Beiträge zur Kronacher Stadtgeschichte: Von Hussiten, Pestilenzen, Hexen und französischen Kaisern
Von Michael Scholz
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Über dieses E-Book
Der erste Beitrag beschäftigt sich mit der Belagerung durch die Hussiten, der zweite mit den Hexenverfolgungen, der dritte mit den Pestepidemien und der vierte mit dem Besuch Napoleons in Kronach und den damit verbundenen militärischen Durchmärschen.
Besonderes Augenmerk wurde in allen Beiträgen immer auf die sogenannten "kleinen Leute" gelegt, die zumeist die Politik der "Großen" ausbaden mussten. So entstand ein menschlicher Einblick in vier Kapitel der Kronacher Geschichte.
Michael Scholz
Michael Scholz, der unter seinem Alter Ego "Onkel Michael" seit mittlerweile über fünf Jahren einen Blog betreibt, gehört nun zu einer der festen Größen der Skeptiker-Szene. Er greift immer wieder heiße Eisen an und macht sich hierdurch natürlich nicht nur Freunde. Seit nunmehr zwei Jahren ist Onkel Michael auch regelmäßiger Kolumnist der Zeitschrift "Skeptiker". Weiterhin interessiert er sich für Heimatgeschichte und publiziert hier regelmäßig Artikel und Bücher über seine Heimatregion.
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Buchvorschau
Beiträge zur Kronacher Stadtgeschichte - Michael Scholz
Inhalt
Von den Ketzern aus dem Böhmerlande
Einleitung
Vom Leben und Sterben des Magisters Jan Hus
Die Hussitenkriege
Als die Hussiten vor Kronach lagen
Die hussitischen Heerführer
Das große Vorbild – John Wycliffe
Die hussitischen Ideen heute
Literaturverzeichnis
Von Hexen und Hexenbrennern
Einleitung
Hexen - Die Schwesternschaft des Bösen
Vom Hexenwahn zu Cronach
Friedrich Förner
Johann Gottfried von Aschhausen
Johann Gottfried II. Fuchs von Dornheim
Die Inquisition
Die Ketzer
Der Satan
Literaturverzeichnis
Pest Vom großen Sterben in der Welt und in Kronach
Einleitung
Medizinische Erklärung der Pest
„Aus dem Grab der Styx ausgebrochen, zeigt die bleiche Tisiphone ihre schreckliche Wut" oder: Die Pest in biblischer Zeit und im griechisch-römischen Altertum
Die Pest in biblischer Zeit
Die Seuche in der Antike
Man hörte nicht mehr Hahn noch Henne krähen oder: Die Pest im Mittelalter
Das große Sterben
Die Judenmorde
Ir slaget euch sêre in Cristes êre! Durch got sô lât die sünde mêre: Die Geißler
Von Pfeifern und Schweden: Die Pest zu Kronach
Literaturverzeichnis
Als Napoleon nach Kronach kam
Einleitung
Die ersten Franzosen in Kronach
L'empereur arrive
Die Mühsal geht weiter
Die Einquartierungen im Umland
Das Ende der Einquartierungen
Resümee
Literaturverzeichnis
Von den Ketzern aus dem Böhmerlande
Einleitung
Jan Hus war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der tschechischen Geschichte, aber wer war der Mann, der seine Landsleute mitreißen, und seine Gegner einschüchtern konnte? Ketzer oder Held? Die Beantwortung dieser Frage ist natürlich nicht einfach und würde den Rahmen dieser Broschüre sprengen. Für das heilige römische Reich deutscher Nation mit seinem Kaiser Sigismund war er ein Ketzer, ein Volksaufwiegler, ein Rebell, kurzum ein Verbrecher, der dann seine gerechte Strafe erhalten hatte, indem er verbrannt wurde. Für die Böhmen war er ein Held, einer aus dem Volk, der nun endlich den verhaßten Deutschen die Stirn bot. Nach seinem Tod wurde er ein Volksheiliger in ganz Böhmen und Mähren. Der Streit, der um seine Person entbrannt war, war ein Streit, der schon seit langer Zeit im Dunkeln gärte und erst jetzt offen zu Tage trat: Die Kontroverse zwischen den Böhmen und den in Böhmen ansässigen Deutschen. Egal aus welcher Warte man das Leben und Wirken des Magisters Jan Hus betrachtet, man kommt nie zu einer objektiven und befriedigenden Lösung.
