Schwandorf: Kleine Stadtgeschichte
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Buchvorschau
Schwandorf - Alfred Wolfsteiner
Schwandorf – Kleine Stadtgeschichte
Alfred Wolfsteiner
Schwandorf
Kleine Stadtgeschichte
VERLAG FRIEDRICH PUSTET
REGENSBURG
BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2023 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg
Tel. 0941/920220 | verlag@pustet.de
ISBN 978-3-7917-3439-2
Reihen-/Umschlaggestaltung und Layout: www.martinveicht.de
Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau
Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg
Printed in Germany 2023
eISBN 978-3-7917-6243-2 (epub)
Unser gesamtes Programm finden Sie unter
www.verlag-pustet.de
Inhalt
Grußwort des Oberbürgermeisters
Einleitung
Carl Spitzwegs Brief an seinen Bruder Eduard
Anfänge an der Naab
Schwandorfs Frühzeit
Erstnennung Schwandorfs
Schwandorf und das Kloster St. Emmeram
Das Rätsel des Ortsnamens
Vom Dorf zum Markt
Frühe wirtschaftliche Bedeutung
Der wittelsbachische Amtssitz
Die Herkunft und der Umfang des Amtes »ze Swainkendorf«
Der Marktort
Auf dem Weg zur Stadt
Bürgerliche Selbstverwaltung
Rat und Verwaltung
Das Rathaus
Burgfrieden, Marktgericht und »Burggeding«
Der Marktplatz
Die Stadtwerdung
Die Stadtbefestigung
Schwandorf als kirchlicher Mittelpunkt
Konrad Max Kunz – Komponist der Bayernhymne
Schwandorf im Fürstentum Pfalz-Neuburg
Die Katastrophe von 1504
Klagebrief der Schwandorfer an Herzog Albrecht vom August 1504
Der Kölner Spruch von 1505 und die Folgen
Pfalzgraf Ottheinrich und Schwandorfs erste Ortsansicht
Die Einführung der Reformation
Die Ansicht Schwandorfs auf der Vedute von 1536
Von der Wiege bis zur Bahre: alles geregelt
Neuer Herrscher für Pfalz-Neuburg
Die »Visitationen«
Das Fischmeisteramt auf dem Nordgau
Schwandorf im Dreißigjährigen Krieg
Die Gegenreformation
Schwandorf im Krieg
Schwandorf auf der Vogelkarte von 1600
Die verwüstete Stadt
Der Kreuzberg
Schwandorf im 18. Jahrhundert
Frommes Schwandorf
Schwandorfer Handwerkerfleiß im 18. Jahrhundert
Die Plantage des Klerus
Kriegsdrangsale
Die Beschießung Schwandorfs anno 1796
Auf dem Weg in die neue Zeit: Schwandorf im 19. Jahrhundert
Die medizinische Ortsbeschreibung von 1799
Schwandorfer Speisezettel um 1800
Straßenhygiene um 1840
Wie ein bekannter Reiseschriftsteller Schwandorf im Jahre 1826 sah
Naab-Schifffahrt und Eisenbahn: 1827 wurden die Weichen gestellt
Eisenbahnknotenpunkt im »Verkehrskreuz Oberpfalz«
Schwandorf und die Eisenbahn in der Literatur
Schwandorf nach 1860
Das Stadtbild ändert sich
Wohnverhältnisse um 1870
Schwandorfs erste Kirche 1859 abgebrochen
Die Anfänge der Industrialisierung
Die Thonwaarenfarik Schwandorf-Schwarzenfeld
Der Industriestandort im Jahre 1895
Die Stadt im 20. Jahrhundert
Schwandorf zwischen den beiden Weltkriegen
Auf dem Weg in die Weimarer Republik
Bayerns »ungekrönter König«
Aschermittwoch, 5. März 1919
Die Inflationszeit
Im Nationalsozialismus
Schwandorfs schwerster Tag
Jahre des Wiederaufbaus 1945–1955
Der »Schwandorfer Berg«, seine Felsenkeller und der Bundesgrenzschutz (BGS)
Das Kruckental
Wie der Weinberg zu seinem Namen kam
Die Große Kreisstadt
Das Verwaltungszentrum des neuen Landkreises
Stadt im Strukturwandel
Auf dem Weg zur bewohnbaren Stadt: Veränderungen durch die Städtebauförderung
Gefeierte Lyrikerin Anja Utler (* 1973)
Wasser und Wälder – Naherholung im Dunstkreis der Stadt
Anhang
Zeittafel
Schwandorfer Bürgermeister seit 1919
Literaturverzeichnis (Auswahl)
Register
Stadtplan
Bildnachweis
Danksagung
Liebe Leserinnen und Leser,
vor über 1.000 Jahren wurde Schwandorf das erste Mal urkundlich erwähnt und ein Rückblick auf die Vergangenheit unserer Stadt zeigt, was der Ort im Laufe der Jahrhunderte erfahren und welch großartige Entwicklung er gemacht hat. Es gab geschichtsträchtige Höhepunkte wie die Zeit, als Schwandorf Bürgerliche Rechtsgemeinde mit Kommunaler Selbstverwaltung wurde, aber auch Zeiten von Not, als die Stadt nach einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche lag. Die Geschichte Schwandorfs zeigt auch, dass die Menschen zusammenstehen und für eine gute Zukunft ihrer Stadt jederzeit eintreten.
