Gernrode/Harz und die Zeit als "Jungmädelstadt"
Von Bernd Sternal
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Über dieses E-Book
Bernd Sternal
Bernd Sternal geboren 1956 in Gernrode/Harz. Bernd Sternal hat schon einiges in seinem Leben gemacht: Er ist Dipl.-Ingenieur, war als Manager, Geschäftsführer, Unternehmer, Unternehmensberater tätig, ist im Besitz zahlreicher Patente und anderer gewerblicher Schutzrechte. Mit dem Schreiben begann er im Jahr 2005, indem er für das von ihm betriebene Harzer Tourismusportal https://www.harz-urlaub.de redaktionelle Beiträge verfasste. Das Schreiben hatte ihn schnell infiziert. Im Jahr 2010 gründete er den Verlag Sternal Media, in dem er auch seine eigenen Publikationen herausgibt. Schwerpunkt-Themen von Bernd Sternal sind geschichtlicher, technischer, naturwissenschaftlicher, touristischer sowie gesellschaftskritischer Art.
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Buchvorschau
Gernrode/Harz und die Zeit als "Jungmädelstadt" - Bernd Sternal
Einführung
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die alte, kleine Harzstadt Gernrode unter dem Namen „Jungmädelstadt" bekannt.
Doch war diese 1830 entstandene Idee als Stadt der Töchterpensionate und Töchterschulen nur eine logische Weiterentwicklung einer schon fast tausendjährigen Entwicklung.
Das von Markgraf Gero 959 gegründete St. Cyriakus-Stift in Gernrode ist die Keimzelle der Stadtentwicklung. Die Stiftung war ein reichsunabhängiges Kanonissen-Stift. Als Kanonisse oder Stiftsdame wird eine Frau bezeichnet, die in einer kirchlichen Gemeinschaft lebt, ohne jedoch ein Ordensgelübde abzulegen. Bei den Frauen eines solchen Stifts handelte es sich um adlige Damen, die dort gemeinschaftlich wohnten und Unterhalt, Erziehung und Bildung genossen.
Das Stift St. Cyriakus in Gernrode war vom Stiftgründer, sowie in Folge von weiteren Stiftern, mit reichem Eigengut ausgestattet. Das weltliche Stift, in dem die Stiftsdamen große Freiheiten genossen, hatte den Status einer Reichsabtei und war nur dem König und dem Papst unterstellt. Der König sicherte dem Stift Immunität vor den regionalen Kirchenherren und Landesfürsten.
Geleitet wurde das Stift durch eine Äbtissin, die häufig aus den hochadeligen Geschlechtern der Billunger, Askanier, Wettiner und vergleichbarer Familien stammte. Die Äbtissin hatte ein umfangreiches Aufgabengebiet: Neben der Verwaltung des Eigenguts hatte sie auch Recht zu sprechen. Zudem zeichnete sie für die Aufnahme der Stiftsdamen und den damit einhergehenden Schenkungen verantwortlich.
Die adligen Stiftsdamen kamen in der Regel als junge Mädchen in das Stift. Sie wurden dort erzogen, ausgebildet und auf die Ehe vorbereitet. Viele von den jungen Damen verließen mit der Eheschließung das Stift wieder und kehrten in ihr altes weltliches Leben zurück. Wer jedoch keinen Ehemann fand, blieb oft sein Leben lang im Stift. Es kamen jedoch auch Stiftsdamen, die ihren Gatten bereits in jungen Jahren verloren hatten. Bis zu 24 Stiftsdamen lebten gleichzeitig im Gernröder Stift.
In besten Zeiten im Hochmittelalter soll das Stift 24 Dörfer, 21 Kirchen und 400 Hufen Land besessen haben. Doch der Reichtum ging zunehmend verloren. Die Fürsten von Anhalt, die Schutzvögte des Stifts waren, verleibten sich immer mehr Stiftseigentum ein. Zur Zeit der Reformation bestand das Stiftseigentum nur noch aus der kleinen Stadt Gernrode.
Für die Ausbildung und Erziehung der jungen adligen Damen war qualifiziertes Lehrpersonal nötig, das im Stiftsbezirk lebte. Innerhalb des Stiftbezirks gab es zudem ein größeres Spital sowie weitere soziale Einrichtungen; ihr Platz war am heutigen Spittelteich. Auch dort wurde gut ausgebildetes Personal benötigt, zumal auch im Spital ständig eine Ausbildung erfolgte.
Die Äbtissin, Elisabeth von Weida, tat jedoch wohl einen weiteren kleinen Schritt, der später dann die Idee der „Jungmädelstadt" beflügelte. Sie führte zum einen im Ort und im Stift die Reformation ein, zum anderen begründete sie eine Volksschule (Elementarschule), die zu den ältesten in Deutschland zählt. Die Alte Elementarschule in Gernrode, die 1533 erbaut wurde, gilt als älteste erhaltene Volksschule in Deutschland.
Das Stift verlor dennoch ständig weiter an Bedeutung. Das Fürstenhaus Anhalt gliederte das Stift 1610/1614 in sein Territorium ein. Letzte Äbtissin war Sophie Elisabeth von Anhalt-Dessau. Durch Heirat wurde sie 1614 Herzogin von Liegnitz und trat aus dem Stift aus.
Es folgte der Dreißigjährige Krieg, der die Harzregion schwer beutelte und auch das 18. Jahrhundert brachte wenig Aufschwung. Gernrode war eine bedeutungslose Kleinstadt, die von Landwirtschaft, Handwerk und etwas Handel lebte. Inzwischen war das Amt Gernrode entstanden.
Ein merklicher Aufschwung setzte erst nach Ende der Befreiungskriege und mit der einsetzenden Industriellen Revolution ein.
Das Jahr 1830 brachte eine Idee hervor, die zu einer Initialzündung für Gernrode führen und die über 100 Jahre andauern sollte. Die Kleinstadt Gernrode konnte einen regen Bevölkerungszuwachs verzeichnen. Es gab 1830 etwa 296 Höfe und 2.036 Einwohner. Die Schülerzahlen stiegen an und es wurden mehr Schulräume benötigt: Für Mädchen in der Burgstraße 5, für Jungen in der Burgstraße 7. Die Alte Elementarschule blieb das Schulzentrum.
In dieser Zeit war die Familie Moldenhauer eine der prägendsten und bedeutendsten Familien in Gernrode. Johann Ernst Carl (1766 - 1843) war Kaufmann und Bürgermeister von Gernrode. Er war verheiratet mit Katharina Karoline Auguste geb. Brinkmann (1767 - 1809), einer Tochter des Nordhäuser Ratsherrn Georg Brinkmann. [Anm. des Verfassers: unterstrichener Name ist der Rufname]
Das Ehepaar hatte 7 Kinder: Erstgeborene war Friederike Sophie Karoline (1793 - 1856). Es folge Dorothea Wilhelmine Christiane Auguste (1795 - 1853).