Wer war dieser Magister Jan Hus aber wirklich? Zweifellos ein brillanter Rhetoriker und Theologe. Er war beseelt vom Glauben an eine bessere, menschlichere Kirche ohne die strengen Hierarchien, einer Kirche für das Volk. Hus wollte in Böhmen eine böhmische Kirche, in Mähren eine mährische, die ohne Druck durch den Kaiser frei war in ihren Entscheidungen und ihrem Handeln. Darüber hinaus war Hus von einem tiefen, reinen Glauben erfüllt, der ihm all seine Unannehmlichkeiten hat aushalten lassen.
Hus starb in Konstanz für seinen Glauben, für seine Ideale und das, obwohl es doch so einfach gewesen wäre abzuschwören, nach Böhmen zurückzukehren und irgendwo als bescheidener Landpfarrer das Leben zu beschließen. Aber Hus stand für seine Taten und seine Visionen ein, zeigte Rückgrat und bezahlte das mit seinem Leben. Schon dafür müssen wir ihn bewundern, gerade heute, in einer Zeit, in der der belohnt wird, der seine eigene Meinung verleugnet und den anderen, den Vorgesetzten nach dem Mund redet, gerade in so einer Zeit müssen wir Hus bewundern.
Ich weiß nicht, ob Hus mit seinen Anhängern, die ganz Mitteleuropa mit Krieg, Not, Elend und Tod überzogen, und auch unsere schöne Heimatstadt Kronach belagerten, einverstanden gewesen wäre. Mit den kriegslüsternen Taboriten wäre er bestimmt nicht glücklich geworden, denn Hus wollte ähnlich wie Ghandi einige Jahrhunderte später einen friedlichen und gewaltlosen Widerstand, der dann zum Ziel geführt hätte. Vielleicht wäre es ihm gelungen. Wir wissen es nicht und werden es nie erfahren. Historische Wahrheit ist nur, daß in seinem Namen ganze Landstriche verwüstet wurden, und obwohl das nie seine Absicht war, wird Hus dafür verantwortlich gemacht. So wird das Wirken eines Menschen umgekehrt und gegen ihn verwandt.
Kronach konnte sich der Hussiten erwehren, aber um welchen Preis? Abgebrannte Vorstädte, Not, Elend, Hunger. Und wofür das alles? Heute über fünfhundert Jahre später schütteln wir über die Verstocktheit und den religiösen Wahn der Hussiten die Köpfe, genauso wie über den brutalen Machterhaltungstrieb von Kirche und Kaiser, die erst diese Kriege auslösten. Aber Hus war der Anfang der Reformation, und es ist schön zu sehen, daß seine Visionen wenigstens in Böhmen noch heute lebendig sind. Die Ceskoslovenska Húsitská Cirkev mit ihren zwar wenigen, aber umso agileren Mitgliedern läßt sein Andenken nicht verlöschen. Trotzdem müssen wir uns heute fragen: Warum? Warum diese vielen Toten, warum dieses viele Leid, dieses viele Elend, der große Hunger?
Vom Leben und Sterben des Magisters Jan Hus
Schlägt man ein beliebiges Konversations-Lexikon auf, so findet man unter dem Schlagwort Hus, Jan zum Beispiel folgenden Eintrag: Hus, Jan (Johannes Huß), * um 1369, + 1415, tschech. Reformator; verbreitete die Lehren John Wycliffs, kämpfte für kirchl. Verselbständigung der Tschechen; auf dem Konzil in Konstanz verurteilt und verbrannt. (7)
Leider war die ganze Geschichte nicht so einfach, jedenfalls nicht für Hus. Jan Hus wurde 1369 oder 1370 in Husinec bei Prachatic in Südböhmen geboren. Seine Eltern waren einfache Leute, hatten zahlreiche Kinder, und so kam es, daß Jan bald das Elternhaus verließ und sich als hungernder Scholar, wie es im Volksmund hieß, durchschlug. Im Gegensatz zu seinen „Berufskollegen" war sein Fleiß bald bekannt und auch sein sittlicher Lebenswandel tadellos. Obschon er zu Anfang den geistlichen Stand nur als Einnahmequelle sah, vernachlässigte er seine Pflichten nicht und betrieb diese mit großen Eifer, so machte er noch anläßlich des Jubiläums von 1393 zur Gewinnung des Ablasses andächtig die vorgeschriebenen Kirchenbesuche, beichtete und opferte seine letzten 4 Groschen, so daß er sich eine Zeit lang mit trockenem Brode begnügen mußte. In demselben Jahre erlangte er an der Prager Artistenfacultät den Grad eines Baccalareus und 1396 den eines Magisters der freien Künste; innerhalb der theologischen Facultät wurde er, wie manche seiner Genossen, z. B. Jacobellus von Mies, nur Baccalareus formatus, und auch dieses wohl erst nach 1396. Die Priesterweihe empfing er kaum vor 1400. Nach Erlangung der akademischen Grade widmete sich Hus alsbald der Lehrtätigkeit an der Universität und wurde daselbst 1401 zum Decan der Artistenfacultät, für das Semester von Galli 1402 bis Georgi 1403 aber zum Rector gewählt. (8)
