleischstücke. Bei den vielen Familien ein schwieriges Unterfangen, deshalb musste das Los entscheiden oder die besondere Lage. Trotzdem gab es immer mal Streit und der Mann musste dann sehr bestimmt auftreten um wieder Ruhe zu erreichen. Nur selten bekamen die Cowboys deshalb ein Stück Wildfleisch zwischen die Zähne, solange es Büchsenbohnen gab… Im Laufe des Tages bauten sich am Horizont drohende Wolkenformationen auf und die Luft war feuchtwarm. Treckführer Mauser wusste, dass es hier in der Nähe der Berge zu wilden Gewittern mit aufbrausenden Sturmböen kommen konnte, die über die Flächen peitschten. Die tiefen Furchen im ausgetrockneten Grasboden erzählten von diesen Wettergeschichten. Er beschloss zeitig einen geschützten Lagerplatz zu suchen. In seiner Erinnerung hatte er eine kleine Senke in deren Nähe auch ein schmaler Bach floss. So dirigierte er den ersten Fahrer in die gewünschte Richtung und machte sich auf zu der unweit ziehenden Herde. Mit Boss kam er bestens aus, sie hatten sich auf dieser Reise bereits ganz gut angefreundet. Mauser streckte sich im Sattel, entdeckte den Gesuchten und hielt auf ihn zu. „Tag Boss, was meinst Du zu dem Wetter? Sieht nach Sturm aus. Wir machen am besten dort drüben Halt für die Nacht. Bleib Du mit der Herde auf der anderen Seite des Bachs, da gibt’s Gestrüpp, Büsche und Gras genug. Boss nickte knapp, sie brauchten nicht viele Worte um sich zu verstehen, drehte sein Pferd und ließ es in Richtung Herde laufen. Mauser war zufrieden, er wusste Boss würde seine Leute anweisen besonders aufmerksam zu sein. Ein Sturm mit Blitz und Donner wäre für die nervöse Herde nicht gerade sehr beruhigend. Zumindest konnten sie heute ausreichend ihren Durst stillen, dann wären die Tiere anschließend auch nicht so schreckhaft. Erneut wendete er sein Pferd und streifte die Kolonne in Richtung letztem Wagen ab. Auf Höhe von Slave-Bills Wagen drehte er sein Pferd wieder in Zugrichtung. Der dicke Mann saß in bequemer Haltung auf dem Kutschbock. Neben ihm hatte er eines seiner Mädchen sitzen. Mauser sah noch einmal hin. Sie war einen zweiten Blick wert, obwohl er sie schon oft, wenn auch nur flüchtig, gesehen hatte. Es gab nicht viele schöne Frauen im Treck, und sie war eine davon, ganz sicher. Obwohl Bills andere Mädchen ebenfalls äußerst anziehend wirkten. Er konzentrierte sich wieder auf den Wagenfahrer: „Slave, wir lagern in Kürze und Sammeln uns in der kommenden Senke dort am Bach. Schau zu, dass Du Deinen Wagen nicht abseits stellst. Wir machen eine Wagenburg und stellen die Zugochsen in die Mitte. Es kommt ein unberechenbarer Sturm, da sind sie sicherer. Außerdem könntest Du vielleicht eines von Deinen Mädchen zu Mac schicken. Seine Minerva ist krank und hat die zwei kleinen Kinder zu versorgen. Sie bräuchte eine Hilfe und mach den Preis nicht so hoch! Slave-Bill runzelte die Stirn und brachte unwirsch vor: „Wenn er nicht zahlen kann, schick ich auch keine hin. Vielleicht ist das ansteckend was die Frau da hat und dann hat’s meine Ware auch! Mauser parierte sein Pferd hart durch und herrschte ihn laut an: „Du bist hier nicht allein! Wir alle brauchen mal Hilfe, Du auch! Mac hat wenig Geld das weißt Du genau und ob Deine Dame da Dir schöne Augen heute Nacht macht oder bei Macs Frau hilft, ist doch wohl so lang wie breit!

