Johann Nepomuk von Ringseis: Arzt und Vertrauter Ludwigs I.
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Rezensionen für Johann Nepomuk von Ringseis
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Buchvorschau
Johann Nepomuk von Ringseis - Alfred Wolfsteiner
Dank
Zum Buch
„Ritter ohne Furcht und Tadel – so nannte König Ludwig I. Johann Nepomuk von Ringseis. Doch sein „Muckl
begleitete ihn nicht nur als Arzt auf drei Italienreisen; er beriet ihn auch in wichtigen politischen Entscheidungen wie der Verlegung der Universität von Landshut nach München. Zudem war er der Kontaktmann zu Künstlern wie Cornelius und Overbeck, pflegte enge Beziehungen zu Arnim und Brentano und korrespondierte mit den Brüdern Grimm. Als Vertreter einer „Romantischen Medizin" sah er seine Patienten unter ganzheitlichen Aspekten. Er diente vier Königen und bestimmte über 40 Jahre als oberster Beamter das bayerische Gesundheitswesen.
Mit dieser Biografie liegt nach Jahrzehnten erstmals wieder ein Lebensbild einer der originellsten, interessantesten und liebenswürdigsten Persönlichkeiten im München des 19. Jahrhunderts vor.
Zum Autor
Alfred Wolfsteiner,
Dipl.-Bibliothekar (FH), geb. 1954, ist Leiter der Stadtbibliothek Schwandorf und Verfasser zahlreicher Bücher und Aufsätze.
Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.
Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.
Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seinen großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.
Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.
DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg. Veröffentlichungen zu Stadt und Bürgertum in der Neuzeit.
ALFRED WOLFSTEINER
Johann Nepomuk von Ringseis
Arzt und Vertrauter Ludwigs I.
Verlag Friedrich Pustet
Regensburg
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
eISBN 978-3-7917-6090-2 (epub)
© 2016 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg
Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg
Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2791-2
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finden Sie auf www.verlag-pustet.de
Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de
Hinführung
Fast ein Säkulum, von 1785 bis 1880, währte das Leben des Johann Nepomuk von Ringseis. Als 90-Jähriger diktierte er seiner Tochter Emilie seine Lebenserinnerungen – ein vierbändiger Gang durch ein Jahrhundert bayerischer Geschichte von der Kurfürstenzeit bis zu Ludwig II. Die Namen der Persönlichkeiten, deren Bekanntschaft er im Lauf seines Lebens machte und deren Freundschaft er gewann, lesen sich wie ein »Who is Who« der deutschen Politik-, Kultur- und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts.
Ringseis’ Gegenwart war eine Zeit des politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Umbruchs, die er als »überaus wacher, leidenschaftlicher Beobachter« wahrnahm. Mannhaft stemmte er sich einer wachsenden Säkularisierung mit ihrer offenen oder heimlichen Kunst- und Kulturfeindlichkeit entgegen. In der Medizin versuchte der prinzipientreue Katholik, zwei so gegensätzliche Gebiete wie Naturwissenschaften und Theologie zu vereinen. Er machte sich für eine Überwindung der Aufklärung und für die katholische Restauration stark. Zwangsläufig musste er bei seinem eindeutigen Standpunkt mit den Vertretern des politischen Liberalismus und aufgeklärten Standesgenossen in Konflikt kommen.
Noch geboren im alten Kurfürstentum Bayern, erlebte er als Klosterschüler hautnah die Säkularisation und ihre Folgen. Als Medizinstudent in Landshut erfuhr er die Schrecken der Napoleonischen Kriege und war schließlich als Feldmedikus der bayerischen Armee in den Befreiungskriegen in Frankreich engagiert. Bei Aufenthalten in Berlin, Wien und Paris erweiterte er bei den großen medizinischen Koryphäen der Zeit sein Wissen und auf seinen Studienreisen sowie auf den Italienreisen mit Kronprinz Ludwig wurde er mit einer Reihe von bedeutenden Künstlern, Politikern und Literaten bekannt.
Ludwig I. förderte Ringseis und suchte oft seinen Rat, vor allem in Bildungsfragen wie der Verlegung der Universität nach München oder der Besetzung von Lehrstühlen. Als Anhänger des romantisch inspirierten »deutschen« Stils mit der Wiederentdeckung des Mittelalters und der Gotik lenkte er Ludwigs Aufmerksamkeit auf diese Kunstrichtung und beeinflusste ihn in seinen Plänen maßgeblich. Als Professor und Rektor der Münchener Universität äußerte Ringseis sich in aufsehenerregenden Reden zu aktuellen politischen und philosophischen Strömungen. Als streitbarer »Ultramontaner« galt er als bedeutender Vorkämpfer eines politischen Katholizismus.