In ganz Böhmen gab es zu dieser Zeit politische Spannungen zwischen der tschechisch-slavischen Bevölkerung und den Deutschen. Die Deutschen wurden vor allem zur Zeit der Premyslidenfürsten ins Land geholt und durch zahlreiche Privilegien begünstigt. Sie bildeten zwar im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung nur eine Minderheit, hatten allerdings einen enormen politischen und wirtschaftlichen Einfluß und vor allem in den von ihnen gegründeten Städten, darunter auch die Hauptstadt Prag, hatten sie ein großes Übergewicht in Handel, Kunst, Schule und Rechtspflege. Auch der niedere und höhere Adel orientierte sich an den Deutschen, baute seine Burgen nach ihrer Art und auch am Hofe König Wenzels IV. hatten sie einen bedeutenden Stand. Ihr größtes Machtpotential, welches sie auch weidlich ausnutzten, lag im Klerus, wo die Deutschen sämtliche Schlüsselpositionen besetzten. Deutsche Priester und Mönche hatten ja den wesentlichsten Antheil an der Christianisirung des Landes und an der Erziehung des Volkes gehabt, Deutsche bevölkerten fortwährend vorzugsweise die Klöster und waren im Besitze der meisten Stiftungen und Pfründe. Bei der karolinischen Universität aber hatten bei der hier bestehenden Eintheilung nach vier Nationen die fremdländischen Deutschen, indem sie die sächsische und bayerische Nation ganz und die polnische zum größeren Theile bildeten, mit ihren drei Stimmen gegenüber der einen Stimme der böhmischen Nation es in der Hand, bei allen Wahlen für Pfründen, Stiftungen und Aemter den Aufschlag für deutsche Candidaten zu geben. (8)
Während des 14. Jahrhunderts erwachte allerdings das tschechisch-slavische Selbstbewußtsein wieder. Dies lag vor allem an der Tätigkeit zahlreicher tschechischer Volksschriftsteller, aber auch an der veränderten Politik der neuen Herrscher aus der luxemburgischen Linie.
Hus vertrat als Tscheche natürlich die tschechischen Interessen, auch was die Karlsuniversität betraf. Ihn faszinierten vor allem die Lehren des Magisters John Wycliffe, dessen Schriften durch die engen Beziehungen zwischen Prag und Oxford auch in Böhmen kursierten. Er las nicht nur selbst dessen Schriften, soweit sie ihm zugänglich wurden, sondern empfahl und verbreitete sie auch weiter; nach ihnen oder über sie hielt er, wie nach einer von ihm 1398 eigenhändig gefertigten Abschrift fünf philosophischer Tractate Wiclifs geschlossen zu werden pflegt, auch seine ersten Vorlesungen an der Universität; von Wiclif entlehnte er alles, was man auch noch in seinen später verfaßten Schriften an Bibelkenntnis, patristischer Belesenheit und dialektischer Kunst Rühmenswerthes gefunden hat; auf seinen Schultern stieg er zum Ansehen eines Gelehrten und Patrioten von mehr als gewöhnlicher Bedeutung. (8)
Jan Hus erhielt im März 1402 ein weiteres öffentliches Amt, als Prediger in der Bethlehemskapelle in der Altstadt Prags. Diese Kapelle war von zwei böhmischen Nationalisten im Jahre 1391 Zu ehren der heiligen unschuldigen Martyrer in Bethlehem gegründet, und mit Stiftungen versehen worden. Die einzige Bedingung, die die beiden Stifter stellten war lediglich, daß die Predigten in tschechischer Volkssprache abgehalten wurden. Dadurch wurde die Bethlehemskapelle zu einem Zentrum der nationalen Bewegung in Prag. Hus trat hier mit Enthusiasmus sein neues Amt an, da er sich ja voll und ganz hinter die tschechisch-slavische Sache stellte. Bald hatte er seine eigene große „Fangemeinde", er war ein Meister der Sprache und des Vortrags. Darüber hinaus prädestinierten ihn sein akademisches Amt, sein priesterlicher Lebenswandel und seine Genügsamkeit zum Sittenprediger. Es war keine Seltenheit, daß bis zu 3.000 Menschen seinen Predigten lauschten. Obschon Hus gegen die Frauen als pix diaboli keinerlei Nachsicht kannte, gehörten auch zahlreiche Frauen von Stand und sogar Hofdamen zu seiner Gemeinde.