    „Ist ja gut, reg Dich nicht auf! Ich schick ja schon eine vor. Aber verpflegen muss er sie und sein Stück Wildfleisch heute, krieg ich, damit das klar ist! Mauser nickte erleichtert und trieb sein Pferd wieder nach vorne zur Wagenspitze. Bill schob seinen Hut ins Genick, drehte sich um und winkte ein langbeiniges Mädchen zu sich her: „Du hast gehört Gertie, was der Treckführer gesagt hat. Bevor Du aber zu Macs Frau gehst, holst Du mir Dutch her. Kannst auch gleich den Eimer mitnehmen und Ziegenmilch mitbringen. Wenn die Kinder die Milch brauchen, verkaufst Du sie Mac für fünf Cent. Wenn Du bei Mac fertig bist, kommst Du sofort wieder her und lieferst das Geld ab. Hast Du verstanden? Und nun hau ab! Slave Bill war durchaus geschäftstüchtig, auch wenn es ihm nur einige Cent einbrachte. Deshalb fetzte er zur Unterstreichung seines Auftrags seine Knute hinter dem eiligen Mädchen her, dass es nur so knallte. Die junge Frau neben ihm legte ihre Hand auf seinen Arm: „Aber Bill, ich kann doch helfen gehen. Ich bin den ganzen Tag mitgefahren und Gertie ist sicher schon müde vom Laufen! Er schaute sie abschätzend an: „Du? Nein, Du bleibst schön bei mir und wärmst mich heute Nacht, was glaubst Du eigentlich? Meinst Du, ich füttere Dich hier umsonst durch? Bitter verschloss sie ihre Lippen, der Blick den sie ihm unter ihrer Strohutkrempe zuwarf und er zum Glück nicht wahrnahm, durfte durchaus als tödlich bezeichnet werden.

    Die schlanke Gestalt mit den langen Beinen raffte das hässliche Kleid unschicklich bis weit über die Knöchel und huschte vom Wagen weg in Richtung Herde. Sie musste durch das hohe Gras, um Felsblöcke herum und flott laufen um die Tiere zu erreichen. Bis sie den Küchenwagen eingeholt hatte, der durch das unebene Gelände schwankte, musste sie beinahe rennen. Die Herde witterte das Wasser und hatte im Tempo erheblich zugelegt. Dutch hatte Wagendienst und lenkte das ebenfalls eilige Zugpferd mit Geschick durch die Naturhindernisse. Sie bemerkte im Augenwinkel das heraneilende Mädchen und verhielt den Schimmel etwas, damit es auf den Kutschbock aufspringen konnte.

