Braunschweig: Kleine Stadtgeschichte
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Über dieses E-Book
Braunschweigs Vergangenheit ist abenteuerlich. Zunächst nur ein Treffpunkt von Kaufleuten, wuchs dieser Stapel- und Handelsplatz heran zur Metropole eines der mächtigsten Fürstentümer Europas, des Herzogtums Sachsen. Der Welfe Heinrich der Löwe machte Braunschweig zu seiner Residenz. Später dann entwickelte sich die Stadt zu einem wichtigen Mitglied der Hanse mit Außenstellen von London bis Nowgorod und Mitte des 18. Jahrhunderts zum künstlerischen und geistigen Mittelpunkt Niedersachsens. 1918 war Braunschweig kurzfristig die erste deutsche "Sozialistische Republik". Heute ist die Stadt ein Zentrum der Wissenschaft mit zahlreichen weltweit arbeitenden Forschungseinrichtungen und einer reichen Kulturszene. Von all dem und vielen oft kuriosen und immer spannenden Ereignissen erzählt die Kleine Braunschweiger Stadtgeschichte.
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Buchvorschau
Braunschweig - Dieter Diestelmann
Zum Buch
Braunschweigs Vergangenheit ist abenteuerlich: Zunächst nur ein Treffpunkt von Kaufleuten, wuchs dieser Stapel- und Handelsplatz heran zur Metropole eines der mächtigsten Fürstentümer Europas, des Herzogtums Sachsen. Der Welfe Heinrich der Löwe machte Braunschweig zu seiner Residenz. Später dann entwickelte sich die Stadt zu einem wichtigen Mitglied der Hanse mit Außenstellen von London bis Nowgorod, und Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sie zum künstlerischen und geistigen Mittelpunkt Niedersachsens. 1918 war Braunschweig kurzfristig die erste deutsche Sozialistische Republik
. Heute ist die Stadt ein Zentrum der Wissenschaft mit zahlreichen weltweit arbeitenden Forschungseinrichtungen und einer reichen Kulturszene.
Von all dem und vielen oft kuriosen und immer spannenden Ereignissen erzählt diese Kleine Stadtgeschichte.
Zum Autor
Dieter Diestelmann (1926–2008) war von 1960 bis 1991 als Ressortleiter für Politik bei der „Braunschweiger Zeitung" tätig. Er veröffentlichte mehrere erfolgreiche Bücher über seine Heimatstadt Braunschweig.
Dieter Diestelmann
Braunschweig
Kleine Stadtgeschichte
VERLAG FRIEDRICH PUSTET
REGENSBURG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
eISBN 978-3-7917-6031-5 (epub)
© 2014 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg
Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg
Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2597-0
Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf www.verlag-pustet.de
Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de
Vorwort
Die Stadt Braunschweig hatte am 31. Dezember 2004 – laut Melderegister – 239 921 Einwohner. Bis 2013 wuchs die Zahl auf 245 798 an. So steht es im Internet unter www.braunschweig.de. Und auch die geografische Lage der Stadt ist dort vermerkt, nämlich Nördliche Breite 52 Grad 16 Minuten 38 Sekunden und Östliche Länge 10 Grad 31 Minuten 28 Sekunden, wobei es sich um die Mitte des Andreas-Kirchturms als Messpunkt handelt. Wer Braunschweig besuchen will, braucht das allerdings nicht unbedingt zu wissen – die Stadt liegt an der A 2 in Richtung von und nach Berlin –, aber es ist ein Faktum, und Fakten sind bei der Darstellung einer Stadt zu registrieren.
Fakten ja, aber wirklich alle? Und wenn es sich um Historie handelt, welche Art Fakten sind unabdingbar? Was ist eigentlich Stadtgeschichte? Was gehört dazu? Hier nun beginnen die Schwierigkeiten. Sind es nur oder im Wesentlichen die Herren über eine Stadt – Stammesfürsten, Herzöge, Bischöfe mitunter auch –, die es als Gründer und Förderer eines Gemeinwesens zu nennen gilt? Sicher nicht. Oft genug ist der Gründer ohnehin nicht bekannt oder zumindest nicht nachweisbar, weil die Anfänge einer Stadtgeschichte im Dunkel der Vergangenheit verborgen sind. Und damit wären wir wieder bei Braunschweig.