Hus wurde von dem 1403 ernannten Prager Erzbischof Zbynek damit beauftragt, ihm immer dann zu berichten, wenn er Verstöße gegen die klerikale Disziplin beobachten würde. So kam Hus auch in die Commission, welche die angeblich durch eine ‚blutende Hostie‘ zu Wilsnack im Brandenburgischen, wohin seit längerer Zeit auch zahllose Böhmen wallfarhten, gewirkten Wunder untersuchen lassen sollte. Es mag sein, daß die trügerische Behauptungen von Wunderheilungen ergab; die Schrift jedoch, welche Hus darüber verfaßte (De opi sanguine Christi glorificato), zeigte unrichtige theologische Voraussetzungen. Dennoch belobte sie der Erzbischof und verbot auf der Junisynode 1405 das weitere Wallfahren nach Wilsnack unter Strafe des Bannes. (8)
Auch wurde Jan Hus neben Stanislaus von Znaim die besondere Ehre zuteil, auf der vom Erzbischof zweimal im Jahr einberufenen Synode zu predigen. 1406 allerdings erließ Zbynek auf Drängen des apostolischen Stuhles hin eine Verfügung gegen die Wycliffsche Lehre und dessen Auffassungen zum Abendmahl. Weiterhin verbot der Bischof, daß zukünftig von der Kanzel herab indiskrete Reden über den Klerus verbreitet werden sollten, wie dies bisher ut praesumitur, ex Wikleph opinionibus geschehen sei.
Obschon man dachte, damit dem Wycliffismus einen Riegel vorgeschoben zu haben, wurde die Kühnheit und die Sicherheit mit der die Wycliffisten in der Öffentlichkeit agierten größer. So gedieh die „Wyclisie" immer weiter und faßte auch Fuß in Mähren, bis Papst Gregor XII. ein Schreiben an Zybnek richtete, indem diese Zustände angeprangert wurden. Dieses Schreiben wurde auch dem König Wenzel zur Kenntnis gebracht, welcher deshalb auf genaueste Untersuchung dieser Anschuldigungen pochte.
Dieser Streit wurde aber ebenso in die Prager Universität hineingetragen. Hus stand natürlich auf der Seite der tschechischen Nationalisten, die eine Umverteilung der zur Wahl des Rektors nötigen Stimmen forderte, die natürlich von den deutschen Vertretern aufs Strengste abgelehnt wurde. König Wenzel IV. wurde dieser Streit zu Gehör gebracht, und er geriet dadurch so sehr in Rage, daß er Hus und Hieronymus von Prag vorwarf, sie würden lediglich Unruhe stiften, und wenn es der Papst nicht täte, würde er ihren Scheiterhaufen sogar persönlich anzünden. Bald wurde er durch seine Günstlinge wieder umgestimmt und verordnete nun mittels Decret vom 18. Januar 1409, daß fortan die böhmische Nation an der Universität bei allen Wahlen und Acten drei Stimmen haben solle, wonach den anderen drei Nationen nur eine Stimme blieb. Die Deutschen erhoben Gegenvorstellungen und verpflichteten sich, falls dieselben nicht beachtet würden, Prag für immer zu verlassen; und als es Ende April zur Rectorswahl kam, verhinderten sie durch ihre Weigerung, nach der neuen Ordnung zu wählen, deren Zustandekommen. Da erschien am 9. Mai vor der zur Versammlung berufenen Universität ein königlicher Commissar, nahm dem alten Rector Henning von Baltenhagen Siegel, Matrikel und Rectoratsinsignien ab und verlas ein Decret, womit zum Rector ein königlicher Kaplan und Küchenschreiber ernannt wurde. Nach Christi Himmelfahrt verließen darauf die deutschen Magister, Baccalare und Studenten in einer Anzahl, welche in den ältesten Quellen auf 5000 bis 20000 angegeben wird, die Stadt und zogen zumeist nach Leipzig, wo jetzt eine neue Universität entstand, oder nach Erfurt, Krakau u. s. w. (8)
Während das konservative und deutschfreundliche Prag den Weggang bedauerte und einen Niedergang seiner Stadt befürchtete, jubilierte Hus auf seiner Kanzel in der Bethlehemskapelle und feierte die „Befreiung" von der Fremdherrschaft und die Wiedergeburt der sacrosancta natio bohemica.
Es war daraufhin kein Wunder, daß der Rektor des Wintersemesters an der Prager Universität Jan Hus hieß. Magister Johann Eilä bezeichnete ihn als Magister in Israel, der Israel regiert, ein zweiter Nicodemus, demüthig und sanft, - ein Mittler zwischen Gott und seinem auserwählten Volke.
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