    Sie waren seit ihrer Gefangenschaft befreundet, auch wenn sie sich damals noch nicht fließend verständigen konnten. Gertrude Knockerbie, lebte als Vollwaise in den Slums von London, war abhängig vom Chef einer Dockerbande, wurde beim Beklauen eines reichen Stutzers erwischt und in die neue Welt abgeschoben. Ihr wurden fünfzig Pfund Strafgeld auferlegt, die sie niemals hätte zahlen können oder vorgeschlagen sieben Jahre ihrer Freiheit zu verlieren. Nachdem man ihr im Gefängnis bereits zugeflüstert hatte, dass sie Chancen hätte in Übersee ein neues Leben, ein besseres Leben anzufangen, war es für sie keine Frage, sich den Ring um den Hals legen zu lassen. In London hätte sie nur das Leben einer armen Diebin oder Prostituierten vermutlich bis zum Tod durch den Strick erwartet und sie war ja noch jung und auch ein wenig abenteuerlustig. Im Beefwater-Gefängnis lernte sie Amelia von Schwarzen, jetzt Dutch genannt, kennen. Natürlich fragte sie das halbe Kind neugierig nach seinem Schicksal aus. Auf den fauligen Strohhaufen hinter den feuchten Mauern konnte man ja nichts anderes tun, als sich stundenlang zu unterhalten. Dieses arme kleine Ding war untröstlich, weil völlig unvorbereitet und natürlich unschuldig in diese Lage gekommen. In den langen Tagen im Gefängnis vor der Abfahrt hatte sie durch die stockenden Erzählungen von Amelia erfahren, dass diese in Begleitung ihres Vaters nach London gekommen war. Im eleganten Themse-Hotel an ihrem vierzehnten Geburtstag sehr verwöhnt worden sei und dummerweise von ihrem Vater zu einem befreundeten Lord mitgenommen wurde, der eine nichtöffentliche Sitzung in einer stillen Wohnung in einem Londoner Vorort abhielt. Von der führenden Regierungspartei ohnehin argwöhnisch beobachtet, war er dort in eine geschickt eingefädelte Falle getappt. Amelia war ahnungslos, da sie nicht einmal wusste, was genau ihr Vater in London machte. Sie wusste nur er war als Angestellter der Deutschen Botschaft dort, wie schon oft. Er reiste in diplomatischen Diensten als Begleiter eines Attaches viel in Europa herum. Immer war seine kleine Tochter zu Hause in Berlin, versorgt von einer treuen Gouvernante. Die Mutter war schon früh gestorben. Nun nahm er sie zum ersten Mal mit ins Ausland und wollte sie an diesem Abend nicht allein im Hotel lassen, da er ja glaubte, nur an einer harmlosen Diskussionsrunde teilzunehmen. In der eleganten Wohnung trafen sich einige europapolitisch engagierte Herren der Londoner Oberschicht, die von der Geheimpolizei misstrauisch überwacht wurden. Sie wollten diesen elitären gefährlichen Club ausheben, eventuelle Rädelsführer festnehmen und peinlich verhören. Aber es kam ein wenig anders, bei der ungeschickten Festnahme wurde geschossen. Tote und Verletzte blieben auf der Strecke und ein im Nebenzimmer befindliches völlig verstörtes deutsches Kind, das nichts verstand, nichts wusste und von nichts eine Ahnung hatte und nun ihren getöteten Vater betrauerte. Es war einfach alles schief gelaufen. Die Verwicklungen ungeheuer, der Erfolg dieser Aktion gleich Null. Staatsanwalt und Richter von der Sache überfordert, aber übrig blieb dieses Mädchen und sie hatte viel zu viel gesehen, auch wenn sie die Gründe nicht verstand. Anstatt das junge Ding nach Hause zu schicken mit dem Sarg ihres Vaters und einer Entschuldigung von Königin Victoria, nahmen sie es fest und sandten es unter falschem Namen nach Übersee ohne Rückfahrschein. Der einfachste, sauberste Weg, ohne sich die Hände noch mehr schmutzig zu machen. Der Deutschen Botschaft wurde mitgeteilt, dass Vater und Tochter bei einem Unfall ums Leben gekommen waren, ein schreckliches Feuer, das aber gelegt wurde, um Spuren zu verwischen.

    Gertie war froh, dass ihr eigener Fall so eindeutig war. Ihre Hafenkumpels hatten die Lücken aus der Erzählung der Kleinen gefüllt. Nicht alles blieb in der Stadt geheim. Sie selbst konnte nachvollziehen, weshalb sie deportiert wurde, die Kleine überhaupt nicht. Sie spürte, dass das deutsche Fräulein trotz ihrer Vornehmheit und Bildung sehr viel hilfloser war als sie. Irgendwie kamen da Mutterinstinkte bei ihr durch, obwohl sie kaum älter war, so dass sie von da ab ein sorgendes Auge auf ihre Knastkameradin hatte. Sie versuchte ihr zu helfen wo es ging. Tröstete sie und beweinte mit ihr zusammen das harte Schicksal, dass sie zusammengeführt hatte. Leider waren sie auf dem Schiff getrennt gekettet. Doch nach dem Zwischenstopp in Plymouth wo noch andere Strafgefangene an Bord genommen wurden, rückten sie wieder näher zusammen. Während der Überfahrt musste Gertie all ihre positive Ausstrahlung auf Amelia wirken lassen, sonst wäre sie in den Ketten vielleicht sogar gestorben. Das Glück war beiden hold am Ankunftsort. Denn der kleine dicke Händler war von Gertie angetan. Da sie die Geschehnisse locker und als gegeben ansah, war sie weit weniger angeschlagen, als die anderen Mädchen. Er hätte Amelia nicht mitgenommen, wenn sie ihn nicht auf das Kleinod hingewiesen hätte. Ein junges unverbrauchtes Mädchen und dazu noch gebildet. So einen Leckerbissen könne er nicht links liegen lassen, machte sie ihm klar. Später als sie mit Slave-Bill unterwegs waren, brachte sie ihr einfache Kochkenntnisse bei. Zeigte ihr das Ziegenmelken und andere Lagerarbeiten, damit sie nicht soviel geschlagen wurde. Zudem erklärte sie dem jungen unbedarften Mädchen den Unterschied zwischen Mann und Weib und warum es so wichtig für sie war, jetzt als Frau unentdeckt in der Männerwelt zu bleiben. Zwar hatte Slave-Bill dieses Problem auf seine Art schon recht anschaulich Emmi Black erklärt, doch das Mädel hatte es nicht wirklich begriffen gehabt. In dieser Hinsicht war Amelia von Schwarzen sehr unwissend. In ihren Kreisen waren solche Themen sehr unschicklich, darüber sprach man nicht beim damenhaften Nachmittagstee.