In seiner Haupttätigkeit als Arzt erfuhr er den Wandel von der romantischen ganzheitlichen Heilkunde zur naturwissenschaftlichen Medizin. Sein »System der Medizin« (1841) sieht die Ursache der Krankheit in der Sündhaftigkeit des Menschen – eine Ansicht, wie sie schon viele Kollegen vor ihm vertreten hatten. Doch Ringseis war medizinischen Neuerungen gegenüber durchaus aufgeschlossen. Wie nur wenige seiner Zeitgenossen machte er die Wechselwirkungen von Leib und Seele geltend und wollte in allem medizinisch-naturwissenschaftlichen Fortschritt immer auch das christliche Menschenbild berücksichtigt wissen.
Er blieb bis zu seinem Lebensende seinen Theorien treu. Der Paradigmenwechsel im medizinischen Fortschritt mit zahlreichen neuen naturwissenschaftlich-exakten Erkenntnissen überholte jedoch seine naturphilosophisch inspirierten Krankheitstheorien und stellt ihn ins Abseits. Die Medizingeschichte übergeht ihn mit Stillschweigen oder gar Spott, und zu Lebzeiten wurde er aufgrund seiner noch im Barock wurzelnden Religiosität bekämpft. Für seine meist aufklärerisch-demokratisch eingestellten Berufskollegen wurde er zum bevorzugten Angriffsziel, zumal sie vor allem Ringseis für die nur sehr langsam vorangehenden Reformen im ärztlichen Standeswesen in Bayern verantwortlich machten. Für sie war er der »bezopfte Jesuit« und »unbelehrbare Mystiker«, einer der Ewiggestrigen.
In einer Zeit des wachsenden politischen und weltanschaulichen Liberalismus versuchte Ringseis die seiner Meinung nach von Gott gegebene weltliche Ordnung zu verteidigen. Mit seiner Einstellung wurde er zum populärsten Vorkämpfer einer katholischen Emanzipationsbewegung, doch missionarischer Geist war ihm persönlich fremd. Er tolerierte Protestanten, Juden, Atheisten – genauso wie er für sich und seine mit feurigem Temperament verteidigten religiösen Ideen Toleranz einforderte. Mochten ihn manche auch als ›Spinner‹ abtun – er blieb seiner Linie treu. Wenn man seine Persönlichkeit näher kannte, müsse man den »durch und durch braven Mann gleich lieb haben«, äußerte Jakob Grimm. Beide verband eine lebenslange Freundschaft, doch als überaus wacher und leidenschaftlicher Beobachter und Freund des offenen Wortes schuf Ringseis sich auch viele Feinde. Als Beispiele seien nur einige Namen –Joseph von Hormayr, Jakob Philipp Fallmerayer und Johann Caspar Bluntschli – sowie seine Position im »Akademiestreit« oder im »Nordlichterstreit« genannt. In allen Auseinandersetzungen wahrte er immer seinen bayerischen Standpunkt und bekannte eindeutig Farbe. Die Lauterkeit seines Charakters, seine Ehrlichkeit und seine Toleranz mussten die meisten seiner Gegner schließlich anerkennen.
Als Obermedizinalrat wirkte er als oberster Beamter in der Medizinalverwaltung und setzte sich über mehrere Jahrzehnte für neue Strukturen im bayerischen Gesundheitswesen ein. Dabei legte er sich häufig mit den Ministerien an; ein speichelleckerischer Höfling war er nie. Ludwig I. schätzte an Ringseis, dem »Muckerl«, wie er ihn nannte, dessen Prinzipientreue und seine offene oberpfälzische Art. Er bewunderte dessen Geradlinigkeit und seinen Mut, öffentlich seine Meinung zu äußern. Sein umgänglich-geselliges Wesen, seine Toleranz, seine Gastfreundschaft und seine Großzügigkeit waren allgemein geschätzt.
Mit der Ansicht, dass die Gesundheit des Menschen mit seiner seelischen Verfassung in Zusammenhang stehe, erscheint Ringseis inzwischen wieder modern. Bis heute ist sein Wirken jedoch weitgehend verkannt, und in manchen Publikationen klingen immer noch die negativen Urteile einiger seiner Zeitgenossen nach, wenn sie ihn als »bigotten oberpfälzischen Bauernburschen« abtun, den angeblich bereits zu Lebzeiten niemand mehr ernst nahm. Nach längerer Zeit liegt nun wieder eine Biografie des »romantischen« Arztes, bayerischen Patrioten und scharfen Zeitkritikers Ringseis vor. Sie soll Lust machen, sich wieder intensiver mit dieser Person zu beschäftigen.
1 Kindheit und Jugend: 1785–1805
Schwarzhofen in der Oberpfalz
Der kleine Marktflecken Schwarzhofen im Oberpfälzer Wald hat im Laufe der Jahrhunderte eine Reihe von bedeutenden Persönlichkeiten hervorgebracht. Die wohl bekannteste Figur ist sicher Johann Nepomuk von Ringseis, der kurz vor seinem Tod seinen Geburtsort noch mit einer großzügigen sozialen Stiftung für ältere Mitbürger bedachte.