Heute präsentiert sich Schwandorf als lebenswerte, kindersowie familienfreundliche, moderne und zukunftsorientierte Stadt. Es ist kein Wunder, dass die Menschen bei den vielfältigen Facetten unserer Stadt das Gefühl haben, dass es ihnen an nichts fehlt. Eine vorbildliche Infrastruktur, hohe Wohnqualität, ein gut ausgebautes Bildungswesen, ein komplexes Netz an sozialen Einrichtungen sowie ein vielfältiges, abwechslungsreiches Angebot an Kultur-, Sport- und Freizeitmöglichkeiten machen das Leben in Schwandorf äußerst angenehm und attraktiv.
Schwandorf ist eine liebenswerte Stadt mit vielen Besonderheiten. Ich danke unserem ehemaligen Stadtbibliothekar Alfred Wolfsteiner, dass er in dem vorliegenden Buch die Geschichte von Schwandorf so interessant und kurzweilig erzählt.
Es gibt viel, was Schwandorf so reizvoll macht. Nach der Lektüre werden Sie mit Gewissheit sagen, dass Schwandorf eine Stadt ist, in der es sich gut leben lässt und die Sie unbedingt kennenlernen möchten.
Andreas Feller
Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Schwandorf
Einleitung
Manchmal entscheidet der erste Augenblick über die gegenseitige Sympathie oder auch Antipathie. So verhält es sich zumindest oft bei uns Menschen. Doch wie ist es, wenn ein Mensch erstmals einer Stadt begegnet? Oder wenn er sie einfach wieder neu entdecken möchte? Eine Stadt wie Schwandorf zum Beispiel, die von Bahnhof und Eisenbahnzügen geprägt wurde und deshalb viel davon zu erzählen weiß. Auf welchem Weg sollte man ihrer Spur folgen, wie ihre Geschichte ergründen?
Es gibt Städte, die können sich im Glanz alter Prunkbauten, großartiger Kirchen und imposanter Stadtmauern sonnen. Oder sie waren Garnisonsstädte, Bischofssitze oder gar kaiserliche Reichsstädte. Mit nichts von alldem kann sich Schwandorf in seiner mehr als 1.000-jährigen Geschichte rühmen. Und doch haben viele Menschen im Laufe der Jahrhunderte den Verkehrsknotenpunkt Schwandorf kennen gelernt; manche werden diese Stadt und ihre Bewohner vielleicht sympathisch gefunden haben und sind eine Weile hängengeblieben. Sicher gab es darunter aber auch solche, die die Stadt nur in wenigen Augenblicken registrierten und sie schnell wieder vergessen haben. Anderen Reisenden wiederum blieb die Stadt in langer Erinnerung. Sie sind in Schwandorf ausgestiegen und haben uns Zeugnisse ihres Besuches hinterlassen. Der Maler Carl Spitzweg etwa, der im Juni 1860 auf der gerade eröffneten Eisenbahnlinie aus München anreiste, mit dem Skizzenblock durch die Stadt streifte und in einem Brief an seinen Bruder von seinem kurzen Aufenthalt in Schwandorf berichtete. Seine Skizzen des Blasturms setzte er dann später in dem farbigen Gemälde »Schwandorfer Stadtturm im Mondschein« um.
Die schönste Liebeserklärung machte jedoch ein anderer Schwandorf-Besucher. Der tschechische Arzt und Reiseschriftsteller Jaroslav Durych (1886–1962) reiste mit der Eisenbahn durch Europa. Aus Spanien kommend und auf dem Heimweg nach Prag, nutzte er den längeren Umsteigeaufenthalt in Schwandorf, um sich in der Stadt umzusehen. Seine Reiseerlebnisse schildert er in seinem Werk »Streifzüge und Wanderungen« (1932). Durych ging an diesem Abend durch Schwandorf und erwartete ein »armseliges Gewerbestädtchen«. Doch er wurde angenehm überrascht: »Ein gutes Städtchen, wie es die Münchner Maler zu malen pflegen; nur fehlt der Nachtwächter mit der Laterne, Schnee auf den Dächern, beleuchtete Fenster und betrunkene Sänger.«
Carl Spitzwegs »Schwandorfer Stadtturm im Mondschein« – Ölgemälde.
ZEITZEUGE
CARL SPITZWEGS BRIEF AN SEINEN BRUDER EDUARD
»Sulzbach, den 9. Juni 1860 (Montag).