    Eimer schwenkend grüßte Gertie den Knaben: „Hallo Amy, ähh Dutch, ach verflixt, Hochwohlgeboren geht es Dir gut? Der Fette schickt mich, Du sollst mal wieder zum Rapport rüberkommen, er hat schlechte Laune, wahrscheinlich hat ihn seine Lagermatratze Megan geärgert! „Aber liebste Freundin, echauffiere Dich nicht so sehr! Hat der Herr Dich wieder gestraft? Der „Knabe deutete auf die deutlichen Striemen auf den Armen der Kameradin. Gertie schüttelte den Kopf, dass beinahe der Strohhut davonsegelte. „Nö, dafür nicht. War mal wieder nicht schnell genug. Du kennst die fette Sau doch. Aber heut ist mein Glückstag, ich darf Mac helfen mit den Kindern. Das werde ich so richtig genießen. Das wird ein Fest! Er muss mich nämlich als Lohn verpflegen und darauf freue ich mich schon. Dutch schüttelte missbilligend den Kopf: „Ja meine Liebe, das habe ich schon gehört, dass es seiner Frau nicht gut geht. Hoffentlich kannst Du ihr ein wenig die Fahrt erleichtern mit Deiner Hilfe. Auf dem Treck wusste jeder was Sache war, diese Art Kommunikation war wichtig. Sie fuhr fort: „Darf ich Dir später den Milcheimer bringen? Wir müssen erst das Lager aufschlagen und die Ziegen fangen. Sie wedelte sich affektiert die Mücken aus dem Gesicht. „Das Wetter schlägt um, weiß der Herr dass denn nicht? Ich muss bei dem Vieh bleiben. Ich glaube Mr. Boss ist nicht begeistert, wenn ich unnütz und tatenlos unter Mr. Markhams Wagen liege heute Nacht. Gertie lachte: „Mein Platz ist ja frei! Hier, ich hab das Stück Hartwurst für Dich gemopst, lass es Dir nachher schmecken. Aber jetzt muss ich wieder los. Danke fürs Ziegenmelken Eure Ladyschaft. Bring den Eimer zu Macs Wagen, er soll die Milch ja kaufen müssen, der alte Geizhals will sie ihm nicht mal für die Kinder umsonst geben. Bills Geiz war im ganzen Treck bekannt, deshalb wurde er nur in höchster Not um etwas gebeten. Dutch berührte leicht den Arm ihrer Freundin: „Sag ihm bitte, ich muss hier weiterfahren bis wir den Lagerplatz erreicht haben. Erst dann kann ich Zeit zum Rapport erübrigen! Sonst bekommen er und ich große Schwierigkeiten mit Mr. Boss!"

    „Ich weiß nicht, ob ihm das passt. Du weißt ja, wenn er was will, dann muss es sofort und gleich sein. Wahrscheinlich haut er mich dafür. Aber ich renn dann gleich nach vorne, dann erwischt er mich mit dem Ziemer nicht. Schneller als ich kann er wahrlich nicht sein, der fette Sack", maulte Gertie trocken beim Abspringen vom Wagen.