Was wissen wir von dieser Stadt? Fernhändlern verdankt sie ihr Entstehen. Unermesslich reich muss sie einmal durch eine tüchtige Kaufmannschaft gewesen sein, eine der wichtigsten Städte des Mittelalters und »Vorort des Sächsischen Drittels der Hanse«. Die Sache mit dem Reichtum hat sich später erledigt und ist auch heute nicht gerade brennend aktuell, aber eines wird hier deutlich: Hatte seinerzeit ein Fürst fördernd einzugreifen vermocht, so er denn wollte, die Menschen, die in dieser Stadt lebten und arbeiteten, haben ihr Charakter und Gesicht gegeben. Das machte sie stolz und selbstbewusst. Manches an Überlieferungen bezieht sich denn auch nicht auf fürstliche Aktivitäten, sondern auf Dinge, die dem Volk zu verdanken sind.
Abb. 1: Werbung der Firma Steger, 1914.
Herzog Heinrich der Löwe ist aus der deutschen Geschichte nicht wegzudenken, und umfangreich ist die wissenschaftliche Literatur über diesen mächtigen Fürsten, aber der Dichter, der widmete sich – auch – der Braunschweiger Wurst: Heinrich von Kleists »Der zerbrochene Krug«, 5. Auftritt. Dorfrichter Adam versucht den inspizierenden Gerichtsrat Walter abzulenken und fährt dazu schweres Geschütz auf: »Kann ich inzwischen mit einem guten Frühstück, Wurst aus Braunschweig, ein Gläschen Danziger etwa …?«
Die Braunschweiger Wurst ist auch heute noch berühmt. Oder die Mumme, im Mittelalter ein weit über Braunschweigs Grenzen bekanntes und geschätztes Starkbier, das irgendwann zu einem süßen Kraftspender mutierte ohne auch nur die geringste Spur von Alkohol. Unbegrenzt haltbar, wurde die Mumme mit Schiffen in alle Welt transportiert. Im Ersten Weltkrieg gehörte sie als Mittel gegen Mangelerkrankungen zur Bordverpflegung der deutschen Kriegsflotte. Die Behauptung, auch Christoph Kolumbus habe bei seiner Entdeckung Amerikas möglicherweise Mumme an Bord gehabt, dürfte wohl eher dem – wie man sagt – etwas skurrilen wie manchmal auch ein wenig groben Humorverständnis der Braunschweiger zuzuordnen sein. Für eben dieses wird gern Till Eulenspiegel genannt. In dem Dorf Kneitlingen vor den Toren Braunschweigs soll er geboren sein, so es ihn wirklich gegeben hat, was manche Historiker bezweifeln. In Braunschweig hat er dann als Bäckergeselle anstatt Brot seine Eulen und Meerkatzen gebacken und sich so den Zorn seines Meisters zugezogen.
Aber nicht nur Schlachter, Bäcker und Mumme-Brauer prägten das Bild Braunschweigs. Im Hotel d’Angleterre des Rüttger Heinrich Rönckendorff auf der Breiten Straße hatte von 1780 an bis ins 20. Jahrhundert hinein der nach strengen Regeln geführte »Große Club« sein Domizil, ein Treffpunkt der geistigen Elite der Stadt, dem neben Professoren, Hofbeamten und gebildeten Handelsherren auch Lessing und der Braunschweiger Dichter und spätere Geheime Justizrat Johann Anton Leisewitz angehörten.
Es gab Wissenschaftler, so den Mathematiker Richard Dedekind, letzter Doktorand von Carl Friedrich Gauß, wie auch Künstler und Schriftsteller: den Abenteurer Friedrich Gerstäcker zum Beispiel, Ricarda Huch und ihre schreibenden Familienmitglieder Rudolf, Friedrich und Felix, dann Wilhelm Raabe, auch die wegen eines Jubel-Poems im Dritten Reich heute kaum noch genannte Ina Seidel. Und eine ganz besondere Erfolgsgeschichte hat ihren Anfang in Braunschweig genommen: Deutschlands Fußball. Konrad Koch, Gymnasiallehrer am Martino-Katharineum, übersetzte die Fußballregeln aus dem Englischen. Als dann sein Kollege August Herrmann aus England einen ledernen Fußball mitbrachte, ging es los mit dem Fußballspiel als Schulsport. Das war im Herbst 1874.