Lieber Bruder! Winterhosen hab ich zum Glück mitgenommen, sonst wär’s mir schlecht gegangen. Als ich am Donnerstag abends 7 Uhr in Schwandorf ankam, war im Gasthause eingeheizt, und bis heute Montag sah ich die Sonne nur auf ein paar Augenblicke. Selbst heute noch, wo die Sonne mit den Wolken kämpft und vielleicht zu siegen scheint, ist es kühl und feucht. Wie angenehm es in so einem Nest wie z. B. Schwandorf ist, beim Fenster hinauszuschauen auf den Hauptplatz, den man in zwei Minuten ganz auswendig gelernt hat, oder gar mit dem Regenschirm durch die äußerst holperichten Straßen zu marschieren (beiläufig gesagt, sind die Oberpfälzer wegen eines nicht weniger als übertriebenen Reinlichkeitssinns bekannt), kannst Du Dir denken, und doch bleibt der hoffende Mensch in Schwandorf, geht wieder mit dem Regenschirm nach Hause ins Gasthaus, und geht nach fünf Minuten gleich wieder aus, weil er meint, jetzt wird’s doch ein wenig heller. Aber es ist nicht wahr gewesen, ’s fängt erst recht zum Gießen an, und der Mensch kommt endlich zu der Überzeugung, dass das Wetter nur in Schwandorf so schlecht sei, packt ein und fährt am zweiten Tag abends direkt nach Sulzbach. In Sulzbach schüttet’s.«
Schwandorfs Marktplatz ließ den Schriftsteller an Eger denken. Die Häuser erschienen ihm zwar nicht so großartig, aber wie sie so dastanden, erinnerten sie ihn an Schiffe im Hafen. Durych ging die Allee an der Naab bis nach Fronberg. Im Halbdunkel erblickte er ein Liebespaar, das vom Scheinwerfer eines Autos erfasst wurde: »Der Reflektor dieses Automobils in der Schwandorfer Allee bewirkte, dass ich das Liebespaar noch in gehöriger Entfernung gewahrte, freilich in einem etwas blinden Glanz. Sie trug ein weißes Kleid […] und seine Gestalt hatte einen erstaunlich edlen Umriss, was bei Männern eine Seltenheit ist. Es war zu sehen, dass sie nicht miteinander sprachen, leise gingen und dass sie eine bayerische Schönheit war.«
Der Prager Schriftsteller setzte sich auf eine Bank und schaute gedankenverloren ins Wasser der Naab. »Der Fluss war unter mir […] am Morgen werde ich wieder in Böhmen sein. Aber noch bin ich in Schwandorf […] Ich entdecke für mich diese Stadt. Die Brücken waren aus Holz und der Fluss unter ihnen verblasste im nächtlichen Dämmerlicht […] Mein Herz war für Schwandorf vollständig gewonnen.«
Begeben auch Sie sich mit uns auf eine historische Wanderung durch Schwandorf und entdecken Sie die Stadt und ihre abwechslungsreiche Geschichte.
Anfänge an der Naab
Schwandorfs Frühzeit
Die Frühzeit Schwandorfs ist mit vielen Fragezeichen behaftet. Seine Lage am Ostufer der mittleren Naab auf einer Schotterterrasse inmitten einer breiten Niederung des Flusses dürfte die entscheidende Siedlungsvoraussetzung geworden sein. Hinzu kommt, dass sich hier der Flusslauf durch zwei Inseln in mehrere Arme zerteilt, was eine Überquerung erleichtert und was einen Flussübergang von überregionaler Bedeutung vermuten lässt. »Naba«, der vordeutsche Name der Naab, verweist auf »Wasser« und »Feuchtigkeit« und setzt nach dem Abzug der Römer die Existenz einer Population als Trägerschicht voraus, die den Namen tradierte. Völlig menschenleer kann der Raum nie gewesen sein.
Erst im Verlauf des Frühmittelalters wurde der Bereich der mittleren Naab von einer dauerhaften Siedlungsbewegung erfasst. Sie kam aus drei Richtungen: Die Landeserschließung erfolgte hauptsächlich vom Donautal aus und stand unter bajuwarischen Vorzeichen. Der Historiker Alois Schmid ist allerdings der Auffassung, dass die Besiedlung des Schwandorfer Raumes nicht in agilolfingischer Zeit erfolgte, sondern erst in karolingisch-ottonischer Zeit, also im 9. Jh., was durch ein Reihengräberfeld in Krondorf belegt ist.
Als zweite erschließende Kraft sind die Franken zu nennen, die ihren Wirkungskreis von Westen her erst allmählich ins Naabtal vorschoben. Die Naablinie wurde auf dem Höhepunkt der Karolingerzeit erreicht. Dies bezeugt hauptsächlich das Diedenhofener Kapitular von 805. Hier wird eine Grenzlinie des Frankenreiches zu den Slawen hin von der Ostsee bis zur Donau aufgeführt. Premberg (Stadt Teublitz), nur wenige Kilometer südlich von Schwandorf gelegen, wird als »Premberga« ausdrücklich genannt und war dabei offensichtlich eine wichtige Grenz- und Handelsstation an der Ostgrenze des Frankenreiches. Hier sollte der Export der Waffen zu den kriegerischen Awaren überwacht werden, denn von Osten her wirkten als dritte Kraft die Slawen in das Naabtal hinein.
Dieser sehr große Angelhaken ist rund 3.000 Jahre alt. Das 15 cm lange Objekt aus Bronze landete vermutlich zu kultischen Zwecken in der Naab. Fundumstände und Verbleib des Angelhakens sind nicht bekannt, der örtliche