    Schlendernd lief sie gemütlich zum langsameren Treckzug hinüber. Ein wenig Zeit schinden bevor sie dem Sklaventreiber wieder trotzen musste. Sie erreichte Bills Wagen und erhöhte wieder ihr Lauftempo. Im eiligen Vorbeilaufen gab sie ihm die Worte von Dutch weiter. Bill konnte nicht schnell genug mit dem Ziemer reagieren und schickte ihr einen wüsten Fluch hinterher, weil die Frauen wieder mal nicht so spurten, wie er es wollte. Dafür schnauzte und peitschte er die Ochsen an, er brauchte immer ein Ventil.

    Die Wagen erreichten bald die beschriebene Senke und bewegten sich in einen großen Zirkel. Da die Fahrer schon recht geübt waren, gelang dieses Manöver auf Anhieb. Mauser war wieder an vorderster Front und wies sie ein. Er deutete zwei Wagen mit langen Zugstangen aus dem Treck heraus in die zweite Spur. Zusammen mit dem Außenring bekam er damit eine kleine geschlossene Koppel in der man die Zugochsen in der Nähe des Baches einpferchen würde. Die anderen Zugtiere, Pferde und Maultiere würde man zur freilaufenden Herde zum Grasen entlassen. Die starken Ochsen blieben meistens in einer umzäunten Weide. Sie waren oft stur und morgens schlecht wieder einzufangen. Endlich stand der Zug und die Pioniere begannen ihr Abendlager aufzuschlagen.

    Der Himmel wurde immer dunkler und es grollte schon verdächtig. Sturmböen rasten über die Ebene und rissen Blatt- und Buschwerk mit sich.

    Dutch stand auf dem Kutschbock und schaute fragend zum entfernt agierenden Vieh-Boss. Er zeigte ihr mit ausgestrecktem Arm einen Lagerplatz für den Küchenwagen zwischen einem großen Felsen und Buschwerk. Sie lenkte den Einspänner in diese Lücke, sprang leichtfüßig vom Bock, löste die Stränge von der Deichsel und führte den Schimmel an den Wagen. Eilig schirrte sie das Pferd ab, kontrollierte die Hufe auf eingeklemmte Steine oder Verletzungen. Dann entließ sie das Tier zur verdienten Weide und dem dunkel schillernden Bach, der hinter dem Buschwerk vorbei floss. Mit einem Strick bewaffnet suchte sie die kleine Ziegenherde auf, die sich bereits über das wild wachsende Gestrüpp hermachte, nachdem sie sich satt getrunken hatte. Blitze zuckten grell über den Horizont, das Grollen kam immer näher. Erschreckt hoben die Ziegen ihre Köpfe und blickten mit panischen Augen um sich. Dutch befürchtete, dass es heute länger dauerte, diese bunte Bande dingfest unter den Wagen zu bringen. Sie hatte ein besonderes Verhältnis zu diesen hornigen Wesen. Irgendwie hatten die Tiere den Weg in ihr Herz geschafft. Sie wusste selbst nicht genau, warum es so war. Vielleicht weil sie sie jeden Tag anfassen musste und sie merkte wie gut ihr der körperliche Kontakt zu einem warmen vertrauensvollen lebenden Wesen tat. Doch heute scheuten die Tiere vor ihr, beunruhigt durch die drohende Wetterlage.