Mehr noch wäre zu berichten, denn die Geschichte einer Stadt setzt sich mosaikartig aus vielen Details zusammen, aus wichtigen Begebenheiten wie auch aus kleinen Geschehnissen am Rande. Geniale Denker hinterlassen ihre Spuren, aber auch die Narren und närrischen Originale, die das Leben bunt machen. Wer könnte das alles auflisten? So wird mancher Leser dieser »Kleinen Braunschweiger Stadtgeschichte« vielleicht etwas vermissen, aber den Anspruch auf Vollständigkeit kann selbst die »Braunschweigische Landesgeschichte – Jahrtausendrückblick einer Region« nicht erheben, wie wir festgestellt haben, und die umfasst immerhin 1263 Seiten.
Braunschweig,
im Frühjahr 2006; aktualisiert im März 2014
Dieter Diestelmann
Nur eine Legende erzählt, wann und wie alles begann
Es war die größte Fete, die Braunschweig je erlebt hat. So ist zu vermuten. Drei Tage lang – vom 19. bis 21. August des Jahres 1861 – feierte die Bevölkerung. Mit Fahnen und Girlanden hatte sich die Stadt geschmückt. Paraden gab es, Theateraufführungen auch und Historienspektakel überall. Militärkapellen spielten und Massenchöre sangen. Anlass: Es galt, das tausendjährige Bestehen der Stadt Braunschweig zu bejubeln.
Höhepunkt war am dritten Tag der große Festumzug aller Stände und Gilden, der Vereine und Verbände, der Ehrenjungfrauen und der alten Krieger natürlich auch. Von den Sammelplätzen vor dem Petritor und auf der Hildesheimer Straße zogen die Teilnehmer ab 11 Uhr durch die verschlungenen Straßen und Gassen der Innenstadt zum Bohlweg, wo Herzog Wilhelm den Zug in einem Zelt vor dem Schloss erwartete. Weiter ging es bis 17 Uhr hin zum »Kleinen Exerzierplatz«, heute Standort des TU-Gebäudes mit dem Naturhistorischen Museum. Dort wurde dann in großen Zelten getanzt. Und reich gedeckt waren die Tische.
Nur eines gab es damals nicht: Es gab keinen Anlass zum Feiern. Braunschweigs Gründungsdatum war nämlich in Wahrheit gar nicht bekannt und ist es im Grunde bis heute nicht. Vermutlich war das auch damals manch einem klar, denn es ist ein Spruch überliefert, den ein Spaßvogel an sein festlich geschmücktes Haus gemalt haben soll: »War dat Datum ook nich richtig, fi’ert ward et doch recht düchtig«. Ausgelöst hatte dieses Drei-Tage-Spektakel wohl Hermen Bote, der etwa um 1450–1520 lebte.
Abb. 2: Braunschweig in einer Darstellung (Teilansicht) aus Hermen Botes »Sachsenchronik«. – Holzschnitt 1492.
Bote berichtet, die sächsischen Herzöge Bruno und Dankward, zwei Brüder, hätten Braunschweig gegründet. Bruno habe eine Siedlung auf dem Ostufer der Oker errichtet, die den Namen Brunoswiek erhalten habe. Dankward, so heißt es, baute die Burg Dankwarderode sowie eine Kirche zu Ehren des heiligen Petrus und zog eine Mauer um das Areal. Später hätten die beiden Brüder eine neue Siedlung diesmal auf dem Westufer angelegt, nun dieser den Namen Brunoswiek oder Brunswiek gegeben, während die erste Siedlung als »Alte Wiek« weiterbestand. Und diesen Namen gibt es bis heute. Das neue Brunswiek erhielt eine dem heiligen Jakobus geweihte Kirche, die etwa dort stand, wo heute der Eiermarkt ist. An deren Turm war die Zahl 861 zu lesen. Für Bote bezeugte sie das Jahr der Gründung Braunschweigs.
BIOGRAFIE
Ganz falsch ist diese Darstellung sicher nicht, abgesehen davon, dass Bruno und Dankward keine Herzöge waren, sondern