An einer uralten Verkehrsverbindung zwischen Regensburg und Prag gelegen, entwickelte sich Schwarzhofen mit seinem Kloster der Regensburger Dominikanerinnen zu einem regionalen Wirtschafts- und Handelszentrum. Eine Reihe ansehnlicher Gasthäuser am Marktplatz zeugt von der einst hohen Frequenz seiner Märkte und einer großen Anzahl durchreisender Gäste. Nicht wenige von ihnen stiegen im Geburtshaus Ringseis’ ab. Da kehrte der »Wiener Bote« ein, aber auch die böhmischen Hopfenhändler und die Firmlinge auf dem Weg in die Bischofstadt. Weitere Gäste waren sehr häufig die Bergmänner aus der benachbarten Grube Erzhäuser, die in der Gaststube vor den atemlos lauschenden Kindern ihre dunklen Sagen von Berggeistern und anderen unheimlichen Gestalten zum Besten gaben. Ringseis erinnert sich: »Dass ich auch sonst mit Sagen und Geschichten gefüttert worden, versteht sich in der sagenreichen Oberpfalz von selbst.«
Geburt und Kindheit
Das immer noch als Wirtshaus existierende Geburtshaus von Ringseis lag direkt am südwestlichen Rand des Marktplatzes in unmittelbarer Nähe des gotischen Rathauses, der barockisierten Pfarrkirche und des ehemaligen Klosters der Dominikanerinnen, eines Baus der berühmten Baumeister Dientzenhofer. In diesem Gebäude, das bis heute mit seiner geschwungenen Fassade den Platz prägt, wurde Johann Nepomuk am 16. Mai 1785 geboren. Er schildert die Umstände seiner Geburt: »Als ich in den ersten Stunden des Nepomukfestes […] das Licht der Welt erblickt hatte, da hielt die Bürgerwehr, ihrem Kommandanten zu Ehren, eine abendliche musikalische Litanei vor dem Standbild des hl. Nepomuk auf der Schwarzachbrücke, und der frohe Vater bewirtete sie dafür im eigenen Haus, der ruhebedürftigen Wöchnerin nicht eben zur Freude. In unserer […] Gegend […] ist St. Nepomuk ein vielgefeierter Heiliger; es lag also nah, meinen Geburts-Heiligen mir zum Namenspatron zu geben. Das nennt man bei uns seinen Namen mit auf die Welt bringen.«
Abb. 1:
Schwarzhofen auf einer Postkarte von 1910. Das Geburtshaus Ringseis’ lag am Marktplatz in unmittelbarer Nähe zum Rathaus und dem Kloster der Dominikanerinnen. Es wird bis heute als Gasthaus genutzt.
Der kleine »Muckl« war von zarter Gesundheit. Mehrfach hegten die Eltern Zweifel, ob man ihn würde »aufbringen« können, doch er ließ in seinem Charakter schon nach kurzer Zeit überschäumendes Temperament und Rauflust erkennen. Bald bekam er einen Bruder namens Sebastian, gefolgt von drei Schwestern, von denen Katharina Nepomuk später bis zu seiner Heirat den Haushalt in München führen sollte.
Der Vater Johann Baptist, schon bald mit gemeindlichen Ehrenämtern betraut, starb 1804 mit nur 42 Jahren. Die fromme Mutter Katharina hielt Anwesen und Finanzen zusammen. Während der Vakanzen der Söhne etwa hielten sich ständig eine Reihe von Studienkollegen aus Amberg und Landshut in Schwarzhofen auf, manchmal auch die vier studierenden Söhne des unbemittelten Hirten, die großzügig durchgefüttert wurden.
Großen Eindruck machten auf Ringseis die Dominikanerinnen, die trotz strenger Klausur mit den Eltern in vielfachem Kontakt standen. Geprägt wurde das kirchliche Leben auch von den zahlreichen Mönchen, die auf die Dörfer kamen und von denen nicht wenige aus Schwarzhofen stammten. Bald schon stand fest, dass der »Muckl« studieren sollte.
Kommunikation um 1800 – Das Botenwesen
»Einmal die Woche ging eine Bötin nach Amberg, ungefähr ebenso oft nach Regensburg, allmonatlich ein Bote nach München. Ein großer Teil des Geschäftes gehörte dem Verkehr der Studentlein und Studenten mit den Ihrigen; da gingen Lebensmittel, Wäsche und Kleidungsstücke, Geld und Briefe hin und her; dabei hörte man Neuigkeiten in Hülle und Fülle; die Briefe und mündlichen Berichte waren wichtiger als die ›Augsburger Ordinari Postzeitung‹. Der Postwagen, der nur auf der großen Landstraße ging und nur alle drei Wochen, diente mehr zur Beförderung der Reisenden. Zwei- bis viermal im Jahr etwa wanderte der Wienerbote von Schwarzhofen mit dem Schubkarren bis Regensburg, von wo er auf der Donau nach Wien hinabfuhr, und wenn er zurückgekehrt war, sprach er wienerisch …« (»Erinnerungen«, S. 18)
Schulbesuch in Regensburg, Walderbach und Amberg
Um ihm einen besseren Schulbesuch