    „Komm ich helfe Dir!" Randy stieg vom Pony und packte sich die Leitziege damit Dutch das Seil um deren Hals legen konnte. Sie blickte ihn dankbar an und gemeinsam schafften sie das Tier zum Wagen und banden es an. Der Rest der Ziegentruppe lief nun meckernd hinterher und unter den Wagen, ihrem gewohnten Schlafplatz. Der junge blonde Mann ließ nun eiligst die rund um den Wagen angebrachten Fangnetze herunter und vertäute sie miteinander. Dadurch hatten die Ziegen einen trockenen Unterstand und fühlten sich nachts sicher vor Kojoten und Regen. Diese Idee kam Dutch, als sie ihnen zum hundertsten male nachts nachgelaufen war und sie verstreut und ängstlich meckernd im Gelände am Folgetag suchen musste. So beobachtete sie ihr Herdenverhalten und kam zum Ergebnis, dass es für alle Beteiligten besser war, die Ziegen nachts unter dem Wagen einzupferchen. Das Ergebnis ihrer Seilknüpfkunst hing nun an den Außenbrettern des Wagens, jederzeit bereit die Tiere einzusperren. Allerdings mussten nun die Treiber ihr trockenes Plätzchen zum Schlafen aufgeben. Da der Wagen und auch die meisten der Ziegen im Eigentum von Bill waren, mussten die Treiber dies akzeptieren. Sie bastelten sich selbst ein provisorisches Planendach an die Wagenwand und schon schliefen Mensch und Tier von oben geschützt. Die Ziegen dankten es mit Aufmerksamkeit, denn ihnen entging nichts, sie reagierten sofort mit aufgeregtem Gemecker sobald sich etwas Fremdes dem Wagen näherte, ob Mensch oder unerwünschtes Getier. Sie hatten also milchgebende Wachhunde dabei, die sich nun allerdings vor dem herannahenden Sturm zu Tode fürchteten.

    Sie bedankte sich sehr höflich bei Randy, dem schlaksigen Kuhjungen, was ihm ein Grinsen aufs Gesicht zauberte. Die Kameraden amüsierten sich immer über diese übertriebene Höflichkeit des deutschen Burschen. Doch nachdem Dutch ihnen anfangs erklärt hatte, dass sie so erzogen worden wäre, fanden sie es durchaus angenehm nicht immer nur Flüche oder grobe Worte zu hören, wie es sonst eher üblich war. Selbst die rauen Burschen hatten versucht ihr entsprechende englische Höflichkeitsformen zu übermitteln, die sie fleißig benutzte.

    Er schwang sich behände wieder auf sein Pony und machte sich auf in Richtung Rinderherde. Die Ziege meckerte protestierend als sie den Eimer unter die Zitzen stellte. Sie füllte ihn nur halbvoll, mehr wollte sie dem Muttertier nicht abzwingen. Mit ihrem Messer, das Boss ihr für die Dauer des Trecks geliehen hatte, schnitt sie nun ein paar Zweige vom Gebüsch und stopfte sie unter den Wagen. Das Gras stand dort zwar hoch, aber die gefräßigen Tiere würden es bis zum Morgen völlig weggeknabbert haben. Sie beeilte sich mit dem Aufstemmen der Vorzeltstangen und band die sich aufblähende Segeltuchplane daran fest. Die Treiber trafen so langsam am Wagen ein. Chep befestigte ein Streckseil von einer Seite des Wagens bis zum Buschwerk, damit sie eine Möglichkeit hatten die Pferde zum Absatteln und Pflegen anzubinden. Boss band seine falbenfarbige stämmige Stute an das Seil, die erschreckt den Kopf hochwarf, als Dornbüschel vor ihren Augen durch die Luft gewirbelt wurden. Sein Blick glitt prüfend zum Himmel, die Färbung der Wolken war mittlerweile zu einem giftigen Gelb mutiert. Die Blitze zuckten immer schneller am Horizont. „Wir sollten das Vorzelt nochmals mit einem Seil sichern, damit uns die Plane nicht wegweht und wahrscheinlich gibt’s heut Mais aus der Dose. Ein Feuer ist zu gefährlich, sollte der Sturm stärker werden. Das Gras ist so trocken, es könnte jederzeit anfangen zu brennen. Chep nickte und ging zum Wagen zur Seilkiste. Auf dem harten Boden waren Trabtritte zu vernehmen, als der älteste der Treiber zum Lagerplatz heranritt. Maximilians wettergegerbtes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als er stöhnend von seinem dunklen Wallach abstieg. Eigentlich war er zu alt für so eine Arbeit, aber er war nur mit seiner Frau unterwegs in die neue Welt. Sein jüngerer Bruder wollte später, wenn er Fuß gefasst hatte, nachkommen. Also hatte er sich bei dem Trip für die Herde entschieden und nicht für den Rumpelwagen. Den musste seine Frau fahren. Sie hatten zuvor dem Lohncowboy ihre hart verdienten Dollar gegeben. Aber der war ja jetzt tot. Also musste er jetzt selber ran. In früheren Zeiten hatte er in einem kleinen Dorf in Irland die Schmiede betrieben, bis die große Hungersnot kam und die Bauern ihre Pferde hergeben mussten und fortzogen. So verkaufte er wie sie auch sein bisschen Grund an den ansässigen Laird, besorgte sich ein Überfahrtsticket und versuchte in diesem Land neu anzufangen. Da er den Amboss auf seinem Wagen hatte, musste er ab und zu im Treck arbeiten. Er war sehr beliebt und wurde auch sehr gebraucht. Sein Vorrat an Eisen-Rohlingen ging allerdings zur Neige und er hoffte in dem Präriedorf, das ihr Ziel war, Nachschub zu bekommen. Vielleicht blieb er auch gleich dort, denn Schmiede waren begehrt in den einsamen Städtchen. Seufzend streckte er seine alten Glieder, sah zweifelnd zum Wetterhimmel und schüttelte missbilligend den Kopf. Eine Ruhepause war wohl noch lange nicht in Sicht. Er sah den schmalen Knaben mit dem Eimer in der Hand zum Treck hinübergehen und rief ihm hinterher: „He Junge, sag meiner Frau ich komm bald rüber und helfe ihr! Dutch hob den freien Arm zum Zeichen, dass sie verstanden hatte und marschierte weiter. Sie musste eine Weile suchen, bis sie Macs Wagen fand. Der muskulöse große Mann war gerade am Ausschirren seiner Maultiere als sie eintraf. Fragend störte sie ihn bei der Arbeit. „Benötigen Sie Ziegenmilch Mister Mac? Leider darf ich sie Ihnen nicht schenken, aber ich kann ja dem Master sagen, dass die Ziege nicht so viel hatte. „Ja ist schon traurig, dass der reichste Mann im Zug es sich nicht leisten kann ein paar hungernden kleinen Kindern einen Tropfen Milch abzugeben, schnaufte Mac in seinen dunklen Bart.

    „Wie könnten Sie denn einen Lohn dafür erbringen? Vielleicht ist er ja auch mit ein paar Eiern von Ihren Hühnern zufrieden im Tausch? „Ach die, die sind so durchgeschüttelt heute, die haben kein einziges Ei gelegt, aber er will ja ohnehin die Wildkeule, die ich von Mauser erhalten hab. Dann kann er die Innereien gerade auch noch dazu nehmen, sind hoffentlich quitt damit. Danke Dutch, Du bist ein guter Junge. „Keine Ursache Mister Mac, wie geht es Ihrer Frau?"

    „Das neue Kind macht ihr Kummer, es bereitet ihr Schmerzen, sie kann kaum aufstehen oder laufen, bin echt froh dass die Gertie oben bei ihr ist."

    „Nun, dann bringe ich die Milch mal Gertie damit sie Ihren Kleinkindern etwas Getreidemus kochen kann. Morgen früh kann ich Ihnen vielleicht noch einen Schapf bringen, Master Bill muss es ja nicht unbedingt erfahren."

    „Ich will nichts geschenkt von dem, irgendwas find ich schon zum Tausch, wahrscheinlich legen die Hühner heut Abend, dann kann er Frühstückseier kriegen. Dutch nickte und zog sich mit einer Hand am Wagen hoch. Im Halbdunkel sah sie Gertie mit den beiden kleinen Kindern sitzen, daneben lag eine schmale Frau über deren schwangerem Bauch sich eine leichte Decke spannte. Die Augen der jungen Frau waren erschöpft geschlossen, dunkle Ringe darunter zeichneten ihre Schmerzen. „Meinst Du, dass das Kind kommt?, fragte sie leise Gertie.

    „Glaub nicht, es wäre noch viel zu früh, die rumplige Fahrt und das schwüle Wetter machen ihr zu schaffen, aber ich kann da gar

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